Rockharz Festival 2025 - Ballenstedt

18.07.2025 | 22:43

26.06.2025, Flugplatz

Mit der Powermetal-Crew ab in den Harz, bereit zum Abrocken.

Freitag

Die Hälfte haben wir geschafft, und nach meiner obligatorischen Technik-Reinigungs-Prozedur habe ich die Ehre, mit SEASONS IN BLACK den heutigen Festivaltag zu eröffnen. Die Band feiert im Harz ihre Album-Release-Party zu "Anthropocene". Nach sage und schreibe zwölf Jahren hat es SEASONS IN BLACK geschafft, ein neues Album zu veröffentlichen. Mit 'You Get What You Give' und 'Inside' gibt es immerhin zwei Songs von der neuen Langrille. Die beiden Tracks haben definitiv das Zeug für die Stage. Die Mischung aus Melodic Death Metal, Doom Metal und Dark Metal treibt den bereits anwesenden Metalheads zu recht früher Stunde den Schlafsand aus den Augen. 30 knackig-kurze Spielminuten um wach zu werden und sich auf den heutigen Festivaltag einzustimmen.

[Andre Schnittker]

Pünktlich zur Mittagszeit entern die finnischen Newcomer ARCTIS die Bühne und liefern ein Set ab, das ihre ganz eigene Interpretation von Modern Metal auf die Festivalmeute loslässt. Mit im Gepäck ist das selbstbetitelte Debütalbum "Arctis", welches erst 2024 das Licht der Welt erblickte und im Rahmen einer anschließenden Europatour promotet wurde. Der Sound kommt schon recht poppig daher und die Songs sind durch ihr Arrangement für mich eher etwas zum Durchatmen als zum Mitfiebern, was gerade zur frühen Tageszeit eine willkommene Abwechslung ist. 

Für das ROCKHARZ passt das alles gut und die Fans feiern mit den Mannen um Frontfrau Alva Sandström auch jetzt schon eine gute Party, obwohl die ganz großen Circle Pits zu dieser Stunde noch ausbleiben. Die Band zeigt, dass sie trotz ihres noch jungen Bandbestehens genau weiß, was sie will. Ihre Musik ist modern produziert und hat internationalen Anspruch. Für die Dauerschleife fehlt mir persönlich der Tritt aufs shoutende Gaspedal, aber einen angenehmen zweiten Slot des Tages haben wir trotzdem gesehen. Wer heute in der Mittagsstunde aufmerksam zugehört hat und abseits vom Geballer auch mal etwas Fröhliches auf die Ohren möchte, dürfte ARCTIS künftig definitiv auf dem Radar haben.

[Norman Wernicke]

Wenn Norman bei ARCTIS das "shoutende Gaspedal" gefehlt hat, dann sollte er doch nun bei DEFECTS die willkommene Anpassung bekommen. Mit ihrem Debütalbum "Modern Error" im Gepäck liefern die Briten genau die Portion Metalcore, welche Freunde von  ANY GIVEN DAY oder BURY TOMMORROW so abfeiern. Es gibt jede Menge fette Sounds mit schönen Synthieeffekten, brachiale Gitarrenwände und das typische Prozedere von Hart & Zart im Gesang. Das Grundrezept ist bekannt und überraschende Wendungen muss man schon mit der Lupe suchen, aber immerhin sprechen wir hier auch von einem Newcomer und Material aus dem ersten Wurf. 

Was man aber jetzt schon sagen kann, ist, dass DEFECTS ein gutes Gespür für Hooks und einen passenden Chorus hat. Auch wenn wahrscheinlich der geringste Anteil des Publikums Kenntnis über das Songmaterial hat, gehen die Lieder überall direkt ins Ohr und es wird bereits mitgesungen und die Faust gen Mittagssonne gestreckt. Das ist deutlich mehr als nur ein Achtungserfolg, sondern schon eine astreine Visitenkarte für weitere Auftritte in deutschen Gefilden. Würde mich echt interessieren, wie gut die Band auf dem VAINSTREAM oder RELOAD bei nochmal deutlich szeneaffinerem Publikum abräumt.

[Stefan Rosenthal]

Gäbe es einen Sympathiepreis, DESERTED FEAR hätte diesen hier und heute gewonnen. Die sympathischen Jungs aus Thüringen sind ein gern gesehener Gast im Harz und auch heute stellen sie wieder unter Beweis, warum das so ist. So plaudert Gitarrist Fabian aus dem Nähkästchen, dass die Band gerne nach dem Auftritt geblieben wäre, um mit den Leuten zu feiern, aber da gefühlt die Hälfte der Band auf eine Hochzeit eingeladen ist, muss das wohl bis zum (hoffentlich) nächsten Besuch warten. Doch bis die Hochzeitsglocken läuten, werden noch andere Glocken geläutet. Es gibt ordentlich auf die Zwölf, auch wenn man bei den Songs des neuen Langeisens "Veins Of Fire" spüren kann, dass die Jungs da insgesamt weniger das Gaspedal durchdrücken. Tut es der Party einen Abbruch? Aber sowas von überhaupt nicht! 'Blind' und 'The Truth' werden genauso abgefeiert, wie 'Kingdom Of Worms' oder 'Part Of The End'. Ich hatte jedenfalls selbst bei den Moshparts ein Dauergrinsen im Gesicht. DESERTED FEAR hat sich hier glänzend präsentiert. So mag ich meinen Death Metal am Nachmittag.

[Kevin Hunger]

VADER kocht. Und was gibt es? Voll aufs Fressbrett. Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Herrschaften um Peter Wiwczarek hier und jetzt den brutalsten Abriss des ganzen Festivals abliefern. Fast auf den Tag genau vor 30 Jahren erschien der Klassiker "De Profundis", was von VADER entsprechend mit dem Nackenzerstörer 'Sothis' gefeiert wird. Alles andere geht in einem Rausch der Brutalität unter. Es ist schlicht unfassbar, wie VADER im Vollsprint die Gesichter der Anwesenden in ihre Einzelteile zerlegt. Wobei manche bei den brutalen Temperaturen eh schon beginnen, zu schmelzen. Zwischendurch präsentiert Peter auch seine bemerkenswerten Deutschkenntnisse, bevor der Frontalangriff gegen die Nackenmuskulatur unbarmherzig weitergeht. Erstaunlicherweise ist es das erste Mal, dass ich VADER sehen kann und man spürt hier zu jeder Zeit, dass da eine etablierte Band auf der Bühne steht. Diese Energie spricht allerdings eher für einen Newcomer und - nachdem ich meine Gesichtszüge wieder notdürftig zusammengeschustert habe - spende ich anerkennend langen Applaus.

[Kevin Hunger]

Was für eine schwere Geburt! Erst 2025 klappt es endlich, dass DRACONIAN auf dem ROCKHARZ auftreten kann. Letztes Jahr zwang das Unwetter die Schweden, ihren Auftrag zu canceln. Doch hier und heute soll es endlich passieren. Der Slot ist allerdings erneut recht suboptimal, spielt DRACONIAN doch in der prallen Sonne und ich habe schon einen Hitzekoller, als ich Sänger Anders Jacobsson im bewährten Hoodie mit tief ins Gesicht gezogener Kapuze auf die Bühne schlendern sehe. Er entledigt sich dieser portablen Sauna allerdings dann direkt nach dem ersten Song 'The Sacrifical Flame'. 

Daneben glänzt auch die Rückkehrerin Lisa Johansson mit ihrer großartigen Stimme und liefert sich im Song 'Deadlight' ein mitreißendes "Die Schöne und das Biest"-Duett mit Anders Jacobsson. Allgemein habe ich großen Spaß an DRACONIAN, einer Band, die ihren schaurig schönen Gothic-Doom Metal mit viel Leidenschaft und Spaß in den Backen abliefert. Insofern da überhaupt lächeln erlaubt ist. Auch die von der Vorgängerin Heike Langhans eingesungenen Songs wie 'Stellar Tombs' meistert Lisa Johansson mit Bravour. Noch während des Konzertes ist mir wieder bewusst, dass diese unterbewertete Truppe wesentlich mehr Aufmerksamkeit verdient und sie hoffentlich bei ihrer ROCKHARZ-Premiere ein paar neue Fans gefunden hat.

[Kevin Hunger]

Wie SODOM stammt auch ANY GIVEN DAY aus Gelsenkirchen. Die Metalcore-Truppe ist am Freitagnachmittag an der Reihe. Es ist im Gegensatz zum erträglichen Vortag wieder warm, die Sonne knallt ebenso erbarmungslos wie der Sound von ANY GIVEN DAY. Der Bass dröhnt bis ins Gedärm, der Klang ist insgesamt klar und transparent, so soll es sein. Die Fans der Band sind auf jeden Fall da und sofort wach. Ansonsten ist der Andrang vor der Bühne zunächst noch zögerlich, mit zunehmender Spieldauer vermehrt sich die Anzahl der in die Höhe gereckten Pommesgabeln massiv. 

Nach dem dritten Song 'Limitless' ist Mitsingen in den ersten Reihen definitiv Pflicht, die Nackenmuskeln müssen wieder mal einiges aushalten. Frontmann Dennis Diehl macht seine Sache gut und versteht es, das Publikum bei Laune zu halten, was ohnehin spätestens mit dem Kracher 'Unbreakable' geschieht. Der Circle Pit im absoluten Staub hat zwar etwas für sich, gegen die Wasserdusche aus dem C-Schlauch hat allerdings auch niemand etwas. Abkühlung bringt das nur äußerlich, denn mit 'H.A.T.E.' werden nochmal alle (vornehmlich jungen) Hüpfer zum Austoben animiert. ANY GIVEN DAY legt ein durchweg ordentliches ROCKHARZ Festival-Debüt hin, da kann keiner wirklich meckern.

[Frank Wilkens]

Es ist kurz vor 18 Uhr in Ballenstedt und auf der Bühne "singt" das Niveau. Oder besser gesagt: DIE KASSIERER. Schon nach der ersten Minute und dem Auftritt der "Pimmelpolizei" ist klar, wohin die Reise geht. Für manche ist an diesem Punkt bereits die höchste Kunstform des Festivals erreicht, andere werden zumindest noch von blanker Schaulust vor der Bühne gehalten. Selbst der Fluchtreflex hat keine Chance mehr, wenn Wolfgang Wendland und seine Kulttruppe zur Audienz laden. Als Wendland mithilfe eines DIN-A4-Blatts – wer weiß, ob da überhaupt etwas draufsteht – den Text zum einzigen neueren Song 'Wir wollen Bier' rezitiert, muss ich tatsächlich kopfschüttelnd lachen. Die Band ist so dermaßen gaga und hat trotzdem "Hits" en masse. Bei 'Partylöwe', 'Großes Glied' oder 'Blumenkohl am Pillemann' fühle ich mich sofort zurückversetzt in die sorglosen Jugendtage und ihre Feiern. Und 'Sex mit dem Sozialarbeiter' ist sowieso längst ein Punk-Klassiker. Mit Unterstützung von Sänger-Azubi Christoph Halbe gibt's heute ein echtes Best-of-Feuerwerk und das gefällt mir ehrlich gesagt sogar besser, als der Frühschoppen-Auftritt auf dem Wacken 2019.

Der Neuzugang macht seinen Job tadellos und zieht natürlich auch blank. Bei dieser Punk-Institution funktioniert die Einarbeitung eben besser als bei so manchem deutschen Unternehmen. Das unvermeidliche Highlight ist dann 'Das Schlimmste ist, wenn das Bier alle ist' und diese Publikumschöre befinden sich an diesem Nachmittag fast auf 'Sternhagelvoll'-Niveau. Auch wenn Wolfgang Wendland inzwischen über 60 ist und das Ende droht - eine Welt ohne DIE KASSIERER will ich mir eigentlich nicht vorstellen. Wie einst bei Lena Meyer-Landrut darf man sich fremdschämen oder das alles geschmacklos finden. Aber: Im Gegensatz zu vielen anderen Bands ist das hier wirklich einzigartig. Keine andere Combo klingt so und das ist auch gut so. Vielleicht der speziellste Auftritt beim diesjährigen ROCKHARZ, aber ganz sicher einer der gelungensten.

[Stefan Rosenthal]

Spätestens seit Anfang der 90er Jahre möchte ich mich als absoluten OVERKILL-Fan bezeichnen, mit den Songs dieser Band ebenso vertraut wie mit dem Sänger Bobby "Blitz" Ellsworth, mit dem ich schon so manches Gespräch führen durfte. Zu Beginn des Sets haben die New Yorker zunächst ein paar Soundprobleme, die sich dann schnell erledigen. Mit dem Titeltrack 'Scorged' vom aktuellen Album legt man stark los, im Anschluss folgt quasi eine Best-Of Show, in der die Gitarrenfraktion sich mächtig ins Zeug legt und auch der scheinbar gut aufgelegte D.D. Verni seine Basssaiten zum Glühen bringt. Spätestens mit 'Rotten To The Core' nebst saucoolen Ansagen hat die Band das ROCKHARZ-Publikum fest im Griff. 

Und nicht nur das menschliche Publikum, wohlgemerkt. Der ortsansässige Milan findet scheinbar ebenfalls Gefallen an der Performance. Ein ums andere Mal dreht der Greifvogel seine Runden über das Infield. Bei 'Elimination' drehe ich zwar keine Runden, wohl aber durch. Mitsingen ist erste Pflicht, ebenso wie bei 'In Union We Stand'. Kein OVERKILL-Gig ohne 'Fuck You' und so ist es natürlich auch hier. Der Titel wird wie gewohnt zelebriert und beendet einen coolen Gig, der objektiv seine kleinen Schwächen hat. Aber hey, das ist OVERKILL! Zitat Bobby – "Fickt euch, ihr Luschen"!

[Frank Wilkens]

Für die einen wird die Zeit für das Vorglühen, welches für einen GLORYHAMMER-Auftritt notwendig ist, auch bei einem Auftritt um 19:35 noch nicht ausreichend sein, während für andere nach dem legendären KASSIERER-Auftritt die Qualitätskurve wieder leicht nach oben zeigen dürfte. Und ja, unterhaltsam ist das ganze schon durchgängig, auch wenn die einzelnen Songs leicht karikaturesk wirken und der ganze Auftritt etwas übertrieben gaga scheint. Dabei kann ich dem Live-Auftritt schon deutlich mehr abgewinnen als den teilweise grausamen Video-Clips, welche ich mir im Vorfeld zu Gemüte geführt habe. 

Trotz Zeigefinger nach oben bin ich definitiv nicht die Zielgruppe für diesen Comic-Relief-Wahnsinn in Tüten. Zwar kann ich mich des Charmes von Party-Krachern wie 'Wasteland Warrior Hoots Patrol' auch nicht  erwehren, aber eine komplette Stunde ist mir dann doch zuviel des Guten. Dem zahlreichen Publikum gefällt dieser Eskapismus-Trip jedoch sehr, sehr gut. Vielleicht bin ich nur auch etwas angesäuert, weil GLORYHAMMER nicht mal meinen Favoriten 'Holy Flaming Hammer Of Unholy Cosmic Frost' spielt und ich eigentlich auf Platte auch Team Thomas Winkler bin. In Summe zwar nicht komplett überzeugend, aber definitiv noch besser als 'ne Pause am Bierwagen.

[Stefan Rosenthal]

Eine Aufzählung, wie oft ich CRADLE OF FILTH bisher live gesehen habe, fällt mir extrem schwer. Es sind einige Shows angefallen, besonders in der starken Zeit Ende der 90er, Anfang der 2000er Jahre. Man kann also mit Fug und auch mit Recht behaupten, dass die Briten zu meinen absoluten Favoriten zählen. In den letzten Jahren wurde es aber merklich ruhiger um die Band und auch ich habe Dani Filth und seine Mannen etwas aus den Augen verloren. Umso gespannter bin ich auf das Konzert beim ROCKHARZ Festival. 

Zunächst müssen wir damit klarkommen, dass es noch helllichter Tag ist und ich mich nicht erinnern kann, CRADLE OF FILTH je im Sonnenlicht erlebt zu haben. Aber das Gerücht, Mastermind Dani würde sich im Angesicht der Sonne zu Staub verwandeln, bewahrheitet sich gottlob nicht. Der Bühnenaufbau ist fulminant, fast so gigantisch wie bei KING DIAMOND, das Intro ist episch-schwülstig. Die Theatershow kann also beginnen. Uns erwartet ein transparenter, druckvoller Sound. Und wer mit CRADLE OF FILTH etwas anfangen kann, wird sofort in den Bann gezogen, alle anderen suchen das Weite oder riskieren mal ein Ohr oder auch ein Auge. Musikalisch ist das nach wie vor ganz große Kunst, was die Briten abliefern, einfache Party-Mitsingnummern machen eben andere.

Die Setliste gibt eine Menge her, vor allem die "Cruelty And The Beast" und "Nymphetamine"-Phasen werden bedient, aber auch aktuellere Tracks wie 'Malignant Perfection' stehen auf dem Programm. Das Ganze läuft natürlich ziemlich rund durch, auch wenn ich persönlich finde, dass Dani den Spagat zwischen Growls und der für seinen Stil typischen Screams nicht mehr ganz so sauber hinbekommt. Mittlerweile verabschiedet sich die Sonne, was dem Schauder- und Gruselimage der Band natürlich absolut zugutekommt. Es tut gut, diese Band nach langer Zeit mal wieder auf der Bühne zu erleben, die Show ist stets ein Erlebnis. Ich notiere also einen soliden, wenn auch nicht spektakulären Gig der britischen Black Metal-Ikone.

[Frank Wilkens]

Jetzt ist's Zeit für Dark-Rock. MONO INC. hat sich mal wieder angekündigt und taucht die Bühne gleich zu Beginn in tiefrotes Licht. Voll ist es auf dem Festivalground und Sänger Martin Engler präsentiert sich bestens gelaunt und voller Dankbarkeit gegenüber dem ROCKHARZ-Team, das dieses tolle Festival immer wieder ermöglicht. Die Band liefert wie immer eine ausgewogene Mischung deutscher und englischer Songs ab, darunter auch die neue Single 'In My Darkness', einen Vorgriff auf das für den 15. August erwartete neue Album "Darkness", die offensichtlich gut ankommt. Engler belebt die Show durch wechselnde Bühnenoutfits und animiert das Publikum mit einer kleinen Choreographie zum Mitklatschen. Erst die linke Seite, dann die rechte Seite. Alle machen mit und hier und dort fliegt das Tanzbein. Auch eine Salve Pyrotechnik darf nicht fehlen, bevor die Fans zu dem Song 'Lieb mich' ausdrücklich eingeladen werden, mitzusingen – allerdings nur, sofern sie den Text können, die anderen nicht.

Vor dem dunklen Nachthimmel wechselt die Bühnenbeleuchtung stimmungsvoll von rot zu grün zu blau zu lila. Dann ist Platz für ein kurzes Drum-Solo, das mit dem wohlbekannten "Fluch der Karibik"-Soundtrack 'Pirates Of The Caribbean' untermalt wird. Diese Einlage erweist sich als geeignete Steilvorlage für die folgenden Hits. Mit 'Voices Of Doom' und 'Children Of The Dark' winden sich noch einmal zwei Ohrwürmer in die Gehörgänge der Fans, die die Show der Hamburger Truppe zu einem überzeugenden Ende führen. Die Musik von MONO INC. hat auch heute Abend wieder eingängige Melodien, tanzbare Rhythmik und eine wohlige Atmosphäre im warmen Dunkel der Nacht miteinander verbunden. Diese Band kann nichts verkehrt machen.

[Erika Becker]

Zugegeben, ich mag die Musik von POWERWOLF, aber die große Begeisterung einer Person in meinem sozialen Nahraum ergreift mich meist nicht. Um es vorwegzunehmen – heute wird das anders. Dafür sorgt sicher gleich der Einstieg in die Show des abendlichen Top Act. Während Attila Dorn auf einem sonderbaren Podest von unten auf der Bühne einschwebt, ergießt sich am Himmel ein Feuerwerk. Auf einer riesigen Leinwand im Hintergrund der Bühne schwingt eine historische Gestalt ein Schwert, das ich ob meiner Position im Infield nur zu Hälfte erkennen kann. Egal, die Metal-Messe beginnt. Attila fragt, seid ihr mit uns und dann blasen die ersten Songs begleitet von Feuersalven über den Festivalacker.

POWERWOLF hat sich heute vorgenommen, den Platz zum Beben zu bringen. Zumindest lädt der Sänger mit dem knarzigen Bühnendialekt die Fans dazu ein. 'Sinners Of The Seven Seas' ist der passende Song zum Beben. Danach schlägt die Stunde von Keyboarder und Organist Falk Maria Schlegel, der im Übrigen an diesem Abend insgesamt ein beachtliches Laufpensum zurücklegt. Die Orgel wird in die Mitte der Bühne geschoben und dann heißt es 'Amen And Attac'! Die Fans recken folgsam ihre Fäuste in die Luft, aber der Aufforderung Attilas, mit ihm zu tanzen, will so recht niemand folgen. Also müssen Attila und Falk Maria das selbst übernehmen und legen zu 'Dancing With The Dead' für einen kurzen Moment eine flotte Sohle aufs Parkett. Nach dem Tanz sollen die Fans singen. Attila will den inneren Dämon damit bekämpfen. Das ist immer eine gute Idee. Angesichts des grölenden Fanchores dürfte jeder Dämon den Kopf einziehen. Dämon hin oder her – es macht einfach Spaß, aus voller Kehle die eingängigen Stampfer von POWERWOLF mitzujubeln. Zuerst 'Armata Strigoi', dem hernach das 'Stoßgebet' folgt.

In solchen Momenten wird deutlich, warum diese Band mit ihren einfachen, aber dennoch eingängigen Rhythmen viele so begeistert. POWERWOLF ist ein Körpergefühl und die Zeremonie der Metal-Messe, die christlich-kirchliche Rituale auf die Schippe nimmt, die auch den zeitgenössischen Atheisten noch vertraut sind, lädt einfach immer wieder zum Schmunzeln ein. Sich selbst nicht allzu ernst zu nehmen, mit dem, was man da treibt, das zeichnet POWERWOLF nach meinem Empfinden aus. An diesem Abend auf dem ROCKHARZ Festival können die Fans in einem optisch-akustischen Meer voller bombastischer Eindrücke aufgehen: Feuerwerk, Pyros, hymnenhafte Refrains und Spaß dabei. Das passt für eine würdige Headliner-Show.

[Erika Becker]

Wenn man nach einem Headliner wie POWERWOLF als nächstes auf die Bühne muss, dann kann man eigentlich nur noch verlieren. Doch auf die Herrschaften aus dem Land von Eis und Feuer habe ich mich den ganzen Tag schon gefreut. Und irgendwie direkt ab der ersten Sekunde, nachdem die Bühne in kaltes blaues Licht getaucht wird, versprüht SÒLSTAFIR wieder diese einzigartige Magie, die mich direkt wieder im Würgegriff hat.  Beim ersten Song 'Sálumessa' spielt Frontmann Aðalbjörn Tryggvason seine Gitarre mit einem Cellobogen, was bei mir unweigerlich Assoziationen zu Jón Þór Birgisson der großartigen SIGUR RÓS erweckt. Doch genug mit dem isländischen Namedropping. 

SÒLSTAFIR schießt direkt das nicht minder atmosphärische 'Náttmál' hinterher und man kann direkt weiter in entferne Sphären schweben. Die dickste Überraschung folgt allerdings im Anschluss mit der ollen Kamelle 'Ghosts Of Light' des Zweitlingswerks "Masterpiece Of Bitterness", was einige der Anwesenden komplett aus dem Sattel gehen lässt. Irre! Als wäre die Magie nicht schon so unmittelbar spürbar, wird es von Minute zu Minute dichter. Sobald die ersten sanften Takte des Schlagzeugs der Bandhymne 'Fjara' zu vernehmen  sind, brandet Applaus auf und eine leichte Brise umweht den Bereich vor der Bühne. Gänsehaut! Es passte einfach alles: die leicht unterkühlte Stimmung auf der Bühne, die intensiven Songs. Mit dem nicht minder großartigen 'Ótta' und 'Goddess Of The Ages' beschließen die isländischen Cowboys einen Lehrbuchauftritt, wie man atmosphärischen Rock spielt.

[Kevin Hunger]

Photocredits: Norman Wernicke, Andre Schnittker

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Redakteur:
Andre Schnittker

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