Passion (Blu-ray)
- Regie:
- De Palma, Brian
- Jahr:
- 2012
- Genre:
- Thriller
- Land:
- Deutschland / Frankreich / Italien
- Originaltitel:
- Passion
1 Review(s)
07.12.2013 | 12:54Klassischer De-Palma-Thriller: aber nur im Finale
Zwei Frauen liefern sich einen erbitterten Kampf um Macht in der Welt der internationalen Geschäfte. Die natürlich elegante Christine (Rachel McAdams) pflegt einen lockeren Umgang mit Macht und Geld. Unter ihre Fittiche nimmt sie die unschuldige, liebenswerte Isabelle (Noomi Rapace), die mit ihrer Naivität und ihren herausragenden Ideen ein leichtes Ziel für die Ausbeuterin Christine ist. Für diese ist es auch nicht wirklich Diebstahl von gedanklichem Eigentum, schließlich spielen sie ja im selben Team.
Christine genießt es, die junge Frau immer mehr zu beeinflussen und Kontrolle über sie auszuüben, wodurch Isabelle immer tiefer in das Spiel von Verführung und Manipulation hinein gesogen wird. Doch dann lässt sich Isabelle auf eine Bettgeschichte mit einem von Christines Liebhabern ein, was katastrophale Konsequenzen hat. (Verleihinfo)
Filminfos
O-Titel: Passion (D/F 2012)
Dt. Vertrieb: Ascot Elite
VÖ: 19.11.2013
EAN: 7613059404007
FSK: ab 16
Länge: ca. 98 Min.
Regisseur/ Drehbuch: Brian de Palma, nach "Crime d'amour" von Alain Corneau (2010)
Musik: Pino Donaggio
Darsteller: Rachel McAdams, Noomi Rapace, Karoline Herfurth, Paul Anderson, u.a.
Handlung
Bei der amerikanischen Werbeagentur J.J. Koch arbeiten Isabelle James (Rapace) und ihre Chefin Christine Sanford (McAdams) in der Berliner Niederlassung an einem neuen Werbe-Clip für einen Hersteller von Smartphones. In einem hellen Moment hat Isabelle einen brillanten Einfall und setzt den Clip zusammen mit ihrer Assistentin Dani Wirth (Herfurth) um.
Bislang hat Christine ihre Mitarbeiterin protegiert, ihr Dirk, ihren Liebhaber, vorgestellt und ihr sogar einen edlen Schal geschenkt (der später noch eine wichtige Rolle als Beweisstück spielen wird). Doch als J.J., der Chef himself, sich für diesen guten Einfall bedanken möchte, ist es Christine, die den Ruhm für sich reklamiert. "Aber wir sind doch ein Team", sagt Christine als Begründung. Eine Entschuldigung klingt anders.
Sie ahnt (noch) nicht, dass Isabelle ihr längst Dirk ausgespannt und mit diesem ein heißes Wochenende in London verbracht hat. Dabei hat Dirk ein sexy Heimvideo gedreht. Aber auch Dani ist es nicht entgangen, dass Isabelle den Abend bei Dirk verbracht hat. Als Christine nicht nur Zuneigung, sondern auch Liebe von Isabelle verlangt, geht diese auf Distanz: Sie steht mehr auf Männer. Isabelle soll sich auftakeln und einen Kunden an Land ziehen. Christines Ex Rolf erzählt, Christine benutze andere Leute als Marionetten. Und Dirk zeigt Isabelle schließlich Christines "Spielsachen", darunter eine weiße Maske mit Perücke.
Nach einer Teamsitzung drückt Christine einen anderen Knopf bei Isabelle: Sie habe in frühen Jahren ihre Zwillingsschwester Clarissa durch einen Verkehrsunfall verloren. Nun leide sie unter Schuldkomplexen. Ach, wie bemitleidenswert, beiden komen die Tränen. Alles Blödsinn, sagt Dirk später: Christine habe gar keine Schwester. Und Dani gibt Isabelle eine Akte, aus der hervorgeht, dass Christine Dirk, dem Investitionsspekulanten, Geld der Firma geliehen habe. Und dieses Geld fordere sie nun binnen einer Woche zurück - ein Druck, den Dirk an Isabelle auslässt. Hat Christine etwas gemerkt? Wenn ja, dann soll nun Schluss sein.
Isabelle beschließt, sich unabhängiger zu machen. Sie veröffentlicht ihren Videoclip auf YouTube - es wird ein Hit, der den Chef überglücklich macht. Christine schlägt zurück: Sie stellt isabelle vor allen Kollegen mit einem Überwachungsvideo bloß: Isabelle hat wütend ihren neuen Wagen geschrottet, hähä. Der Grund für Isabelles Wutausbruch: Christine hat von dem erpressten Dirk das Heimvideo bekommen, das Dirk und Isabelle beim Sex in London zeigt.
Nun ist der Punkt erreicht, an dem sich Isabelles dämonische Seite zu zeigen beginnt. Dani ist die erste, die merkwürdige neue Charaktereigenschaften an ihrer Chefin wahrnimmt...
Mein Eindruck
Es ist der perfekte Mord. Es muss zwar einen Täter gegeben haben, denkt Kommissar Bach, aber entgegen ihren ersten Angaben kann es Isabelle nicht gewesen sein, denn ein Platzanweiser im Theater erinnert sich genau an sie: Sie besuchte das Ballett "Nachmittag eines Fauns". Und das war wohl zur Tatzeit. Andererseits: In Dirks Wagen findet die Polizei einen blutbedeckten weißen Schal, wie er aus der Garderobe der Ermordeten stammt. Der Staatsanwalt lässt Dirk Harriman sofort verhaften, und der Kommissar bekommt Gewissensbisse, weil er Isabelle so hart angefasst hat.
Die lesbische Dani hat jedoch noch eine weitere Version der Realität auf Lager. Als sie Isabelle damit konfrontiert, um sie sexuell zu erpressen, wird ihr dies zum Verhängnis. Bis zum Schluss bleibt also unklar, wer der wahre Täter ist. Denn wer ist die Dame im weißen Mantel mit der Sonnenbrille, die Christine wie aus dem Gesicht geschnitten ist?
Der bekennende Hitchcock-Verehrer Brian de Palma setzt mal wieder alle seine wohlbekannten Tricks ein, um dem Remake des französischen Originals "Crime d'amour" seinen persönlichen Stempel aufzudrücken. Spätestens als er die Splitscreen-Technik einsetzt, die ich aus "Sisters - Schwestern des Bösen" (vgl. meinen Bericht) kannte, fühlte ich mich auf bekanntem Terrain. Auch die Methode, eine Gesicht in zwei Farben sowie hinter einem Gitternetz auszuleuchten, kam mir vertraut vor.
(Alb-)Traumbilder, sexuelle Anspielungen (wie die Pinup-Fotos und die Medusa-Zeichnung in Isabelles Knastzelle), blitzende Messer, knochenweiße Masken, Aufnahmen von einem abgründigen Treppenhaus - alle diese Elemente machen die letzten 20 Minuten des Films zu einem wahren Leckerbissen für De-Palma- und Hitchcock-Fans.
Doch es gibt noch mehr zu bewundern: Mehr als zehn Minuten verweilt die Kamera auf der Ballettvorführung zu "Nachmittag eines Fauns". Es ist eine Verführungsszene zwischen einem Mann und einer Frau. Sie scheinen Isabelle, die im Publikum sitzt, anzuschauen, intensiviert durch die Splitscreen-Technik. Spiegelt dieser pas de deux Isabelles eigenen Kampf mit Christine wider? Aber ist Isabelle, deren Gesicht wie in Großaufnahme sehen, wirklich im Zuschauerraum? Wir können nicht sicher sein, denn es gibt keinen "objektiven" Dritten - bis ganz zum Schluss.
Ständig beobachtet irgendjemand den anderen: sei es Dani mit ihrer Handykamera, Isabelle mit Dirk vor der Kamera oder Isabelle unter dem kalten Auge der Tiefgaragenkamera. Es ist also kein Wunder, dass das Finale einen weiteren spannenden Dreh durch die Frage erfährt, ob Dani alle ihre Aufnahmen mit einem Tastendruck an Kommissar Bach senden kann oder nicht. Diese Bilderflut der Beobachtungen würde Isabelles Leben bis zur letzten Intimität endgültig bloßlegen. Darf Dani das? Der Zuschauer wird mit seinem eigenen Voyeurismus konfrontiert. De Palma vollführt so einen weiteren Twist, der sehr ironisch ist - begleitet von frenetisch kreischenden Geigen, die eines Bernard Hermann würdig wären.
Alle diese kunstvollen Tricks haben dazu geführt, dass der Film bei der Filmkritik wesentlich besser ankommt als bei den unvoreingenommenen Zuschauern. Als Cineast würde ich die volle Punktzahl vergeben, als 08/15-Zuschauer nur drei.
Die Blu-ray
Technische Infos
Bildformate: 16:9
Tonformate: D in DTS-HD 5.1, Englisch in DTS-HD 5.1
Sprachen: D, Englisch
Untertitel: D
Extras:
- Trailer
- Einzelinterviews
- Featurette
- Trailershow
Mein Eindruck: die Blu-ray
Das Bild ist gestochen scharf und der Ton von wunderbarer Reinheit. Stereoeffekte werden zwar kaum ausgenutzt, aber dafür ist die Musik vom Feinsten: Pino Donaggio gehört quasi zur "Familie" des Regisseurs ist schon seit dessen Anfängen dabei. Pino Donaggio ist ganz klar ein weiterer Hitchcock-Fan und kann dessen Hauskomponisten ("Psycho", "Vertigo") Bernard Hermann bis zur letzten Note kopieren.
Die englische Tonspur enthüllt ebenso wie die deutschen Untertitel, dass einer der Dialoge in der deutschen Fassung zensiert wurde. Christine spricht gegenüber der lesbischen Dani von Isabelles "cunt/Fotze", doch in der Synchronisation ist nur das harmlose "Höschen" zu hören. Offenbar hat auch Christine mit ihren Dämonen zu kämpfen und ein solcher verbaler Ausrutscher, gefolgt von einer Anklage sexueller Belästigung gegenüber Dani, lässt tief blicken. Die Synchronisation verschleiert also statt zu enthüllen.
EXTRAS
1) Einzel-Interviews "Talking about Passion"
a) Noomi Rapace (Isabelle James, 5:15 min)
"Der Film handelt vom aktuellen Zwang zur menschlichen Perfektion und fragt: Wozu bist du bereit, um diese Perfektion zu erreichen? Erfolg versus Herz. Isabelle und Christine vollführen einen Tanz der Macht und spielen Psychospiele, um ihre Macht zu erhalten. Dani ist in diesem Duett Isabelles blinder Fleck.
b) Rachel McAdams (Christine Sanford, 4:25 min)
"Christine will wieder heim nach New York City, raus aus ihrem Exil in Berlin, muss sich aber erst für ihre Firma bewähren. Sie ist daher sehr auf Status und Kontrolle bedacht. Sie bekämpft innere Dämonen, denn sie ist seelisch haltlos und sucht stets Beziehungen, die sie manipulieren und kontrolieren kann, so etwa Dirk Harriman."
c) Karoline Herfurth (Dani Wirth)
"Isabelle und Dani haben beide eine dunkle Seite, auch wenn sie äußerlich verschieden sind. Dani dient lieber, als der Boss zu sein." Herfurth musste für diese Rolle Schauspielern in Englisch lernen, wurde dabei gut von ihren Kollegen unterstützt.
d) Brian de Palma (Regie, 2:44 min)
"Isabelle entwickelt sich überraschend und wird gefährlich: ihre dunkle Seite kommt zum Vorschein. Die tiefere Bedeutung des Films: Es geht um Kreativität auf der Grundlage des Unbewussten und des Traumes. Das bedeutet zugleich Verlust der Kontrolle für Isabelle." De Palma war erstmals 1969 in Berlin und bekam auf einer Berlinale seine erste Auszeichnung, einen Silbernen Bären für "Greetings". Die Arbeit hier sei traumhaft gewesen.
2) Featurette (3;59 min)
Dieser kurze Info-Clip ist sehr werblich aufgemacht, wartet aber mit einem interessanten Zusammenschnitt der obigen Interviewzitate mit entsprechenden Filmszenen auf - eine unterhaltsame Mischung. Ehrgeiz und der Zwang zur Perfektion führen über kurz oder lang zu Machtspielen auf emotionaler und erotischer Ebene, ausgedrückt in einem pas de deux, der im Film als Ballett aufgeführt wird. Das Rätsel um den wahren Mörder Christines bleibt bis zum Finale ungelöst.
3) Original und deutscher Trailer (1:07 min)
Die inhaltsgleichen Trailer streichen das Drama und das Rätsel um den Mörder heraus.
4) Trailershow
a) Metallica 3D - Through the Never
b) Don Jon (von und mit Joe Gordon McLevitt)
c) Drecksau (mit James McAvoy)
u.a.
Unterm Strich
Sicher, es geht um Kreativität unter dem Druck zu Erfolg und Perfektion, wie die Schauspieler und der Regisseur in den Interviews (s.o.) zu Protokoll geben. Aber ist das wirklich von Interesse? Für den Thrillerfreund sowieso nicht, denn die genannten Motive sind nur der Aufhänger für eine Geschichte um den perfekten Mord.
Irreführung
In dieser Geschichte versteht es de Palma auf cleverste Weise und mit verschiedensten Stilmitteln, den Zuschauer irrezuführen. Erst in den letzten 20 Minuten beginnt sich eine völlig andere Perspektive zu eröffnen, und dann fährt der Regisseur alle Geschütze auf, die Cineasten an ihm so lieben: schwindelerregende Perspektiven, Splitscreens, zwielichtig beleuchtete Gesichter, Parallelschnitte und vieles mehr. Ein wahrer Leckerbissen also für alle De-Palma-Fans - und damit auch eine Empfehlung für Hitchcock-Liebhaber. Die Mystery Woman, die am Schluss auftaucht, sieht exakt so aus wie die Komplizin von William Devane in "Familiengrab"!
Zu lang
Leider ist der Film, der diesem doppelbödigen Finale vorgeschaltet ist, etwas zu lang und ausführlich geraten. Sicher, da gibt es etliche romantische, kritische und sinnliche Szenen, aber sie dienen alle nur der Vorbereitung auf den Hauptgang. Insbesondere das fehlende Mienenspiel von Noomi Rapace in bestimmten Szenen (sie kann durchaus schauspielern) machte es mir nicht leicht, ihre Figur glaubwürdig zu finden.
Zensur
Dass ein bestimmtes Wort auch noch von der deutschen Synchronisation zensierend unterdrückt wurde, zwang mich dazu, das Original anzusehen, um der Intention des Regisseurs auf den Grund zu gehen. Dies ist nicht das einzige Beispiel für deutsche Zensur, das mir in letzter Zeit untergekommen ist (Vgl. meinen Bericht zu "Battleground"). Vielleicht gibt manchmal ein einziges Wort den Ausschlag, ob ein Film die FSK-Freigabe 16 oder 18 erhält? Man müsste mal die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien fragen.
Die Blu-ray
Mit bester Bild- und Tonqualität empfiehlt sich die Blu-ray dem Cineasten durchaus. Die fehlenden englischen Untertitel kann man verschmerzen, solange man dem englischen Originalton zu folgen vermag. Die deutsche Synchronisation wurde zensiert (siehe oben) und sollte gemieden werden.
Das Bonusmaterial von vier Interviews liefert ein paar Aufschlüsse darüber, was das Grundthema des Films ist. Leider ist das Interview mit dem Regisseur viel zu kurz. Die Featurette ist offensichtlich auf TV-Niveau zugeschnitten, also für Kinoredaktionen. Ein Making-of sieht anders aus.
Fazit: vier von fünf Sternen.
Michael Matzer (c) 2013ff
- Redakteur:
- Michael Matzer