AC/DC und THE PRETTY RECKLESS: Die große Brian und Angus-Show! - München

10.06.2024 | 21:34

09.06.2024, Olympia-Stadion

Die beiden "Altrocker" Angus und Brian der australischen Rocklegende AC/DC - das sind zusammen 147 Jahre purer Hardrock. In München haben sie bewiesen: Sie können es noch!

Natürlich herrscht, obwohl es Sonntag ist, das völlige Verkehrschaos rund um den Olympiapark. 66000 Menschen wollen das erste der beiden AC/DC-Konzerte in der bayrischen Landeshauptstadt sehen. Das bedeutet: ausverkauft! Wir sind früh losgefahren, aber es wird trotzdem immer später. Da winkt jemand rechts neben der Straße. Ein paar findige Anwohner nutzen die Gunst der Stunde und vermieten Parkplätze auf dem Hof für 20 Euro. Das ist näher an der Location, etwa die Hälfte müsste ich sowieso bezahlen, daher nehmen wir kurzentschlossen das Angebot an. Minuten später sind die etwas über ein Dutzend Parkplätze voll, wir auf dem Weg zum Olympiastadion und erstmal nass. Es hat pünktlich zu regnen angefangen.

Egal, es war ja angesagt gewesen und wir werden uns nicht spontan auflösen. Nach einem deutlich längeren Marsch als erwartet treffen wir gut fünfzehn Minuten vor der vereinbarten Zeit im Pressebereich ein, wo uns Jana und Marie von der Presseagentur Van Almsick freundlich begrüßen. Die Hälfte der Medienvertreter sind irgendwo in der Schnittmenge zwischen "begossener Pudel" und "viel zu dick angezogen" zu verorten, letzteres ist übrigens auch schlecht, denn es ist zwar regnerisch, aber auch warm. Völlig entspannt und locker macht sich Noah fertig zum Abmarsch in den Graben, die Van-Almsick-Truppe ist ansteckend gelassen und souverän, die Kommunikation im Vorfeld war auch schon perfekt. Ich habe schon einiges erlebt, echte Profis sind eine Wohltat. Und als Kirsche auf der Torte bekommt jeder sogar noch eine Getränkemarke. Man muss sie einfach liebhaben.

Jetzt aber Musik, denn es geht pünktlich los. Die Vorband ist THE PRETTY RECKLESS, in die ich mal reingehört habe, aber wirklich vertraut bin ich mit dem Material der US-Amerikaner und der Frontdame nicht. Auf unserer Seite sind sie aber von gleich drei verschiedenen Redakteuren mit wirklich guten Kritiken bedacht worden, was soll da also schiefgehen? Doch gleich zu Beginn bemitleide ich erstmal aus der Ferne unseren Fotografen. Mach mal Bilder von einer schwarzen Band auf schwarzem Grund! Alle tragen schwarz, die Bassdrum ist schwarz, die Gitarre ist komplett schwarz, nur das Griffbrett des Basses und die blonden Haare von Sängerin Taylor Momsen stechen heraus, denn der Bühnenhintergrund ist ebenfalls komplett, ihr erratet es, schwarz.

Immerhin ist die Musik nicht so düster, auch wenn man gleich mal 'Death By Rock And Roll' propagiert. Momsen erweist sich dabei als fixer Mittelpunkt der Band, nicht nur, weil sie sich nicht in Mimikry versucht, sondern auch, weil sie als einzige wirklich Bewegung zeigt. Das ist auf einer so großen Bühne auch nicht sonderlich überzeugend, immerhin rotzt Gitarrist Ben Philips schön rau ein paar Riffs ins große Rund. Auch wenn THE PRETTY RECKLESS eindeutig Taylor Momsens Band ist, es würde allen guttun, wenn einfach mehr passieren würde. Nach dem ersten Lied ist sich das Publikum uneinig. Ein paar klatschen, ein paar pfeifen, die meisten richten sich noch ein.

Das ist erklärbar. Zwar ist die Musik der Vier angenehm, pendelt zwischen Hardrock, Indie-Rock und Alternative, wirkt auf mich aber zu intellektuell für die Situation. Wir sind natürlich musikalisch alle ein wenig eindimensional unterwegs, denn AC/DC heißt feiern. Und nein, das Stöhnintro vom Band zu 'Follow Me Down' sorgt auch nicht für Stimmung. Immerhin ist das Lied fetziger, verliert aber auch seinen Drive wieder mehrfach. Dabei ist es musikalisch sehr ansprechend, nur eben irgendwie nicht dem Anlass angemessen. Die Devise müsste eigentlich sein, keine Experimente, keine Gefangenen, rockt einfach drauflos! Machen sie dann doch tatsächlich auch, mit einer SOUNDGARDEN-Coverversion, aber auch die passt in den Auftritt. Ich habe so den Eindruck, dass die Phase der Grunger aus der Zeit vor dem Durchbruch hier nicht allzu vielen ein Begriff ist.

Das klingt jetzt alles viel negativer, als ich es meine. Spätestens jetzt wird es nämlich wirklich stark, 'Sweet Things', 'Witches Burn', das arschcoole 'Make Me Wanna Die' von Taylor, der erste Song, den die Band jemals zusammen geschrieben hat, und der Gassenhauer 'Heaven Knows' sind eigentlich absolut überzeugende Songs, nur letzterer hat einen zu langen Soloteil, der wieder jegliche Fahrt unterbricht. Auf jeden Fall hat THE PRETTY RECKLESS genug Zeit erhalten, um sich zu präsentieren und das Stadion warmzurocken. Das zweite war leider nicht so recht der Fall, aber ich glaube, THE PRETTY RECKLESS in einem Club mit ein paar Hundert Musikfreunden könnte ein gelungener Abend werden. Für das AC/DC-Publikum hat man heute aber ziemlich viel falsch gemacht.

 

Es gibt nur eine sehr kurze Pause von gerade einmal 35 Minuten, da hört man schon den Rennwagen des aktuellen AC/DC-Intros über die Boxen knattern. Pünktlich zu den ersten Tönen fängt es wieder an zu regnen, und das nicht zu knapp, dann folgt 'If You Want Blood (You've Got It)'. Ein ungewöhnlicher Einstieg, aber die Jungs können natürlich aus dem Vollen schöpfen. Doch zuerst einmal ist die Frage: Wie werden sich die durchaus betagten Herren so schlagen? Auf der Tour sind neben den wichtigen beiden zwei Musiker dabei, die sich den Tourstress noch locker antun können, denn Drummer Matt Laug ist gerade mal 55 Jahre alt, Bassist Chris Chaney ist sogar noch jünger. Nicht, dass ich die beiden erkennen würde, dazu bin ich dann doch zu weit weg und sie bleiben während des ganzen Auftritts dezent im Hintergrund. Das gilt auch für das Neumitglied Stevie Young, der nach dem Tod seines Onkels Malcolm diesen an der Rhythmusgitarre beerbte. Ich würde Stevie ja gerne mal mit seiner alten Band STARFIGHTERS sehen, aber ich schweife ab.

Bleiben also Angus und Brian, zusammen 147 Jahre alt und wahrlich kein bisschen leise. Der Sound ist super und Brian hat ganz offensichtlich mächtig Spaß bei seinem Auftritt. Er lächelt, macht Faxen und gibt sich gar nicht erst wirklich Mühe, alle Lieder wie auf den Alben zu singen, stattdessen lebt er die Stücke auf der Bühne aus. Dazu kommen die großen Leinwände und die mächtige Bühne, die zu 'Back In Black' komplett in Schwarz und Weiß getaucht ist, danach folgt mit 'Demon Fire' der erste von vier Liedern, die nach 1990 veröffentlicht worden sind. 'Demon Fire' ist ein echter Kracher und sorgt für keinen Stimmungsabbruch, das kann ich von der Tribüne aus gut erkennen. Die 66000 sind hier für die Party und dafür haben sie die richtige Band parat!

Beziehungsweise zwei absolute Profi-Entertainer mit Backingband, aber die Bühnenpräsenz der Zwei ist wirklich beachtlich! Zwischen den Songs gibt es immer eine kleine Pause von zwanzig Sekunden. Ich nehme an, zum Gitarrestimmen, Brian und Angus werden durchaus nass, was sie aber überhaupt nicht zu stören scheint. Was Herr Johnson hier abzieht, möchte ich mit 76 auch gerne noch können. So funktioniert nämlich auch 'Shot Down In Flames' in strömendem Regen und 'Thunderstruck' sorgt direkt für Verdunstung. Auch wenn er nichts zu tun hat, verlässt Johnson nicht die Bühne, sieht zu, wie Angus seine Show abzieht, die natürlich routiniert abläuft und nicht allzu viele Überraschungen beinhaltet, aber eben auch klassisch und einfach gut ist.

Was gibt es noch zu erwähnen? Nun, die Glocke senkt sich natürlich bei 'Hells Bells' über die Band, Angus spielt in 'Sin City' die Gitarre mit der Krawatte, Brian verschlampt seinen Einsatz bei 'Highway To Hell', lacht und macht das Ganze an der richtigen Stelle nochmal, souverän und sympathisch. Ein weiterer neuer Song von "Pwr Up", 'Shot In The Dark', passt sich ebenfalls prächtig ein. AC/DC hat nun eine noch größere Auswahl an guten Stücken für die Live-Auftritte. Ach ja, Rosie ist jetzt nicht mehr aufblasbar, sondern digital, und während des üblichen, ausufernden Gitarrensolos in 'Let There Be Rock', bei dem Angus eines seiner gefürchteten "Geräusch-Soli" intoniert, bei dem er allen klarmacht, dass Lautstärke und Distortion eben über Filigranität einzuordnen ist, fährt der Saitenmann mit einer Hebebühne ein paar Meter in die Höhe. Cool, allerdings bei der monströs großen Bühne eine nette Geste, mehr nicht. Dafür kriegt er einen mächtigen Kanonenschlag und viel Konfetti als Belohnung, dann ist Schluss.

Nein, natürlich nicht, es gibt ja noch zwei Zugaben. 'TNT' fehlte noch und der Rausschmeißer ist 'For Those About To Rock (We Salute You)', was natürlich wenig überraschend ist. Die sechs Kanonen ballern, das Publikum ist begeistern, die Band, und vor allem die Männer am Bühnenrand, werden oder wirken zumindest nicht müde. AC/DC hat im Münchner Regen, der übrigen nach den 135 Minuten Show endlich endet, absolut geliefert. Das hätte ich nicht zu erwarten gehofft. Viele jüngere Bands könnten sich hier mal etwas abschauen, wenn ich mal wieder einen Headliner sehe, der vierzig oder mehr Jahre jünger ist, aber bereits nach 70 Minuten die Bühne verlässt. Das hier war auf jeden Fall "High Voltage"!

Setliste: If You Want Blood (You've Got It); Back in Black; Demon Fire; Shot Down in Flames; Thunderstruck; Have A Drink On Me; Hells Bells; Shot In The Dark; Stiff Upper Lip; Shoot To Thrill; Sin City; Rock 'n' Roll Train; Dirty Deeds Done Dirt Cheap; High Voltage; Riff Raff; You Shook Me All Night Long; Highway To Hell; Whole Lotta Rosie; Let There Be Rock; Zugaben: T.N.T.; For Those About to Rock (We Salute You)

Redakteur:
Frank Jaeger
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