LIMP BIZKIT - Results May Vary
Mehr über Limp Bizkit
- Genre:
- NeoMetal
- Label:
- Flip / Interscope (Universal)
- Release:
- 22.09.2003
- Re-Entry
- Eat You Alive
- Gimme The Mic
- Underneath The Gun
- Down Another Day
- Almost Over
- Build A Brigde
- Red Light-Green Light
- The Only One
- Let Me Down
- Lonely World
- Phenomenon
- Creamer (Radio Is Dead)
- Head For The Barricade
- Behind Blue Eyes
- Drown
Totgeglaubte leben länger, möchte man fast sagen, denn mal ehrlich: Wer hatte denn allen Ernstes noch damit gerechnet, dass LIMP BIZKIT noch mal die Kurve kriegen? Vielleicht ist Fred die Lunge, aber Wes war das Herz dieser Band. Der Einzige, der es geschafft hatte, neben dem arroganten Rotkäppchen nicht grau zu wirken. Aber hey, durfte man bei der Vorab-Single ’Eat You Alive’ noch berechtigt skeptisch sein, durfte man zum Erscheinen des Albums sagen: LIMP BIZKIT is back! Immer noch das Gleiche, aber in neuem Gewand, zumindest bis zu einem LB-untypischen Level. Und plötzlich wirkt der ganze Wirbel, der in London (Live-Show) um diese Band gemacht wurde, nur allzu berechtigt. Zwar wird dieses Album kaum so sehr die Musikwelt spalten wie METALLICA’s "St. Anger", aber es ist ein weiterer Schritt in der Geschichte dieser Band ... ein Schritt nach vorn.
Auf den ersten Blick hat man das Gefühl, die Band wollte wohl an Produktions-Nebenkosten sparen, denn das billige und zu allem Überfluss giftgrüne Cover schreckt eigentlich ab. Auch die Rückseite ist nicht besser. Ein Live-Bild, als hätte man ein Videostandbild abfotographiert, und die Songlist nostalgisch in Standard-Schriftart, mit den Spielminuten dahinter ... Da ist ja das Cover jeder Kellerband besser. Außerdem kann ich es nicht mehr sehen, dass immer nur Fred Durst abgebildet wird, das war schon in diesem Pseudovideo zum Faith-Remix so. Alles Abzocke. Dann der Blick nach innen, und man entdeckt die Lyrics zu allen(!) Texten. Sehr ungewöhnlich für LB. Außerdem zwei CDs, wenn man sich die Mühe machte, nach der Limited Edition Ausschau zu halten. Zur Bonus-DVD aber später.
Dann geht’s los. Wäre irgendwer überrascht gewesen, wenn es kein stranges Intro mit verzerrten Stimmen gegeben hätte? Wohl eher, wenn es keines gegeben hätte, oder? Nach Intro und Intrument-Aufwärmen wird gleich erst mal die Single rausgeklopft. Und erst jetzt entscheidet sich, wie gut das Schiff Fahrwasser hat. LB werfen Kohlen ins Feuer und zünden sie mit 'Gimme The Mic' an! Der Song rockt, so, wie LIMP BIZKIT immer gerockt haben. Und auch, wenn man nicht wirklich sagen kann, was an diesem Song so neu sein soll, ist er dennoch richtig gut, nimmt am Ende an Tempo zu, und ja, er hat doch tatsächlich Doublebass-Anteile, welche allerdings stärker zum Ausdruck hätten kommen dürfen. 'Underneath The Gun' kommt einfach nicht wirklich auf den Punkt, und das fast sechs Minuten lang. Dafür ist es aber dennoch ganz hörbar. Und Freds langsames Singen ist noch weit mehr mit dem Song verbunden, als es bei David Draiman von DISTURBED der (Rein)Fall ist, dafür also Daumen hoch. Vielleicht sollte sich in diesem Lied auch erstmals ein gewisser Mr. Mike Smith etwas etablieren, denn es ist sehr gitarrensolo-lastig. Bei den ersten Klängen von 'Down Another Day' traute ich zunächst meinen Ohren nicht. Tatsächlich besinnen sich LB wieder auf cleanes E-Gitarren-Spiel, das am stärksten und schönsten auf der "CSATHDFW" zu hören war, jedoch aufgrund der schlechten Kritiken in Bezug auf die Lyrics nie richtig beachtet wurde. Und viel Staub fällt auf das noch eben so klare Bild von einem Wes Borland. Langsam aber sicher wird selbst dem hartnäckigsten Kritiker bewusst: Diese Band lebt und erfreut sich aller bester Gesundheit. Folgend findet man wunderschöne Melodien in Liedern wie 'Almost Over', 'Let Me Down' und vor allem 'Lonely World' und 'Creamer (Radio Is Dead)'. Ein Style, den man nun sogar schon als Markenzeichen bezeichnen kann, in einer Zeit, da die Gitarren selbst auf neuen Manson-Alben so verzerrt werden, dass es nicht mehr nötig ist, sie zu stimmen. Und noch etwas wird gleich beim ersten Durchhören offensichtlich: Man besinnt sich immer mehr auf Balladen, wie mit 'Build A Bridge', wo sogar teilweise mit Akustikgitarre gearbeitet wird, bis das Lied für den Refrain immer wieder zum Midtempo-Rocksong ausartet.
Was aber nicht fehlen durfte, war der obligatorische HipHop-Song, der trotz prominentem Gast SnoopDog ein klares Eigentor darstellt. Dem grandiosen 'Ntogether now' hält dieses Etwas nicht mal ansatzweise stand. Da hätten die beiden wohl nicht ganz so halbherzig rangehen sollen. Denn das sinnfreie, ständige 'Feak Baby' nervt mehr als alles andere.
'The Only One' ist Füllwerk, reißt aber auch keine Schluchten auf, und dann beginnt eigentlich erst das Hoch dieses Albums. Das bereits kurz erwähnte 'Lonely World' ist genau das Richtige für Liebeskummer-Gemarterte, zumindest von seiner Grundstimmung her. Läuft dieses Lied erst mal, wird es zur Qual oder gar unmöglich, es abzuschalten. Geschickt werden nun knüppelharte Mosh-Tiraden wie 'Phenomenon' und 'Head for the barricade' mit gefühlvollem Rap ('Creamer') oder Gesangsballaden abgewechselt. Und dann kann man dem missglückten Möchtegern-HipHop-Track 'Red Light-Green Light' doch noch etwas Positives abgewinnen, denn es fügt sich zumindest sehr gut in einen weiteren großen Pluspunkt dieses Albums ein: Abwechslung! Dadurch, dass man die verschiedenen Stile gut mischt, kommt nie Langeweile auf. Aber so was kann man nur, wenn man auch genug verschiedene Stile hat. LIMP BIZKIT haben sie, haben ihr Repertoire positiv erweitert! Dass dabei die Härte etwas kürzer treten muss, ist zu verzeihen. Klar kann man sich über die intellektuelle Notwendigkeit eines Songs wie 'Head For The Barricade' durchaus streiten, aber Fakt ist, dass das Teil tierisch abgeht. Das ist nun mal auch LB. Man geht nicht ins Popcorn-Kino, wenn man Theater bevorzugt. Aber um die Combo um Fred Durst wieder etwas in Schutz zu nehmen: Dass diese Band durchaus in der Lage ist, ernst gemeinte und auch wirkliche gute Coverversionen von wirklich großen Namen zu produzieren, beweist ganz sicher das THE WHO-Cover 'Behind Blue Eyes'. Der Scheibe wird insgesamt nur zum Verhängnis, dass vorn eindeutig 'LIMP BIZKIT' drauf steht, so werden beim Otto-Normal-Kritiker aus spitzenmäßigen Balladen mal eben ein 'paar gefühlvolle Lieder'. Das ist Schicksal, aber glücklicherweise ist es ja immer noch die Meinung der Fans, die zählt.
Die DVD:
Gerade hat sich Multimedia auch im Audio-CD-Bereich erfolgreich etabliert, da erscheint es fast seltsam, dass LIMP BIZKIT den Verkauf der Limited Edition so schwach anschoben. In den meisten Vertriebsstellen, selbst den großen, die sonst immer alles haben, findet man nur das schlichte Ein-CD-Paket. Wer also nicht lange herumsuchen will, der bringt etwas Geduld auf und wartet auf die Postlieferung des Versandhauses mit dem südafrikanischen Flussnamen. Und hiermit seien alle Adventskalender-am-ersten-Tag-leer-Fresser, also die, die aus Gier die normale CD gekauft haben, obwohl daheim dem DVD-Player das Wasser im Zahn zusammentropft, gewarnt: Ihr verpasst was! Die CD enthüllt vorab Material von der voraussichtlich im Dezember (also irgendwann in zehn Jahren) erscheinenden DVD mit dem tollen Namen 'Poop'. Dass dieser Titel nicht von ungefähr kommt, wird dann beim Inhalt deutlich. Klar wird sich jetzt der eine oder andere sagen: Das sehe ich doch dann im Dezember. Aber wer weiß, wie das Resultat dann aussehen wird, und 'haben' heißt erst mal haben.
Was erwartet einen? Klar ist LIMP BIZKIT’s großer Trumpf auch schon immer die visuelle Power gewesen. Denn mal ehrlich: Mit ihren Texten können sie es sich nicht leisten, solche Langweiler wie RADIOHEAD oder SLUT zu sein. Wer aber mit purer Selbstverherrlichung rechnet, wird überrascht/enttäuscht sein! Statt Selbstverherrlichung jede Menge Selbstironie. Klar gibt es auch ein paar Minuten, die den unzähligen UpShirt-Girls gewidmet sind (bei der eigentlichen DVD dann hoffentlich nicht mit schwarzen Balken), aber hauptsächlich sieht man Fred und (man höre und staune) Wes Borland im BeastyBoys-Sabotage-Look dumme Witze reißen, die großen unschuldigen Augen von einem schüchternen und/oder verkaterten John Otto. Oder auch Wes Borland, wie er an seinem Geburtstag auf dem Klorand hängt und pennt, während darin das Buffet vom Abend schwimmt. Aber auch Bilder von ersten Auftritten, als ihr Name noch falsch geschrieben wurde, und einfach nur geile Liveszenen. Klar wird jedes Thema nur angerissen, wie der Videodreh zu 'Boiler' und nach Mike Smith sucht man in den Aufnahmen vergeblich, dafür aber immerhin eine halbe Stunde lang! Dafür, dass es scheinbar so nebenbei mit draufgebracht wurde, also wirklich ein gelungener Bonus.
Klar, man muss Fan dieser Band sein, um sie zu mögen, und ihr einen Schritt entgegengehen, ein paar Schwächen in den Lyrics verzeihen, und das Positive suchen. Das Schöne an diesem Album ist, dass man dies in Massen findet und sich die peinlichen Momente weniger häufig und sehr viel weniger tiefschneidend abzeichnen, als es die einen erwarteten, die nächsten befürchteten, und die ganz Krassen es sich wünschten. Das Album birgt allerdings auch keine echten Kracher, zumindest keine harten. Wer sich dieses Album anhört, sollte damit leben können, dass Fred nun sehr gern singt statt zu schreien. Aber seid beruhigt, ihr könnt damit genauso gut leben, wie Fred wahrlich singen kann. LIMP BIZKIT ist zurück, auch ohne Wes, dafür aber mit einem tollen Album, das danach schreit, den ganzen Tag im Repeat aus den Boxen zu dröhnen. Vielleicht nicht mehr so hart, aber weitaus seriöser als die "Choclate Starfish".
Anspieltipps: Almost Over, Lonely World, Phenomenon
- Redakteur:
- Michael Langlotz