SODOM - Interview mit Tom Angelripper

21.06.2025 | 12:41

Danach kommt nichts mehr!

Tom, ihr habt ein neues Album, welches Ende Juni erscheint. Es hört auf den Namen "The Arsonist", also der Brandstifter. Wen meinst du damit?
Es ist weder Trump noch Putin damit gemeint, wie viele glauben. Es ist gar keine bestimmte Person. Als wir mit dem Bielak (Zbigniew M. Bielak) an dem Cover gearbeitet haben, kam irgendwann das Gespräch darauf, wie die Platte denn eigentlich heißen soll. Aber darüber hatte ich mir noch gar keine Gedanken gemacht. Wir haben dann ein paar Titel hin- und hergeworfen und ursprünglich hatte das Album den Namen "Shadowland". Der Yorck (Segatz), unser wandelndes Metal-Lexikon, meinte dann aber, es hätte da wohl schon mal eine Band gegeben, die ein Album unter diesem Namen rausgebracht hat (grinst) 

Ok, sag ich, dann lassen wir das. Und irgendwann kam einer mit dem Begriff Brandstifter. Also nicht so jemand der mit dem Benzinkanister um die Häuser zieht und Kirchen anzündet, sondern eher geistige Brandstiftung, ohne zu politisch zu werden. Ich beschreibe in meinen Texten ja nur, man findet darin keine politische Meinung oder gar einen Lösungsvorschlag. Und in Verbindung mit dem Coverartwork hat "The Arsonist" als Titel für das Album einfach gepasst. 

Das Cover ist also im Ideen-Austausch zwischen dir und dem Künstler entstanden?
Genau. Das letzte Cover hat Joe Petagno gemacht, der die legendären MOTÖRHEAD-Cover gemalt hat. Er meinte, er kennt SODOM, aber ein Experte wäre er in Sachen unserer Musik nicht, aber er wollte genau wie Bielak immer wieder Songtexte, Fragmente, Proberaumaufnahmen und so weiter - die wollten immer alles haben. 

Es gibt halt auch Künstler, bei denen gibst du ein Cover in Auftrag und irgendwann bekommst du das PDF und fertig. Entweder gefällt dir das oder nicht. Aber hier haben die sich voll auf die Musik und Texte eingelassen. Die Skelette, die sich gegenüber knieen, waren meine Idee. Eine fast friedvolle Stimmung, und da meinte Bielak, dass das der Knarrenheinz irgendwie zerstören muss. Von diesem Cover bin ich absolut begeistert, das ist sicher eines unser besten Artworks.

Die Cover von GHOST hat Bielak auch alle gemacht! Die waren mir immer etwas zu theatralisch, das passte nicht zu uns, und ich hatte auch anfangs Zweifel, ob der ein Cover für uns malen kann. Als das Cover dann auf Social Media veröffentlicht wurde, haben gleich wieder so ein paar Leute direkt KI geschrien - was eine Beleidigung für jeden Künstler und vor allem für Bielak. Da hat es mir echt in den Fingern gejuckt, das zu kommentieren. 

Ist das Album ein Konzept-Album oder gibt es eine Art thematischen Überbau?
Nein, gar nicht. Wir haben ja zum Beispiel auch einen Song über Witchhunter (Ex-SODOM Drummer Christian Dudek, verstorben am 08.09.2008) und einer ist Algy Ward gewidmet, der war mein großes Vorbild. (Alasdair "Algy" Mackie Ward, ehemaliger Sänger von TANK, verstorben 17.05.2023). Der Rest der Lyrics dreht sich wieder um Krieg und die Situation in der Welt, also: Es ist kein Konzeptalbum. Sowas hatten wir ja auch noch nie. Doch, eventuell "M16", da war ja alles auf den Vietnamkrieg gemünzt. 

Als ich die Trackliste gesehen habe, dachte ich erst, 'Witchhunter' wäre ein Lied über Hexenverfolgung, aber beim Hören des Songs war dann schnell klar, dass es ein Tribut an Chris ist.
Ja. Viele Fragen mich, warum ich das jetzt erst mache. Mein Ex-Drummer, mein bester Freund. Witchhunter war ja immer präsent, als wir neulich das SODOM Jubiläumsalbum ("40 Years Of War - The Greatest Hell Of Sodom") gemacht haben, musste unser Drummer Toni (Merkel) sich ja intensiv mit dem Spiel von Chris beschäftigen. Da hast du dich schon manchmal gefragt, hat der sich verspielt oder hat der das so gemeint? Toni ist ja auch totaler Fan vom Witchhunter, der ja einen ganz eigenen Stil entwickelt und damit eine ganze Generation von Drummern beeinflusst hat. 

Witchhunter



https://www.youtube.com/watch?v=fct4rx7L9uo

Aber Chris' Leben ist halt total tragisch verlaufen, genauso wie das von Algy Ward. Verarmt, einsam, Alkoholiker. Daher wollte ich den Witchhunter auch nicht so auf einen Sockel heben. Er war ein geiler Drummer, Gründungsmitglied von SODOM, aber... ich habe ihn ja auch immer wieder getroffen und bei den Aufnahmen zu "The Final Sign Of Evil" hat er ja auch nochmal mitgewirkt, aber das war ... eine Katastrophe. 

Der Song für Algy, da kam der Toni, der für das neue Album auch Songs geschrieben hat, mit einem Gitarrenriff an und ich sofort: Der klingt wie TANK! Lass das mal so, ganz simple, ich schreibe mal einen Text mit Floskeln, die Algy häufiger in seinen Lyrics verwendet hat und einigen TANK-Songtiteln. Aber auch wegen diesen beiden Songs ist das kein Konzeptalbum.

Über welchen Song reden wir denn eigentlich?
Ach ja, über 'A.W.T.F.'. A & W steht natürlich für Algy Ward, aber das T & F kann ich dir nicht verraten. Das ist ein Geheimnis. Das war ein Spitzname für ihn. In den 80er Jahren habe ich Algy auch persönlich kennengelernt, als wir mit TANK in England auf Tournee waren. Meine Vorbilder waren eben nicht nur CRONOS und Lemmy! 

Wo wir über euren Schlagzeuger reden. Der Drumsound auf "The Arsonist" ist super, das habt ihr wie früher analog auf einer 24-Spur-Bandmaschine aufgenommen, sagt das Promo-Schreiben.
Ja, das ist richtig. Ein Bekannter vom Toni hat ein Studio mit so einer Bandmaschine. Ob das jetzt besser klingt, kann ich dir nicht sagen, ich bin eh halb taub. Aber es fühlt sich definitiv anders an. Da gibt's einen riesengroßen Raum, wo das Schlagzeug aufgenommen wird mit 24 Mikrofonen. Aber entscheidender ist, dass wir das Schlagzeug so gelassen haben, wie wir es aufgenommen haben.  Wir haben keine Samples oder Trigger-Signale draufgelegt. 

Viele Bands machen das ja, das klingt dann nicht mehr natürlich, häufig schon so, als ob da gar kein Mensch mehr spielt, und das wollten wir nicht. Ich wollte das Schlagzeug so haben, wie es in Natura klingt. Der Eroc (Joachim Heinz Ehrig, Produzent und Musiker, u.a. GROBSCHNITT), der das Album gemastert hat, hat mir gesteckt, dass die meisten die Musik gar nicht mehr auf einer gescheiten Stereoanlage hören, so wie ich, sondern auf dem Smartphone. Dafür muss man den Raumklang dann wieder zusammenschieben und komprimieren.

Aber selbst da, ich habe die Promo auch nur als mp3 bekommen, klingt das verdammt gut.
Vielleicht liegt das daran, dass wir das Schlagzeug so roh gelassen haben wie möglich. Selbst die Gitarren haben wir noch mit Mikrofonen aufgenommen, obwohl die alle diese Kemper-Amps spielen, mit denen du direkt in das Pult gehen kannst. Ober über ein Interface direkt in den PC. Klingt auch geil, aber zwischen Mikrofon und Speaker passiert was, da ist eine gewisse Magie, das knistert. Wie gesagt, ich höre das nicht mehr alles. Wir hätten auch im Proberaum alles direkt digital aufnehmen können, aber das wollten wir nicht, und das hat uns auch eine schöne Stange Geld gekostet. Ich wollte das Album auch an einem analogen Mischpult abmischen, das hat ja auch nochmal einen ganz eigenen Klang. Wir haben uns viel Mühe gemacht, das so hinzukriegen. Toni hatte für jeden Song drei Versuche und davon haben wir uns dann die beste Version ausgesucht. Wir wollten auch erst alle in einem Raum live aufnehmen, aber wir haben das dann doch einzeln gemacht. Wenn sich sonst einer verspielt, müssen alle von vorne anfangen, weil die Gitarren auch von den anderen Mikros aufgefangen werden. 

Ich bin kein SODOM- und auch kein Thrash-Spezialist und ich gestehe, ich hätte kein so melodiöses und zum Teil auch technisch versiertes Album erwartet, ich hatte SODOM – entschuldige den Ausdruck - räudiger in Erinnerung.
Melodien können doch nie falsch sein, auch im Thrash nicht. Bei den ersten beiden Platten haben wir das aber total vernachlässigt. Frank hat eher den old-school-Thrash-Stil, MEGADETH und solche Sachen, Yorck ist mehr der epische Gitarrist, der liebt auch epische Metalbands. Wir wollen gar keine Schublade bedienen und ich sehe SODOM auch nicht als Thrash-Metal-Band. Die Härte kommt bei uns durch die Dynamik, die Vocals und den verzerrten Bass-Sound. Im Gegensatz zu SLAYER haben wir immer schöne Melodien in den Gitarrensoli gehabt. Melodisch darf es sein, aber nicht melancholisch, das mag ich nicht. 

Also ist "The Arsonist" keine Reaktion auf die Arbeit am Re-Release von "Tapping The Vein", das ja ein sehr basisches Album ist?
Nein, die "Tapping The Vein" haben wir im letzten halben Jahr gemacht, und die neuen Songs waren schon vorher fertig. Wir schreiben eh ständig Songs, einer kommt mit einer Idee, einem Riff und dann schauen wir, was sich entwickelt. Es gibt bei uns keine Songwriting-Wochen, in denen wir ein Album schreiben, das ist ein kontinuierlicher Prozess. Klar schickt Yorck mir auch mal eine Idee, die er zu Hause aufgenommen hat, als mp3 zu, aber im Endeffekt muss das im Proberaum funktionieren. Da arrangieren wir die Songs, das funktioniert bei uns nur so. Manchmal trifft man sich auch nur und trinkt ein Bier, uns ist wichtig, dass man sich auch noch regelmäßig zu Gesicht bekommt. 

Der Song 'Taphephobia' – wo ich erstmal nachschauen musste, was das heißt...
... sehr gut! Ich suche immer so Wörter, die nicht ganz so bekannt sind! 

Beim Titelstück war es auch so, dass ich nachschauen musste, was das Wort Arsonist denn bedeutet. Aber zurück zur Frage. 'Taphephobia' ist die Angst, lebendig begraben zu werden. In eurem Text geht es aber nicht darum, dass man unter der Erde in einem Sarg aufwacht, sondern auf einem Schlachtfeld, ich tippe auf den ersten Weltkrieg, verschüttet wird. 

Taphephobia



https://www.youtube.com/watch?v=zQbPkoyolXI

Ja, genau. Von VENOM gibt es den Song 'Buried Alive', da geht es darum, der Sarg geht runter und du wachst dann auf, ganz fürchterliche Vorstellung. Ich habe in Dokumentationen über den ersten Weltkrieg gelesen, dass wenn neben dir eine Granate hochgeht und das feuchte, schwere Erdreich auf dich drauf fällt, dass da schon eine Tiefe von einem halben Meter reicht und du kommst da nicht mehr raus. Das beschreibe ich dann, ich versuche, mich in den Soldaten hineinzuversetzen. Da kommen dann solche Texte raus. Mich interessiert das Schicksal des Einzelnen, die Gedanken des einfachen Soldaten, der den Kopf hinhält, nicht das große Ganze. 

Wir nähern uns dem Ende des Interviews. Die letzten Minuten brechen an. Gibt es schon Tourpläne? Bislang sind nur zwei Festival-Dates für den Sommer veröffentlicht.
Ja, das "Copenhell" und das "RockHarz"-Festival. Und das "RockHarz" ist für mich erstmal das letzte Konzert. 
Ich muss runterfahren, mein Arzt sagt zwar, dass noch alles in Ordnung ist, aber das bleibt nicht so, wenn ich so weitermache. Mit den Jungs habe ich das auch schon im letzten Jahr besprochen. Auch ohne Pläne, wann es vielleicht mal weiter geht, ich will mich da absolut nicht unter Druck setzten. 

Heißt das, nur keine Tourneen mehr oder auch keine Bandproben, keine Sessions im Proberaum, keine neuen Alben?
Genau, danach kommt nichts mehr. Es gibt keinerlei neue musikalischen Aktivitäten, außer dem Re-Release des Back-Kataloges. Da arbeiten wir natürlich permanent dran. Wenn alles gut geht, kommt die "Get What You Deserve" noch in diesem Jahr. In unregelmäßigen Abständen kommt dann der Rest. Aber es gibt keine Tourneen, keinen Proberaum mehr, davon will ich erstmal nichts mehr sehen. Ich möchte mich auch mehr um meine Familie kümmern. 
Oder um alte Freunde. Zwei haben mich vor einiger Zeit angerufen, da war ich auf Tour in Südamerika. Keine Zeit, ich melde mich bei euch. Und die Tage höre ich, die sind tot. Musik ist mein Leben, aber man muss nicht alles dafür opfern. Seit 1982 bin ich dauerhaft mit Musik beschäftigt. Mit Herzblut. Ich mach das ja gern. Aber jetzt ist mal Zeit, andere Sachen zu machen. 

Demnächst erscheint ein Buch über SODOM.
Ja, der Holger (Dr. Holger Schmenk) wollte ein Buch über die Band schreiben, es wird "Auf Kohle Geboren" heißen. Daran habe ich aber nur am Rande mitgearbeitet, hauptsächlich wenn Holger ein paar Infos brauchte. Das Buch habe nicht ich geschrieben, das wäre ja sonst meine Autobiografie, und die kann nur ich allein schreiben. Es gibt aber auch noch Leute aus der Türkei oder Amerika, die an SODOM Büchern schreiben oder die schon fertig haben. Es kommt auch ein Buch über die Diskografie von SODOM, inklusiver aller Bootlegs und so, aber das sollen die alle mal schön allein machen.

Ich bin ja auch Jäger, da muss ich mich auch um meine Pacht kümmern. Und ehrlich, ich will nicht mehr für eine Show von einer Stunde nach Mexico reisen. Ich kann das nicht mehr. Vielleicht kann man das anders organisieren, aber da will ich mir im Moment überhaupt keine Gedanken drum machen.

Auf dem "RockHarz" werden wir von Mittwoch bis Sonntag vor Ort sein, Autogramme geben, mit den Fans quatschen und ein paar Interviews geben. Wir haben ja nur 45 Minuten für die Show, das wird jetzt keine Abschiedsshow und wir werden auch dort das neue Album präsentieren. 

Tom, Danke für dieses Interview und für über 40 Jahre tolle Musik. Ihr hinterlasst eine große Lücke in der Szene!
Ein riesiges Loch!! (kichert) Nein Quatsch, so wichtig sind wir nicht. Und irgendwie geht es doch immer weiter.

Redakteur:
Maik Englich

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