MARILLION - With Friends At St David's
Mehr über Marillion
- Genre:
- Progressive Rock
- ∅-Note:
- 10.00
- Label:
- Ear Music / Edel
- Release:
- 28.05.2021
- Gaza
- Beyond You
- Seasons End
- Estonia
- The Hollow Man
- The New Kings
- The Sky Above The Rain
- Zeperated Out
- Ocean Cloud
- Fantastic Place
- This Strange Engine
Eine neue Live-Scheibe der Briten und wieder etwas ganz Besonderes.
Vorstellen muss ich die Band sicher nicht mehr, deswegen halte ich die Einleitung mal kurz. Das letzte reguläre Studioalbum ist 2016 erschienen, es war das achtzehnte, davon vierzehn mit Sänger Steve Hogarth. Und dazu eine Myriade Live-Alben, viele breit über traditionelle Kanäle vertriebene, aber noch viel mehr veröffentlicht über das eigene Label Racket Records. Mehr als man braucht? Nein.
Was MARILLION auszeichnet, ist, dass die Band in ihrer Songauswahl völlig unvorhersehbar agiert. Da wird nie auf Nummer sicher gegangen, sondern es werden immer wieder unerwartete Perlen aus dem großen Fundus der Bandgeschichte aus dem Hut gezaubert. Das macht die Live-Scheiben spannend und die Reife der Band sorgt dafür, dass auch betagte Stücke plötzlich in einem ganz neuen, zeitgenössischen Licht erstrahlen. Ein Live-Album der Briten ist immer auch eine Entdeckungsreise durch die eigene Musik, auf die die Fünf die Hörer mitnehmen.
2019 erschien die Scheibe "With Friends From The Orchestra", auf der MARILLION neun Lieder lang achtzig Minuten ihrer musikalischen Geschichte zusammen mit einem klassischen Orchester neu aufgenommen hat. Davon hatten allein drei Lieder eine addierte Laufzeit von einer Dreiviertelstunde, einem Massengeschmack hat man sich damals bereits nicht angebiedert, und mit "With Friends At St David's" wird diese Stoßrichtung konsequent weiter verfolgt, denn die "Friends" sind auch diesmal ein von Michael Hunter arrangiertes, kleines klassisches Orchester, nämlich das "In Praise Of Folly-Stringquartett" und die Unterstützung einiger Bläser.
Die Songauswahl ist so auch dem erwähnten Studio-Album ähnlich, allerdings bei weitem nicht deckungsgleich. Der Mathematiker zählt acht der neun Studioversionen auch auf dem Live-Werk, aber ergänzt um drei weitere Stücke, bei denen ich mich freue, dass Ihnen nun auch die Orchesterbearbeitung widerfahren ist. Das beginnt bereits mit den ersten Tönen, denn der Abend wird mit dem Lied 'Gaza' mit seinen strahlenden über siebzehn Minuten eröffnet. Ja, das allein ist schon Rechtfertigung genug für dieses Album!
Die beiden anderen nicht auf "With Friends From The Orchestra" enthaltenen Stücke sind 'Zeparated Out' von "Anoraknophobia" mit einem witzigen Einschub, den Musikfans natürlich einordnen können, und das aktuelle, lange 'The New Kings' vom 2016er Album "F.E.A.R.", von denen vor allem das letztere ebenfalls ein Ohrenschmaus ist. Highlights des Albums gibt es viele, beispielsweise das alte 'Seasons End' und auch 'Estonia', bei denen die klassischen Instrumente einen besonders hörbaren Anteil am Gesamtsound haben, während sie bei anderen Liedern etwas mehr zurückstehen und dem Bandsound nicht mit Gewalt ein sinfonisches Kleid überstülpen. Schwache Stücke gibt es eigentlich natürlich keine, aber da MARILLION immer tief in der Schatzkiste der Bandgeschichte wühlt, bleibt es nicht aus, dass man auch immer mal wieder ein Lied herauskramt, das ich persönlich nicht zu den besten Kompositionen zählen würde. In diesem Fall ist das 'The Sky Above The Rain', aber das ist sicher für jeden Hörer unterschiedlich. Und doch, die orchestrale Version hat meiner Meinung nach mehr Verve als die Studioaufnahme. Nach ein paar weiteren Durchgängen wird es auch immer besser, die Band zwingt mich förmlich dazu, mich auch mit den seltener gehörten Liedern erneut auseinanderzusetzen. Und was soll ich sagen, ja, okay, es wächst in dieser Version ganz besonders.
"With Friends At St David's" ist ein weiteres beeindruckendes Album einer alten Band, die den Mut der Jugend und die Neugierde des Reisenden bewahrt hat und mit der Reife des gestandenen Künstlers zu paaren vermag, entstanden. Ich stehe wie so häufig mit offenen Ohren und Augen vor einem Album, bei dem ich mir vorstelle, wie sich die Jungs von der Insel schelmisch grinsend über ihren nächsten, unverhofften Streich amüsieren. Die Ansagen des Sängers Hogarth und die immer wieder gut hörbaren Publikumsreaktionen geben der Perfektion einen kleinen Stups und machen "With Friends At St David's" noch eindrucksvoller und diese Doppel-CD sogar knapp zu der besseren der beiden "Friends"-Veröffentlichungen. Allein schon wegen der zwei neuen Longtracks, denn das ist die Kategorie, die MARILLION wie keine zweite Band beherrscht.
Großartig und makellos.
- Note:
- 10.00
- Redakteur:
- Frank Jaeger