Village, The - Das Dorf
- Regie:
- Shyamalan, M. Night
- Jahr:
- 2004
- Genre:
- Drama
- Land:
- USA
- Originaltitel:
- The Village
2 Review(s)
26.04.2009 | 08:54Mit M. Night Shyalamans Filme polarisieren: Entweder man mag sie oder man kommt damit überhaupt nicht zurecht. Für "The Village" - seine bis dato letzte Produktion von 2003/2004, bei welchem er wie gewohnt Autor, (Mit-)Produzent und Regisseur in Personalunion darstellt - gilt das im besonderen Maße. Der Trailer war höchst ungünstig zusammen geschnitten, denn er suggerierte einen Horrorstreifen, was weiter nicht von der wirklichen Handlung hätte entfernt sein können. Der Film ist ganz anders als seine bisherigen Werke, sei es "The 6th Sense", "Unbreakable" oder "Signs". Dementsprechend groß war das Aufheulen hernach bei manch enttäuschtem Zuschauer. Soviel zur Erwartungshaltung bei falschem Marketing. Vielleicht ein Grund, warum die DVD sich seit ihrem Release 2005 vergleichsweise schlecht verkaufte, sodass man sie derzeit, schon für um die 5 Euro herum, beinahe hinterher geworfen bekommt.
Zur Story
Das Dorf-Idyll des kleinen auf einer Lichtung gelegenen Covington in den Wäldern Pennsylvanias ist trügerisch. Hier wo die Zeit auf dem Level des 19. Jahrhunderts stehen geblieben zu sein scheint, existieren einige Beschränkungen. Den Bewohnern ist es nicht erlaubt den umgebenen Wald zu betreten oder gar zu durchqueren, denn dort - so heißt es - hausen grausame, fleischfressende Wesen, die so genannten "Unaussprechlichen", sodass es den Menschen nicht vergönnt ist ihre Isolation zu durchbrechen und beispielsweise in die angrenzende Stadt zu gelangen, ohne diese Kreaturen zu provozieren. Diese reagieren zudem ausgesprochen gereizt auf die Farbe Rot, weswegen auch alles Rote verboten ist und unverzüglich vergraben werden muss. Es gibt allerdings einen Pakt der - etwas Geheimnis krämerischen - Dorfältesten mit den Unaussprechlichen, dass solange niemand den Wald betritt auch keine Übergriffe auf das Dorf stattfinden.
Kleinere Regelübertretungen, etwa durch die übermütige Dorfjugend, werden für gewöhnlich durch ein schmackhaftes Tieropfer wieder ausgebügelt. Dieser Frieden hält nun schon lange Jahre. So hat etwa keiner der Jüngeren je das scheußliche Antlitz eines dieser Wesen zu Gesicht bekommen, dennoch ist man stets ängstlich, überaus misstrauisch und bewacht den fackelbeleuchteten Waldrand des Nächtens mit Argusaugen vom Wachturm aus. Dann aber ereignen sich gleich mehrere Dinge, welche die Verhältnisse inner- und außerhalb der Dorfgemeinschaft nachhaltig stören sollen. In letzter Zeit werden gelegentlich Nutztiere tot aufgefunden, die grausig zugerichtet wurden. Der Rat gibt die Parole heraus, dass es sich hierbei um das Werk von Raubtieren handelt. Gemunkelt wird in der Gemeinschaft natürlich etwas ganz anderes, denn Raubtiere häuten ihre Beute bekanntlich nicht und lassen sie einfach herumliegen.
Der grüblerisch-introvertierte Lucius bittet den Ältestenrat, trotz der grade stattfindenden Vorfälle in die Stadt aufbrechen zu dürfen. Er möchte Medizin besorgen. Hintergrund ist der kürzliche Todesfall eines Kindes, dass nur aufgrund medizinischer Defizite hat sterben müssen. Der sensible junge Mann findet, dass so etwas nicht wieder vorkommen darf. Der Rat lehnt sein Anliegen aber ab, woraufhin er einen zaghaften Versuch startet Covington heimlich zu verlassen. Er macht zwar nach ein paar Dutzend Metern Wald sogleich wieder kehrt, doch auch diese minimale Grenzverletzung blieb nicht unbemerkt. Das Dorf bekommt des Nächtens ungebetenen Besuch und unmissverständliche Warnzeichen solcherlei Exkursionen zukünftig doch besser zu unterlassen. Lucius plagt nun das schlechte Gewissen, den Pakt gebrochen und die Gemeinschaft dadurch in Gefahr gebracht haben, doch es soll für ihn und seine frisch Verlobte Ivy noch schlimmer kommen.
Eindrücke
Diesen vielschichtigen Film zu rezensieren ist nicht einfach, denn zu schnell läuft man Gefahr zu viel vorweg zu nehmen, was dem unbedarften Zuschauer die Spannung rauben könnte. Wobei, nebenher bemerkt, nicht wenige, die den Film sahen, ihn als spannungsfreie Langeweiler-Kost schmähten. Das ist jedoch so nicht richtig - es kommt wie immer auf die Erwartungen an. Das heißt in diesem Fall, dass der, eventuell vom absolut irreführenden Trailer angefixte, splattergeile Horror-Freund besser einen großen Bogen darum macht, denn als Grusel- oder Horrorfilm taugt "The Village" in der Tat soviel, wie der Sägefisch zum Hobeln. Überdies fällt das Einsortieren in eine bestimmte Schublade generell sehr schwer, da sich Shyamalan wieder einmal einer ganzen Reihe Genres bedient hat. Mystery-Thriller und Drama dürften wohl die passendsten Begriffe sein, die ruhigen Gewissens anwendbar sind.
Natürlich spielt er, wie bei ihm üblich, mit subtil-einfachen aber effizienten Mitteln auf der Klaviatur menschlicher Ängste. Dennoch ist diese, seine bislang letzte Produktion gleichzeitig auch seine ungewöhnlichste. Den übersinnlichen Einschlag behält er zwar bei, spart sich diesmal aber eine paranormale Ausrichtung in letzter Konsequenz. Allerdings, so verrät er im auf der DVD befindlichen Interview, dass die Grundrichtung des Filmes zu Beginn eine andere war und sich erst quasi mitten in der Produktion änderte. Angeblich, als er zwischenzeitlich den wirklich gelungenen und perfekt austarierten Score mit seinem Leib- und Magen Komponisten J. N. Howard durchging. Hier liegt dann auch die eigentliche Crux, denn durch diesen ad hoc Kurswechsel schlichen sich kleinere Ungereimtheiten und handwerkliche Schwächen in die Inszenierung, was man von dem sonst äußerst akribisch vorgehenden Filmemacher so nicht kennt.
Selbstverständlich hat er auch bei "The Village" fast von Beginn an jede Menge kleiner Hinweise und Metaphern versteckt, welche sich langsam zum Gesamtbild aufsummieren. Manchmal offenbaren sich diese gar erst nach mehrmaligem Ansehen des Films, was auch dringend anzuraten ist, will man alle Nuancen dieses sehr beschaulich-ruhig präsentierten, gesellschaftskritischen - und zuweilen recht perfiden - Kammerspiels vollständig erfassen. Das einzige Problem, so es denn eins ist, liegt wohl darin, dass durch die geänderte Storyline die Climax im letzten Drittel vollständig kippt und sich bis zum Finale auch nicht wieder vollständig erholen kann, da der der Zuschauer ab dort in wichtige Details eingeweiht wurde, welche den Spannungsbogen nachhaltig konterkarieren. Die Preisgabe dieser Informationen wäre vielleicht besser erst kurz vor dem Ende geschehen. Dennoch bekommt die Geschichte trotz (oder gerade wegen?) dieses etwa inhomogen wirkenden Twists eine ganz eigenwillige Note.
Von der Ausstattung und insbesondere von der Besetzung her, hieß es klotzen und nicht kleckern. Eine recht illustre Schar versammelte sich vor der Kamera. Allesamt lieferten eine exzellente Performance ab, wobei der hochgelobte Joaquin "Gladiator" Phoenix zwar irgendwo eine - recht wortkarge - Hauptrolle innehat, die Hauptfigur jedoch eindeutig von Bryce Dallas Howard ("Das Mädchen aus dem Wasser" und überdies Tochter des Komponisten James Newton Howard), als seine blinde Verlobte Ivy, verkörpert wird. Shyamalan bewies auch mit dem Rest des Casts eine treffliche Hand: William Hurt, Sigourney Weaver, Adrien Brody und Brendan Gleeson sind beileibe auch keine Anfänger. Um Covington zum Leben zu erwecken war nicht nur das Dorf von der Pike auf aufzubauen, sondern auch über 60 Statisten heranzukarren. Der ganze Aufwand hat sich gelohnt, "The Village" ist bildgewaltig und besticht durch atmosphärisch dichte Kameraarbeit ebenso wie durch ausgeklügeltes Sound-Engineering.
DVD und Bonusmaterial
Shyalamans Produktion beschränkt sich nicht allein auf das Fertigstellen des Filmes an sich, er kümmert sich auch stets darum, wie und was auf die entsprechende DVD kommt. Daher gelten seine Releases stets als reichhaltig, auch wenn es hier "nur" zu einer Single-Disk reichte. Das Hintergrundmaterial kann sich sehen lassen und bietet interessante Einblicke hinter die Kulissen und klärt gelegentlich sogar manch offene Frage, die sich eventuell aufdrängt. Leider gibt es keinen Audiokommentar, das wäre das Sahnehäubchen gewesen, offensichtlich reichte die Kapazität einer einzigen DVD-9 dafür nicht aus. Auf den fehlenden Trailer kann man hingegen gerne verzichten. Bild und Ton sind dafür aber in absoluter Bestform. Unumgänglich ist es den Film mit geeignetem DTS- oder zumindest DD 5.1-Equipment anzuschauen, der fein abgestimmte Sound ist nämlich ein wichtiger Darsteller und kommt nur so richtig zur verdienten Geltung.
Fazit
Ein nachdenklich machender und über weite Strecken intelligent inszenierter Film abseits des Mainstreams. Manchem mag er schwer zugänglich, ja gar langweilig, erscheinen. Schlaflose Nächte erzeugt er sicher nur bei denjenigen, die sich über das Gesehene Gedanken machen, nicht wegen irgendwelcher Horror-Ambitionen. Die leisen Spuren von Grusel und Mystery sind nur untergeordnete Elemente dieser soziologischen Parabel. Punktabzug gibt es lediglich für die in letzter Instanz nicht ganz schlüssige Ausführung und kleinerer handwerklicher Unzulänglichkeiten, was aber teilweise unter die Rubrik künstlerische Freiheit und Interpretation fällt. Die DVD ist akzeptabel, kommt aber bedauerlicherweise ohne Audiokommentar und - verglichen mit anderen Shyamalan-Produktionen - recht lieblos daher, was sich schon allein im sachlich falschen Covertext widerspiegelt.
Die DVD-Daten auf einen Blick:
OT: "The Village"
USA 2004
Genre: (Mystery-)Thriller, Drama
DVD 2005, Touchstone, Buena Vista
Version: Single Disk, FSK 12
EAN: 8717418016517
Laufzeit: ca. 103 Min.
Bildformat: 16:9 Widescreen (1,85:1)
Soundformat: DTS, DD 5.1 (Deutsch und Englisch)
Bonusmaterial: Making Of Featurettes, Deleted Scenes, Fotogalerie u.a.
Produktion: Scott Rudin, Sam Mercer
Story, Drehbuch: M. Night Shyamalan
Musik: James Newton Howard
Kamera: Roger Deakins
Regie: M. Night Shyamalan
Darsteller u.a.: William Hurt (Edward Walker), Joaquin Phoenix (Lucius Hunt), Bryce Dallas Howard (Ivy Walker), Adrien Brody (Noah Percy), Sigourney Weaver (Alice Hunt), Brendan Gleeson (August Nicholson)
- Redakteur:
- Jürgen Pern
1897, irgendwo in der Wäldern Pennsylvanias. Ein dunkles Geheimnis umgibt das 60-Seelen-Dorf Covingdon, das seit Jahren mit voller Absicht von der Außenwelt abgeschnitten ist. Im Dorf heißt es, der undurchdringliche Wald sei von wilden Wesen bevölkert, mit denen man einen Pakt geschlossen habe: Kein Dorfbewohner solle einen Fuß auf das Territorium der "Unaussprechlichen" setzen, dann werde auch keines der Wesen das Dorf angreifen. Das stellt sich leider als Irrtum heraus ...
Filminfos
O-Titel: The Village (2004, USA): DVD: 17.02.2005
FSK: ab 12
Länge: ca. 103 Min.
Regisseur/Drehbuchautor/Produzent: M. Night Shyamalan
Musik: James Newton Howard
Kamera: Roger Deakins
Darsteller: William Hurt, Sigourney Weaver, Joaquin Phoenix, Bryce Dallas Howard, Adrien Brody, Brendan Gleeson u. a.
Handlung
In dem kleinen, ringsum von Wald eingeschlossenen Dorf Covingdon schreibt man das Jahr 1897 - auf den neuesten Grabstein. Der Geistliche Nicholson (Brendan Gleeson) zitiert einen Psalm, als er schluchzend seinen Sohn beerdigt. Seltsamerweise sind nirgendwo in der Kirche religiöse Symbole zu sehen. Der Dorfälteste Ed Walker (W. Hurt) dankt bei der Leichenfeier - nein, nicht Gott, sondern für die Zeit, die den Menschen gewährt wurde. Ein Satz, der sich als äußerst ironisch herausstellen soll. Walker sagt ihn später noch einmal, bei der Hochzeit seiner Tochter Kitty.
Bei der besagten Leichenfeier verstummen die Menschen, weil vom Wald her heulende Laute erklingen. Sie stammen offenbar von den "Unaussprechlichen" (Jene, worüber wir nicht sprechen), mit denen die Leute von Covingdon einen Pakt geschlossen haben: Sie meiden den Wald, und die Unaussprechlichen meiden das Dorf. Ein weiteres Verbot betrifft die Farbe Rot. Gelb hingegen gilt als "sichere Farbe". Ranger bewachen freiwillig auf Wachtürmen die Grenze, nach innen wie außen. Die Jünglinge veranstalten an der Grenze Mutproben.
Ansonsten haben es die Dörfler geschafft, wirtschaftliche Autarkie und politische Autonomie zu realisieren. Sie erwirtschaften alles selbst, und der Ältestenrat (Senat) verhandelt die anstehenden Angelegenheiten. So weit, so schön. Natürlich kann das nicht so weitergehen.
Denn Menschen agieren bekanntlich nicht nur aus vernünftigen Gründen, sondern auch wegen ihrer Gefühle. Dem Verstorbenen war der Schmied Lucius Hunt (J. Phoenix) sehr verbunden. Damit so etwas nicht noch einmal passiert, will er in die Stadt, von der er gehört hat, um dort Arznei zu besorgen. Dazu erbittet er die Erlaubnis des Senats, den Wald durchqueren zu dürfen. Hunt ist bekanntermaßen einer der mutigsten Männer. Leider auch einer der schweigsamsten. Er liest seine Bitte vom Blatt ab. Und als Kitty Walker ihm jubelnd ihre Liebe gesteht, hat er keinen Piep zu sagen. Sie ist am Boden zerstört. Auch ihre blinde Schwester Ivy (Howard) kann sie kaum trösten.
Doch Hunt hat offenbar einen Stein ins Rollen gebracht. Gehäutete Tierkadaver tauchen auf den Wiesen und Feldern auf, was seinen Höhepunkt ausgerechnet zur Hochzeitsfeier Kittys erreicht. Der geistig zurückgebliebene Noah Percy (Adrien Brody) hat Beeren in der verbotenen Farbe gesammelt. Und diese Farbe erscheint eines Morgens nach einem Besuch der "Unaussprechlichen" auf den Türen der Häuser. Walker nennt dies eine Warnung.
Doch als Lucius Hunt der blinden Ivy seine Liebe und Besorgnis gesteht und die beiden ihre Verlobung bekannt geben, ist das Verhängnis nicht mehr aufzuhalten. Der eifersüchtige Noah sticht Lucius nieder, woraufhin er eingesperrt wird. Ivy ist fest entschlossen, das Leben ihres Geliebten zu retten, denn wenn sie diese Liebe verliert, so Ivy zu ihrem Vater, so werde sie innerlich absterben.
Walker, einer der Gründer der Ansiedlung, befindet sich in der Zwickmühle: Lässt er Ivy nicht gehen, riskiert er ihren Verlust und ewigen Hass auf ihn. Lässt er sie gehen, bricht er seinen Eid, das Dorf vor den Augen der Welt verborgen zu halten. Und dafür haben er und die anderen Gründer einen guten Grund.
Als sich die blinde Ivy auf den Weg in den Wald der "Unaussprechlichen" macht, hat sie die Wahrheit über Covingdon erfahren. Doch das hilft ihr nichts. Denn ein Unaussprechlicher hat sich Ivy dennoch als Opfer auserkoren.
Mein Eindruck: der Film
"The Village" ist ein als Horrorfilm getarntes Drama über das Scheitern einer Utopie. Walker war in einem früheren Leben Professor für amerikanische Geschichte in Philadelphia. Er kennt sich mit den Utopien aus, die all die hoffnungsvollen Flüchtlinge aus Europa in den Wäldern und Prärien Nordamerikas errichten wollten, gut aus.
Covingdon ist seine persönliche Utopie, und zusammen mit Schicksalsgefährten, die ebenfalls geliebte Menschen verloren haben, hat er sie errichtet, um eine neue Generation von "unschuldigen" Menschen aufzuziehen. Diese neue Generation zehrt von den Tagen, die ihr gegeben wurden - von Walker selbst (das ist die Ironie an seinem Satz). Jeden Tag muss die Utopie neu erkämpft werden. Dafür sorgt der Ältestenrat.
Doch der Feind jeder Utopie ist die Veränderung. Deshalb lesen sich literarische Utopien so öde und langweilig: Sie sind alle statisch. Weil sich die Verhältnisse innerhalb der Siedlung verändern, kann der status quo nur unter größtem inneren und äußeren Druck aufrechterhalten werden. Die "Unaussprechlichen" sind hierbei sehr hilfreich, weil sie denjenigen mit dem Tod bedrohen, der sich anheischig macht, die Grenze in irgendeiner Form oder Richtung zu überschreiten. Der Utopie ist de facto und in den Köpfen der Dörfler zu einem Gefängnis geworden, und es ist die Aufgabe des Senats, diesen geistigen Zustand als "Frieden" zu bezeichnen. Es entwickelt sich eine klassische Wagenburg-Mentalität. Schon bald wird man Abweichler verfolgen.
Lucius Hunt jedoch folgt einer anderen Notwendigkeit. Da die Autonomie nicht ausreicht, um Medikamente zu erzeugen, müssen diese von außerhalb besorgt werden. Folglich muss sich ein mutiger Mensch durch den Wald schlagen und sie aus der Stadt holen. Dadurch wird er in den Augen des Senats - und vielleicht noch von anderen Bürgern - zu einer Bedrohung der "inneren Sicherheit". Was würde passieren, wenn die Mauern des Gefängnisses zusammenbrächen? Werden die "Unaussprechlichen" es nicht bei Tiermorden belassen, sondern auch die Dörfler in ihren Häusern angreifen? (Ich darf an dieser und vielen weiteren Stellen nicht mehr verraten, sonst würde ich die Spannung zerstören.)
Ironischerweise ahnen die Ältesten nicht, dass der viel gepriesene Pakt mit den "Unaussprechlichen" schon längst gebrochen wurde. Wie man schon früh erfährt, hat der - offenbar durch eine Hirnhautentzündung infolge Arzneimangels - geistig zurückgebliebene, kindlich agierende Noah Percy die Grenze übertreten und eine Frucht in der verbotenen Farbe gepflückt. Lucius registriert dies ganz gelassen. Er ahnt, dass etwas faul ist im Staate Dänemark. Doch der kürzliche Tod seines Freundes August Nicholson scheint ihn so deprimiert zu haben, dass ihm eine aktive Rebellion fernzuliegen scheint.
Diese Aufgabe übernimmt - ebenso aus Liebe - vielmehr Ivy Elizabeth Walker, die eigentliche Heldin des Films. In einer Umkehrung des Orpheus-Mythos spielt sie den Part von Eurydike, die in eine Art Hölle hinabsteigt, um ihren Orpheus (Lucius Hunt) zu retten. Wie der Regisseur in seinem Making-of berichtet, steht ihre emotional intensive Expedition im Mittelpunkt des letzten Drittels. Der Regisseur und Skriptautor warf alle anderen Pläne zugunsten dieses Erzählstrangs über Bord. Das tut dem Film sehr gut: Mit der mutigen, wenn auch blinden Ivy bangt, mit Ivy leidet der Zuschauer. Ob sie wohl Lucius' Leben retten kann? Und selbst wenn - wird danach das Dorf, die Utopie weiterbestehen können? Ich bezweifle es. Und wenn man am Schluss Walker genau zuhört, dann hat auch er so seine Zweifel.
Die Schauspieler
Die Darsteller bieten eine ganz hervorragende Leistung. Nachdem sie in einer Siedlung, die das 19. Jahrhundert wiederbelebt, eine "Ausbildung" erhalten hatten, fanden sie sich zu einer Art Familie zusammen und diese Vertrautheit und Solidarität spürt man. Dass Weltstars wie William Hunt und Sigourney Weaver - sie wird auf ewig das "Alien-Liebchen" sein - nur in Nebenrollen auftreten, mag verwundern. Doch die ältere Generation ist nicht entscheidend, wie ich oben dargelegt habe, sondern die junge. Die Gründer sind im Grunde die Gefängniswärter, auch wenn es nicht so aussieht. Und deshalb gilt alle unsere Sympathie den jungen Ausbrechern: Lucius Hunt und besonders Ivy Walker.
Die Filmmusik
Bekanntlich werden über fünfzig Prozent der Wirkung eines Films, ganz besonders eines Horrorfilms, von der Musik erzeugt. Die Filmmusik von James Newton Howard ist nicht nur eine der besten, die er für Shyamalan je geschrieben hat, sondern durch die Weltklassegeigerin Hilary Hahn noch eine der bewegendsten und eindrucksvollsten, die es in den letzten Jahren zu hören gab. Man sollte den Sound auf der besten Anlage hören, die zur Verfügung steht: Die DVD ermöglicht eine optimale Wiedergabe in DTS- und DD 5.1-Sound.
Die DVD
Technische Infos
Bildformate: 1:1,85, 16:9
Tonformate: D in DD 5.1 und DTS, Englisch in DD 5.1
Sprachen: D, Englisch
Untertitel: D, Englisch, Engl. f. Hörgeschädigte, Frz., Ital., Span., Türkisch
Extras (in Englisch mit dt. Untertiteln):
- Deconstructing "The Village": Auswahl der Film-Location, Casting der Hauptdarsteller, Ausbildungs-Camp, Filmmusik, Schnitt & Ton, Interviews mit den Hauptdarstellern, dem Regisseur und den Produzenten
- Deleted Scenes mit Einführung durch den Regisseur: Alarm; Die Geschichte von August Nicholson; Vor der Hochzeit; Pfeifen
- Auszüge aus dem persönlichen Tagebuch von Bryce Dallas Howard (sie spielt Ivy Walker) während der Dreharbeiten zu "The Village" im Herbst 2003.
- Night's Home Movie (ca. 4 Min.)
- Produktionsfotos: Fotogalerie
Mein Eindruck: die DVD
Das Making-of von knapp einer Viertelstunde Länge bringt auf informative Weise Fakten über alle wichtigen Aspekte der Dreharbeiten und des Films (siehe obige Liste), ohne je zu langweilen. Natürlich dürfen auch Filmszenen nicht fehlen, aber sie verleihen der Doku nicht den Charakter eines Trailers. Ein Trailer fehlt übrigens, was ich aber nicht so schlimm finde, denn ich betrachte Trailer als Werbung.
Eine sinnvolle Ergänzung bildet dazu das Tagebuch von Bryce Dallas Howard, die die Figur der Ivy Walker spielt. Ihre Notizen sind erhellend und von menschlicher Klugheit gekennzeichnet. Sie charakterisiert kurz auch die Menschen, mit denen sie zusammenarbeitete, so etwa William Hurt ("kann unendlich und sehr intelligent über jedes Thema sprechen") und Sigourney Weaver ("ihre Herzlichkeit ist in ihren Augen zu sehen"). Howard lässt durchblicken, dass J. Phoenix nicht nur vor der Kamera ihr Herz gewonnen hat, und mit Adrien Brody, einem genialen Darsteller, verbrachte sie offenbar auch eine lustige Zeit. Wie Hurt es ihr geraten hat, dankt sie dem Regisseur für das Geschenk dieser Zeit und dass er Ivy Walker zum Leben erweckt hat.
Wir wiederum dürfen dankbar sein, dass Shymalan etliche Szenen herausgenommen hat. Insbesondere jene, in der Ivy herausfindet, woher die unheimliche Töne aus dem Wald rühren. Danach darf jeder einmal herzhaft über Shyamalans früheren Versuch einer Parodie auf "Indiana Jones und der Jäger des verlorenen Schatzes" lachen.
Die Fotogalerie mit den Produktionsfotos zeigt gestochen scharfe Schnappschüsse von den Dreharbeiten. Sie bestätigen Bryce Howards Eindrücke in ihrem Tagebuch. Fotos, Tagebuch und Doku gehören also zusammen, um dem Zuschauer einen homogenen Eindruck von der Entstehung und Gestaltung des Films zu vermitteln.
Leider weist der deutsche Klappentext auf der Rückseite der Verpackung gleich zwei Fehler auf: Lucius ist keineswegs in Kitty verliebt, sondern in Ivy. Und er und sie wollen keineswegs zusammen davonlaufen, alldieweil er nämlich bereits mit dem Tode ringt.
Unterm Strich
Ohne noch mehr verraten zu wollen, möchte ich doch anmerken, dass ich die Art und Weise bewundere, wie der Regisseur es schafft eine Zeitreise zu inszenieren, ohne jemals eine Zeitmaschine einzusetzen. Wie er reihenweise ironische Effekte erzielt, ohne sie dem Zuschauer auf die Nase zu binden. Wie er ausgerechnet eine Blinde als diejenige herauspickt, die am ehesten dazu geeignet ist, zu "führen, wo andere nur folgen wollen", wie Ivys Vater zu ihr sagt. Denn Ivy sieht mit einem Herzen, das glühend liebt, und das trägt sie durch alle Gefahren und lässt sie tiefer blicken und tapferer kämpfen als jene jungen Männer, die sie eigentlich beschützen sollen, sich aber im verbotenen Wald vor Angst fast in die Hose machen.
Die DVD präsentiert sich mit einem exzellenten Sound - sogar in den animierten Menüs - und einem sehr guten Bild, wurde aber in der Verpackung relativ bescheiden ausgestattet. Die zwei Fehler im Klappentext sind auch bei Taschenbüchern gang und gäbe. Aber ärgern kann man sich darüber doch. Dafür entschädigt das Bonusmaterial, auch wenn ich mir einen Regiekommentar gewünscht hätte.
- Redakteur:
- Michael Matzer