Rock Hard Festival 2025 - Gelsenkirchen

13.06.2025 | 00:16

06.06.2025, Amphitheater

Gods Of Metal Of Wind And Of Rain.

Freitag

Es ist 15 Uhr im Amphitheater zu Gelsenkirchen. Es ist endlich wieder so weit, Startschuss für die diesjährige Ausgabe. SANHEDRIN aus New York City macht hier heute den Anfang und für die eröffnende Band sind hier schon reichlich Leutchen am Start, auch das Infield ist bereits ausreichend mit Menschen gefüllt, die ordentlich Bock auf geilen Heavy Metal US-amerikanischer Prägung haben. Ich hätte gerade kürzlich die Gelegenheit gehabt, die Band in einem Club bestaunen zu dürfen, habe mich aber aufgrund der heutigen Präsenz gegen den Besuch entschieden. Vielleicht keine gute Idee. Denn, obwohl die beiden Herren und die Dame live wie immer richtig amtlich abliefern, wirkt das Trio auf der großen Bühne doch ein wenig verloren. 

Ist aber nur halb so wild, denn die Band hat sich in der Zwischenzeit genügend Routine angespielt, um sich das nicht groß anmerken zu lassen, und hat bei vier großartigen Alben auch genügend inhaltliche Argumente in der Hand. Heute liegt der Fokus auf den letzten beiden aktuellen Alben, während meine persönlichen beiden Lieblingswerke in Form der ersten beiden Platten leider nur mit einem Song bedacht werden ('Riding On The Dawn'). Das ist aber Jammern auf hohem Niveau, denn so richtig schlechte Songs haben die heute ganz in schwarz gekleideten MusikerInnen bekanntlich noch nie abgeliefert. Von daher: Guter und solider, aber auch etwas routiniert wirkender Auftritt. Ich hege daher die leise Vermutung, auf kleineren Bühnen, wie in verschwitzen Clubs oder auf den Brettern des Headbangers Open Air, fühlt sich die Kombo dann doch noch ein wenig wohler.

Setliste: Blind Wolf; Let's Spill Some Blood; Correction; Lost At Sea; The Fight Of Your Life; Above The Law; Scythian Women; Riding On The Dawn

[Stephan Lenze]

Mit den nun folgenden ATTIC bleibt die Musik im Großen und Ganzen heavymetallisch. Allerdings mit dem kleinen, aber feinen Unterschied, dass man hier einem legendären dänischen Musiker huldigt, der, so will es der Zufall, dieser Tage ebenfalls höchstselbst mit seiner musikalischen Gefolgschaft durch Europa zieht. Dieser hört natürlich auf den Namen KING DIAMOND. Das Original war und ist mir zwar stets lieber gewesen, aber auch die Lokalmatadoren aus der unmittelbaren Gelsenkirchener Nachbarschaft machen hier live ihre Sache wie immer absolut ordentlich und performen absolut zufriedenstellend. Meister Cagliostro himself ist wieder mit entsprechendem Facepainting und rotem, samtenem Vampir-Mantel unterwegs, und generell bringen die Jungs auch darüber hinaus noch ein bisschen mehr Action, Dynamik und Nebel mit in die ganze Geschichte rein. Auch die Setliste ist mehr als ordentlich. Sieben Songs unterm Strich, und jedes der drei Alben wird mit immerhin mindestens zwei Songs bedacht. Das wird auch im nun noch praller gefüllten Rund gebührend honoriert, wie die euphorischen Reaktionen der Fans bei Songs wie 'Join The Coven' und 'The Headless Horseman' beweisen. Genau so soll es sein. Starker Auftritt!

Setliste: Darkest Rites; Penalized; Join The Coven; Return Of The Witchfinder; The Hound Of Heaven; Azrael; The Headless Horseman

[Stephan Lenze]

Crossover Thrash auf dem Rock Hard Festival? Na, und ob! Den Thrash-Metal-Reigen dieses so verheißungsvollen Tages eröffnen Ryan Waste und eine mannschaftliche Energieleistung, die ihresgleichen sucht. Bei dezentem Sonnenschein und (zumindest noch) trockenem Boden hat MUNICPAL WASTE leichtes Spiel, die ausgelassene Stimmung in den Reihen für sich zu nutzen. Shouter Tony ist ein Wirbelwind vor dem Herrn, der Sound drückt, die Moshpits kreisen – die Richmond-Wüteriche wissen, wie der Lachs gekocht wird. Ohne große Umschweife werden 'Slime And Punishment', das schnörkellose 'You're Cut Off' und das so bahnbrechende 'Poison The Preacher' im absoluten High-Speed-Steel in die Menge geworfen, die die Crossover-Zuckerwürfel mit Kusshand auffängt. 

Dynamik vor der Bühne, Bewegung auf der Bühne – wenn jemand den perfekten Arsch-Aufreißer, den so wuchtigen Muntermacher geben kann, dann eben MUNICIPAL WASTE. Und seien wir mal ehrlich: Mit 'The Art Of Partying' sowie 'Born To Party' hätte nicht nur das Set nicht perfekter enden, sondern auch das Motto dieses Wochenendes nicht entsprechender gefunden werden können. Foresta ist dazu noch ein unheimlich sympathischer, quirliger Fronter par excellence, der ab der ersten Sekunde die Reihen im Würgegriff hat. 
Liebe Festival-Booker, Crossover Thrash wie von MUNICIPAL WASTE ist Gold wert – heute, auf der Heimfahrt, morgens nach dem Aufstehen, eigentlich immer!

[Henriette Tressin]

Seid ihr bereit für einen der besten Live-Acts des Thrash Metals? DEATH ANGEL war als eine der ersten Bands angekündigt und entsprechend stetig wuchs meine unbändige Vorfreude auf Mark und seine Todesengel. Hab ich das Bay-Area-Bündel doch lange nicht mehr live gesehen, lediglich den Fronter im KERRY KING-Outfit, hätten die Vorzeichen nicht besser stehen können: Es bleibt trocken, MUNICIPAL WASTE ist als Anheizer eine Klasse für sich und ein guter Platz ist auch gesichert. 18 Jahre lang hat es DEATH ANGEL nicht mehr auf dem Rock Hard Festival gegeben, es hätte so legendär werden können. Hätte, hätte, Fahrradkette, wenn der matschige Sound nicht von der ersten Sekunde an einen faden Beigeschmack über den Auftritt zieht. 

Die Jungs sind mit Eifer und Vehemenz dabei, doch wenn die Gitarren nicht mit an Bord sind, kann der energischste Auftritt ins Nicht führen. Hiervon ist DEATH ANGEL und der Beginn mit den Klassikern 'Misstress Of Pain' und 'Voracious Soul' zwar weit entfernt, doch der Funke will – so weh es mir in der Seele auch tut – aufgrund des doch drucklosen Klangs vor der Bühne und auf der Tribüne nicht überspringen. Zudem kommt der Fakt, dass mit 'Bored', 'Seemingly Endless Time' und vor allem 'Claws In So Deep' Must-Haves sträflich außer Acht gelassen werden. 

Rob und Ted lassen dennoch die – zumindest jetzt – hörbaren Riffs fliegen, Will trommelt seine Schießbude zu Brei und Damien hat mit seiner lässigen Art ohnehin leichtes Spiel. Auch Mark ist gut bei Stimme und froh, nach solch einer langen Zeit wieder die Bühne des Amphitheaters zu beackern. Doch auch mit tadellosen Darbietungen von 'The Dream Calls For Blood', 'Caster Of Shame' und dem Live-Debüt der 'Wrath (Bring Fire)'-Single gelingt der DEATH ANGEL-Durchbruch nur bedingt. Zumindest bei abschließender 'Thrown To The Wolves/The Ultra-Violence'-Machtdemonstration stellt sich jene Gänsehaut auf, die ich schon zu Beginn erwartet hätte. Hier wäre vor allem klanglich mehr drin gewesen.

[Marcel Rapp]

Zwischen dem ganzen Thrashgewitter wird es nun Zeit für Melodien von einem anderen Stern. GEOFF TATE hat geladen, um für gut eine Stunde einen der größten Metalklassiker überhaupt zu feiern: "Operation:Mindcrime". Pünktlich zum Einstieg mit 'Revolution Calling' fängt es zum ersten Mal an diesem Tag an zu regnen. Dieser muss aber nur wenige Minuten später der Sonne wieder weichen und ein fetter Regenbogen bildet sich über dem Amphitheater. Danke, Ronnie. Auf der Bühne kann die Band mit diesem Songmaterial nur gewinnen. Die Menge frisst und singt ihnen aus der Hand. Mr. Tate schreitet stilecht mit Cowboyhut und Sonnenbrille über die Bühne und dirigiert das weite Rund nach Belieben. Seine irisch-schottische Begleitband sieht zwar eher nach einer Horde Hippies aus, ist aber agil wie Sau, musikalisch absolut top und erledigt ihren Job somit mehr als amtlich. Am Schlagzeug sitzt derweil AVANTASIA-Felldrescher Felix Bohnke, der den etatmäßigen Danny Laverde für ein paar Shows ersetzt. Auch er macht das enorm souverän. 

Hier ist jeder Song ein Hit. 'Operation:Mindcrime', 'Speak', 'Spreading The Disease', 'The Mission' oder 'Suite Sister Mary' sind alles Volltreffer, die bei bestem Sound der Masse eine kollektive Gefühlsexplosion beschert. Was macht eigentlich die Gesangsleistung von Herrn Tate so? Sie ist in Ordnung. Er singt nicht mehr jeden Ton aus, manche Passagen sind auch etwas tiefer angelegt und auch der eine oder andere Chor kommt offensichtlich vom Band, aber inklusive dem Duett mit Keyboarderin Clodagh McCarthy in 'Suite Sister Mary' (ich vermisse Pamela Moore trotzdem schmerzlich) ist alles im grünen Bereich. 

Mit dem folgenden 'Breaking The Silence' fängt der ehemalige QUEENSRŸCHE-Frontmann dann jedoch etwas an zu schwächeln. Kurzatmiger, die Aussetzer seines Mikrofons häufen sich (ein Schelm und so) und die eingespielten Chöre werden weniger, sodass die realen Backings immer hörbarer werden. Nicht immer zum Vorteil des Vortrags. Trotzdem: Das Songmaterial rettet alles. 'I Don't Believe In Love', 'Eyes Of A Stranger' und die beiden Zugaben 'Silent Lucidity' und 'Queen Of The Ryche' versetzen nicht nur mich noch einmal in Ekstase, sondern selbst gestandenen Metallern auf der Tribüne laufen Freudentränen über das Gesicht. Toller Auftritt. Im Nachgang sogar perfekt platziert im Bay-Area-Sandwich. Beseelt muss ich jetzt erst einmal für flüssigen Nachschub sorgen.

[Chris Staubach]

Die Thrash-Metal-Festspiele gehen weiter: Nachdem MUNICIPAL WASTE die Motoren laufen ließ und DEATH ANGEL zumindest dem Ende hin für Gänsehaut sorgte, soll sich nun EXODUS als Headliner behaupten. So weit, so gut, doch der abermalige Wechsel zwischen Zetro und Dukes kam nicht bei jedem Thrash-Metal-Maniac so gut an. Fakt ist jedoch, dass auch Rob in seiner ersten Amtszeit ein paar richtig starke Auftritte hinlegte, seine Ansagen samt Auftreten für – mindestens – Augenrollen sorgten. Aber: EXODUS macht seit jeher sehr breitbrüstigen Thrash der guten, alten Bay-Area-Schule. Da kann auch ein Wüterich wie Dicke-Hosen-Dukes stimmlich gut passen. Er ist also wieder da und mit ihm geht es direkt auf die Headliner-Position des Rock Hard Festivals. Bereits bei den Autogrammen waren Gary und Co. bester Dinge und sprühten eine immense Vorfreude aus. Und nun soll es nach der Nostalgie-Reise GEOFF TATEs ein paar heftig, deftige Thrash-Stürme geben.

Pünktlich um 21:30 Uhr verdunkelte sich die Bühne, etwas Großes liegt in der Luft und nach dem 'Bonded By Blood'-Trommelfeuer und Robs erstem Keifen ist schnell klar: EXODUS is back! Ob Bandhymne, der mächtige Groove von 'And Then There Were None', der Abrissbirne 'Fabulous Disaster' oder das fast schon wahnsinnige 'Deathamphetamine' - vor der Bühne herrscht mehr als munteres, good-old-friendly-violent-Treiben und Holt und Dukes headbangen wie wild um die Wette.

Die Riffs sitzen, auch dank Hunolt, Gibson in seiner lässigen und Hunting in seiner durchschlagenden Art geben den Takt vor und wenn Rob nicht gerade Gift und Galle spuckt oder seine Nackenmuskeln malträtiert, springt er wie ein Wahnsinniger über die Bühne – der Mann hat Bock! So auch das Publikum, das nicht nur mit weiteren Klassikern wie 'Children Of A Worthless God', 'Metal Command' oder 'War Is My Shepherd', sondern auch mit einem Sound par excellence verwöhnt wird. Da stimmt auch der fatale Aspekt, dass 'Piranha' nicht zum Zuge kommt, ein klein wenig versöhnlich, wenn dadurch Wuchtbrummen wie das so geniale 'Blacklist' oder 'The Toxic Waltz' so druckvoll und konsequent durchgezimmert werden. Zugegeben, nach WASTE und den Bay-Area-Kollegen von DEATH ANGEL war bei EXODUS auch etwas mehr Puste von Nöten, doch die Band selbst hat nahezu alle Register gezogen, nicht wahr, Gelsenkirchen?

Richtig, es gab im Vorfeld viele, die Zetro viele Tränen hinterhergetrauert haben – vor allem in Kombination mit der Rückkehr Dukes. Doch es passt einfach am heutigen Abend, denn altersmilde ist Rob definitiv nicht geworden. Hinzukommt eine immer noch so starke Vehemenz des "Bonded By Blood"-Klassikers über mehr als 40 Jahre, denn das abschließende 'Strike Of The Beast' holt nochmals alle Reserven heraus und sorgt für Circle- und Moshpits vom Allerfeinsten. EXODUS liefert in den vergangenen 80 Minuten das komplette Brett, zerlegt selbiges vom Amphitheater in seine Bestandteile und verabschiedet nun das tosende Publikum in den wohlverdienten Feierabend. Puh.

[Marcel Rapp]

Hier kommt ihr zum Samstag.

Redakteur:
Marcel Rapp

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