MONSTERS OF LIEDERMACHING - Bochum

14.05.2024 | 10:37

18.04.2024, Zeche

Ein Fest der humorvollen, intelligenten Kunst.

Manche Dinge überfallen einen mit voller Wucht, so ist es mir anno 2017 ergangen, als ich zum ersten Mal Kontakt mit den MONSTERS OF LIEDERMACHING hatte und mir ihr 'Seefahrerlied' nicht mehr aus dem Kopf gegangen ist. Es dürfte zumindest der Song gewesen sein, der während zahlreicher Autofahrten am häufigsten geschmettert wurde, textsicher irgendwann sogar auch von meinen Kindern. Leider haben verschiedene Umstände immer wieder dazu geführt, dass ich die wiederholten Gastspielreisen der Nordlichter nicht besuchen konnte – bis zum heutigen Abend, als endlich mal ganz viele Zufälle zusammengepasst haben und ich kurzerhand auf dem Heimweg von der Arbeit einen Abstecher in die Bochumer Zeche planen durfte.

Dort angekommen staunte ich erst einmal nicht schlecht, da der legendäre Kulttempel tatsächlich bestuhlt wurde – ein Novum in meiner nun fast 30 Jahre andauernden "Konzertlaufbahn", welches ich bis dahin genrefremd bei Tori Amos erleben durfte. Da es keine feste Platzzuteilung gab, war es wenig verwunderlich, dass sich die Fans schon vor dem Einlass die Beine in den Bauch standen, um einen möglichst guten Platz zu ergattern und im späteren Sitzpogo eine bestmögliche Ausgangsposition zu haben.

Eine Stunde später traben die MONSTERS dann auch ganz entspannt auf ihre spärlich ausgeschmückte Bühne, die neben den sechs Stühlen für die Herren Musiker lediglich einen Kühlschrank und ein reichhaltiges Instrumentarium beherbergt. Es dauert dann auch nur wenige Sekunden, bis die Band das vermeintlich stille Ambiente nutzt, um die Zeche in einen wahren Hexenkessel zu verwandeln. Erstaunlich ist hierbei, wie textsicher das Publikum den Gig von der ersten Sekunde an begleitet. Egal, ob es nun die Songs vom aktuellen Silberling sind, einige Oldtimer, die im ersten Drittel zuhauf bemüht werden, oder eben auch die echten Gassenhauer, mit denen die Liedermacher den Schlussabschnitt gestalten: Sobald der Gesang auf der Bühne endet, geht er in den Stuhlreihen mit gleicher Lautstärke weiter – und das mit einer solch positiven Attitüde, dass einem zwischenzeitlich ganz warm ums Herz wird.

Warm ist es aber auch aus anderen Gründen, denn die Band heizt schon zu Beginn mächtig an, besingt die Auflaufform, nennt sich glücklich und besoffen, widmet den Söhnen dieser Welt den passenden Song und nutzt die Gunst der Stunde, um auch über verschiedene Lieblingstränke zu singen. Standesgemäß wird der Kühlschrank dann auch immer mal wieder geöffnet, um sich selbst, aber auch den Menschen in den ersten Reihen ein kühles Blondes anzubieten, Sympathiepunkte natürlich inbegriffen. Nachdem in 'Prädikat Punk' dann mal humorvoll gegen die rechte Szene gewettert wird, Timing, Zigaretten und Zwerge in den Mittelpunkt gerückt sind, feiern sich die Jungs in 'Ich muss weg' noch einmal selbst, bevor sie den Songtitel direkt mal in die Tat umsetzen und sich für eine kurze Pause zu verabschieden.

Immerhin 25 Minuten später steigen die MONSTERS OF LIEDERMACHING dann in den zweiten Block ihres Sets ein, der uns, wie auch schon der erste Abschnitt, mit 20 schnittigen Liedern beglücken soll. Ich hatte zwar irgendwie noch im Hinterkopf, dass in der Zeche eine strenge Curfew-Regelung unter der Woche herrscht, scheine mich hier jedoch getäuscht zu haben, denn nach einem 70-minütigen Premiumgig vor der Pause, gibt es noch einmal weitere 90 Minuten Liedermacher-Action - und das wirklich und wie gehabt vom Allerfeinsten. Die Spielfreude ist so unglaublich ansteckend, die vielen Improvisationen machen den Gig auch für die Musiker zu einer gelegentlichen Herausforderung, die Tatsache, dass alle sechs MONSTERS einzelne Songs solo singen und zugleich mehrere Instrumente beherrschen, vervollständigen die große Wundertüte, aus der sich die Band bedienen kann. Wenn dann kurz vor den Zugaben noch einmal spontan ein Medley mit Songs unterschiedlicher deutscher Künstler eingestreut wird, kann jeder Anwesende fühlen, wie viel Energie heute den Club erfüllt.
Zeit für kleine Späße bleibt aber auch noch. So wird in 'Türen' kurzfristig die Tür zum Backstage-Bereich ausgebaut und auf die Bühne gebracht, an anderer Stelle werden Blasinstrumente mit der Nase bedient, und der überaus spitzfindige Wortwitz in den vielen Ansagen der Jungs sorgt für so viele Lacher, dass man umgekehrt gar nicht fassen kann, dass diese sechs Chaoten tatsächlich auch solch brillante Musiker sind. 'Cola Korn' beendet schließlich mit lautstarker Unterstützung aus dem Publikum den regulären Teil der Show, doch die Herrschaften haben noch lange nicht genug. Sie zeigen allen Nörgler den 'Doublefuck' und bereiten schließlich diesen großartigen Moment vor, auf den ich nicht nur diesen Abend, sondern eigentlich schon seit Jahren gewartet habe: einmal in wunderschöner Umgebung und gemeinsam mit vielen anderen Menschen das 'Seefahrerlied' mitzusingen und dabei ob der heftigen Gänsehaut vielleicht auch ein paar Tränen zu verdrücken. Dieses immerhin fast 12-minütige Event brennt sich ein, weckt Gedanken an jene Zeiten, als mich der Song öfter mal alleine begleitet hat, sorgt im ganzen Raum für krasse Emotionen und ist zweifelsohne die perfekte Hymne, um einen solch gewaltigen Konzertabend zu beenden.Mehr als drei Stunden nach Konzertbeginn bleiben daher gleich mehrere Gewissheiten, vor allem aber die Klarheit, dass man diese Band auf keinen Fall mehr verpassen darf – egal welche Gründe auch vorliegen möchten. MONSTERS OF LIEDERMACHING ist ein grandioser Live-Act und vielleicht sogar der beste, den dieses Genre überhaupt zu bieten hat.
Ein Dank geht an dieser Stelle noch an die Veranstalterin, die den Besuch dieser Show erst möglich gemacht hat!

Redakteur:
Björn Backes

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