Sebastian Bergman - Spuren des Todes
- Regie:
- Daniel Espinosa (Teil 1), Michael Hjorth
- Jahr:
- 2012
- Genre:
- Thriller
- Land:
- SWE/D/DK
- Originaltitel:
- De Fördömde
1 Review(s)
20.10.2013 | 17:14Nur teils originell: ein schräger Profiler mit Ecken und Kanten
Sebastian Bergman, einst der profilierteste Polizei-Psychologe Schwedens, war ein brillanter, hartnäckiger, zuweilen politisch inkorrekter und ruppiger Profiler. Doch der tragische Tod seiner Frau und seiner Tochter durch den Tsunami 2004 in Thailand veränderte alles. Von Trauer gezeichnet ist er in den folgenden Jahren weder fähig zu arbeiten, noch sieht er einen Sinn in seinem Leben.
Um den Nachlass seiner verstorbenen Mutter zu regeln, begibt Sebastian sich in seine Heimatstadt Västerås. Dort erfährt er, dass sein alter Kollege Torkel Höglund, Leiter der Spezialeinheit ,Rikskrim', im Falle des brutalen Mordes an einem Schüler ermittelt. Kurzerhand schließt Sebastian sich dem Team an und findet zu seiner alten Form zurück.
Im zweiten packenden Fall sind sie einem Serienmörder auf der Spur, der die Taten eines inhaftierten Mörders nachahmt, den Bergman selbst hinter Gitter gebracht hatte. Doch handelt es sich wirklich um einen Trittbrettfahrer? (Verleihinfos)
Filminfos
O-Titel: Den Fördömde (SE/DE 2012)
Dt. Vertrieb: Edel Germany
VÖ: 23.10.2013
EAN: 4029759085904
FSK: ab 16
Länge: ca. 175 Min.
Regisseur: Daniel Espinosa (Teil 1), Michael Hjorth
Drehbuch: Michael Hjorth, Hans Rosenfeldt
Musik: Jon Ekstrand, Philippe Boix Vives
Darsteller: Rolf Lassgard, Moa Silén, Christopher Wagelin, Tomas Laustiola, Gunnel Fred u.a.
Handlung von Teil 1: Der Mann, der kein Mörder war
Bergman, einst Schwedens bester Profiler, ist echt auf den Hund gekommen. In einer Polizeiveranstaltung soll er sein neues Buch vorstellen und kommt kein einziges Mal zur Sache. Vielmehr macht er die Damen an. Wie konnte es mit Bergman bloß so weit kommen? Angewidert wendet sich Kommissar Torkel Höglund ab, der Chef der Mordkommission. Mit Bergman kann er wohl kaum bei der Aufklärung eines brutalen Mordes an einem Achtzehnjährigen rechnen.
Roger Eriksson war Eliteschüler und verschwand an einem Freitagabend spurlos. Nun wird er am Rand eines Moors wiedergefunden. Er wurde von nicht weniger als 38 Stichen durchbohrt. Da ihm das Herz herausgeschnitten wurde, kann man die darin steckende Kugel - er wurde als erstes erschossen - nicht verwenden, um die Tatwaffe zu finden. Der Killer hat an alles gedacht, denkt Höglund verbittert. Alle glotzen jetzt CSI-Serien und wissen Bescheid, wie man Spuren vermeidet.
Bergmans Mutter Esther ist gestorben und hat ihm eine große, leere Villa vermacht. Sie ist voller schmerzvoller Erinnerungen an seine Frau Sabine Mikaela und ihre gemeinsame Tochter. Diese Tochter verlor er während des Tsunamis von 2004, als die Riesenwelle sie von seiner Seite riss. Seitdem quälen ihn Selbstvorwürfe und Albträume. Allenthalben muss er mit Flashbacks an jenen Moment des Grauens denken.
Als er im Nachbargarten Bewegung bemerkt, scheint dort die Polizei einen jungen Mann zu jagen. Die Beamten erwischen ihn und legen ihm Handschellen an. Bergman spricht mit seiner Nachbar, Frau Linden. Deren Sohn Leo hat einen verschwundenen Jungen namens Roger Eriksson bestohlen und gilt nun sogar als des Mordes verdächtig. Voll krass, findet seine Mutter. Als ob Leo dazu fähig wäre. Bergman bietet Höglund seine Mitarbeit an und wird abgewiesen. Als er einen 30 Jahre alten Brief von der ehemaligen Kommilitonin Petra Andersson findet, weiß er, wie er herausfindet, wo sie jetzt wohnt: über die Polizei. So kann er das Nützliche mit dem Angenehmen verbinden, denn Petra schrieb damals, sie sei von ihm schwanger.
Indem er von Höglund einen Gefallen einfordert, wird ihm die Tür zur Mordkommission geöffnet. Sein erster Fall ist klar: Roger Eriksson. Und sogleich stößt er auf die ersten Irrtümer und Fehler der werten Kollegen. Mit Eifer macht er sich ans Werk, sich so unbeliebt wie möglich zu machen. Aber: Der Erfolg gibt ihm Recht...
Mein Eindruck
Wie in den "Kommissarin Lund"-Krimis besteht das Prinzip dieses verzwickten Falles darin, immer wieder neue kleine Details ans Tageslicht zu fördern, die ständig einen neuen Verdächtigen nahelegen. Erst im letzten Viertel verdichten sich die Hinweise auf einen Mann, und die Beziehungen dieses Verdächtigen zur Familie Eriksson erweisen sich schließlich als fatal. Aber war er der wahre Täter: Entgegen der Überzeugung der werten Kollegen beharrt Bergman auf einem anderen Täter. Gut möglich, dass es sogar zwei waren, wobei der zweite die Spuren des ersten vertuschte. Bergman deckt gleich zwei Tragödien auf: die eine ist eine Dreiecksgeschichte, die andere hat mit Rogers Schule zu tun.
Ganz wesentlich für den Eindruck auf den Zuschauer sind die zahlreichen Flashbacks zum möglichen Tathergang. Nachdem wir schon in den ersten Augenblicken mit Rogers Ermordung - dargestellt in Falschfarben - konfrontiert worden sind, ergibt sich aus den Indizien eine jeweils abgewandelte Theorie über den Täter. Diese Theorie wird jeweils kurz dargestellt. Nach mehr als zwei solcher Szenarien ist klar, dass es sich nur um Möglichkeiten handelt.
Phantastisch eindringlich ist dann Bergmans Begegnung mit dem wahren Täter. Während dieser die Tatwaffe, ein Kleinkalibergewehr, auf ihn gerichtet hält, redet der Psychologe auf den Täter ein. Zu unserem Erstaunen und zu unserer Erleichterung senkt der Mörder die Waffe. Was hat ihn zur Aufgabe bewegt, fragen wir uns. Es sind Bergmans Worte über seine eigene Verzweiflung, seit er seine Frau und Tochter im Tsunami verloren hat.
Die Musik ist in solchen intensiven Augenblick sehr wichtig, denn sie vermittelt die Emotionen. Selten habe ich eine derartige Musikuntermalung gehört, höchstens mal bei Hans Zimmer ("Inception") oder Mikael Nyman. Es sind Hölz- und Blechbläser zu hören, die jeweils aufsteigende Kadenzen intonieren und im Zusammenspiel einen bemerkenswerten Sound zustande bringen, den man nicht so schnell vergisst.
Handlung von Teil 2: Die Frauen, die er kannte
Bergman stalkt Vanja Linthen, die Tochter, die zusammen mit Petra Andersson hat. Die Entdeckung, doch noch ein Kind zu haben, erfüllt ihn mit neuer Lebenskraft. Er will sie hüten wie seinen Augapfel. Dumm nur, dass Vanja den alten Stinkstiefel Bergman nicht ausstehen kann und zweitens nicht den blassesten Schimmer davon hat, dass er ihr leiblicher Vater ist. Sie hat nämlich schon einen ganz lieben Papa. Und weil ihre Mutter Bergman gebeten hat, dieses Geheimnis zu hüten, hält er die Klappe. Aber wie lange noch? Die Anspannung bringt ihn manchmal fast um den Verstand und er ist dicht davor, das süße Geheimnis auszuplaudern...
Weil er so mies drauf ist, dass sogar seine Psychotherapeutin kaum noch Rat weiß, steckt sie ihn in eine Gesprächsgruppe. Auch diese Leute haben einen herben Verlust wie er erlitten und versuchen dennoch, ihr Leben auf die Reihe zu kriegen. So lernt er Anett kennen, die so um die 40 sein dürfte, und weil sie so lieb ist, landet er mit ihr im Bett. Als sie jedoch Fragen stellt, was er denn so macht, verlässt er sie wieder. Er braucht Arbeit, das hat er erkannt: Sie strukturiert sein Leben. Und er kann Vanja nahe sein...
Zwar ist der Einstieg diesmal schwieriger, aber endlich bekommt er Einblick in den neuesten Fall: drei Frauen, die erst gefesselt, in ein altertümliches Kleid gesteckt, fotografiert und dann getötet wurden. Als er zum Tatort Nummer vier vorgelassen wird, bekommt er vor Schock kaum noch Luft: Es ist Anett Wilén. Und der modus operandi ist genau der gleiche wie bei den anderen - was ihn fatal an den Fall erinnert, der ihn berühmt gemacht hat: Edward Hinde.
Alle Frauen waren Liebschaften Bergmans. Alle Details stimmen exakt mit Hindes Vorgehen überein, selbst die kleinsten. Der Haken daran: Seit 15 Jahren schmachtet Hinde in der geschlossenen Psychiatrie, in die Bergman ihn selbst gebracht hat. Haben sie es also mit einem Trittbrettfahrer zu tun, der Hinde exakt kopiert? Oder steckt mehr dahinter?
Als Bergman zusammen mit Vanja den Serienmörder in der Pschiatrie besucht, erkennt dieser auf Anhieb diese einmalige Chance. Er hat seinen Feind aus der Reserve gelockt. Und Bergman hat den Fehler gemacht, eine verlockende weibliche Beute mitzubringen. Sofort beginnt Hinde sein übliches Spielchen und versucht, Bergman und Vanja einzuwickeln. Bei Bergman beißt er auf Granit, weil der ihn durchschaut, doch die süße kleine Vanja fällt auf ihn herein.
Als sie allein zu ihm in die Anstalt kommt, angeblich um eine wichtige Information zu erhalten, ist er bereit, seine Falle zuschnappen zu lassen...
Mein Eindruck
Der Plot dieses Thrillers ist bestechend clever eingefädelt und mit kalter Logik ins Finale geführt. Am Schluss zittert der Zuschauer wirklich um die entführte Vanja und um Bergman, der offenbar in Hindes Falle tappen wird. Dies ist klassisches Serienkillerfutter - zu klassisch, um genau zu sein. Denn Hinde spielt die Rolle des Hannibal Lecter so gut, dass überdeutlich wird, dass Vanja die der Clarice Starling zu spielen hat.
Bedeutet dies, dass Bergman die Rolle des FBI-Direktors Crawford zu spielen hat, der Starlings Mentor spielt. Wenn man diese Vorlage kennt, ist es auch keine Überraschung, dass Bergman zuerst das falsche Haus stürmen lässt - genau wie Crawford in "Schweigen der Lämmer". Diese Erwartbarkeit wirkt sich nahezu fatal auf die Spannung aus. Aber noch haben die Drehbuchautoren ein Ass im Ärmel. Und so kommt es zu einem erstklassigen Showdown in einer düsteren alten Villa, die nicht von ungefähr an Mamis Häusle über dem Bates Motel erinnert...
Die oben beschriebene Musik wird diesmal mit zahlreichen Sounds ergänzt, die dazu dienen, den Puls zu beschleunigen. Selbst wer sie bemerkt, wird ihrer Wirkung erliegen. Für genügend Adrenalin ist also allemal gesorgt.
Die DVD
Technische Infos
Bildformate: 1,78:1 (anamorph)
Tonformate: D in DD 5.1
Sprachen: D
Untertitel: keine
Extras:
- 4 Trailer
- 2 Booklets mit Werbung
Mein Eindruck: die DVD
Erwartungsgemäß bietet die DVD hinsichtlich Bild und Ton halbwegs gute Qualität, die dem eines mittelguten Fernsehers entspricht. Anno 2012 wurde offenbar immer noch nicht in High-Definition produziert und verarbeitet. Das Bild ist mittelprächtig, besonders in dunklen Szenen, die es reichlich gibt. Man schaut am besten nicht zu genau hin, sonst könnte man die Bildpunkte zählen. Dieser Eindruck kann aber von TV-Gerät zu TV-Gerät variieren.
Beim Ton fällt auf, dass dieser nicht mehr in DD 2.0 (= stereo), sondern in DD 5.1 vorliegt. Der Sound ist im Vergleich zu DD 2.0 erheblich besser. Wie beim ZDF üblich gibt es keinerlei Untertitel.
Bonusmaterial
Auf der zweiten Disk findet sich unter der Option "DVD-Highlights" die Möglichkeit, vier Trailer am Stück anzusehen.
Die so beworbenen TV-Krimiserien sind:
1) Kommissarin Lund Staffel III
2) Arne Dahl, 1. Staffel (3 Filme)
3) Die Brücke - Transit in den Tod
4) Nordlicht - Mörder ohne Reue (liegt im Originalton mit ENGLISCHEN Untertiteln vor, was nur bedingt hilfreich ist)
Ich kann alle vier Serien wärmstens empfehlen. Meine Berichte dazu liegen bereits vor.
Die zwei Booklets stellen nicht nur diese und weitere Krimi-Serien-DVDs vor, sondern auch Krimi-Events: so etwa "Das original Krimidinner" und das "Hamburg Dungeon".
Unterm Strich
Nur die zwei erstklassig gelungenen Finali bewahren diese zwei Krimis vor dem Mittelmaß und drei Punkten. Ist der erste Krimi recht originell ausgeführt und von schöner Musik untermalt, so weiß der zweite zwar gut zu unterhalten, ist aber aufgrund der Ähnlichkeit mit "Das Schweigen der Lämmer" derartig vorhersehbar, dass kaum noch Spannung übrigbleibt.
Für eine geweisse Dauerelektrizität sorgt allerdings die pikante Frage, ob Vanja das süße bzw. fatale Geheimnis erfährt, dass Bergman, diese ungenießbare alte Knacker, ihr leiblicher Vater ist. Das würde ihr Leben nämlich völlig umkrempeln, da es auf einer Lüge beruhte. Dieser Aspekt wirft die Frage auf, ob leibliche Vaterschaft besser ist als psychologisch-soziale oder ob sich beide optimal ergänzen lassen.
Die Beziehung Bergmans zu Vanja wird nämlich konterkariert durch Hindes geistige Vaterschaft, die den jungen Svensson zu seiner geistig-psychologischen Kopie macht. Eine kleine Analyse der Gemeinsamkeiten und Unterschiede dieser beiden "unechten" bzw. "halben" Vaterschaften könnte sich lohnen.
Wird die Serie weitergehen? Zu wünschen wäre es. Und möglich ist es auch, denn Bergman ist durch den Ausgang seiner Auseinandersetzung mit Hinde seelisch wiederhergestellt. Damit fällt zwar eine Pointe seines Charakters weg, aber die Autoren finden sicherlich noch weitere Ecken und Kanten in Bergmans Charakter.
Der kompetent agierende Rolf Lassgard, bekannt als erster Darsteller von Kommissar Kurt Wallander, würde jedenfalls auch diese Wendung bestens vertreten können. Und mit der attraktiven Blondine Moa Silén an seiner Seite - für eine angeblich Dreißigjährige hat sie sich erstaunlich gut gehalten - könnte diesem dynamischen Duo so einiges gelingen.
Die DVD
Auf dem üblichen ZDF-Niveau angesiedelt, bietet diese Doppel-DVD durchweg nur Durchschnittsware. Zu den Details siehe oben.
Fazit: vier von fünf Sternen.
Michael Matzer (c) 2013ff
- Redakteur:
- Michael Matzer