GRASPOP METAL MEETING 2022: Schweiß und alte Männer - Dessel, Belgien

25.07.2022 | 20:56

16.06.2022, Festivalgelände

Endlich. Seit fast drei Jahren wieder einmal ein Festival. Und wenn man schon zurückkehrt, dann mit einem echten Kracher!

Es ist nicht mehr so heiß! Die letzten drei Tage waren schon anstrengend, aber für heute sind Wolken und eventuell sogar Regen angesagt. Es ist trotzdem warm und eigentlich viel angenehmer als der pralle Sonnenschein der ersten Tage. Wir sind pünktlich wieder auf dem Gelände, denn ich möchte den Opener des Sonntags sehen: THUNDER! Die Briten sind einfach eine großartige, unprätentiöse Band mit einem Haufen starker, aber nicht immer allzu plakativer Lieder vor einem schwarzen Backdrop. Man hat nicht einmal ein Logo aufgehängt, das ist jetzt schon fast wieder zu wenig. Heute gibt es nur 45 Minuten Spielzeit, die die Band nutzt, um eine gute Mischung aus Alt und Neu zu spielen. Zwar ist das erste Lied noch vom 2021er Output, aber da man gerade unter dem Titel "Dopamine" ein noch neueres Album veröffentlicht hat, muss der Opener desselben, 'Western Sky', natürlich folgen. Obwohl die neuen Lieder noch nicht so bekannt zu sein scheinen, und zugegeben, es ist auch noch nicht sonderlich voll vor der Bühne, aber dennoch kommt Stimmung auf. Nicht die überbordende Begeisterung eines metallischen Moshpits natürlich, aber nach und nach singen mehr Leute um mich herum mit, tanzen, wiegen sich auch mal nur im Takt. Ältere Lieder werden durch einen weiteren neuen Song unterbrochen und THUNDER spielt auch mal ein Liedchen irgendwo aus der Mitte der Diskographie, etwas, dass ich so gern auch bei anderen Bands sehen würde, die aber immer nur neue Stücke oder ganz alte Klassiker darbieten. Sänger Danny Bowes ist einfach souverän und kann, welch Wunder, Ansagen machen, die nicht das Wort "fucking" enthalten. Das gibt ein Sonderlob, mittlerweile geht mir das Fluchen der Frontmänner nämlich etwas auf den Geist. Vielleicht wirkt da auch FIVE FINGER DEATH PUNCH noch nach. THUNDER dagegen, nach 33 Jahren übrigens noch mit vier der fünf Gründungsmitgliedern, macht einfach Spaß, ist entspannt britisch und Danny macht dann zu 'Dirty Love' Spaß mit dem Publikum, subtil statt über Krawall. Eine echte Wohltat. Für mich gehört diese Band sieben bis acht Stunden später auf die Bühne.

Setliste: Last One Out Turn Off The Lights; The Western Sky; Higher Ground; Low Life In High Places; Across The Nation; I Love You More Than Rock 'n' Roll; Backstreet Symphony; Dirty Love

 

So, Pause. Im Marchee wird geprügelt, NAGLFAR, BÜTCHER, THE GREAT OLD ONES, alles schwere Kaliber, die ich mir nicht geben muss. Wir könnten mal hinüber gehen in den Metal Dome, aber vielleicht sollten wir erstmal gucken, was CROSSFAITH ist. Die Band kenne ich gar nicht, nicht einmal dem Namen nach. Zuerst einmal kommt ein gesprochenes Intro mit symphonischen Sounds, die dann immer elektronischer werden, ja zu Elektro schwenken. "Catastrophe has come to life" sagt die Stimme und ein Asiate kommt auf die Bühne und heizt die Menge an. Hey, was ist das denn? Noch mehr Asiaten, ich checke das Internet. Aha, Japaner. Die jetzt in Metalcore umschwenken, mit zwei Sängern, viel Power und einem tollen Refrain. Hey, FIVE FINGERS, guckt euch das mal an, diese Band strahlt die Härte ganz natürlich aus, die ihr so dringend zu imitieren versucht. Der Hauptsänger, das Internet sagt mir, dass er Kenta Koie heißt (danke, Wikipedia), ist ein echter Aktivposten, der zweite Sänger, der die klaren, melodischen Parts ordentlich in Szene setzt und sonst auch an Keyboards und Samples agiert, ist ebenfalls klasse. Und es geht so weiter! Ein beachtlicher Pit entsteht, die Elektrosounds in Metal-Gelee machen sich super und die fünf aus Nippon kommen sehr sympathisch rüber und sind gleichzeitig heftig und mitreißend, absolut selbstbewusst, agieren sicher und sind in dieser Form eine echte Bereicherung für das Graspop. Immer mehr Zuschauer bangen mit, der Pit wird größer, da bleibt kein Fuß still stehen. "Circlepit, run, run, run!" und genau das passiert auch! Die Samples haben einen festen Platz in der Musik von CROSSFAITH, es herrscht Daueralarm auf der Bühne, immer auf die Zwölf, inklusive einer beachtlichen Wall Of Death. Ich beschließe, mir nächste Woche mal die Diskographie der Burschen anzusehen und mal hineinzuhören, wie das im Studio klingt. Live jedenfalls ist es klasse, aber mit der Zeit auch ermüdend, deswegen gehen wir etwas weiter nach hinten, es ist bereits Mittag, Zeit für etwas Essbares. Und einen Abstecher in den Metal Market, den wir noch gar nicht gesehen haben. Wenigstens mal gucken müssen wir aber einmal.

 

Dadurch verpassen wir alle Söhne, namentlich RIVAL SONS und WAYWARD SONS. Wir hören zwar immer mal wieder ein paar Soundfetzen, aber zu wenig, um irgendetwas dazu sagen zu können. Erst zu den EVIL INVADERS sind wir wieder am Start, eine Dosis belgischen Speed Metals kann sicher nicht schaden. Zumal, wenn man sich nach einem RAZOR-Song benennt. Gerade erst ist ihr drittes Langeisen über Napalm Records erschienen, das ich mir vor dem Festival angehört habe. Das war eine gute Idee, denn das Hauptaugenmerk der Jungs liegt auf "Shattering Reflection". Auf einheimischen Festivals würde man wahrscheinlich eher nicht auf der Hauptbühne randürfen, aber hier hat EVIL INVADERS einen beachtlichen Zuspruch. Wir sind weiter hinten, sodass ich nicht sehen kann, wie groß die headbangende Meute ist, aber der Applaus ist erheblich. Die Attitüde und Kleidung der Musiker ist rückwärtsgewandt, zurück in die 80er, man erfüllt gerne mal das eine oder andere Klischee und versucht überhaupt nicht, modern zu wirken oder irgendwelche genrefremden Einflüsse zu integrieren. Hier herrscht Speed, Thrash, Metal! Nicht originell, das gebe ich zu, aber... ja, einfach geil!

 

Als nächstes folgt christlicher Hardrock, natürlich aus den USA. Sonst legt kaum jemand Wert auf diese besondere Betonung. Mir ist das ja egal, solange sie nicht zu sehr predigen, das fällt bei mir in die gleiche Kategorie wie Bands, die "Hail Satan" singen. Das muss ich auch nicht dauernd haben. Eine andere US-Band, die ich sehr schätze, war auch ziemlich heilig, nämlich die RESURRECTION BAND. Tatsächlich ist auch SKILLET ein ebenso famoser Hardrock mit durchaus modernen Einflüssen, schön, dass ich das mal hören kann, denn bislang ist mir die Band nur dem Namen nach bekannt. 'Whispers In The Dark' ist ein echter Hit, die Ansage "Heute sagen wir nein zu Depression, nein zu Hass!" sollte immer wahr sein, Religion hin oder her. Die schlagzeugende Dame singt ebenfalls mit und unterstützt Sänger und Bassisten John Cooper, der diese Unterstützung auch gut gebrauchen kann. An dieser Stelle ist noch etwas Luft nach oben, ansonsten ist die Performance sehr gut. Im Marquee beginnt jetzt DESTRUCTION. Ich hatte eigentlich vor, mal hineinzuschauen, hauptsächlich, um mich zu vergewissern, dass Schmier und seine Band immer noch die dämlichen starken Scheinwerfer nutzen, die die Band ständig von hinten beleuchten und das Zuschauen zur Tortur machen, aber die Musik auf der Hauptbühne ist zu gut, um ins Marquee zu gehen, zumal ich kein großer Fan der Burschen bin und bei dem schwachen Sound dort auch nicht erwarte, Songs auseinander halten zu können. Lieber weiter SKILLET, die jetzt mit Cello weitermacht und die Schlagzeugerin nach vorne holt, um zu singen. Wow, das ist stark, es wird geradezu APOCALYPTICA-artig durch den Cellosound, aber es wird dabei weiter gemetalt. Ja, auch eine Band, die ich mir mal merken muss, zumal die Ansagen tatsächlich einfach nur positiv sind und aufmunternd. Mit 'Hero' und 'Monster' sind dann noch zwei echte Hits am Start, das Cello wird nochmal ausgepackt und der Sänger mit zunehmender Spielzeit auch besser, auch weil er weniger schreit. Als der Auftritt mit 'The Resistance' endet, bin ich überzeugt. Well done.

 

Der heutige Tag hat sich bisher als echt gute Wundertüte entpuppt, obwohl ich mehrere Bands gar nicht kannte. Aber die nächste Kapelle kenne ich. Ich würde sie eigentlich nicht ansehen, aber Katharina möchte gerne. Na gut, dann eben Piratengeschunkel, Billig-Keyboards und Quietscheentchen. Ihr wisst, wovon ich spreche, es folgt ALESTORM. Was ich bei GLORYHAMMER noch witzig finde, der anderen Plüschband von Bandleader Christopher Bowes, zündet bei mir in diesem Fall nicht. Vielleicht weil ich über die hanebüchene Geschichte bei GLORYHAMMER lachen kann, bei dem Saufmetal, oh, sorry, "echten schottischen Piratenmetal" natürlich, aber leider nicht so recht. Aber die Party findet eben vorne ohne mich statt, ich begutachte das Geschehen von weiter hinten, erkenne auch ein paar Lieder, manche werden auch angesagt, deswegen kann ich sagen, dass zumindest 'Keelhauled', 'Mexico', 'Alestorm', 'The Sunken Norwegian' und natürlich die Hymnen 'Pirate Metal Drinking Crew' und 'Fucked With an Anchor' gespielt werden. Ho ho ho, schunkel-schunkel zu einem  Bontempi-Inferno. Die Meisten machen das einzig Richtige, nämlich mit. Oder gehen etwas essen.

 

Na ja, kurz vor Schluss begeben wir uns sowieso ins Marquee und da recht weit nach vorne, denn wir wollen uns ein paar Lieder TIAMAT ansehen. Seltsamerweise ist im Marquee durchaus Platz. Piraten ja, schwedischer Dark Metal aber nicht? Die Crowd hier ist ein wenig seltsam, habe ich so das Gefühl. Ich habe Katharina gesagt, dass ich vor allem das "Wildhoney"-Album brillant finde und hoffe, dass sie davon etwas spielen, weil es so intensiv ist und die Melodien bei TIAMAT meiner Ansicht nach nie zwingender waren. Und was soll ich sagen? Der Auftritt beginnt mit 'Whatever That Hurts' und 'The Ar'! Oh, ist das stark, hypnotisch und verträumt, doch auch mit Widerhaken in Form des Refrains mit harschen Gesang. Dazu eine ruhige, bedächtige Lightshow und Facepaint. Ich habe die Band seit fast drei Jahrzehnten nicht gesehen und dass sie mich so begrüßt, ist einfach umwerfend nett. Denn auch wenn ich gerne noch mehr TIAMAT sehen würde, muss ich nach 20 Minuten wieder raus. Als Vater habe ich ja auch einen Erziehungsauftrag. Und dem werde ich jetzt vor der South Stage gerecht werden.

 

Ein echter Altmeister steht dort nämlich bereits auf der Bühne: ALICE COOPER. Auf dem Graspop 2022 spielen zahlreiche Bands, von denen man nicht weiß, ob man die Gelegenheit nochmal bekommen wird, live dabei zu sein. Deswegen nutzen wir das aus und Katharina bekommt das volle Brett Altrocker zu sehen und zu hören. Nun muss ich zugeben, dass ich kein Experte in Sachen Vincent Damon Furnier bin und zumeist auch nur die Hits kenne. Aber immerhin spielt er diese ja mit schöner Regelmäßigkeit. Immerhin streut er 'Fallen In Love' ein vom 2017er Album "Paranormal". Sehr schön, ich mag es, wenn Bands und Musiker nicht nur in Erinnerungen schwelgen. Aber sonst reitet man quer durch die Hitparade, na klar, deswegen sind die Buben und die Saiten-Dame schließlich hier auf der Bühne. So gibt es alles von 'Feed My Frankenstein' bis 'School's Out', natürlich als Abschluss, mit einem eingestreuten 'Another Brick In The Wall', von 'Poison' über 'I'm Eighteen' und 'Hey Stoopid' bis 'No More Mr. Nice Guy'. Dazu vor einem Mauerhintergrund diverse bekannte Props von Zylinder und Gehstock, Riesen-Frankenstein und Riesen-Baby, Messer- und Degenattrappen, Krücke und Zwangsjacke, Guillotine und wieder zurück zu Zylinder und Stock, während seine Gitarrenarmada sich im Posing und Shredding gegenseitig übertrifft und auch mal zu viert am Bühnenrand einen Wall aus Saiteninstrumenten bildet. Das Drumsolo ist wieder genauso überflüssig wie die meisten, aber der Herr Sänger ist 74, dafür aber bestens bei Stimme, und auch, wenn man die Show bereits kennt, das hier ist echtes Entertainment. Super wie immer!

Setliste: Feed My Frankenstein; No More Mr. Nice Guy; Bed Of Nails; Hey Stoopid; Fallen In Love; Roses On White Lace; I'm Eighteen; Poison; Billion Dollar Babies; Steven; Dead Babies; I Love The Dead; Escape; School's Out

 

Jetzt muss aber mal wieder eine echte Prise harten Metals her. Im Marquee spielt SEPULTURA. Auch wenn ich nicht der ganz große Fan bin, live gefällt mir die brasilianische Band immer gut. Also mal rüber, wo es erstaunlich leer ist. Wir gehen hinein und einfach mal nach vorne und kommen ziemlich weit, bis ich denke, ja, von hier können wir etwas sehen und sind doch nicht zu nah an der Bühne. Doch das erweist sich als Trugschluss. Kaum kommt Seppel auf die Bühne, kaum röhrt Derrick los, als um uns herum die Hölle losbricht. Okay, vielleicht ist das Mainstream-Publikum nicht anwesend, aber diejenigen, die da sind, wollen Thrash-Party machen! Nun gut, aber dafür bin ich zu alt und Katharina sieht auch wenig begeistert aus, also treten wir den Rückzug an. Ein paar Reihen weiter hinten ist es besser, jetzt kann ich auch den Brecher 'Arise' genießen, mit dem der Gig eröffnet wird. Wobei ich eh ein wenig brauche, um den Song zu erkennen, der Sound ist weiterhin mäßig bis saumäßig. Danach geht es mit 'Territory' weiter, ich brülle lauthals 'War for Territory' mit, aber die Begeisterung meiner Tochter für heftigen Thrash kann ich nicht entfachen. Als ich den folgenden Song nicht erkenne, beschließen wir, uns wieder unter das Mainstream-Publikum zu mischen. SEPULTURA macht heute aber einen überzeugenden Eindruck, Derrick brüllt sich die Seele aus dem Leib, und die Songs kommen wirklich brachial rüber. Hätte ich noch länger sehen können, aber was aus den Boxen schallt ist wirklich kein reines Vergnügen hier im Marquee.

 

Auf der North Stage hat derweil THE OFFSPRING bereits angefangen. Was ursprünglich mal Wurzeln im Punk hatte, und da schon in der USD-amerikanischen Variante, die sich mehr durch Zuckermelodien als Systemkritik auszeichnet, ist über die Jahre und Erfolge weitgehend zu einem Pop-Rock-Act geworden. Das soll kein Vorwurf sein, der Erfolg gibt den Musikern natürlich recht, aber die ganz große Begeisterung will sich bei mir nicht einstellen. Das könnte aber auch daran liegen, dass es der vierte Festivaltag ist und ich bereits wieder seit acht Stunden auf den Beinen bin. Natürlich ziehen die Berufsjugendlichen auf der Bühne einen guten Gig ab und spielen Hit auf Hit, sodass ich erst im Laufe des Auftritts merke, wie viele Toplieder die Burschen bereits ihr Eigen nennen können. Das macht schon Spaß und THE OFFSPRING ist völlig berechtigt so weit oben auf dem Billing. Die inhärente Fröhlichkeit färbt auch auf das Publikum ab und um uns herum singt und springt es trotz der Tatsache, dass wir uns auf der Festival-Zielgeraden befinden. Nur ein paar Pogoversuche werden von den Umstehenden mit dem Hinweis auf die beachtliche Entfernung von der Bühne im Keim erstickt. Vor die Wahl gestellt, sich nach vorne zu begeben oder sich etwas zu zügeln, bleiben die meisten Altpunks dann doch lieber da und nicken fortan rhythmisch mit dem Kopf. Die abschließende Phalanx aus Top-Hits 'Why Don't You Get A Job?', '(Can't Get My) Head Around You', 'Pretty Fly (For A White Guy)', 'The Kids Aren't Alright', 'You're Gonna Go Far, Kid' und 'Self Esteem', letztere wieder als Zugabe, was ich bei einer Stunde Spielzeit immer noch als Blödsinn empfinde und mit einer überflüssigen "Fuck Ya"-Gesangseinlage garniert, holt nochmal alles aus dem Publikum heraus. Ich muss zugeben, dass der Gig schon mitreißend ist. Ich war ja etwas skeptisch, aber die Jungs sind top und headlinerwürdig.

 

Jetzt kommt nochmal etwas für mich. Für die ganz alte Fraktion. Es folgt DEEP PURPLE. Ein paar Eingangsakkorde und los geht es mit dem typischen Schlagzeugrhythmus von 'Highway Star'. Ian Paice an den Drums ist übrigens mittlerweile 74, genauso der "neue" Keyboarder Don Airey, während Bassist Roger Glover und Sänger Ian Gillan bereits zwei Jahre weiter sind. Ja, genau, die Vier bringen 300 Jahre Rockerfahrung mit! Und rocken können sie immer noch, Gillan und der Jungspund an der Gitarre, Simon McBride, der für Steve Morse eingesprungen ist, dessen Frau an Krebs erkrankt ist, lassen mit ein paar Spielchen aus Gitarre und Gesang die alten Zeiten kurz aufleben, aber zu meiner Freude ergeht sich die Band eben nicht nur in den alten Kamellen, sondern spielt mit 'No Need To Shout', 'Uncommon Man' und 'Nothing At All' auch drei Lieder der letzten Alben. Wenn man wieder auf eine reguläre Tour kommt und eine Dreiviertelstunde mehr Zeit hat, hoffe ich, dass die Band diese mit Liedern auffüllt, die nach 1990 entstanden sind, denn die Alben sind alle klasse und dürften mehr ans Konzert-Tageslicht gezerrt werden. Ich würde sogar auf 'Lazy', 'Hush' und 'Space Truckin'' verzichten zugunsten von 'Battle Rages On', 'Time For Bedlam' und 'Rapture Of The Deep'. Abwegig? Vielleicht nicht, immerhin spielt man drei neue Lieder von elf auf einem Open Air Festival, hier lebt niemand in der Vergangenheit. Die neuen Stücke passen auch besser zu Gillans Stimme, der natürlich nicht mehr klingt wie vor 50 Jahren. Für mich muss er das auch gar nicht. Dieser brillante, entspannte Hardrock, den die Band so unnachahmlich alle paar Jahre in die Laser schickt, ist einfach zu gut, um ignoriert zu werden. Aber natürlich ist der Jubel ungleich größer, wenn die ganz großen Brecher ausgepackt werden wie 'Perfect Strangers', 'Black Night' und natürlich das ikonische, unvermeidbare 'Smoke On The Water'. Dass Paice ein Drumsolo spielt und Airey noch ein Keyboardsolo zelebriert, ist eigentlich schade, aber das gehört zu DEEP PURPLE einfach dazu. Mit einem echten Hit-Reigen geht man auf die Zielgerade und beendet nach viel zu kurzen 75 Minuten den Gig, der zwar nicht spektakulär, aber musikalisch top war. Im Alter ist DEEP PURPLE einfach nur lässig.

Setliste: Highway Star; Pictures Of Home; No Need To Shout; Uncommon Man; Lazy; Nothing At All; Perfect Strangers; Space Truckin'; Smoke On The Water; Hush; Black Night

 

Jetzt bin ich gehörig kaputt. Mit vier Tagen in den Beinen können mich die DEFTONES und DIMMU BORGIR nicht mehr locken, obwohl ich sonst jederzeit zu beiden Bands anwesend wäre. Parallel zu DEEP PURPLE spielten AMORPHIS, FU MANCHU und DOG EAT DOG! Zu einer dieser drei Bands hätte ich wohl nochmal kurz vorbeigeschaut, aber irgendwie sind wir platt. Zum Abschluss wäre dann SABATON gekommen, die ich eh nicht so mag, das darf ich aber nicht immer so laut sagen, sonst schimpft unsere liebe Kollegin Hanne mit mir. Um sie zu besänftigen habe ich einen Haiku verfasst, der den Gig aus meiner Erfahrung mehrerer Auftritte der Schweden bestimmt passend zusammenfasst:

Krieg, Tod, Heldentat
Pyros, Keyboards, ach so hart
Noch ein Bier. Vorhang.

 

Das Graspop 2022 war ein großes Festival. Wirklich groß. Und lang. Und wie immer ärgere ich mich darüber, einige der interessanten Bands nicht gesehen zu haben. Ich weiß, das ist eine Beschwerde, die ich immer führe, aber ich sehne mich zurück nach den einfachen Events mit einer oder zwei Bühnen, doch diesbezüglich bin ich wohl Nostalgiker. Es ist ja auch ein Lob an die Veranstalter des Graspop, dass sie so viele tolle Bands zusammengebracht haben, dass ich nicht Alles sehen konnte, was ich gerne wollte. Und sollten dir im Artikel viele kleinere Bands fehlen, so liegt das daran, dass wir mit dieser kleinen Abordnung von Powermetal.de einfach nicht mehr schaffen konnten und uns natürlich erstmal auf die beiden Hauptbühnen konzentriert haben, vor denen auch die größte Menschenmenge stand.

Es wurde mir wieder klar, nachdem ich zuletzt 2005 in Dessel den Kopf geschüttelt habe, dass das Graspop auf jeden Fall zu den bestorganisierten Festivals gehört. Das fängt schon im Kleinen an, so wurden im großen Verpflegungszelt regelmäßig die Tische abgewischt und mehrere Crews gingen über das Gelände und sammelten Müll ein. Noch ein Beispiel: Bei unserer Anreise führte der Weg durch ein Wohngebiet, weil die eigentlich Straße wegen einer Baustelle geschlossen war. Das führte zu einem kleinen Stau. Daraufhin wurde kurzerhand der Anfahrtsweg geändert und der Verkehrsfluss wieder hergestellt. Top! Auch die "Cash Your Trash"-Idee, bei der man für 15 leere Becher entweder eine neue Getränkemarke oder GMM-Merchandise wie Schlüsselanhänger oder Flaschenöffner bekommen konnte, ist lobenswert. Es sah durchaus ordentlich aus auf dem Gelände. Ebenfalls erwähnenswert: Die Vielfalt an Verpflegungsbuden und die Größe des Metal Markets. Mit mehr Zeit hätte ich da stundenlang stöbern können!

Als Fazit ist aber auch zu erwähnen, dass wir dem Moment, in dem ein Generationenwechsel in den Headlinerslots stattfinden muss, immer näher kommen. Die alte Riege wird bald abtreten, WHITESNAKE, ALICE COOPER, DEEP PURPLE, JUDAS PRIEST, SCORPIONS, FOREIGNER und ja, auch IRON MAIDEN und eventuell MEGADETH und SAXON werden nicht mehr lange zur Verfügung stehen. Das Graspop hat einige Slots mit interessanten Bands belegt, ich möchte besonders TREMONTI und MASTODON, A DAY TO REMEMBER und BULLET FOR MY VALENTINE, SHINEDOWN und THUNDER erwähnen, die durchaus das Zeug zu mehr haben. Und auf den beiden Zeltbühnen standen noch einige weitere. Dieser Generationenwechsel ist überfällig. Mit WITHIN TEMPTATION wurde einer Band einer der Top-Slots gegeben und die Niederländer haben die Chance genutzt, eine wirklich überzeugende Show an den Tag zu legen. Weiter so!

In jedem Fall war das Graspop Metal Meeting 2022 ein tolles Festival vor einem live-hungrigen Publikum mit vielen brillanten Bands und einer tollen Atmosphäre. Ich glaube, 2023 wäre Dessel wieder eine Reise wert!

Alle Bandfotos wurden uns zur Verfügung gestellt vom Graspop Metal Meeting. Vielen Dank an die Fotografen, deren Bilder wir verwenden durften. Leider habe ich keine einzelnen Fotocredits mitgeteilt bekommen. Die Bilder vom Festivalgelände und von den Bühnen aus dem Publikum wurden von Frank Jäger geschossen.

[Frank Jäger]

Redakteur:
Frank Jaeger

Login

Neu registrieren