Euroblast-Festival 2016 - Köln

09.10.2016 | 23:19

30.09.2016, Essigfabrik

Auf den folgenden Seiten heißt es wieder: Auf in die Noten- und Rhythmus-Schlacht, auf ins Progressive Metal-Mekka: Das Euroblast-Festival XII!

Der Sonntag startet mit den Jungs von SHIELDS, von denen ich immerhin noch ein paar letzte Töne mitbekomme. Sonderlich viele Leute hat es noch nicht wieder in die große Halle verschlagen, was die Band jedoch nicht von einem ambitionierten Auftritt abhält. Ein solider Metalcore/Tech-Metal-Mix durchflutet die Halle, der mich jetzt noch nicht vollends aus den Latschen haut, jedoch durchaus ein wenig Ärger darüber aufkommen lässt, nicht schon zwanzig Minuten früher vor Ort gewesen zu sein.

[Oliver Paßgang]

Wie kann man eigentlich in Eile geraten, wenn man “morgens” die erste Band erst um 13 Uhr 30 sehen will? Nichtsdestotrotz, um pünktlich bei [SOON] zu sein, jogge ich mal schnell drei Kilometer zur Essigfabrik, verzichte auf Kaffee und Frühstück und schütte mir völlig verschwitzt einen Liter Wasser rein. Eine gute Idee, denn [SOON]s Musik regt alsbald zur Bewegung an. Selbst völlig unter-koffeiniert kann der Groove sofort mitreißen und der sich schnell bessernde Sound tut sein Übriges. Für mich ist es indes unmöglich, bei Erics Stimme und Melodien nicht an PLACEBO zu denken, aber ich mag PLACEBO ja sehr gern. Und dazu ist [SOON] eine der wenigen Bands hier, die wirklich rockt. Vor allem der Opener des neuen Albums “Better Days” (‘Rather In Your Mind’) hat es mir angetan. Was ein Ohrwurm! Ansonsten spielt man hier die eher komplexeren Stücke, die aber allesamt gute Hooklines haben, die einfach sitzen. Irritierend ist vielleicht, einen Bass zu hören aber keinen zu sehen, da Lenny das alles in Einem macht. Aber hat das bei ANIMALS AS LEADERS jemanden gestört? Ich bin nach dieser guten halben Stunde jedenfalls schon wieder voll im Flow und voller Böcke auf den Euroblast-Sonntag! Aber jetzt erstmal Kaffeeeeee!

[Thomas Becker]

Die Engländer müssen schon am sehr frühen Nachmittag auf die Bretter der Hauptbühne und irgendwie will sowohl vor als auch auf der Bühne noch nicht so viel abgehen, was wohl hauptsächlich an dem recht unspektakulären und austauschbaren Tech Metal des Fünfers liegen mag. Auch beim Gesang gibt es durchgehend die gleiche eintönige Growl Stimmlage. Letztlich wirkt das ganze so vielseitig wie ein Set von MOTÖRHEAD (Frechheit! - PK). Gerade an einem Euroblast-Wochenende hat man schon einige bessere und agilere Genrebands an den Vortagen gesehen. Aufgrund der recht kurzen Spielzeit von NO CONSEQUENCE bleibt das ganze aber dennoch ein nettes und kurzweiliges Sounderlebnis für alle, die noch ein wenig im Euroblast-Blues des Vorabends festhängen.

[Christian Stricker]

Frisch gestärkt sind die Lauscher offen für Neues und AYAHUASCA (links) aus Köln ist ein weiteres Buch mit sieben Siegeln für mich hier. Irgendwas zwischen SEPULTURA und EKTOMORF wird mir beschrieben, was an sich nichts Schlechtes ist. AYAHUASCA bietet musikalisch jedoch eine Zehnerpotenz mehr als die Summe der beiden o. g. Bands. Ich zähle drei Drumsets, drei Gitarristen, einen Bass, und drei  Sänger. Und was die Band vom Stapel lässt, ist nach einer ersten Gewöhnungsphase mehr als mitreissend. Exotischer Death Metal mit jeder Menge südländischer Tribal-Percussion wird hier geboten. Der Groove der alten SEPULTURA nach ihrer Thrash-Phase ist definitiv ein Teil des Sounds, doch es geht hier deutlich experimenteller und variantenreicher zu. Von MESHUGGAH’schen Djent-Attacken mit Extrem-Metal-Blast-Beats über atmosphärischen Power-Doom bis zur Weltmusik geht hier das Spektrum und hinter den Keyboards steht mit Julien Zeiler ein wirklich guter Clean-Sänger. Die Jungs machen auf der Bühne viel Alarm und bieten somit auch optisch ein kurzweiliges Spektakel. Hört doch mal in die aktuelle EP "Instinct" hinein, denn die Musik ist in all ihrer Detailreichheit kaum zu beschreiben.

[Thomas Becker]

Nun ist wieder Zeit für fettes Geballer: NOVELISTS steht auf dem Plan. Ihr Djent-/Hardcore-Gebräu ist genau das Richtige für alle, die immer noch nicht wachgerüttelt sein sollten. Zwar ist mir der Sound wie auf Platte zu stumpf, aber manchmal ist Stumpf eben Trumpf.

[Jakob Ehmke]

Das schöne bei diesem Festival ist ja die Tatsache, dass viele Bands quasi sowas wie Euroblast-Stammgäste sind und sie zusammen mit dem Festival wachsen. Zu dieser Kategorie gehören auch die Polen von DISPERSE (links). Über die Jahre hinweg konnten sie beim Euroblast schon immer mit guten Auftritten glänzen, aber für dieses Jahr fehlen mir schon fast die Superlative um diesen grandiosen Gig zu beschreiben. Mit einer unglaublichen Leichtigkeit schafft es der Vierer gewaltige Rhythmus-Soundwände mit fast schon poppigen Soundelementen zu einem Gesamtkunstwerk zu verschmelzen. Das erinnert in manchen Momenten an frühere KARNIVOOL, klingt in jeder Sekunde aber absolut eigenständig. Ein sehr versiertes Schlagzeugspiel, geniale Gitarrensoli sowie unterschwellige Keyboard-Parts ergeben einen engen Klangteppich, der beim Publikum einfach nur für Begeisterungsstürme sorgt. Den Musikern, allen voran Sänger Rafal, will das Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht weichen, so viel Spaß haben sie auf der Bühne. Leider sind die 50 Minuten ihres Auftrittes viel zu kurz. Jetzt müssen sie es nur noch schaffen, diese Live-Energie mit aufs nächste Studioalbum zu packen, dann steht DISPERSE nach oben hin alle Türen offen. Den Tagessieg, als bester Live-Act am letzten Euroblast-Tag, haben sie auf jeden Fall schon mal abgestaubt.

[Christian Stricker]

Jetzt ist die totale Vernichtung angesagt: HUMANITY'S LAST BREATH spielt die mitunter böseste Musik, die mir bisher untergekommen ist. Mit einem astreinem Death-Metal-Vokalisten an Bord, erspielt sich die Band um VILDHJARTA-Drummer Buster Oldeholm einen Moshpit nach dem anderen. Die dicken Grooves gehen direkt ins Genick, die krassen Breakdowns sitzen wie ein Tritt in die Magengrube. Meine Herren: Das war ein Abriss allererster Klasse! Nebst SHINING defintiv einer der Höhepunkte des Festivals für mich.

[Jakob Ehmke]

EXIST IMMORTAL verfolge ich schon eine ganze Zeit, umso mehr freue ich mich, die Engländer heute mal live zu sehen. Zwar wurde Band in den Keller abgeschoben, doch können sie viele Leute ins dunkle Loch locken. Sehr sympathisch und publikumsnah gibt EXIST IMMORTAL eine sehr gute Figur ab. Definitiv ein heißer Tipp!

[Jakob Ehmke]

Wenn man mal das rein Musikalische zugrunde legt, dann ist VOLUMES (links) auf dem Euroblast wirklich nichts Besonderes und genau genommen sogar absoluter Standard. Der Djent-Groove ist in keiner Art und Weise auffällig, allerdings auch kein Stück langweilig – Durchschnitt eben. Da zu einem Live-Auftritt aber nun einmal die Performance gehört, gibt es zu VOLUMES doch das ein oder andere Wort zu verlieren: Komplett in weiß gekleidet (sogar die Latzhose!) hat die Band sich ziemlich sicher das Ziel gesetzt, die Essigfabrik heute zur Essigbruchbude zu machen. Beide Sänger hampeln wie auf Droge über die Bühne, brüllen ihre eigenen Songs ganz abseits der Lyrics nahezu durchgängig (!) mit Aufforderungen zum Springen, Moshen, Mitsingen und was nicht alles zu, gehen auf Tuchfühlung mit dem Publikum und spacken einfach komplett ab. Das ist in jeder Hinsicht sowas von over the top, dass es schlichtweg ansteckend ist. Das empfinde nicht nur ich so, denn der Mob eskaliert komplett und es darf sich gewundert werden, dass die Wände hier nachher noch stehen. Respekt, VOLUMES! Das war fett.

[Oliver Paßgang]

Die Headliner BETRAYING THE MARTYRS und BORN OF OSIRIS machen mich nicht mehr allzu an. Also schlendere ich noch einmal runter in den Keller zu DEADLY CIRCUS FIRE. Das Bauchgefühl sagt mir nämlich, dass das nochmal richtig toll werden könnte. Und enttäuscht werde ich nicht. Ich höre sehr energetische instrumentale Musik, der man gerne das “Post”-Etikett verleihen kann. Harte LONG DISTANCE CALLING, aber mit CROWBAR-Groove kommt mir in den Sinn. Normalerweise haben diese Briten auch einen Sänger - Hörproben offenbaren mir sogar einen sehr Guten - doch kurz vor dem Gig kam es hier wohl zum Split. Es gibt aber wohl doch ein paar Fans, die die Texte auswendig können und lauthals mitsingen. Und mit Gesang ist dieser schon stark Riff-und Groove-basierte Progressive Metal noch einmal deutlich interessanter. Dennoch ist das Gehörte intensiv genug, dass ich noch einmal bis zum Schluss bleibe und trotz überhörter Ohren noch einmal den Nacken strapaziere. Cooler Schlusspunkt, nach dem ich sehr zufrieden nach Hause gehen kann!

[Thomas Becker]

Dass die Pariser Kombo BETRAYING THE MARTYRS (links) dem Euroblast einen Besuch abstattet, ist mehr als überfällig. Die Stimmung ist riesig, der Abriss gewaltig. Die Halle gleicht einem Hexenkessel, der genau wie die Musik immer am Brodeln ist. Was mich wirklich stört, ist, dass die beiden Gesänge oft nicht miteinander, sondern gegeneinander zu arbeiten scheinen. Auch finde ich das Auftreten des Shouters Aaron Matts zu prollig, insbesondere nerven die ewigen Aufforderungen zum Circle Pit oder zur Wall Of Death, aber das mag Geschmackssache sein. Coole Geste: 'Legends Never Die' wird dem verstorbenem AFTER THE BURIAL-Gitarristen Justin Lowe gewidmet. Höhepunkt des sehr chaotischen Auftritts ist jedoch eindeutig das Cover 'Let It Go' aus dem Disney-Film "Frozen".

[Jakob Ehmke]

BORN OF OSIRIS lässt sich ähnlich wie ihre Landsmänner VEIL OF MAYA eher selten in Deutschland blicken, umso gespannter sehen viele dem abschließenden Headliner entgegen. Obwohl die Besucher des Festival-Tags schon viel Geknüppel gehört haben, fordert BORN OF OSIRIS nochmal alles vom Publikum ab. Ihr Vorteil gegenüber vielen Bands der letzten drei Tage ist, dass sie nicht nur ein Gespür für eingängige Songs (was nicht weniger Rhythmus-Gemetzel heißt) beweisen, sondern mit Lee McKinney auch einen Gitarristen im Angebot haben, der im besten neoklassischem Sinne sich einen abfrickeln kann. Und das mit einer Tiefentspannung, die fast unverschämt ist. Das Set bietet keine Ruhepole, ein Song folgt dem nächsten: Für über 70 Minuten ist nochmal totale Ekstase auf der Bühne, wie im Publikum angesagt. Auch wenn der Auftritt für mich nicht meinen Höhepunkt SHINING ablöst, macht BORN OF OSIRIS alles richtig und bereitet einen würdigen Abschluss eines weiteren brillanten Euroblast-Festivals, für das man die Veranstalter John und Daniel nur erneut beglückwünschen kann. Das nächste Euroblast wurde entgegen den Vorjahren auch schon angekündigt: 29.09.-02.10.2017. Wir von POWERMETAL.de freuen uns schon jetzt und werden auch 2017 wieder am Start sein!

[Jakob Ehmke]

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Redakteur:
Jakob Ehmke

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