GAAHLS WYRD - Braiding The Stories
Mehr über Gaahls Wyrd
- Genre:
- Black Heavy Metal
- ∅-Note:
- 9.50
- Label:
- Season of Mist
- Release:
- 06.06.2025
- The Dream
- Braiding The Stories
- Voices In My Head
- Time And Timeless Timeline
- And The Now
- Through The Veil
- Visions And Time
- Root The Will
- Flowing Starlight
<p class="MsoNormal">Vielschichtiges Meisterwerk für nicht nur mit den Ohren hörende Dunkelseelen.</p>
Zugegeben, ich war und bin nie ein ausgewiesener Fan der zweiten Black Metal-Welle gewesen. Daher habe ich mich auch mit dem Schaffen von Bands wie TRELLDOM und GORGOROTH nie intensiver beschäftigt und bin quasi erst mit Kristian Eivind Espedals aka Gaahls eigenem Bandprojekt GAAHLS WYRD dazu gekommen, mich eingehender mit seiner Kunst zu beschäftigen. Black Metal mit individuellerer Note und diversen progressiven Elementen konnte ich generell schon immer mehr abgewinnen als der reinen und puristischen Lehre des Schwarzmetalls.
Bereits der erste Langspieler 2021 "GastiR - Ghosts Invited" sowie die zwei Jahre später folgende EP "The Humming Mountain" konnten mich seinerzeit vollends überzeugen. Die drei bereits vorab zur Verfügung gestellten Songs in diesem Jahr ließen ebenfalls ziemlich Großes für Album Nummer zwei erwarten, welches nun in Form und Gestalt von "Braiding The Stories" vorliegt.
Bereits der verträumte Opener 'The Dream' mit seinen akustischen Gitarrenarpeggien und den von Gaahl geradezu lasziv gehauchten Lyrics lässt die melancholische Grundausrichtung des Albums erahnen. Was der exzentrische Norweger hier auf Albumlänge übrigens alles mit seiner Stimme, die hier schon nahezu eher als eigenes Instrument in Szene gesetzt wird, anzufangen weiß, wäre Stoff allein für einen ganzen Absatz. Der folgende, über acht Minuten lange Titeltrack weist leichte Gothic Rock-Einflüsse im Achtziger-Gewand auf und serviert uns ganz vorzügliche episch-düstere Melodien und wunderschöne Gitarrenleads, verpackt in schräge und dissonante, aber stimmungsvoll passende Akkorde. Atmosphärisch ist das bis hierhin schon großes Ohrenkino und man selbst schon komplett erfasst von dieser ganz eigenartig tristen, aber doch wohligen Stimmung, die dem ganzen Werk innewohnt. Dabei sind gerade einmal zwei Songs verstrichen.
'Voices In My Head' dient dann als kurzes, mystisches Interludium, bevor es bei 'Time And Timeless Timeline' erstmals richtig schön auf die Zwölf und die Kauleiste gibt. Himmel, Herrgott, Luzifer! Was für ein rasendes Riff-Inferno man uns hier vor den Latz knallt. So ganz kann sich Herr Espedal dann doch nicht seiner blackmetallischen Wurzeln entledigen. Die Nackenmuskulatur darf sich im Anschluss wieder ein wenig regenerieren, 'And The Now' entpuppt sich als kleiner, akustischer Horrortrip. Mir kommen außerdem Erinnerungen an "Meddle" von PINK FLOYD in den Sinn. Psychedelische Momente vermischen sich mit perkussiven Zwischenparts und tiefen Klaviertönen. Irgendwo im Hintergrund sind dezente Streicher und eine Art wimmerndes Klagen zu vernehmen. Was hier alles in knapp sechs Minuten in dieses vollkommen entrückte Songmonster gewuchtet wird, ist mal nicht von dieser Welt!
'Through The Veil' fungiert erneut als kleines, gruftiges Zwischenspiel, bevor es in 'Visions And Time' zeremoniell wird. Denn wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, hier ist eine stilechte schwarze Messe mit allerlei Opfergaben im Gange: Rituelle Gesänge zu schwerem Trommelwerk, die sich in rätselhafte Soundcollagen der allerdüstersten Art ergießen. Im Mittelteil eine E-Gitarre, die lavamäßig und gedankenversunken ins schwarze Nichts zu solieren scheint (Brillant: Ole Walaunet). Leute, das Teil ist einfach verdammt hotter Shice, nur mal so zwischendurch. Klingt für euch aber alles nach zu viel Atmosphäre und zu wenig Metal? Dann dürfte 'Root The Will' ganz nach eurer Façon sein. Ein famoser, progressiv angehauchter Riff-Uptempo-Kracher par excellence, der zum Ende hin allerdings zum richtigen Zeitpunkt wieder ein wenig Tempo rausnimmt. So geht Dynamik! Die introspektive, akustische Odyssee ins Reich des Unbewussten endet mit dem transzendentalen und experimentellen, über siebenminütigen 'Flowing Starlight', welches starke Dark-Wave-Einflüsse aufweist.
Sapperlot und Teufel! Nachdem mir die ersten doch noch sehr sperrig anmutenden Spins nicht wirklich flüssig durch die Gehörgänge gerauscht sind, kann ich nach einem weiteren guten Dutzend Durchläufe mit Fug und Recht behaupten: Gaahls ganz eigene Interpretation von Black Metal sucht weiterhin seinesgleichen. Gefühl, Aggression, Melancholie und Experimentierfreudigkeit müssen sich definitiv nicht ausschließen. Traditionalisten und Verfechter der bereits angesprochenen sogenannten "zweiten Welle" werden hingegen wohl wenig Freude mit dem Album haben und sollten besser zu Werken aus Gaahls frühen Tagen greifen. Allen anderen sei der Sprung ins kalte und stockdunkle Ozeanwasser wärmstens ans Herz gelegt. Die durch das Album freigesetzten Schallwellen werden euch eine gute Hilfe beim Freischwimmen sein. Es lohnt sich! Und wenn dann auch noch das fantastische Cover-Artwork von Øivind Myksvoll die Musik exakt in die passenden Farben und Töne gießt und die perfekt abgemischte Produktion von Iver Sandøy (ENSLAVED, WARDRUNA) keinerlei Wünsche offenlässt, bleibt mir nichts weiter, als das Review mit einem Zitat des Meisters himself zu beenden: "Ich wollte also, dass der Hörer in das Album eintaucht und nicht abgelenkt wird, und ich denke, das ist mir gelungen. Es ist cineastisch." Werter Herr Espedal, das ist es ganz zweifelsohne!
- Note:
- 9.50
- Redakteur:
- Stephan Lenze