Doom Shall Rise IV - Göppingen

26.04.2006 | 14:25

31.03.2006, The Chapel

Nachdem ich letztes Jahr noch allein für Fotos und Berichterstattung vom "DOOM SHALL RISE" zuständig gewesen war, begeben wir uns diese Jahr zu dritt zu einem der kultigesten Festivals der Saison, um der Heaviness und der Zeitlupe zu frönen. Elf Bands an zwei Tagen, alle irgendwie Doom, und doch alle irgendwie völlig unterschiedlich. Als Außenstehender möchte man meinen, dass ein reines Doom-Festival vielleicht ein wenig eindimensional sein könnte. Doch weit gefehlt. Ihr glaubt gar nicht, von wie vielen völlig verschiedenen Seiten sich der Doom präsentieren kann. Und dennoch ist es eine große Familie, eine gemeinsame Basis. Doch lest selbst, was wir am uns bevorstehenden Wochenende in der Göppinger Chapel erleben sollten...

First Day Of Doom - Freitag, 31. März 2006

IRON HEARSE:

Was passiert immer, wenn man pünktlich ankommt? Man muss dann doch warten. So auch in Göppingen, jedoch nicht, weil die Organisatoren so lahmarschig sind, sondern weil sich LOW MAN'S TUNE nicht blicken lassen und selbst Verantstalter Frank bis zum Ende des Abends kein Lebenszeichen von den Jungs vernommen hat. Komisch. Naja, dann gibt's eben keinen deutschen Einstieg ins DSR, sondern einen britischen. Erste Assoziationen zur Insel? Klar, BLACK SABBATH. Und CATHEDRAL. Als das Trio dann losrockt, breitet sich auf meinem Gesicht ein zufriedenes Grinsen aus: Der stark 70s-lastige Sound der Inselbewohner erinnert zu gleichen Teilen an die Referenzbands, das CATHEDRAL-Shirt vom singenden Klampfer Grant trägt sein Übriges zur leichteren Einordnung des Sounds bei. Kathedralenmusik meets Blues, wird zu zähflüssigen, langsam rockenden Soundskulpturen und löst sich in coole Drumfills und schön anzuhörende Gitarrensoli auf. Feine Sache! Der extrem verzerrt röhrende Bass trägt sein Übrigens zum Wohlklang der Kompositionen bei, und der Gesang von Grant pendelt zwischen wunderbar-nölig und angenehm-verraucht - irgendwie auch typisch britisch. Summa summarum eine gute Einstimmung für einen abwechslungs- und ereignisreichen Abend. Werde ich mir merken!
[Rouven Dorn]

AHAB:

AHAB weckt bei mir eigentlich nur literarische Assoziationen, doch als mir ein Kollege flüstert, hier würde uns Funeral Doom vom Feinsten erwarten, kennt die Vorfreude keine Grenzen mehr und ich werde nicht enttäuscht: Die jungen Doomster zelebrieren die finstere Langsamkeit in all ihren Facetten und bringen das, was man von Funeral Doom erwartet, gekonnt rüber. Man fühlt sich schnell an so göttliche Vorreiter des Genres wie MY DYING BRIDE erinnert und gibt sich dem Sound einfach hin, so herrscht Gänsehaut-Stimmung im Sekundentakt. Vor allem der zweite überlange Song, 'Old Thunder' weiß zu überzeugen und macht Appetit aufs neue Album, welches noch vor dem Sommer herauskommen soll. Einziger Wermutstropfen ist der anfangs etwas wackelige cleane Gesang, doch der hält sich zum Glück in Grenzen und ist nach Anlaufschwierigkeiten eigentlich sehr fein. Für mich sind AHAB das erste Highlight und neben DANTESCO auf jeden Fall auch die Überraschung des Tages.
[Caroline Traitler]

Setlist:
The Sermon
Old Thunder
Below The Sun

DANTESCO:

Auf die Herren aus Puerto Rico war ich sehr gespannt. Seitdem mir ihr erstes Album "De La Mano De La Muerte" in die Hände geflattert ist, freute ich mich darauf, das Quintett einmal livehaftig begutachten zu können. Mit Erico "La Bestia" haben die Lateinamerikaner außerdem einen Sänger in ihren Reihen, der nicht nur an manchen Stellen an Doomgott Messiah von CANDLEMASS erinnert, sondern insgesamt eine absolut fantastische Stimme hat. Der opernhaft anmutende, klagende Gesangsstil ist auf jeden Fall unverwechselbar und passt wunderbar zur manchmal sehr schwermütigen Musik. Dass "schwermütig" aber nicht gleichzeitig "langsam" bedeutet, bewies uns der Fünfer bei Stücken wie 'Tempestad' oder der Bandhymne 'Dantesco', die teilweise schon fast treumetallisch und neoklassisch beeinflusst, aber stets mächtig und erhaben aus den Boxen tönten. Von dort tönte zu Beginn des Gigs auch Ramons Bass, und zwar deutlich zu laut, so dass die fligrane Gitarrenarbeit der Herren Ortiz und Carrasquillo leider etwas unterging. Heidánei, was die beiden da auf ihren Griffbrettern abzogen, das war schon mehr als beeindruckend! Auch Erico hatte zu Beginn des Gigs leichte Probleme, wurde im weiteren Verlauf aber immer sicherer und ging auch deutlich mehr aus sich heraus. Was für ein Organ! Faszinierend auch das Bühnenoutfit der Truppe: In lange Mönchsgewänder gekleidet, fühlte sich der Zuschauer manchmal erneut an Messiah erinnert, Erico stellte mit seinen Priesterroben mitsamt Stola (natürlich mit umgedrehtem Kreuz ;-)) eindeutig den Mittelpunkt dar. Der Höhepunkt hingegen war ein neuer Song, den uns Erico & Co. vorstellten: Das treibende Stück Kraftmetall, welches sich mit der Beowulf-Saga beschäftigt, dürfte auch für sämtliche DOOMSWORD-Jünger ein gefundenes Fressen darstellen.
Was soll ich noch schreiben? Diese Dreiviertelstunde war für mich Magie pur, Spielfreude pur und das auf einem Level, das erstaunlich hoch ist. Hielt ich die Truppe nach den ersten Hördurchläufen noch für ausbaufähig, so muss ich jetzt sagen: Das ist schon ganz, ganz groß. Die Tatsache, dass DANTESCO nach ihrem mit "Zugabe"-Rufen beendeten Gig stolze 200 Silberlinge verkaufen konnten, spricht eigentlich schon für sich selbst.
[Rouven Dorn]

DAWN OF WINTER:

An der Stimme von Gerrit P. Mutz scheiden sich ja seit jeher die Geister, und auch ich muss zugeben, dass ich nicht unbedingt der größte Fan seines Stils bin. In jedem Fall singt der Mann aber sehr eigenständig und originell, und das nötigt mir im Endeffekt mehr Bewunderung ab, als ein Sänger, der zwar super schön, aber dafür austauschbar klingt. Dabei liegt mir sein Stil bei der epischen Doom-Kapelle DAWN OF WINTER im Endeffekt sogar etwas mehr, als bei seiner zweiten und deutlich bekannteren Band SACRED STEEL, so dass es mich sehr gefreut hat, nach etlichen Malen "heiligs Blechle" nun auch mal DAWN OF WINTER live in Aktion zu erleben. Bei denen greift auch nach wie vor Jörg M. Knittel in die Saiten, der ja bei den heiligen Stahlverarbeitern kürzlich ausgestiegen ist. Die Schwaben präsentieren sich in Göppingen (sozusagen durchaus ein Heimspiel) sehr entspannt, aber dennoch spielfreudig und sind immer zu ein paar kleinen Scherzen aufgelegt. So stellt Gerrit fest, dass man jenseits der 30 ja sowieso etwas langsamer zur Sache gehen muss und wenn er ein altes Stück ankündigt, bemerkt er so ganz beiläufig, dass seinerzeit er selbst noch Humor hatte und Jörg noch Haare. Auch für die eigene Beerdigung habe man mittels Komposition von 'Fallen Empire' schon vorgesorgt, also passt ja alles. Was die Songauswahl angeht, liegt der Schwerpunkt erwartungsgemäß auf dem wohl bekanntesten Album der Truppe, nämlich auf "In The Valley Of Tears". Aber auch noch ältere Stücke, wie etwa 'Dance Of Despair' geben die Jungs zum Besten, und auch ein Vorgeschmack auf's kommende Album wird uns in Gestalt von 'Life Long Traveller' gegönnt. Außerdem kommen 'Slow Is The Suffering' von der 2001er-EP und der Kultsong 'Ritual Magic' sehr gut an, so dass DAWN OF WINTER ihren Auftritt beim "DOOM SHALL RISE IV" getrost als beachtlichen Erfolg verbuchen können. Für mich kein unbedingtes Highlight des Festivals, aber dennoch eine sehr coole Show, die mir viel Spaß gemacht hat.
[Rüdiger Stehle]

SOLITUDE AETURNUS:

Die Texaner scheinen vom Pech verfolgt zu sein. Was mussten die Jungs schon geplante Europa-Gigs absagen, und nun steht der Headliner-Auftritt beim "DOOM SHALL RISE" an und Sänger Rob Lowe sitzt zu Hause auf gepackten Koffern, weil mit seinem Pass was nicht stimmt und ihm die Ausreise verweigert wird. Respekt der Band, dass sie trotzdem angereist ist und sich bereit erklärt hat, mit Gastsängern einen gekürzten Auftritt zu geben. Wer SOLITUDE AETURNUS einmal mit Rob gesehen hat, weiß allerdings nur zu gut, dass dieser im Prinzip unersetzlich ist - zu göttlich ist seine Stimme und zu einmalig seine Bühnenpräsenz. Das heißt also zunächst mal Erwartungen runterschrauben und das Beste draus machen. Wer das berücksichtigt erlebt dann auch ein durchaus unterhaltsames und vor allem außergewöhnliches Konzert, bei dem man natülich merkt, dass sich Meister Perez mit ausführlichen Ansagen in bester DeMaio-Manier ein wenig über die Zeit zu retten versucht. So verkündet er, dass er zwar ganz gut singe, aber eben nicht so gut wie Rob Lowe. Gut, nichts anderes haben wir erwartet, aber ganz ehrlich, das Singen sollte er doch lieber komplett den Gastmusikern überlassen, denn ganz so prickelnd ist seine Stimme als Leadsänger dann doch nicht. Dagegen liefert DANTESCOs Erico La Bestia auf 'Haunting The Obscure' und 'Days Of Prayer' schon eine deutlich bessere Leistung ab. Den sehr guten neuen Song 'Sightless' singt John Perez selbst, bevor DOOMSHINEs Tim Holz an der Reihe ist, mit den Texanern 'The Nineth Day' und 'Seeds Of The Desolate' zum Besten zu geben. Dabei hat er zwar öfters mal Probleme den Einsatz zu finden, aber dafür, dass er nur einen Tag Zeit hatte sich auf den Gig vorzubereiten, ist das durchaus sehr beachtlich. Der nächste neue Song 'Scent Of Death' mit seinen orientalischen Melodiebögen wird dann wieder von John selbst gesungen. Danach geben sich Tim Holz und Gerrit Mutz von DAWN OF WINTER bei 'Plague Of Procreation' und 'Destiny Falls To Ruin' das Mikro in die Hand, was einen ganz netten Mix ergibt. Gerade die Mitsingparts bei 'Destiny...' machen echt Laune.

Für die Zugabe holen die Jungs noch mal Erico La Bestia auf die Bühne, der zusammen mit Gerrit und John 'Falling' schmettern darf. Als Rausschmeißer gibt's dann das MANOWAR-Cover 'Secret Of Steel' mit der selben Gesangsbesetzung, wobei sich hier der gute Gerrit ein wenig zu sehr in den Vordergrund begibt - ich würde gerne ein wenig mehr von Erico hören... aber sei's drum, es macht auch so Spaß. Am Ende sind sicher etliche SOLITUDE AETURNUS-Fans schwer enttäuscht, was durchaus verständlich ist, aber ich finde, dass die Band immer noch gerettet hat, was zu retten war. Eine gänzliche Absage hätte ja auch keinem geholfen. Außerdem bleibt mir und etlichen anderen Anwesenden ja noch der Trost, dass eine Woche drauf beim "Keep It True" auch Robert Lowe dabei sein wird.
[Rüdiger Stehle]

Abgesehen davon kann man sich sicher sein: Das hier war ein absolut einzigartiges Ereignis, eine kleine und feine Musikparty mit Gästen, die sich ihren Aufgaben mit Leidenschaft gewidmet haben. Und ich schätze mich glücklich, das gesehen zu haben. Da überwiegt dann doch die Freude!
[Rouven Dorn]

Setlist:
Haunting The Obscure (feat. Erico La Bestia)
Days Of Prayer (feat. Erico La Bestia)
Sightless
The 9th Day (feat. Tim Holz)
Lament
Seeds Of The Desolate (feat. Tim Holz)
Scent Of Death
Plague of Procreation (feat. Tim Holz)
Destiny Falls To Ruin (feat. Gerrit Mutz & Tim Holz)
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Falling (feat. Gerrit Mutz & Erico La Bestia)
Secret Of Steel (MANOWAR-Cover; feat. Gerrit Mutz & Erico La Bestia)

VERSUS THE STILLBORN-MINDED:

Gähn, es ist spät. Dennoch herrscht Neugier auf die letzte Kapelle des Abends vor. Kollege Rüdiger weiß zu berichten, dass uns Sludge-Klänge erwarten werden. Hm, das klingt doch schonmal gut. Ist es dann im Prinzip auch - leider nur an der falschen Stelle im Billing, wie wir finden. Denn ein Konzert, auf dem nur VTS-M und vielleicht noch stilverwandte Bands, hätte ich ohne Zögern besucht. So lässt der mächtige, aber auch mächtig zähe Sound des Quintetts den Abend ausklingen, was einige der Anwesenden zum Abwandern bewegt. Schade eigentlich, denn die Sludge-Ungetüme, die VTS-M auf uns loslassen, sind schon beeindruckend und faszinierend. Ähnlich wie bei Truppen der Marke NEUROSIS, ISIS oder CULT OF LUNA kredenzt der Fünfer ellenlange Jam-Sessions, morbide Kreischvocals, Tonnenweise Effekte und lecker verzerrte Instrumente. Für meinen Geschmack haben die Kompositionen jedoch - zumindest zu diesem Zeitpunkt - ein bisschen zu wenig Dynamik, reißen nicht immer mit. Wenn dann das Tempo etwas angezogen wird, macht die Chose gleich wieder tierisch Spaß, aber die langsamen Instrumentalparts können meine Wenigkeit heute nicht immer überzeugen. Vielleicht wäre eine etwas rockigere Band zum Abschluss passender gewesen, was zumindest am Samstag mit DEBRIS INC. wunderbar funktioniert hat. Egal, hat trotzdem ordentlich Laune gemacht, der Bandname wandert auf meine Muss-ich-mal-anchecken-Liste und das nächste VERSUS THE STILLBORN-MINDED-Konzert in der Nähe wird angepeilt. Ach ja: der komplett nackte Drummer hätte vielleicht nicht sein müssen. Zumindest nicht, wenn er während des Gigs auch noch aufsteht ... ;-)
[Rouven Dorn]

Redakteur:
Rüdiger Stehle

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