Summer Breeze 2014 - Dinkelsbühl

24.10.2014 | 20:08

13.08.2014,

Summer Breeze 2014: Das "Wacken des Südens" sprengt wieder einmal die eigenen Grenzen und wartet mit 111 Bands und vier Bühnen auf.

ABORTED (Pain Stage)
Noch nicht allzu lange wach, werde ich pünktlich zu Muttis Essenszeit um 12 Uhr vor die Pain Stage geschleppt, um mir das Frühstücksgeprügel eines Haufens Belgier zu geben. Und eines sage ich euch: ABORTED wirkt besser als jedes koffeinhaltige Getränk es jemals könnte. 45 Minuten Brutal Death Metal und ich bin wieder auf Betriebstemperatur. Sänger Sven de Caluwe, die einzige Konstante in dieser sich ständig wandelnden Band, ist bester Laune (das heißt, er erzählt frei von der Leber, dass seine zwei liebsten Dinge im Leben Scheiße sowie seine Ex-Freundin sind...) und versteht es, seine Krawalllaune zu so früher Stunde problemlos auf die willige Meute, die durchaus zahlreich erschienen ist, zu übertragen. Seine Söldner im Hintergrund performen tadellos und grooven sowie blasten alles in Grund und Boden. Einziges Manko des Gigs: Für mich werden alle Knaller des Sets bereits im ersten Drittel verballert, weshalb der Auftritt nach hinten hinaus etwas an Intensität einbüßt. Ansonsten bleibt mir nur festzustellen, dass ABORTED wohl das bestmögliche Festivalfrühstück ist und zum mittäglichen Grillen einer schönen Schlachtplatte anregt. Bon Appetit!

[Oliver Paßgang]

HERETOIR (T-Stage)
Um halb drei wird es gleich zum Start im Zelt unerwartet voll: HERETOIR zieht mit düstermelancholischem Post Black Metal so einige Zuschauer an und kann mehr als nur überzeugen. Frontmann und Gitarrist David lässt die langen Dreds schwingen, singt mal ergreifend klar und dann wiederum böse keifernd. Nach einem noch unbetitelten Song vom nächsten Album folgt 'Eclipse', dem Signal für Gastsänger Torsten (AGRYPNIE, NOCTE OBDUCTA), der bei den vier Augsburgern schon auf der vergangenen Tour mit DORNENREICH am Bass ausgeholfen hat. Gemeinsam mit Dave keift er um die Wette und sorgt für den ersten Höhepunkt des Gigs. Aber auch Songs wie 'Fatigue', 'Graue Bauten' oder das obligatorische Abschluss-Instrumental 'Inhale' werden von den Fans abgefeiert. Für Torsten und David ist aber noch lange nicht Feierabend: Drei Stunden später stehen sie auf der Camel Stage nebenan wieder am Mikrofon. Die Sängerin von TODGELICHTER ist kurzfristig krank ausgefallen, Torsten schmeißt sich kurzer Hand in weiße Klamotten und weiße Tünche – und holt wiederum David als Gastsänger auf die Bühne. Für die Fans noch ein einmaliges Extra-Bonbon.

[Carsten Praeg]


CALIBAN (Pain Stage)
Mit dem letzten Album "I Am Nemesis" hat CALIBAN für mich persönlich wieder erheblich an Relevanz gewonnen und aus meiner Sicht insbesonderen live enorm zugelegt. Auch "Ghost Empire" finde ich richtig gut, jedoch muss ich beim inzwischen dritten seit der Veröffentlichung von mir besuchten Konzert der Essener feststellen, dass die Songs zwar absolut in Ordnung, jedoch nicht wirklich für die Bretter dieser Welt geschaffen sind. Da CALIBAN aber ganz selbstbewusst sieben der zwölf Nummern von diesem Album nimmt, ist es auch trotz noch so viel Engagement schwierig, hier wirklich ein Fest abzureißen. Umso deutlicher wird der Unterschied zwischen alt und neu, wenn dann mal ein "älterer" Song ausgepackt wird ('I Will Never Let You Down'). Es ist absolut legitim, dass die Band den nächsten Schritt gehen möchte und dafür radikal sämtliche alten Hits außen vor lässt, aber dann muss sie auch damit rechnen, Fans zu enttäuschen. In meinem Fall ist es aber noch nicht einmal das, sondern mich reißt der neue Kram live einfach nicht so recht mit – und das finde ich verdammt schade. Da bleibt alles andere fast eine Randnotiz. Genug Leute vor der Bühne feieren CALIBAN jedoch ab, so dass ich mit meiner Meinung möglicherweise auch halbwegs allein dastehe. Daher bin ich sehr gespannt, wohin die Reise dieser mutigen Band als nächstes geht. Vielleicht nicht in meine Richtung, aber mit Sicherheit weiter.


[Oliver Paßgang]


ARCH ENEMY (Main Stage)

Weiter geht die Reise auch für ARCH ENEMY mit neuer Sängerin: Alissa White-Gluz ersetzt Angela Gossow. Und zwar in jeder Hinsicht würdig. Gesanglich fällt einem zumindest live der Unterschied im Prinzip nur dann auf, wenn man ganz genau hinhört, und von der Ausstrahlung her hat der junge Blaugrünschopf auch so einiges auf dem Kasten. Da werden neue Songs gleichwertig neben alten präsentiert, wobei man nie den Eindruck hat, dass es für die gute Dame am Mikro jetzt ein Problem wäre, in die nicht gerade kleinen Fußstapfen ihrer Vorgängerin zu treten. Doch gerade weil die gesamte Aufmerksamkeit der neuen Sängerin zu gelten scheint, möchte ich an dieser Stelle die Hintermannschaft um Michael Amott herausheben, die mindestens genau so gut drauf ist wie ihre Frau am Mikro. ARCH ENEMY war für mich als Gesamtpaket schon lange nicht mehr so spannend. Zweiter Frühling? Mindestens!

[Oliver Paßgang]

EQUILIBRIUM (Pain Stage)
Man kann ja vieles über die Damen und Herren von EQUILIBRIUM sagen, man kann ihnen auch den kompletten Austausch der Mitglieder vorhalten. Aber wenn sie zu einem Konzert rufen, ist eines Gewiss: Es wird Spaß machen und lange in Erinnerung bleiben. Die Hörner zum Gruß gereckt werden können beim Eröffnungsruf 'Was lange währt', gefolgt vom 'Blut im Auge'. Ordentlich die Köpfe kreisen lassen kann man bei 'Waldschrein', wenn man nicht zu sehr mit Stage Diving beschäftigt ist. Die Stimmung wird auf die Spitze getrieben durch Lieder wie 'Wirtshaus Gaudi' und dem danach folgendem 'Met' - wer jetzt noch nicht selbiges die Kehle runterspült, ist bei EQUILIBRIUM tatsächlich fehl am Platz. Man muss wirklich sagen, die Truppe funktioniert immer noch genauso gut wie zu Gründungszeiten. Die neue Bassistin überzeugt ebenso. Wer nach den zwei Liedern noch nicht von 'Wingthors Hammer' getroffen am Boden liegt, kann bei 'Der ewige Sieg' und 'Unbesiegt' noch einmal richtig die Sau rauslassen, bevor EQUILIBRIUM die Massen in den frühen Abend entlässt. Alles in allem ein sehr gelungener Auftritt!

[Benjamin Kutschus]

THE OCEAN (T-Stage)
Post Metal. Endlich mal wieder. Riesig ist die Vorfreude auf (die angeblich erst wenige Minuten zuvor eingetroffenen) THE OCEAN, in dem Bewusstsein, dass der Schatten des Zeltes ein besonders nahrhafter Boden für die Musik der einstigen Berliner sein könnte – und ich sollte mich nicht täuschen. Wie in der Vergangenheit so oft setzt THE OCEAN auch heute wieder ganz auf ihr starkes aktuelles Werk "Pelagial" und präsentiert ausschließlich Songs von diesem. Langsam geht es von der Wasseroberfläche tief hinab auf den Grund des Ozeans, auf der Leinwand wie in der Musik. Diese Reise in diese Tiefe ist selbst gekürzt unglaublich überzeugend. Man merkt gar nicht, wie leise Töne immer lauter werden, wie schwarz über grau hin zu schwarz verschwimmt, wie man selbst von gefälligem Kopfnicken zur exzessiven Körperdemontage wechselt. Dieser Auftritt packt einen, reißt einen mit und lässt einen erst nach den allerletzten Tönen los, die so tief, dunkel und langsam sind, dass man der festen Überzeugung ist, bei Verlassen des Zeltes würde es kein Tageslicht mehr geben; vielleicht überhaupt nie wieder Licht. Riesige Band, riesiger Gig.

[Oliver Paßgang]


DOWN (Main Stage)
Zu einem Konzert von DOWN könnte man theoretisch jedes Mal ein ganzes psychologisches Profil des Herrn Anselmo erstellen. Was der innerhalb von 75 Minuten für einen Müll absondern kann, ist einfach faszinierend. Mal zum Totlachen, mal zum Fremdschämen. Ist er noch so etwas wie eine Ikone der Szene? Ich weiß es nicht. Ein großer Charakter jedoch mit Sicherheit. Dessen ist er sich durchaus bewusst, denn ich kann mir kaum vorstellen, dass andere Musiker sich so unprofessionell benehmen können, ohne die Unmut des Publikums auf sich zu ziehen (und sei es nur ob der dadurch wenigen gespielten Songs). In gewisser Weise gehört das natürlich auch zum Charme dieser chaotischen Ami-Truppe, aber dieses Konzert hier auf dem Summer Breeze... nun gut. Ich möchte darauf jetzt gar nicht im Detail eingehen, da es an dieser Stelle eigentlich um Musik gehen soll, die tatsächlich auch noch gespielt wird. Mein knappes Fazit dazu: Ordentlich, solide, aber, auch aufgrund der Setlist, deutlich schwächer als in den letzten Jahr. Solange DOWN "NOLA" strapaziert ist die Welt in Ordnung, darüber hinaus kann ein Konzert dann schnell mal langatmig werden. Und einen Kirk Windstein ersetzt man halt auch nicht mal eben so. Wirre Worte? Ja – für ein ganz cooles, aber noch deutlich wirreres Konzert mit einem der größten Wirrköpfe dieses Planeten.

[Oliver Paßgang]

BEHEMOTH (Pain Stage)

Bei sich nun ausbreitender Dunkelheit steht sehr passend die schwarze Messe an. Musste die Band auf dem Wacken vor zwei Wochen noch in der Mittagshitze auf die Bretter, so ist die Nacht nun wohl genau das Ambiente, was BEHEMOTH braucht, um sich voll entfalten zu können. Nergal hat das Ritual seines Auftritts inzwischen sicher unzählige Male durchgeführt und doch ist es jedes Mal aufs Neue intensiv, konzentriert und direkt. Hier ist ein Mann am Werk, der genau weiß, welche Knöpfe er drücken muss, um welche Wirkung zu erreichen. Das gilt in gleichem Maße für das, was die Lauscher erreicht: Von 'Blow Your Trumpets Gabriel' über 'Christans To The Lions' bis hin zu 'O Father O Satan O Sun!' erreicht die Musik, auch dank der starker Leistung der Herren an seiner Seite, einfach die schwarze Seele in einem. Druckvoll prasselt es auf einen hinunter, so dass die Wahl zwischen Abgehen ohne Verstand und genauem Beobachten des Bühnengeschehens eine furchtbar undankbare darstellt. Doch wenn eine Band sowohl fürs Auge als auch fürs Ohr gleichermaßen viel bietet und dabei auf beiden Ebenen nahezu perfekt agiert, dann kann das Fazit nur begeistert positiv sein. BEHEMOTH scheint mir in dieser Form stärker als je zuvor.

[Oliver Paßgang]

CHILDREN OF BODOM (Main Stage)
Ich bin mir nicht sicher, ob an diesem Abend Vertreter des "Guinness Book of World Records" anwesend sind und die Finnen um Alexi Laiho versuchen, einen ähnlichen Rekord aufzustellen wie es einst MANOWAR als lauteste Metal Band der Welt getan haben. Nur eben nicht als lauteste, sondern als leiseste! Ja, you can 'Hate Me!' (im übrigen auch der Opener, mit dem das Dilemma anfängt) für das, was ich hier schreibe. Aber es ist die Wahrheit! Ich, der CHILDREN OF BODOM schon seit 1998 regelmäßig auf Festivals und Konzerten besucht, habe bisher noch kein Konzert der fünf Jungs gesehen, auf dem man sich in normaler Stimmlage mit seinem gegenüber unterhalten kann. MAN MUSSTE SICH ANSCHREIEN KÖNNEN! Leise und gemütlich geht es weiter mit 'Needled 24/7', 'Kissing the Shadows'und 'Bodom Beach Terror', um eine stabile Grundlage zu schaffen. Der gesamte Auftritt bewegt sich um die Alben "Follow the Reaper", "Hate Crew Deathroll" und "Are You Dead Yet?", wobei die erst genannten zwei den Schwerpunkt darstellen. In der Hoffnung, der Techniker des Turms findet noch irgendwann einmal den "LOUDER!"-Button - das Publikum um uns herum fordert es zumindest - werden schwere Geschütze aufgefahren:'Sixpounder'. Leider hört sich auch dieser Kracher an wie ein Kleinkaliber auf dem Schießstand und das Publikum kommt ebenfalls nur schwer in Bewegung. Erst bei dem Song 'Hate Crew Deathroll' vom gleichnamigen Album, gefolgt von 'Lake Bodom', kommt Dynamik in die Massen und man sieht einige Diver. Der sich erwärmenden Menge wird mit 'Angels Don't Kill' nun Zeit gegeben, sich etwas zu beruhigen - eine klasse Synchroneinlage zwischen Alexi an der Gitarre und Janne am Keyboard. Im übrigen mit nur einem Manko: ZU LEISE! Wenn man nach einer solchen Ballade nun die Frage 'Are you Dead Yet' mit Ja beantworten kann, wird daraufhin aufgefordert, mit 'Follow the Reaper' gleich mitzukommen. Ausklingen ließen es die Finnen mit den Songtiteln, die diesem Auftritt eine gewisse Ironie verleihen: 'Silent Night, Bodom Night' und 'Downfall'. Habe ich übrigens schon erwähnt, dass der CHILDREN OF BODOM sehr leise war dieses Jahr? [Haste schon während dem Gig mehrfach, und zwar bei Zimmerlautstärke klar und deutlich zu verstehen ;-) Anm. v. Carsten]

[Benjamin Kutschus]

THE HAUNTED (T-Stage)
Für mich persönlich ist die Entscheidung, ob ich mir zur Headliner-Zeit finnisches Gedudel oder schwedisches Geprügel gebe, keine schwierige – ab zu THE HAUNTED ins Zelt. Viele haben die gleiche Wahl getroffen, so dass die Kulisse für die nicht gerade von Erfolg verwöhnte Band durchaus ansehnlich ist. Die Göteborger lassen sich nicht zweimal bitten und hauen einem gut gelaunt ein extrem tight heruntergezocktes Thrash-Set um die Ohren. Marco Aro hat sichtlich Spaß an seiner neuen alten Aufgabe, auch wenn er im Vergleich zu Peter Dolving natürlich eher ein klassischer Schreihals ist und dessen Eigenheiten nicht verkörpert. Gesanglich macht sich das insbesondere bei den Songs der Dolving-Ära bemerkbar, die Aro anders, aber nicht mit weniger Begeisterung brüllt. Darüber hinaus ist Patrik Jensen noch ein deutlicher Aktivposten, der seine Klampfe gewohnt äußerst präzise bearbeitet. Die Meute im Zelt hat ihre Freude am Dargebotenen (so auch an 'Eye Of The Storm' vom kommenden Album) und feiert mit THE HAUNTED den heimlichen Headliner des Donnerstag ab. Ja, das war ein starker Auftritt, liebe Schweden.

[Oliver Paßgang]


TESTAMENT (Pain Stage)

Gerade noch Thrash der neuen Schule im Zelt, jetzt Thrash der alten auf der größeren Bühne: TESTAMENT. Mann, was habe ich mich auf diesen Auftritt gefreut. Die Unkenrufe, die mich vom Rock Hard Festival erreichten, versuchte ich so gut es geht zu ignorieren. Nur um wenig später festzustellen, dass der Gig heute an quasi genau den gleichen Krankheiten leidet: 1. Welcher Soundmann kommt bitte auf diese saumäßig beknackte Idee, auf einem Festival beide Gitarristen zu jeweils hundert Prozent auf eine der beiden Boxen zu legen? Das mag im Soundturm und vielleicht auch mittig vor der Bühne vielleicht super klingen, für den Großteil ist das Spielchen "Skolnick oder Peterson?" jedoch nur halb so, eigentlich sogar gar nicht lustig. 2. Warum ist der Sound darüber hinaus einfach nur furchtbar? Dieses Mal besteht nicht das auf Festivals inzwischen obligatorische Problem, dass der viel zu laute Bass im ersten Drittel eines Auftritts alles andere übertönt, sondern ist es viel mehr ein großer Haufen lauten Nichts, der einem da entgegenschallt. Die Gitarren sind drucklos, der Gesang ebenso (und dazu noch selbst bei den Ansagen mit Hall unterlegt), die Drums klingen nach Mülltonne und ineinanderfügen tut sich das alles sowieso nicht. 3. Ich will der Band jetzt keine Lustlosigkeit unterstellen, aber vielleicht schlichtweg ein Stückchen zu viel Routine. Ich kann es drehen und wenden, wie ich will: Für mich ist dieser Auftritt eine Enttäuschung. Da kann auch die gute Setlist nichts mehr herausreißen, so dass ich – für mich eigentlich ein Unding – schon vor Verklingen des letzten Tones von dannen ziehe.

[Oliver Paßgang]

ALCEST (T-Stage)

ALCEST schafft es nicht nur bei den Metaldays, die Leute in ihren Bann zu ziehen, auch beim Summer Breeze werden die Leute durch ihre Musik verzaubert. Die Melodien regen zum Träumen an und trotz der späten Uhrzeit ist das Zelt sehr gut besucht. Das Puplikum klatscht mit und sogar Frankreich-Flaggen sind zu sehen. Ich genieße die Atmosphäre, die bei ALCEST absolut nicht zu kurz kommt. Diese Band regt zum Schwelgen an, insbesondere da es durch die ruhigen und mit viel Hall versehenen Gitarrenriffs einen sehr guten Sound gibt. Die großartigen Melodien sind zu dieser späten Uhrzeit außerdem perfekt, um den Tag ausklingen zu lassen, am besten mit der Liebsten im Arm.

[Thomas R.]

(hier geht es zur dritten Seite)

Redakteur:
Oliver Paßgang

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