THE IRON MAIDENS - Augsburg

07.12.2019 | 12:14

03.12.2019, Spectrum

Diese Setliste würden die britischen Originale sicher niemals spielen!

Gewöhnlich bin ich ja niemand, der für Coverbands (nein, auch nicht für Tribute-Bands, das ist für mich eine Mischpoke) hinter dem Ofen hervorkriecht. Meines Empfindens nach gehören diese Bands, und das meine ich überhaupt nicht despektierlich, auf entsprechende Volksfeste und in passende Bierzelte. Dabei spreche ich den Musikern keinesfalls die technischen Fähigkeiten ab, nur bevorzuge ich die originale Band und die Darbietung der Künstler, die die Lieder auch komponiert oder zuerst veröffentlicht haben. Und ja, auch viele der Bands, die nur noch ein Originalmitglied haben, vor allem, wenn es nicht der Sänger ist, lassen mich häufig kalt.

Was aber nicht heißt, dass ich mit bei Kapellen dieser Art nicht auch amüsieren könnte und sie absolut ihre Daseinsberechtigung haben. Ein schönes Dorf-Open-Air mit zwei, drei Tribute-Bands und einer Kaltschale finde ich prima. Das Jubiläum im Tanzschuppen kann man auch kaum besser begehen. Die Frage, die sich mir stellt, ist nur, ob eine einzelne Tribute-Band in einem Club unterhaltsam genug für eine ganze Tour sein kann?

Nun gibt es aber gleich zwei Gründe, heute Abend die Probe durchzuführen. Zum ersten findet das Konzert im Spectrum in Augsburg statt, dass ich wegen seiner angenehm unaufgeregten Atmosphäre sehr schätze. Zum anderen wird IRON MAIDEN gehuldigt, zweifellos einer der größten Metalbands aller Zeiten und ein wichtuger Teil meiner metallischen Sozialisation. Die Tribut zollenden Damen namens THE IRON MAIDENS gelten ja auch als ausgesprochen gut in ihrem Metier und konnten in den USA bereits verschiedene Preise einheimsen. Wobei - Preise für Coverbands? Das bringen auch nur die Amis, oder?

Ich bin heute Abend sehr pünktlich und treffe dreißig Minuten vor Beginn ein. Es ist bereits erstaunlich voll! Im Spectrum spielen häufiger mal Tribute- und Coverbands, in der nahen Zukunft darf man FEEL COLLINS, die Coverkünstler HELTER SKELTER oder auch die AC/DC REVIVAL BAND erleben, es bewahrheitet sich wieder ein Phänomen, nämlich, dass eine gute Band, die Fremdmaterial spielt, durchaus ein größeres Publikum, und übrigens auch eine größere Gage, ziehen kann als eine originale Truppe. Das klingt nicht fair, aber jetzt sind wir wieder bei dem Thema Dorffest oder Clubgeburtstag, doch was ist mit einem Konzert an einem Wochentag?

Während die Menge mit Metal vom Band von KAMELOT und BEYOND THE BLACK eingestimmt wird, füllt sich das Specrum ganz gehörig. Jeder hat das Getränk seiner Wahl in der Hand oder auf einem der vereinzelt herumstehenden Stehtische vor sich, als fast pünktlich um 20 Uhr 'Doctor Doctor' von UFO ertönt, um klar zu machen, dass es jetzt losgeht. Als das Lied beendet ist, geht es aber noch nicht sofort los, sondern jetzt muss erstmal die Dame mit Hilfe einer Taschenlampe ans Schlagzeug geleitet werden, denn auf der Bühne ist es dunkel, und auch die anderen Musikerinner kommen jetzt auf die Bühne. Das hätte man sicher zügiger und spektakulärer gestalten können, aber sobald die ersten Töne von 'Wicker Man' ertönen, macht sich darüber wohl niemand mehr Gedanken.

Ja, das klingt klasse. Die beiden Gitarristinnen spielen fehlerfrei, locker und auch mit dem richtigen Sound, während Steph Harris alias Wanda Ortiz am Bass offensichtlich viel Freude am Auftritt hat, sie lacht und sucht den Blickkontakt zu den ersten Reihen. Das ist entwaffnend sympathisch und mitreißend, während sie die durchaus anspruchvollen Harris'chen Basslinien zupft.

Natürlich steht und fällt so ein Auftritt mit dem Gesang. Kirsten Rosenberg, die ihre Bühnenfigur Bruce Chickinson nennt, klingt in der Tat stark nach dem Original und lässt die Musikfans vor der Bühne mitsingen. Ja, wenn man die Augen schließt, könnte man heute Abend oftmals glauben, es ständen die echten IRON MAIDEN auf der Bühne. Sogar so sehr, dass Sängerin Rosenberg in 'Flight Of Icarus' die gleichen Tonhöhenschwächen offenbart, wie sie mittlerweile auch Bruce zu eigen sind. Wobei das Stück auch wirklich schwierig ist und die Dame in zahlreichen anderen Liedern deutlich souveräner agiert, als es der britische Pilot, Fechter und Sänger bei dem letzten Auftritt, den ich gesehen habe, vermochte.

Was noch nicht so überzeugend wirkt, sind die Ansagen. "Chickinson" reißt ein paar Witze, aber die Publikumsreaktion ist gebremst. Vielleicht verstehen sie nicht alle oder es ist einfach zu früh im Set. Reißt erstmal drei Brecher runter und fangt dann an zu quasseln, würde ich sagen. Wobei die Setliste heute eine echte Wundertüte ist. 'Die With Your Boots On', '22 Acacia Avenue' und 'Revelations'? Damit hätte ich wirklich nicht gerechnet. Letzterer ist einer meiner absoluten Lieblings-Maiden-Songs und die Version heute ist spitze! Trotzdem hätte ich empfohlen, vielleicht das nun folgende 'Wasted Years' zuerst zu spielen und die allgemeine Betriebstemperatur vorher zu erhöhen, aber das stört hier niemanden.

So langsam tauen jetzt auch die beiden Gitarristinnen auf. Adriana Smith alias Courtney Cox - echt jetzt? Ein Pseudonym für ein Pseudonym? Oder ist der Name echt? - schien anfangs noch etwas verbissen auf die Gitarre konzentriert zu sein, aber jetzt nimmt sie auch Blickkontakt auf und zieht Grimassen. Zum Totlachen finde ich ihre Geste während 'The Trooper', als die Sängerin zum Posen in die Bühnenmitte kommt und Cox mit dem Arm wedelt, als hätte sie einen Cowboyhut, und ihre stimmgewaltige Kollegin antreibt. Jetzt herrscht großer Spaß auf der Bühne und das etwas reservierte Publikum, bei den Besuchern des Spectrum übrigens relativ normal, die überschäumende Euphorie kommt hier selten auf, lässt sich zu Mitklatschen hinreißen.

Eine besondere Erwähnung erfordet die Setliste. Tribute-Bands haben ja den Vorteil, sich einfach nur auf die Hits konzentrieren zu können. THE IRON MAIDENS allerdings haben es sich wohl auf die Fahnen geschrieben, das Repertoire immer wieder durchzumischen. Neben den drei oben erwähnten Sngs, mit denen ich nicht gerechnet hätte, gibt es auch noch 'Sea Of Madness' als völlig unverhoffte Einlage. Klar, alle Hits gehen eh nicht, aber anstatt zum drölfzigsten Mal 'Run To The Hills' oder '2 Minutes To Midnight' solche verborgenen Perlen zu spielen, finde ich positiv bemerkenswert.

Nach 80 Minuten geht es von der Bühne, aber natürlich ist noch nicht Schluss. Erst als 'Iron Maiden' verklungen ist, endet die Zeitreise durch die IRON MAIDEN-Geschichte, die von fünf Musikerinnen wirklich stark zelebriert wurde, die später am Merchandise noch mit den Fans plaudern. So gesehen hat der Auftritt Spaß gemacht, auch wenn es eben nur eine Art musikalisches Methadon war für eine echte Dosis der Originale. Doch durch die ungewöhnliche Setliste und die nahezu perfekte Umsetzung findet THE IRON MAIDENS eine Nische, in der man die Damen mal besuchen sollte. Am liebsten auf einem richtigen Dorffest im Sommer.

Redakteur:
Frank Jaeger

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