Kommissarin Lund - Das verbrechen. Staffel II
- Regie:
- Diverse
- Jahr:
- 2010
- Genre:
- Thriller
- Land:
- DK/DE
- Originaltitel:
- Forbrydelsen II
1 Review(s)
20.10.2013 | 12:25Lund hoch 2: Gewalt und Blut, Intrige und Demokratie
Kommissarin Lund - Das Verbrechen 2 spielt zwei Jahre nach der Aufklärung des brutalen Mordes an Nanna Birk Larsen in Staffel 1. Die unfassbare Tat erschütterte damals Kopenhagen und brachte gleichzeitig die Karriere der hauptverantwortlichen Kommissarin Sarah Lund ins Wanken. Sie wurde aufs Land strafversetzt und wird jetzt in einem rätselhaften Mordfall um Unterstützung gebeten.
Im Zentrum von Kopenhagen wird die Leiche der Rechtsanwältin Anne Dragsholm an einem nationalen Kriegerdenkmal aufgefunden. In einem Video, aufgenommen kurz vor ihrem Tod, verliest sie eine Botschaft an das dänische Volk, in der Rache an getöteten Muslimen in Afghanistan, Palästina und dem Irak geschworen wird. Das Video wurde an den neu ernannten Justizminister Thomas Buch geschickt.
Sarah Lunds alter Chef, Lennart Brix, weiß, dass er für diesen brisanten Fall die suspendierte Kommissarin dringend für sein Einsatzteam braucht. Er lässt Lund aus der Provinz, in die sie nach den letzten Fall strafversetzt wurde, zurückholen. Mit dem Fund einer zweiten Leiche überschlagen sich die Ereignisse. Ist Lund der politischen Dimension der Mordfälle gewachsen? Gelingt ihr die Aufklärung der schrecklichen Taten? (Verleihinfo)
Filminfos
O-Titel: Forbrydelsen II (DK/D 2010)
Dt. Vertrieb: Edel Germany
EAN: 4029759032786
VÖ: 22.11.2010
FSK: ab 16
Länge: ca. 570 Min.
Regisseur: diverse
Drehbuch: Sören Sveistrup u.a.
Musik: Frans Bak
Darsteller: Sofie Gråbøl (Sarah Lund), Morten Suurballe (Lennart Brix), Nicolas Bro (Thomas Buch), Mikael Birkkjaer (Ulrik Strange) u.a.
Handlung
So wie der römische Dichter Ovidius Naso einst aus Rom, dem Zentrum des Imperium Romanum, ans Ende der Welt, ans Schwarze Meer, verbannt wurde, so wurde auch Sarah Lund aus Kopenhagen verbannt. Für ihre Eskapaden ist das offenbar genug Strafe. Sie tut als Grenzpolizistin im Hafen von Geester Dienst. Doch in Kopenhagen geschieht ein rätselhafter Mord mit politischen Dimensionen, und Lennart Brix, ihr ehemaliger Chef, holt sie als Beraterin ins Zentrum des Geschehens. Schnell findet sie sich in einem Strudel grausamer und rätselhafter Ereignisse wieder.
Die Anwältin Anne Dragsholm wird tot auf einem nationalen Denkmal für die Widerstandskämpfer des Zweiten Weltkriegs gefunden (Dänemark war von den Deutschen im April 1940 besetzt worden). Dieses Minelunden weist mehrere Pfähle auf, und an einen davon ist ihre Leiche gefesselt. Da ihr Ehemann, ein Unternehmer, den Notruf an die Polizei richtete, ist er, wie üblich, der erste, der unter Verdacht gerät.
Doch sobald Lund hinzugezogen worden ist, erkennt sie, dass es hier irgendwo eine Botschaft geben muss. Als erstes findet sie die Erkennungsmarke eines Soldaten. Wie sich zeigt, war Anne Dragsholm die Anwältin einer Einheit von dänischen Afghanistankämpfern, die sich 3-2-Alpha nennt. Einen Veteranenverein namens Die Schwarzen Barette, dem sie angehört, unterstützt sie immer noch finanziell. Dann entdeckt Lund die Plastikhülle einer Videokassette - aber wo ist das dazugehörige Video?
Pünktlich zum Ende des Ramadan erhalten alle Sender jenes fehlende Video, das Anne D. zeigt, wie sie blutüberströmt im Auftrag einer offenbar islamistischen Vereinigung ein anklagendes Manifest verliest. Eine Hexenjagd auf Muslime beginnt. Nur Sarah Lund hat dabei ein schlechtes Gewissen und nagende Zweifel. Mit Recht. Was haben Muslime mit Soldatenerkennungsmarken am Hut?
Regierung
Thomas Buch ist zwar kein Jurist, doch der Ministerpräsident stellt ihn dennoch ein, weil sein Vorgänger Mombaer angeblich mit einem Herzinfarkt - es war in Wahrheit ein Selbstmordversuch - im Krankenhaus liegt. Buch soll helfen, das anstehende Antiterrorpaket durchs Parlament zu peitschen. Dabei sollen, wie er entdeckt, nicht nur terroristische, sondern auch "andere" antidemokratische Organisationen verboten werden können. Als Buch mit Krabe, dem Fraktionschef der rechtsgerichteten Volkspartei spricht, bekommt er eine Ahnung davon, was alles mit den "anderen Organisationen" gemeint sein könnte: alles, was auch nur im entferntesten mit radikalem Islam zu tun hat.
Buch bekommt mit Anne Dragsholms gewaltsamem Ende zu tun, als in seinen Akten ein Hefter auftaucht, der die Anwältin mit Mombaer in Verbindung bringt. Darin wird der Verteidigungsminister Rossing in kein gutes Licht gestellt. Buchs Staatssekretär und seine Sekretärin Karina beginnen rasch, Buchs Ermittlung in dieser Sache zu untersützen und stellen die Verbindung zu Lennart Brix und Sarah Lund her. Buch lässt sich auf dem Laufenden halten, was die Polizei herausfindet. Auch die "Sondereinheit", die die Islamisten überwacht, ist mit deren Leiter König eingeschaltet und berichtet den Polizeidirektoren Brix und Hedeby.
Psychiatrie
Jens Peter Raben ist einer der Afghanistankämpfer, die Anne Dragsholm vor zwei Jahren verteidigte, dabei aber scheiterte. Schon seit zwei Jahren sitzt Jens in der Psychiatrie des Militärs ein und wird streng bewacht, da er zu Anfang zu gewalttätigen Wutausbrüchen neigte. Immer wieder werden seine Anträge auf Entlassung abgelehnt, was ihn nicht glücklicher macht. Ganz im Gegenteil. Er will dringend zurück zu seiner Frau Luise, einer Militärkrankenschwester, und seinem kleinen Sohn Jonas.
Als ihn sein alter Kamerad Allan Myk Poulsen in der Psychiatrie besucht und sagt, er gehe zurück in das verfluchte Land, wo sich Rabens schwerstes Trauma zugetragen hat, wird Raben nervös. Was mag Myk dazu bewogen haben? Als Lund auftaucht und ihn nach Poulsen fragt, dessen Leiche sie kürzlich nach Taliban-Art geschächtet gefunden hat, ahnt Raben, dass jemand beginnt, seine Einheit, die in der Provinz Helmand Schreckliches erlebte, einen nach dem anderen auszulöschen. Er muss so schnell es geht raus aus der Anstalt. Seine Flucht durch die Abwassertunnel gelingt, doch das bedeutet keineswegs, dass er nun in Sicherheit ist. Ganz im Gegenteil: Als er die letzten Kämpfer seiner Einheit aufsucht, ist ihm jemand auf den Fersen...
Mein Eindruck
Wie in Deutschland wird auch in Dänemark "die Freiheit am Hindukusch verteidigt" (MdB Peter Struck). Während in den Steppen und Gebirgen Afghanistans jede Menge Soldaten ihren Arsch hinhalten müssen, bemühen sich die Politiker der heimatlichen Parteien, das Geld, die Truppen und nicht zuletzt das parlamentarische Mandat für diesen Auslandseinsatz zu beschaffen. Dafür wird in Partei- und Regierungskreisen geklüngelt und mit harten Bandagen gefochten. Der Autor Sveistrup hat darauf geachtet, dass die entsprechenden dänischen Verhältnisse auch auf andere westliche Länder übertragbar sind, nicht zuletzt auf Deutschland.
Es wäre natürlich extrem fatal, wenn eine solche Afghanistan-Mission durch die Erkenntnis kompromittiert würde, dass die ach so aufrechten Recken aus der Heimat vor Ort zu Kriegsverbrechern mutiert sind und es sogar Geheimmissionen gibt, deren verbrecherischer Charakter um keinen Preis der Welt - auch um den der Demokratie - aufgedeckt werden darf. Der Krieg, das wissen besonders die Deutschen am besten, öffnet jeder Art von Schweinerei Tür und Tor. Was Wunder, wenn es sich in Dänemark keinen Deut anders verhält.
Bis Thomas Buch und die verantwortlichen Chefetagen beim Verfassungsschutz (hier seltsamerweise "Sondereinheit" genannt) und Kriminalpolizei sich zu dieser erschütternden Einsicht durchringen können, vergehen erst einmal fünf bis sechs Morde und ein Selbstmord. Schließlich fliegen Lund und ihr neuer Kollege, der Exsoldat Ulrik Strange, in die Provinz Helmand, wo die Einheit des flüchtigen Jens Peter Raben angeblich Zivilisten getötet haben soll. Das bestreitet Raben heftig, der immer von einem Offizier namens "Perk" faselt. Keiner glaubt ihm, außer natürlich Lund, die offenbar das dritte Auge besitzt.
Mehr Action, mehr Blut
Da die Laufzeit dieser Serie nur halb so lang ist wie ihr Vorgänger, hält sich die Regie ran. Die Handlung ist straff und temporeich, die Action steht im Vordergrund. Die Morde sind entsprechend grausam, und die Freigabe ab 16 Jahren ist völlig gerechtfertigt. Ausblutende (geschächtete) Leichen, gefolterte Frauen, verbrannte Kinderschädel - das kann auch einem Erwachsenen auf den Magen schlagen.
Dass dieser Stress auch für Lund tödlich enden könnte, wird spätestens im letzten Drittel klar, als sich die Krise zuspitzt. Während Brix & Co. den Fall für geklärt halten, bleibt unser Terrier Lund am Ball. Der Showdown hat es wirklich in sich. Merkwürdig nur, dass sich der Mörder beim Abschluss seines Werks so viel quatscht, dass er Lund eine Chance gibt. Das ist alles, was sie braucht...
Verschnaufpausen
Um nicht ständig von diesem Horror verfolgt zu werden, gönnt uns die Dramaturgie Verschnaufpausen: Die Parallelhandlung um Thomas Buch kommt einem Skandal im Militär auf die Spur. Dieser Skandal stinkt nicht nur zum Himmel, sondern auch in höchste Regierungskreise. Wir folgen dem Idealisten Buch auf seiner halsbrecherischen Gratwanderung. Schön, dass er sich vom Militär nicht erpressen und bestechen lässt. Wird er es jedoch wagen, den Ministerpräsidenten selbst anzuklagen? Nur ab und zu wirkt diese Handlung ein ganz klein wenig aufgesetzt. Denn hier wie bei Lund werden die Kaninchen reihenweise aus dem Hut gezaubert. Das ist zwar spannend, wirkt aber nach einer Weile wie reine Willkür.
Ins wilde Afghanistan
Der Regisseur wechselt von Folge zu Folge (im dänischen Original waren es Doppelfolgen), was einer abwechslungsreichen Inszenierung förderlich war. Mal tanzt die Kamera um die Akteure herum, mal wird sie ganz methodisch in die aufschlussreichsten Raumwinkel gestellt. Die finale Folge (also Originalfolge 9) entführt den Zuschauer nach Afghanistan, in die Provinz Helmand. Hier macht Lund Zoff, weil die Leichen der angeblichen hier ermordeten Zivilisten nie gefunden wurden. Ist sie einer Lügengeschichte aufgesessen? Raben schwört Stein und Bein, dass er nichts erfunden habe (er hat nur ein wenig geflunkert, was seine eigene Rolle angeht). Als es bereits nach einer Entführung Lunds und Stranges aussieht, geht es dem Polizeichef aber "nur" um die Präsentation der Leichen, die Lund gesucht hat - heureka!
Privatleben
Tatsächlich, auch diesmal hat Lund ein Privatleben. Oder was davon noch übrig ist. Selbst bei der Hochzeit ihrer Mutter wird sie von Informationen und Erkenntnissen heimgesucht, denn die Dramaturgie gönnt ihr keine ruhige Minute. Kein Wunder, dass sie den neuen Mann an ihrer Seite, Ulrik Strange, nicht ganz uninteressant findet. Dieser Typ, der so aussieht wie Matthew Fox aus "Lost" und "Alex Cross", scheint ebenfalls einiges für sie übrig zu haben, jedenfalls will er ihr näherkommen. Doch gewisse Hinweise und Reaktionen warnen Lund, sich näher mit ihm einzulassen. Mit Recht? Das wird sie spätestens in der letzten Folge herausfinden.
Die DVD
Technische Infos
Bildformate: 16:9
Tonformate: DD 5.1; DD 2.0 Stereo
Sprachen: D
Untertitel: keine
Extras:
- Trailer
- Booklet
- Interviews
Mein Eindruck: die DVD
Erwartungsgemäß bietet die DVD hinsichtlich Bild und Ton halbwegs gute Qualität, die dem eines mittelguten Fernsehers entspricht. Anno 2010 wurde eben noch selten High-Definition produziert und verarbeitet. Das Bild ist mittelprächtig, besonders in dunklen Szenen, die es reichlich gibt. Man schaut am besten nicht zu genau hin, sonst könnte man die Bildpunkte zählen.
Beim Ton sollte man hingegen darauf achten, in den EINSTELLUNGEN statt des voreingestellten Standards DD 2.0 auf DD 5.1 umzustellen. Der Sound ist dann erheblich besser. Wie beim ZDF üblich gibt es keinerlei Untertitel.
EXTRAS
1) Booklet
Das der DVD-Box beiliegende Booklet stellt detailliert die Biografie der Hauptdarstellerin Sofie Gråbøl vor, dann ein Interview mit dem Autor Sören Sveistrup. Auf die restlichen zwei Seiten entfallen Werbung für die Krimiserien des ZDF, die auf DVD von Edel Germany vermarktet werden.
2) Fünf Interviews
a) Sofie Gråbøl (Sarah Lund)
b) Morten Suurballe (Lennart Brix)
c) Nicolas Bro (Thomas Buch)
d) Mikael Birkkjaer (Ulrik Strange)
Die vier Schauspieler legen eine Menge Humor und Intelligenz an den Tag. Sie beschreiben ihre Rolle und bewerten sie ein wenig. Interessant ist, dass sie alle nicht erfahren durften, wie die Serie ausgeht, also wer der Täter ist.
e) Jette Lehmann, Bühnenbildnerin: Sie führt uns durch die Sets für das Polizeipräsidium und für das Justizministerium. Interessant sind ihre Hinweise auf die jeweiligen Charakteristika der beiden Sets, die wirklich gelungen sind. Ihre Vorlagen waren die entsprechenden Räume im Polizeipräsidium sowie im Regierungsgebäude.
3) DVD-Highlights
a) Protectors Staffel 1
b) Der Adler - die komplette Serie
Unterm Strich
Straff inszeniert führt die zweite Staffel der dreiteiligen Lund-Saga durch ein halbes Dutzend grausamer Morde und zweier Selbstmorde. Welche Wahrheit soll damit vertuscht werden, dass sie so schrecklich ist, dass sie niemals das Licht der Öffentlichkeit erreichen darf? Lund und ihr Partner Strange (der nicht ohne Grund wie das englische Wort "strange" heißt), aber auch der neue Justizminister sind dem Geheimnis der Einheit 3-2-Alpha auf der Spur.
Selbst im Militär gibt es einen aufrechten Oberst, Rabens Schwiegervater, der hartnäckig nachgräbt, was nach dem Afghanistan-Einsatz zwei Jahre zuvor alles vertuscht wurde. So ist auch für Ehrenrettung der Soldaten gesorgt. Sie sind nicht alle Verbrecher. Ironischerweise kann sogar ihr Patriotismus zur Gefahr für die Demokratie werden. Vielleicht muss man aber Däne sein, um all die nationalen Untertöne miteinander zu verknüpfen und in Einklang zu bringen, damit daraus eine klare Aussage abzulesen ist. Es gibt so viele falsche Fährten und Verdächtige, dass es schwierig ist, einen Roten Faden zu finden. Das ist das Grundprinzip der Thriller-Dramaturgie.
Ich fand diese Staffel wesentlich interessanter als das ewig hinaus gezogene Herumlavieren aller Beteiligten in der ersten Staffel. Jede Folge (im Original eine Doppelfolge à 2x 55 Minuten) liefert mindestens eine Leiche, mindestens zwei Verdächtige und diverse Extras wie etwa Selbstmörder, öffentliche Anklagen u8nd dergleichen mehr. Für Unterhaltung ist also bestens gesorgt.
Der Zuschauer muss nur aufpassen, den Überblick nicht zu verlieren. So ist es etwa wichtig zu verstehen, warum Lund und Strange nach Afghanistan fliegen müssen. Dort hat schließlich alles angefangen, mit einer angeblichen Mordtat an Zivilisten. War alles nur Lüge und Flunkerei? Doch Lund stößt tatsächlich auf zwei wesentliche Beweise: "Perk" gab es wirklich, nur hieß er ganz anders, und auch die Ermordeten gab es wirklich, nur deren Mörder war ein ganz anderer als "Perk". Auf diesem Fundament kann dann der Showdown stattfinden, nur eben mit ganz anderen Beteiligten, als Kripoleiter Lennart Brix erwartet hat. Der Zuschauer darf also stets das Unerwartete erwarten.
Die DVD
Während die Qualität von Biold und Ton wieder mal nur Mittelmaß ist, das uns von High-Definition nur träumen lässt, bietet die Abteilung "Extras" doch einiges auf, das als Hintergrundinformation von Interesse ist. Am aufschlussreichsten fand ich das gedruckte Interview mit dem Autor Sveistrup, das im Booklet zu finden ist, sowie die Video-Führung, die uns Jette Lehmann, die Bühnenbildnerin, gewährt.
Michael Matzer (c) 2013ff
- Redakteur:
- Michael Matzer