Rock Hard Festival 2025 - Gelsenkirchen

13.06.2025 | 00:16

06.06.2025, Amphitheater

Gods Of Metal Of Wind And Of Rain.

Samstag

Mir gebührt wie am gestrigen Tage die Ehre, den Samstag schreiberisch zu eröffnen. Nachdem die letzte Nacht mit den Jungs in der heimischen Ferienwohnung in Essen doch älter als erwartet wurde und ich erst um kurz nach 10 erstmals die Augen öffnen sollte, schaffe ich es doch tatsächlich noch, pünktlich um 12 hier mit Anwesenheit zu glänzen (Ergebensten Dank an dieser Stelle dafür nochmals an die reizenden Kolleginnen und Kollegen Katharina und Frank fürs spontane Mitnehmen im Auto!). Dafür fällt zwar die obligatorische Konter-Bierrunde mit meinen Kumpels im Biergarten flach, aber wie sagt der spießige Volksmund so schön: Dienst ist Dienst, Schnaps ist Schnaps. Amen. 

Die Schweizer Schnörres-Fraktion AMETHYST ist jetzt mit ihrem "NWOBHM-meets-70ies-Hard-Rock" auch die genau richtige Band, um mir hier den noch verbliebenen Restschlaf aus den Augen zu pusten. Für einen Longplayer, eine EP und vermutlich noch nicht allzu viele absolvierte Live-Gigs auf der Habenseite ist das hier eine verdammt tighte Performance einer Band, die schon erstaunlich gut aufeinander eingespielt ist. Davon zeugen hier heute Songgranaten wie 'Embers On The Loose' und 'Rock Knights' vom famosen Debüt "Throw Down The Gauntlet". Die sympathischen Eidgenossen danken den Rock Hard-Verantwortlichen zudem noch für den bisher geleisteten Support und das vergangene Newcomer-Special im Besonderen, bevor nach einer knappen Dreiviertelstunde leider auch schon viel zu früh wieder Schluss ist.

[Stephan Lenze]

Noch bis vor Kurzem selbst im Publikum und nun auf den heiligen Brettern des Amphitheaters. THE NIGHT ETERNAL ist ein ziemlich angesagter Act, sodass es nicht verwundert, dass sich die Essener auch mal auf der Bühne blicken lassen. Und diese Atmosphäre: Spannung liegt in der Luft, eine dichte Wolkendecke, ein paar frische Winde – der Vorhang für den okkult angehauchten Heavy Metal der Jungs ist geöffnet. Was soll ich sagen, die Jungs sind einfach sympathisch: Die Ansagen, das Stage-Acting, natürlich sitzt bei 'Between The Worlds', 'Shadow's Servants' oder dem so grandiosen 'In Tartarus' nicht jeder Ton, aber so muss unverfälschter, düsterer Stahl klingen – und vor allem rüberkommen. 

Ricardo hat eine Stimme mit Wiedererkennungswert, die Fans haben sichtlich Freude und der finstere Schleier legt sich wohlig auf die Haut. Dazu ein zumindest in den unteren Reihen herrlich voluminöser Klang und generell versprüht THE NIGHT ETERNAL eine faszinierende, fast schon hypnotische Aura, die nach dem abschließenden 'Stars Guide My Way'/'Moonlit Cross'-Doppelschlag leider viel zu schnell verfliegt. Wenn die Prinzen der Düsternis schon so früh so gut ankommen, darf man gespannt sein, wie sich die Band noch weiterentwickelt. Der Kauf der zweiten Scheibe "Fatale" ist den Jungs definitiv sicher.

[Henriette Tressin]

Die Musikerinnen und Musiker von THE GEMS haben uns schon im vergangenen Jahr auf dem Reload Festival viel Freude gemacht und trotz des bescheidenen Wetters sorgen Mancini und Co. für allerlei Glücksgefühle. Von Minute zu Minute lockt die Schweden-Combo mehr Zuschauer vor die Bühne, die Lust auf eine Prise unbekümmerten, leichtfüßigen Hard Rock haben. Mit einer Mischung aus BLUES PILLS und – logischerweise – THUNDERMOTHER erspielt sich THE GEMS heute definitiv einige Fans dazu, was dank Ohrwürmern wie 'Like A Phoenix', 'Send Me To The Wolves' und 'Domino' nicht verwundert – auch wenn der Sound etwas druckvoller hätte sein können. Doch sei's drum, da schmecken Bier und Bratwurst gleich doppelt so lecker – und tatsächlich, wer hätte das gedacht? Es bleibt halbwegs trocken. Das freut nicht nur die Ränge, sondern vor allem die Band selbst, die sich von ihrer spielfreudigen, engagierten Seite zeigt und gerne wiederkommen darf. Dann hoffentlich mit neuem Material aus eigener Feder und etwas mehr Sonnenschein.

[Marcel Rapp]

Die holländischen Alternative Doom-Rocker DOOL sind nun auch bereits zum zweiten Mal hier zu Gast. Man kann die Band eigentlich immer und überall blind buchen, da man im dortigen Lager wohl einfach nicht anders kann, als live immer und immer wieder gnadenlos abzuräumen. So auch heute. Obwohl ich die Combo in den letzten neun Monaten bereits drei Mal sehen durfte, kann von Langeweile und Sättigung noch immer keinerlei Rede sein. Immer wieder ist es aufs Neue eine reine Wonne, Raven von Dorst und den anderen beim leidenschaftlichen Headbangen und Musizieren zuschauen zu dürfen. An dieser Tatsache kann auch der leider stärker einsetzende Regen wenig bis nichts ändern. Ein weiterer Pluspunkt entsteht dadurch, dass man sich im Gegensatz zur letzten Tour entschließt, neben der obligatorischen Zugabe in Form von 'Oweynagat' mit 'Wolf Moon' und 'Alpha' auch wieder zwei Songs von den ersten beiden Platten mit in die Setliste zu packen, was zumindest ich hier sehr begrüße.

Setliste: The Shape Of Fluidity; Self-Dissect; Wolf Moon; The Alpha; Venus In Flames; House Of A Thousand Dreams; Hermagorgon; Oweynagat

[Stephan Lenze]

Mit den britischen THRESHOLD folgt nun aber eines meiner beiden persönlichen Tages-Highlights, für das ich meinen faulen Hintern erstmals ins Infield begebe, um mir das ganze Bühnengeschehen nun auch einmal aus der Nähe betrachten zu können. Bei DEN Musikern macht es zudem besonders viel Spaß, ihnen ein wenig genauer auf die Finger schauen zu dürfen. Die Gewichtung der hier vorgetragenen Songs liegt, wen wundert es, natürlich auf den letzten beiden Studioplatten, auf denen Glynn Morgan seit seiner Rückkehr ins THRESHOLD-Camp seither mitgewirkt hat. 

Songs aus der Damian Wilson-Ära sucht man heute leider vergeblich, dafür haben es aber einige Songs aus der Andrew McDermott-Phase in die Setliste geschafft. Aber eigentlich ist es auch fast egal, welche Songs hier heute gespielt werden, da man mittlerweile wohl Songstoff für einen kompletten Festivaltag im Köcher hätte. Mit Steve Anderson am Tieftöner und Schlagzeugmaschine Johanne James verfügt man darüber hinaus mal locker über eine der allerbesten Rhythmusfraktionen im progressiven Metal. Bandleader Karl Groom ist sichtlich allerbester Laune und bedient seine Gitarre fast durchgehend mit einem Lächeln im Gesicht. Sound und Klangbild ist mal sowas von kristallklar, dass ich teilweise denke, dass muss doch hier alles vom Band kommen, tut es aber natürlich nicht. So liefern die Engländer am Ende des Spätnachmittags eine absolut tolle Vorstellung mit Gütesiegel ab, Chapeau!

Setliste: Slipstream; Silenced; The Man Who Saw Through Time; Mission Profile; Falling Away; Snowblind; King Of Nothing; Small Dark Lines

[Stephan Lenze]

Jetzt wird es deftig, aber frag' nicht nach Sonnenschein! Das machen wir bei dem Wetter ohnehin nicht, denn die dichte, bedrohliche Wolkendecke macht sich über Gelsenkirchen noch immer breit. Doch wenn NILE etwas kann, dann dem Wetter trotzen und mit dem so markerschütternden Death Metal zumindest gedanklich die pralle Sonne Ägyptens hervorheben. Aus Greenville nach Gelsenkirchen – inklusive Pyramiden, Pharaonen und jeder Menge Todesperlen. 

Nach einem so genialen wie unheimlichen Intro, nachdem es sich Schießbudenexperte Kollias bequem gemacht hat, entern Sanders, Kingsland und Jeter die Bühne und legen los wie die Feuerwehr. Ein heftiger, lauter und unerbitterlicher Sound, eine zwar recht statische, aber daher auch fast schon majestätische Bühnenpräsenz, mit 'Stelae Of Vultures' und 'To Strike With Secret Fang' gibt es einen Auftakt nach Maß und es wird der Grundstein für eine Death-Metal-Machtdemonstration vom Feinsten gelegt. NILE lässt die Musik für sich sprechen und so herrscht vor der Bühne und auf den Rängen gespanntes Bannen, wie heftig die nächsten Riff- und Gurgel-Bombardements werden. 

Und sie werden sehr heftig: 'Kafir!', 'In The Name Of Amun' oder 'Sarcophagus' stellen keine Fragen, sondern knallen allen Anwesenden unverblümt die Antworten ins Gesicht. Die Mannschaft ist superb auf sich eingestellt und vor allem wenn es mal etwas schneller zu Werke geht, kreisen auch auf den Treppen reihenweise die Matten. Natürlich wäre bei brutalem Sonnenschein die Wirkung – vor allem ob des thematischen Hintergrundes – noch eine andere gewesen. Doch auch bei drohendem Platzregen ist der Auftritt NILEs ein brutaler, erbarmungsloser, der nach 'Black Seeds Of Vengeance' durch ein so geniales Outro sehr stimmungsvoll beendet wird und sicherlich die einen oder anderen ägyptischen Dämonen beschworen hat – nur leider zu früh, zehn Minuten hätten Sanders und Co. noch gehabt.

[Marcel Rapp]

Mein zweites Tages-Highlight ist niemand Geringeres als die US Metal-Legende CRIMSON GLORY. Mein erstes und bislang letztes Live-Erlebnis liegt schon fast 15 Jahre zurück. Damals noch beim Keep It True-Festival mit Todd La Torre als Sänger, präsentieren die verbliebenen Originalmitglieder Ben Jackson (Gitarre), Jeff Lords (Bass) und Dana Burnell (Schlagzeug) heute mit Travis Wills ein relativ unbeschriebenes Szene-Blatt, obwohl der eine oder andere ihn auch bereits bei der KIT Rising-Ausgabe 2024 gesehen haben dürfte. 

Für meinen Geschmack passt der gute Mann sowas von gut hinter das Mikro, intoniert er doch sämtliche karminroten Prachtsongs fast so perfekt wie der einstige Wundersänger John Patrick McDonald Jr., alias Midnight, der 2009 leider viel zu früh von uns gegangen ist. Das Riesenbanner an der hinteren Bühnenwand verrät bereits den heutigen Songfokus. Bis auf einen Song wird heute der kompletten "Transcendence"-Platte gedacht, dazu wird noch die eine oder andere Göttergabe vom 1986er-Debüt geschmettert, und fertig ist der grandiose Auftritt, der heute ganz ohne die charakteristischen Gesichtsmasken auskommt. 

Warum man allerdings 'Lost Reflection' nur unvollständig zum Besten gibt, ist mir dann allerdings doch ein kleines Rätsel. Das ist aber wirklich nur ein kleiner Minuspunkt einer sonst absolut druckvollen und markanten Performance, die im Übrigen die allerletzte Vorstellung von Live-Keyboarder John Zahner gewesen ist, der nach Session-Jobs unter anderem bei SAVATAGE, JON OLIVA'S PAIN und TOXIK von nun an seine verdiente Musiker-Rente genießen wird. Ein fantastischer Auftritt, von dem ich nicht erwartet hätte, dass er mich noch einmal in dieser nostalgischen Form in meine Jugend katapultieren und mir solche Entenpelle auf die mittlerweile runzlige Haut zaubern würde.

Setliste: Intro; Valhalla; Dragon Lady; Lady Of Winter; Where Dragons Rule; Painted Skies; Masque Of The Red Death; In Dark Places; Eternal World; Azrael; Lost Reflection; Lonely; Red Sharks; Transcendence (als Outro vom Band)

[Stephan Lenze]

Das Rock Hard Festival war immer schon bekannt dafür, besonderen Bands etwas mehr Aufmerksamkeit zu schenken und ihnen womöglich auch Positionen im Billing zu ermöglichen, die nicht für alle kritischen Stimmen nachvollziehbar sind. Auch bei DISMEMBER gab es anfangs Zweifel, ob die Schweden dieser besonderen Ehre gerecht werden könnten, schließlich hat die Band zuletzt nur noch im sehr reduziertem Teilzeitbetrieb gearbeitet und war über viele jahre sogar komplett von der Bildfläche verschwunden. Eine Show auf dem Sweden Rock und eine Gastspielreise in den Staaten haben den Jungs aber wieder ausreichend Laune gemacht, um auch wieder (größere) europäische Bühnen zu entern, und mit dem Vermächtnis, das die Band seit mehr als drei Dekaden vor sich her trägt, scheint die Position auch nicht überbewertet.

Dennoch packt DISMEMBER von allen drei Headlinern am heutigen Abend wohl die wenigsten Fans, denn nicht nur wetterbedingt haben sich die Reihen zumindest auf einer Seite des Amphithaters merklich gelichtet, weil Todesblei nach dem CRIMSON GLORY-Siegeszug nicht mehr jedermanns Sache zu sein scheint. Matti Kärki und seine Mitstreiter scheren sich allerdings einen Kehricht um mögliche Erfolge und reißen von der ersten Sekunde an eine Schwedentod-Show der Superlative ab. 

Mit 'Of Fire' und 'Sickening Art' geht es bereits standesgemäß los, und das im vollumfänglichen Sinne. In den ersten Reihen wird der Nacken sofort bis zum Maximum belastet, der Frontmann versteht sich auch nach 35 Jahren noch als exquisiter Antreiber und seine Kollegen liefern den immer noch einzigartigen Gitarrensound zu einem Todesblei-Festival, das kaum mehr Spaß bereiten könnte. Die Skandinavier bemühen sich, möglichst alle Phasen ihres Schaffens abzudecken, so dass auch eine Nummer wie 'Where Ironcrosses Grow' ihren Weg ins Set findet.

Aber natürlich liegt der Schwerpunkt auf den ganz alten Klassikern, von denen 'Dismembered' und 'Override Of The Overture' letztlich die meiste Bewegung ins Auditorium bringen. Doch bis zum letzten Takt gönnt die Band ihren hungrigen Anhängern keine Ruhe und serviert mit dem Triple 'Soon To Be Dead', 'On Frozen Fields' und dem unvermeidbaren 'Dreaming In Red' den bestmöglichen Zugabenblock zu dieser grandiosen Performance. Die Frage, ob DISMEMBER diesen Slot verdient hat, stellt im Nachhinein niemand mehr. Ganz im Gegenteil: Die Hoffnung bleibt, dass dieser rund 80-minütige Gewaltakt den Auftakt für eine neue Phase der Schweden einläutet. Denn Stand heute ist die Truppe in der Form ihres Lebens und kann dies in Gelsenkirchen noch einmal klar untermauern! Gänsehaut!

[Björn Backes]

Hier kommt ihr zum Sonntag.

Redakteur:
Marcel Rapp

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