IRON MAIDEN und AVATAR - Gelsenkirchen
14.07.2025 | 14:0511.07.2025, Veltins Arena
Eddie wird 50 und ist kein bisschen müde!
Ein Konzert von IRON MAIDEN ist eigentlich immer ein Grund zur uneingeschränkten Freude, immerhin haben Steve Harris und Co. bei meinen bisherigen sieben Konzertbesuchen noch keine einzige mittelprächtige oder schwache Show abgeliefert. Im Gegenteil, die Show der eisernen Jungfrauen ist eigentlich grundsätzlich eines der absoluten Highlights des jeweiligen Konzertjahres. Und doch sind meine Gefühle gemischt, als ich gemeinsam mit meiner Frau an diesem lauen Freitagabend auf dem Weg zur Veltinsarena in Gelsenkirchen bin. Eingebrockt habe ich mir die gedämpfte Euphorie dabei selbst, indem ich den Online-Diskurs zur laufenden "Run For Your Lives"-Tour zum 50. Bandjubliäum etwas zu genau verfolgt habe.
Doch was treibt Fans denn nun dazu, sich teilweise so kritisch zu den laufenden Konzerten zu äußern? Nun, zum einen wäre da natürlich der Wechsel hinter dem Drumkit, wo Nicko McBrain nach der "Days Of Future Past"-Tour freiwillig seinen Platz räumte. Obwohl sich der Engländer nämlich nach einem Schlaganfall bewundernswert schnell wieder in Form gebracht hatte, musste er doch erkennen, dass er nicht mehr gänzlich mit dem weiterhin geschäftigen Tour-Alltag der Band mithalten konnte. Sein Ersatz hört auf den Namen Simon Dawson und wird von vielen Fans nicht auf Augenhöhe mit McBrains legendärem Spiel gesehen. Ebenfallls geben die neuen LED-Leinwände mit teils recht aufwändigen Animationen Grund zur Kritik, denn einige Anhänger und Anhängerinnen sehen im Vergleich zu den vorherigen praktischen Effekten und wechselnden Backdrops eine zu große Ablenkung. Und zu guter Letzt ärgern sich auch viele über die doch etwas biedere Songauswahl der Tour, die nicht wirklich das vorab von der Band versprochene Feuerwerk von Deepcuts liefert. Wieviel Wahrheit im Diskurs auf Social Media und in einschlägenen Foren steckt, wollen wir nun einmal unter die Lupe nehmen und gehen dabei anhand der einzelnen Fragen durch den heutigen Konzertabend, anstatt dem klassischen Format eines Konzertberichts zu folgen.
Los geht es aber erst einmal trotzdem chronologisch, denn bei Ankunft am Eingang West 1 der Veltins Arena erwartet uns direkt ein großer Merchandise-Stand mit gewohnt großer Auswahl von T-Shirts, Hoodies, Fußballtrikots und Co. Die Preise für die einzelnen Stücke sind dabei selbst gemessen am heute sowieso schon astronomisch hohen Preisniveau ziemlich happig, denn für ein Shirt muss man mal schnell schlappe 50€ berappen, während ein Hoodie/Kapuzenpulli schon jenseits der 100€ zu Buche schlägt. Dagegen ist das Tourposter mit 10€ schon fast ein Schnapper, wird aber, wie bei MAIDEN gewohnt, gemeinsam mit anderen Kleinteilen und Flaggen an separaten Ständen auf dem Gelände der Arena verkauft. Doch nicht nur Merch ist teuer, auch 5€ für ein Bier und 6,20€ für einen Softdrink sind schon recht astronomisch, wobei einem der Kauf eines Getränks wenigstens von einem sehr hübschen Becher versüßt wird, den es für 3€ Pfand gibt und der mit einem von drei coolen Eddie-Motiven daherkommt. Endlich angekommen im Rund der Arena selbst, erleben wir dann zumindest noch die letzten Minuten des Sets der Schweden AVATAR, die heute den Opener geben und das schon jetzt ordentliche gefüllte Fußballstadion des FC Schalke 04 auf Temperatur bringen.
Ich bin ehrlich, trotz der überraschend guten deutschen Ansagen von Fronter Johannes Eckerström bleibt die Show für mich ein wenig hinter den Erwartungen zurück. Das liegt aber keinesfalls an der Leistung der Band, die gewohnt auf allen Zylindern feuert, sondern viel mehr an der Tatsache, dass die Show des Fünfers im grellen Tageslicht und nur mit dem beleuchteten AVATAR-Logo hinter der Band im gigantischen Stadion etwas verloren wirkt. Aktuell gehört der wuchtige und moderne Sound der Schweden mit dieser Show einfach noch in kleinere Clubs, weshalb ich euch auch nur empfehlen kann, euch die anstehenden Tourdaten im kommenden Frühjahr zu notieren, denn auch unter den heute ungünstigen Umständen kann man problemlos erkennen, was für eine Wucht AVATAR im richtigen Setting entfachen kann.
Es folgt eine gut halbstündige Umbaupause, bevor wie gewohnt 'Doctor Doctor' von UFO die Ankunft von IRON MAIDEN einläutet. Das eigentlich Intro folgt dann mit 'The Ides Of March', das vom Band gespielt und von einer recht aufwändigen Animation auf den gigantischen Screens begleitet wird, die uns durch eine finstere Version von London in den späten Siebzigern führt und wichtige Stationen der frühen Karriere der eisernen Jungfrauen abarbeitet. Damit sind wir auch schon beim ersten Streitpunkt in Fankreisen angekommen: LED-Screens. Nun, ich bin ehrlich, so ganz kann ich die Kritik und den Vorwurf, die Animationen würden von der eigentlichen Show ablenken, nicht wirklich nachvollziehen, denn mit dem folgenden Doppelpack aus 'Murders In The Rue Morgue' und 'Wrathchild' treten die großen Bildschirme wieder in den Hintergrund und werden primär als Ersatz für die altbekannten Stoff-Backdrops genutzt, in denen dann durch leichte Animationen für ein bisschen Abwechslung gesorgt wird.
Ganz besonders cool finde ich später im Set den Tag-Nacht-Wechsel im typischen "Powerslave"-Hintergrund, der während der Performance des Titeltracks des Albums für tolle Effekte sorgt, gerade wenn Bruce sich auf dem oberen Laufgang in Pose wirft. Und ja, es gibt auch Songs, die mit einem Komplett-Video aufwarten. 'Rime Of The Ancient Mariner' etwa wird von einer durchaus gelungenen Visualisierung der Story untermalt und auch 'Aces High' bekommt mit Eddie im Weltkriegskampfflieger eine optisch passende Aufbereitung. Klar, in diesen Momenten ertappt man sich einmal dabei, wie man mehr auf die Bildschirme als auf die Band achtet, doch solange die Balance hier passt, empfinde ich das Ganze als eine Bereicherung der Show, die vor allem nötig ist, um in einem so großen Stadion wie der Veltins Arena auch visuell ein ansprechendes Erlebnis zu bieten, das auch die Menschen in den Oberrängen erreicht und mitreißt.Der zweite Elefant im Raum ist eigentlich kein Elefant, sondern ein Schlagzeuger, der auf den Namen Simon Dawson hört und vollkommen ungewohnt hinter seinem bescheidenen Drumkit für das Publikum sichtbar ist. Ein Umstand, auf den auch Bruce später scherzhaft eingeht, denn Nicko war ja immer hinter zig Toms und Becken komplett verborgen. Passend zum simpleren Setup gestaltet sich auch Simons Spiel etwas geradliniger und insgesamt rockiger, womit der neue Schlagzeuger sich gerade im Oldschool-Teil zu Beginn der Show gut ins Gesamtbild einfügt. Gerade bei 'Phantom Of The Opera' und 'Killers' fängt er den etwas simpleren Vibe der Originale gut ein und fügt sich wunderbar in einer energiegeladene Performance der gesamten Band ein. Später vermisse ich bei komplexeren Tracks wie 'Seventh Son Of A Seventh Son' oder 'The Clairvoyant' aber doch die kleinen Details und den einmaligen Swing, den Nicko seinen Drumparts immer verpassen konnte. Mr. McBrain hat also hörbar ein Loch hinterlassen, das von Simon nicht durchgehend gefüllt werden kann.
Wie immer hat die Medaille aber auch hier zwei Seiten, denn wo wir einerseits auf ein paar mehr Details und verspielte Passagen verzichten müssen, hat Simon gleichzeitig der gesamten Band auch wieder Feuer unter dem Hintern gemacht. Auf der letzten Tour wurden viele Songs nämlich doch etwas gemächlicher angegangen und durch Nickos gesundheitliche Probleme fehlte teilweise der letzte Punch. Dagegen feuert IRON MAIDEN heute wieder auf allen Zylindern, wovon auch die Performance der übrigen Band profitiert. Bruce Dickinson singt auch im hohen Alter weiterhin wie ein junger Gott, Steve Harris scheint den Zahn der Zeit problemlos in Schach zu halten und das Dreigespann aus Adrian Smith, Dave Murray und Yannick Gers zelebriert an den Gitarren mit gewohnter Sicherheit wunderbare Melodien, Soli und Riffs. Handwerklich und in Sachen Energie sind die Briten damit also noch meilenweit von der Rente entfernt, was mich hoffen lässt, dass das heute Abend nicht die letzte Gelegenheit gewesen sein wird, die eisernen Jungfrauen live zu erleben.
Bleibt noch ein Punkt, den wir abhaken wollen: Die Setliste und der Mangel an echten Deepcuts. Nun, diesen Kritikpunkt hat sich die Band selbst eigehandelt, denn die versprochenen tiefen Griffe in die eigene Diskografie bleiben weitestgehend aus. 'Murders In The Rue Morgue', 'Killers' und 'Phantom Of The Opera' bleiben da noch die größten Ausreißer, während ich alle anderen Songs schon diverse Male auf vergangenen Touren live zu hören bekommen habe. Gerade im Falle von "Fear Of The Dark" sollte jemand Harris und Co. einmal sagen, dass die Scheibe noch mehr Songs hat als nur den Titeltrack. "Powerslave" hat ebenfalls mehr zu bieten als '2 Minutes To Midnight' und das titelgebende Opus und die Existenz von "No Prayer For The Dying" scheinen die Briten gar komplett verdrängt zu haben.
Auf der positiven Seite muss man dem Sextett aber lassen, dass sie den Spanungsbogen für die Jubiläumstour perfekt austariert haben und so ein Programm liefern, das zwei Stunden wie im Fluge vergehen lässt. So folgt auf ein Epos wie 'Seventh Son Of A Seventh Son' oder 'Rime Of The Ancient Mariner' immer prompt ein kompakter Hit wie 'Run To The Hills' oder 'The Trooper', um das Tempo der Show aufrecht zu erhalten. Pausen für den üblichen Weg zum Getränkestand, der sonst ja gerne während der Longtrack-Exkursion in der Mitte des Sets angetreten wird, ergeben sich heute also nicht, sodass uns erst die Pause vor den Zugaben nach einem triumphalen Doppelpack aus 'Hallowed Be Thy Name' und 'Iron Maiden' eine kurze Verschnaufpause gewährt. Der Zugabenblock ist dann ebenfalls ein einziger Triumphzug, der uns zuerst 'Aces High' um die Ohren pfeffert, dann mit 'Fear Of The Dark' und einem Stadion, das teilweise mit seinen Chören die Band übertönt, für meterdicke Gänsehaut sorgt, bevor uns 'Wasted Years' mit seinem Refrain für die Ewigkeit selig in den kühlen Abend entlässt.
Setliste IRON MAIDEN: The Ides Of March (Intro Tape); Murders In The Rue Morgue; Wrathchild; Killers; Phantom Of The Opera; The Number Of The Beast; The Clairvoyant; Powerslave; 2 Minutes To Midnight; Rime Of The Ancient Mariner; Run To The Hills; Seventh Son Of A Seventh Son; The Trooper; Hallowed Be Thy Name; Iron Maiden; Zugaben: Aces High; Fear Of The Dark; Wasted Years
Während meine Frau und ich gemeinsam den Weg zurück zu unserem Auto antreten, muss ich feststellen, dass auch am heutigen Abend die Perspektive über den Gesamteindruck entscheidet. Ja, ich könnte den verlorenen Details im Schlagzeugspiel nachtrauen, mich über die bei 'Hallowed Be Thy Name' etwas zu sehr von der Show ablenkenden Animationen ärgern oder mich darüber aufregen, dass 'The Trooper' oder '2 Minutes To Midnight' heute zum drölfhundertsten Mal gespielt wurden. Oder aber ich kann mich daran erfreuen, dass Simon den Biss zurück in den Sound von IRON MAIDEN gebracht hat und die Band nach 50 Jahren im Business so hervorragend in Form ist, dass sie mich wieder für zwei Stunden den Alltag und die Probleme unserer Welt vergessen lassen konnte, während ich lauthals mit einem Stadion voller Fans meine Lieblingssongs schmettern kann. Die zweite Seite der Medaille überwiegt für mich ganz klar, sodass ich auch am Ende glücklich den Heimweg antrete und mich jetzt schon auf mein neuntes IRON MAIDEN-Konzert freue, das hoffentlich nicht allzu lange auf sich warten lassen wird.
Da wir an diesem Abend eigentlich nur als reguläre Besucher anwesend waren und nicht geplant hatten, über das Konzert zu berichten, können wir euch an dieser Stelle leider nicht wie gewohnt mit ein paar qualitativ hochwertigen visuellen Eindrücken beglücken. Trotzdem hoffe ich, dass euch die Zeilen Lust auf eine der noch anstehenden Shows in Deutschland machen!
Hier die noch ausstehenden Shows in Deutschland für 2025:
Dienstag, 15. Juli 25 – Bürgerweide, Bremen, Deutschland
Freitag, 25. Juli 25 – Deutsche Bank Park, Frankfurt, Deutschland
Samstag, 26. Juli 25 – Cannstatter Wasen, Stuttgart, Deutschland (ausverkauft)
Dienstag, 29. Juli 25 – Waldbühne, Berlin, Deutschland (ausverkauft)
Mittwoch, 30. Juli 25 – Waldbühne, Berlin, Deutschland
Text und Fotocredit: Tobias Dahs
- Redakteur:
- Tobias Dahs