ARCANE ORDER, THE: Interview mit Flemming C. Lund

25.08.2006 | 23:14

Ende November/Anfang Dezember wird das HATESPHERE/RAUNCHY/VOLBEAT-Tourpaket für ein paar Shows bei uns Station machen, das neue MERCENARY-Album steht in den Startlöchern, und mit "The Machinery Of Oblivion" gibt's eine weitere Portion Dänen-Power auf Konserve. Die Urheber des letztgenannten, vorzüglich knallenden Modern-Thrash-Böllers mit DARKANE-Zündstoff nennen sich THE ARCANE ORDER und waren unter dieser Flagge bis dato unbekannt. Da man allerdings bei nordeuropäischen Kapellen in der Regel nicht lange suchen muss, bis man auf bekannte Namen stößt, verwundert es nicht, dass auch der obskure Orden letztlich gar nicht so obskur ist. Bandgründer Flemming C. Lund klärte auf.


Oliver:
Die ersten Ideen für THE ARCANE ORDER gehen zurück ins Jahr 2000. Du hast die Band dann allerdings auf Eis gelegt, um dich den Thrashern INVOCATOR anzuschließen. Erzähl mal, was genau passiert ist.

Flemming:
Einige der Riffs stammen sogar aus dem Jahr 1999 und aus Songs, die ich zu der Zeit für meine alte Band AUTUMN LEAVES schrieb. Als AUTUMN LEAVES auseinander gingen, beschloss ich, mit diesem Projekt weiterzumachen. Aber 2000 wurde ich gefragt, ob ich bei INVOCATOR einsteigen wolle. Und da ich schon immer ein Fan von ihnen gewesen war, war ich ziemlich aus dem Häuschen und habe das natürlich gemacht. Gleichzeitig hatte ich aber auch die Nase voll vom Musikmachen, da es mit AUTUMN LEAVES zuletzt nicht gut gelaufen war. Damals hatte ich einfach nicht genug Energie, mich zwei Bands zu widmen, so dass ich mich voll auf INVOCATOR konzentrierte. Nachdem das Album ("Through The Flesh To The Soul" – Anm. d. Verf.) dann 2003 rausgekommen war, hatte ich wieder mehr Freizeit und mein Interesse an SCAVENGER, so hieß die Band früher, kehrte zurück.

Oliver:
Euer aktueller Bandname klingt verdammt nach Rollenspiel. Bist du Fan dieses Zeugs?

Flemming:
(lacht) Eigentlich wollten wir nur einen etwas originelleren Namen als den, den wir hatten. Wir mussten ihn ändern, weil es zu der Zeit einige Bands gab, die SCAVENGER hießen. Wir wollten dann einen Namen, der zur Musik passt. Einige unserer Parts klingen mysteriös und düster, weshalb wir das Wort "arcane" auswählten. Und wir hatten dann eine lange Liste mit allen möglichen Namen, probierten aus, was cool klingt, und landeten bei THE ARCANE ORDER. Es hat also nichts mit Rollenspielen zu tun. Einige sagen, dass es wegen "order" nach Mittelalterkram klingt.

Oliver:
Kasper Thomsen stellt auf der Platte 'ne Menge mit seiner Stimme an. Er singt heftiger als bei seiner anderen Band RAUNCHY, klingt dabei aber trotzdem abwechslungsreich. Hattest du ihm das im Vorfeld nahe gelegt oder verlangten die Songs danach?

Flemming:
Ein bisschen von beidem. Bevor wir ins Studio gingen, erzählte mir Kasper, dass er sich mit dieser Platte beweisen wolle. Er hatte den Eindruck, dass seine Stimme auf dem letzten RAUNCHY-Album ein bisschen zu limitiert war. Er kann zwar auch bei RAUNCHY verschiedene Dinge tun, aber bei THE ARCANE ORDER ist es einfacher, da wir extremer sind und er deshalb mehr mit seiner Stimme machen kann. Auf der anderen Seite erzählte ich ihm, dass es mir sehr gefallen würde, möglichst viele verschiedene Gesangsstile auf dem Album zu haben. Und das Coole ist, dass er sowohl growlen und shouten als auch schreien kann. Als ich mir das fertige Album anhörte, war ich ziemlich überrascht, wozu er in der Lage ist (lacht).

Oliver:
Und mit den Power-Metal-Vocals in 'The Sanity Insane' wollt ihr die Thrash-Fans auf die Probe stellen, richtig?

Flemming:
(lacht) So kann man es sehen. Obwohl die Clean-Vocals in diesem Song von unserem Produzenten Jacob Hansen stammen. Der Grund, warum er da zu hören ist, ist der, dass 'The Sanity Insane' ein alter Song ist, der auch auf der Promo-CD vertreten ist, die wir gemacht haben. Damals hatte ich die Hoffnung, dass wir zwei Sänger integrieren könnten, damit wir sowohl Power-Metal- als auch Death-Metal-Vocals haben. Ich mag so was sehr, und es würde auch gut zu unserer Musik passen, da wir melodische Refrains haben. Aber es war sehr schwierig, neben Kasper einen zweiten Sänger zu finden. Und so konzentrierten wir uns bei den neuen Songs hundertprozentig auf ihn, da er ein großartiger Sänger ist, der diesen Posten vollständig ausfüllen kann. Deshalb glaube ich auch nicht, dass zukünftige Songs derartige Clean-Vocals haben werden.

Oliver:
Würdest du Kasper als vollwertiges Bandmitglied bezeichnen?

Flemming:
Absolut! Man könnte vielleicht sagen, dass RAUNCHY Priorität haben, weil sie eine bekannte Band sind, für die es gut läuft und die vor ein paar Monaten ein neues Album rausgebracht hat. Aber ich habe es immer akzeptiert, dass die Jungs noch andere Bands haben. Boris (Tandrup; b. – Anm. d. Verf.) und Morten (Løwe Sørensen; dr. – Anm. d. Verf.) spielen beispielsweise auch bei SUBMISSION. Wir versuchen einfach, alles unter einen Hut zu kriegen, und ich glaube auch nicht, dass es Probleme geben wird.

Oliver:
Also hast du keine Angst vor möglicherweise kollidierenden Tourplänen?

Flemming:
Es könnte natürlich zu Terminschwierigkeiten kommen, aber für mich persönlich ist es kein Problem. Wir haben von Anfang an respektiert, dass jeder noch andere Bands hat. HATESPHERE haben sich beispielsweise unseren Drummer Morten für eine Session ausgeliehen. Jeder in der Band ist sehr beschäftigt, und ich habe zudem einen Job, der viel meiner Zeit beansprucht. Bis jetzt haben wir mit THE ARCANE ORDER auch noch nie live gespielt, so dass wir es noch vor uns haben, Shows zu buchen, die nicht mit den anderen Bands kollidieren.

Oliver:
Was macht Jacob Hansen zu dem idealen Produzenten für THE ARCANE ORDER?

Flemming:
In erster Linie natürlich die Tatsache, dass er ein Freund von mir ist und wir uns gut kennen. Aber auch die anderen Jungs haben in der Vergangenheit schon mit ihm gearbeitet. Und deshalb wussten wir alle, wie er ist. Er ist ein unglaublich lockerer und lustiger Typ. Wir haben ihn schon immer als das geheime fünfte Bandmitglied betrachtet, weil er uns sehr geholfen hat. Er hat seine Vocals beigesteuert, er war für die Keyboards und Samples verantwortlich, und er versteht immer unsere Ideen. Wir haben ihm beispielsweise einfach beschrieben, welchen Sound wir haben wollen, und genau so hat er es hingekriegt.

Oliver:
Haben es euch deine Freundschaft zu Jacob und die Tatsache, dass er ein Studio betreibt, in dem ihr eventuell günstig aufnehmen könnt, erleichtert, eine professionelle Promo-CD auf die Beine zu stellen?

Flemming:
Es nimmt dir ein wenig Druck, wenn du mit jemandem im Studio bist, der äußerst umgänglich ist. Da ich Jacob so gut kenne, war alles sehr relaxt, und das hilft dir bei den Aufnahmen ungemein. Klar, er hat uns auch einen guten Preis gemacht, aber es gab nichts umsonst, da er schließlich auch seine Rechungen bezahlen muss. Und der Preis war auch überhaupt nicht der Grund, warum wir zu ihm gegangen sind; wir mögen in erste Linie den Sound, den er uns liefern kann.

Oliver:
Und wie sieht's mit der Labelsuche aus? Denkst du, dass euch die Namen Jacob Hansen, RAUNCHY und INVOCATOR diesbezüglich ein wenig weitergeholfen haben?

Flemming:
Nein, damit hatte es nichts zu tun. Als wir die Plattenfirmen mit der Promo-CD bemusterten, haben wir zwar schon geschrieben, dass beispielsweise ein Mitglied von RAUNCHY dabei ist, weil wir dachten, es könnte ein wenig helfen. Aber so viel ich weiß, haben Metal Blade dem nicht allzu viel Beachtung geschenkt. Sie mochten einfach die Musik. Ich persönlich bin schon seit einigen Jahren in der Szene und habe auch gute Kontakte, worüber ich glücklich bin, da die Leute mir helfen konnten, den Namen zu verbreiten. Das hat uns ein wenig geholfen.

Oliver:
Woran liegt es, dass die dänische Szene in den letzten Jahren so kreativ war und viele international operierende Bands hervorgebracht hat?

Flemming:
Ich glaube, dass die dänische Szene schon immer ziemlich kreativ war und interessante Bands hatte; aus irgendeinem Grund fangen die Leute aber erst jetzt an, ihr ihre Aufmerksamkeit zu schenken. Und das verstehe ich nicht wirklich. Aber irgendwie haben die Leute gedacht, die dänische Szene hätte keine eigene Identität. Und durch den Erfolg von Bands wie HATESPHERE, RAUNCHY, MNEMIC oder MERCENARY haben sie bemerkt, dass es tatsächlich eine dänische Szene gibt. Ich weiß nicht, ob die Qualität wirklich besser ist als in der Vergangenheit, aber die Aufmerksamkeit ist größer geworden und das ist für uns Dänen natürlich sehr gut (lacht).

Oliver:
Ist die "Maschinerie", die ihr im Albumtitel ansprecht, ein Fluch oder ein Segen?

Flemming:
Es könnte schon eine Art Fluch sein. Heutzutage laufen viele Dinge automatisch, und das kann gut oder schlecht sein. In Dänemark ist momentan allerdings eine Tendenz zur Individualität zu beobachten. Beim Einkaufen achten die Leute darauf, keine Massenware zu kaufen – einfach Zeug, das ein bisschen anders aussieht. Natürlich sind sie dennoch Teil einer Maschinerie, aber es ist ein Trend zu beobachten, in die andere Richtung zu gehen.

Oliver:
Auf mich wirkt es so, als hätten eure Texte verschiedene Leitmotive, die immer wieder auftauchen. Liegt den Lyrics ein Konzept zu Grunde?

Flemming:
Ich habe die Texte für die drei älteren Songs geschrieben, und dafür hatte ich eigentlich kein wirkliches Konzept. Sie handeln von Sachen wie Terrorismus und dergleichen. Und dann kam Kasper und schrieb die Lyrics zu den restlichen sechs Songs. Ich glaube nicht, dass er einer bestimmten Linie folgt. Er schrieb mir ein paar Schlüsselwörter auf, wovon die Texte handeln. Und einige der Hauptthemen sind gleich. Einige handeln von Albträumen und Fantasy-Geschichten und andere sind sehr persönlich. Er liest sehr gerne Gedichte und beschäftigt sich mit Literatur, weshalb er ein sehr guter Texter ist und interessante Ideen hat. Aber die Vorstellung, ein Konzeptalbum zu machen, das einer bestimmten Linie folgt, ist sehr cool, weil ich denke, dass er dazu absolut in der Lage wäre. Vielleicht könnte man das für die nächste Platte in Betracht ziehen.

Oliver:
Wie unterscheiden sich die Ideen für Riffs und Songs, die du 1999 hattest, von denen, die du heute hast?

Flemming:
Das ist eine interessante Frage. 1999 lag der Fokus der Musik nicht so sehr auf Originalität, wohingegen das heute in fast jedem Review erwähnt wird. Und als ich mit den Riffs anfing, spielte Originalität überhaupt keine Rolle. Es ging nur darum, dass es großartig klingt. Und das finde ich heute ein bisschen schade. Ich glaube, dass die Leute manchmal den Blick fürs Wesentliche verlieren. Wenn die Musik großartig ist, warum interessiert es, ob sie originell ist? Natürlich sehe ich ein, dass es auch originelle Musik geben muss. Und heute versuche ich auch, ein wenig eigenständiger zu sein, einfach um einen eigenen Sound zu entwickeln, bei dem die Leute sagen: "Hey, das sind definitiv THE ARCANE ORDER." Mit den neuen Songs wollen wir eine Art von Identität schaffen.

Oliver:
Man kann heutzutage ohnehin nichts völlig Neues mehr kreieren.

Flemming:
Genau. Manchmal muss man gewisse Regeln befolgen, wenn man Musik schreibt. Es gibt auch neue Bands wie SPAWN OF POSSESSION, die extrem technisches Zeug spielen und damit herausstechen und anders klingen. Gleichzeitig kann man sich fragen, ob es diese Musik wirklich wert ist, gehört zu werden. Es ist eigenständig und komplex, aber auch nicht angenehm zu hören. Aber es ist gut, dass es verschiedene Meinungen gibt und einige es mögen und andere nicht. Manchmal denke ich, dass es schade ist, dass sich die Szene so stark entwickelt hat. Natürlich ist es gut, dass es für jeden etwas gibt, aber teilweise geht es nur darum, etwas zu machen, das abgefahren ist, anstatt etwas zu machen, das großartig klingt. Und das verstehe ich nicht ganz.

Oliver:
Würdest du sagen, dass THE ARCANE ORDER eine Mischung deiner früheren Bands ist, die mit einer kalt-maschinellen Atmosphäre verfeinert wurde?

Flemming:
In punkto Technik hat es sicher etwas von INVOCATOR. Als ich anfing, bei INVOCATOR zu spielen, habe ich sehr viele neue Dinge bezüglich der Rhythmusgitarren gelernt. Meine Vorgänger waren extrem gute Gitarristen gewesen, und ich musste beim Spielen jederzeit die hundertprozentige Kontrolle haben, weil alles total durchstrukturiert war. Und weil mir diese Art des Spielens sehr gefiel, habe ich versucht, das auch bei THE ARCANE ORDER einzubringen. Bei AUTUMN LEAVES lief alles ein wenig chaotischer ab; man konnte mehr oder weniger spielen, was man wollte (lacht). Deshalb würde ich nicht sagen, dass so viel von AUTUMN LEAVES in THE ARCANE ORDER steckt. Mit THE ARCANE ORDER versuche ich, etwas Anderes zu machen. Zum Beispiel nutze ich verschiedene musikalische Skalen, um den Sound anders klingen zu lassen. Anhand der Reviews des Albums sehe ich, dass viele Leute uns ein wenig mit RAUNCHY vergleichen, was natürlich an Kaspers Vocals liegt, aber auch an den melodischen Parts. Sie waren allerdings absolut kein Einfluss für uns, und wir hatten auch nicht die Absicht, wie sie zu klingen.

Oliver:
Ihr seid auf jeden Fall deutlich thrashiger.

Flemming:
Ja, das würde ich auch sagen.

Oliver:
DARKANE dürften allerdings schon ein Einfluss für euch sein.

Flemming:
Ja, ich bin seit "Rusted Angel" (1999er Debüt der Schweden – Anm. d. Verf.) großer DARKANE-Fan. Und deshalb habe ich auch Lawrence Mackrory (schrie sich auf "Rusted Angel" in die Klapse – Anm. d. Verf.) kontaktiert, um ihn die Promo-CD einsingen zu lassen. DARKANE haben eine interessante Auffassung von Musik. Sie sind exzellente Musiker, und sie haben großartige Kompositionen. Ich respektiere ihre Arbeit und mag all ihre Platten. Sie sind ein großer Einfluss für uns.

Oliver:
Welcher Song des Albums bringt euren Sound am besten auf den Punkt?

Flemming:
Schwer zu sagen. 'Infinite Ghost Anathema' beispielsweise hat zwar alle Elemente, die man auch in den anderen Songs finden kann, wie die schnellen und groovigen Parts und coole Solo-Sachen. Aber gleichzeitig zeigt ein Track wie 'Flames Of Liberation', der der extremste Song der Platte ist und der letzte, den wir geschrieben haben, eine mögliche Richtung auf, in die neue Songs gehen könnten. Bei dem Song haben wir vielleicht noch mehr Originalität eingefangen als bei den anderen.

Oliver:
Wie würdest du jemandem, der noch nie zuvor 'ne Metal-Platte gehört hat, beschreiben, wie euer Album klingt?

Flemming:
Es klingt nach Extremität (lacht). Ich weiß nicht, es wäre schwer, wenn jemand noch nie eine Metal-Platte gehört hätte. Für mich ist es natürlich hauptsächlich Thrash Metal. Wir haben viele Old-School-Elemente in unseren Songs, um sie kraftvoll, heavy und groovig zu machen; andererseits integrieren wir auch moderne Sachen wie Keyboards und Samples, um schließlich eine Mischung zu haben, die aggressiv ist und diese kalte Atmosphäre verbreitet.

Oliver:
Wie würdest du deine Gefühlslage beschreiben, jetzt, da die Platte endlich rausgekommen ist?

Flemming:
Glücklicherweise kamen schon die ersten Reviews, anhand derer wir sehen konnten, dass die Leute die Platte zu mögen scheinen. Die ersten Riffs sind sieben Jahre alt, und es ist schon lustig zu sehen, dass die Platte nun veröffentlicht wird. Wir sind natürlich extrem gespannt, was passieren wird und wie die Kritiker und natürlich die Hörer die Platte aufnehmen werden.

Redakteur:
Oliver Schneider

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