STIMMENWERK: Vocal-Coach Sabine und die Kraft der Stimme

08.08.2025 | 00:43

Normalerweise interviewen wir für euch nationale und internationale Künstler der Rock- und Metalszene. Doch auch wir möchten unseren Horizont erweitern und kamen durch Zufall auf "Stimmenwerk" zu sprechen: ein Coaching für Rock-, Pop- und Metalgesang! Und da die liebe Sabine auch einen entsprechenden Podcast genau zu diesem Thema hat, wollten wir mehr erfahren! Und das tun wir auch, gibt uns Sabine doch einen tieferen Einblick in das "Stimmenwerk" und den "Vocal-Couching"-Podcast!

Sabine, erst einmal vielen Dank, dass du dich unseren Fragen stellst. Wie geht es dir, überstehst du den Sommer?
Grüß dich! Ja, total gerne. Danke, dass ich mich euren Fragen stellen darf. Ich bin schon ganz gespannt drauf. Mir geht es super, noch ganz frisch im Urlaubsmood und da ich den Sommer liebe, genieße ich das gerade sehr, auch frei zu haben.

Du bist leidenschaftliche Metal-Sängerin. Warst du auch in Bands aktiv? Und welches Genre liegt dir hier am meisten?
Ja klar! Ich war schon in ganz verschiedenen Bandkonstellationen unterwegs und von Rock bis Metal war da schon einiges dabei. Von daher mag ich und liegen mir mehrere Genres aus der Ecke ganz gut. Bis letztes Jahr war ich sieben Jahre die Fronterin bei PAPIERFLIEGER - mit der Band habe ich mich viel in die Richtungen deutschsprachigem Metalcore und Modern Metal ausprobieren dürfen, was mir extrem Lust auf mehr in der Richtung gemacht hat. Darum bin ich aktuell auch an neuen Projekten und neuem Material dran, was in die Richtung geht und mag nach dieser Zeit wieder englischsprachig texten, singen und schreien.

Und welcher Sänger bzw. welche Sängerin hat dich persönlich zum Gesang gebracht und weshalb? Was war das Besondere in dem Moment?
Puh - das  ist eine gute Frage. Ich kann diese Frage gar nicht so beantworten, denn genau genommen gab es für mich nie ein konkretes Vorbild, das mich zum Gesang gebracht hat. Ich kann mich daran erinnern, dass ich, seitdem ich sprechen kann auch schon immer in meinem Alltag gesungen habe, ich weiß noch, ich habe, ohne zu einer Musik zu singen, frei Melodien erfunden und die immer und immer wieder wiederholt, mit irgendeinem ausgedachten Fantasietext. Das verbinde ich viel mehr mit meinen Anfängen beim Singen, die mich dann auch zum ersten Vokalensemble und der Schulband gebracht haben, als irgendein Sänger oder eine Sängerin. Na klar gab es und gibt es auch immer wieder Stimmen, die ich wahnsinnig interessant finde, die irgendwas in ihrer Stimme haben, woran sich mein Ohr erstmal nicht satthören kann oder die im Zusammenspiel mit den Instrumenten und dem Genre für mich ein völlig neues Hörerlebnis aufmachen. Aber das mit ein paar Künstler*innen zu benennen, ist für mich schwierig zu fassen.

Wir sind durch Instagram auf dich aufmerksam geworden – du bist Vocal Coach. Hast du hier dein Hobby zum Beruf gemacht oder wie kann ich mir deinen Werdegang vorstellen?
Ja, das stimmt und das trifft es recht gut. Ich habe meine Schul- und Ausbildungszeit, wie sicherlich viele, mit "etwas Ordentlichem" abgeschlossen, hehe. Bevor ich angefangen habe, Sänger*innen zu coachen und mich in diesem Bereich auf Rock- und Metal-Stimmen zu spezialisieren, habe ich Umwelttechnik studiert und auch eine Zeit in diesem Bereich gearbeitet. Ich habe dann gemerkt, dass mich das nicht erfüllt und mir auch gesundheitlich nicht so gutgetan hat - aber Schulungen und Workshops habe ich da schon gerne gegeben. Also habe ich mich dann bewusst dazu entschieden, meine Leidenschaft für das Singen und das Coachen zusammenzubringen. So ist dann nach vielen Aus- und Weiterbildungen in den Bereichen Stimme und Coachingansätze vor zehn Jahren das "Stimmenwerk" entstanden.

Und jetzt musst du uns aufklären: Wer oder was ist das "Stimmenwerk"? Dein persönliches Vocal-Coaching?
Richtig! Das "Stimmenwerk" ist meine Gesangsschule, in der ich mittlerweile überwiegend mit Sänger*innen aus den härteren Gesangsstilen zusammenarbeite. Ich biete in meinen Einzelcoachings fundierte Technikskills mit dem Ziel, dass die Sänger*innen ihr Instrument Stimme verstehen, ausdrucksstark im Bandkontext einsetzen und langfristig gesund halten können. Darüber hinaus arbeite ich mit meinen Sänger*innen auch auf dem Gebiet der Persönlichkeits-/Künstler*innen-Entwicklung. Die persönliche und mentale Komponente bei Musiker*innen gewinnt immer mehr an Bedeutung, wo so viele Nachwuchs-Künstler*innen selbstbestimmt über den DIY-Weg anfangen, Fuß zu fassen. Und da würde ich schon sagen, dass ich über die letzten zehn Jahre meine eigenen Methoden und Coachingansätze für Sänger*innen entwickelt habe.

Du arbeitest mit HIRAES-Shouterin Britta Görtz zusammen, die ja selbst für ein unfassbares Stimmvolumen bekannt ist, eine Naturgewalt, wenn sie singt. Was macht für dich den Reiz an harscheren Vocals aus?
Für mich persönlich ist die harsche Klangpalette einfach nochmal eine krasse Erweiterung zu den cleanen Vocals. Wo ich mit dem Cleanen nicht den passenden Ausdruck im Song finde, finde ich garantiert etwas im Harschen, was das ausdrückt, was ich gerade fühle. Britta beschreibt in ihren Workshops die Harsh Vocals so schön mit nem Augenzwinkern als "Hässlichgesang" – und ich finde diese Klangästhetik macht einfach nochmal eine ganz andere Dimension von persönlichem Ausdruck auf. Denn auch das "Hässliche", das nicht so Alltägliche (die cleane Stimme kennen selbst nicht-Sänger*innen aus der Alltagskommunikation), darf im stimmlichen Ausdruck nicht fehlen. In einem Text, in dem es z.B. um "Dirt", "Death" oder "bizarre" geht, finde ich, darf die Stimme entsprechend klingen. Mich fasziniert gerade, wenn ich clean und harsh mische, die so unterschiedlich intensive Energie, die durch den Körper fließt.

Worin liegen für dich als Vocal-Coach die täglichen Herausforderungen bei den Workshops?
Es sind ja nicht nur die Workshops – es sind auch die Einzelcoachings. Und in beidem würde ich sagen, liegt die Herausforderung darin, den Menschen im Zentrum zu sehen und alles, was er für den Moment, in dem wir zusammenarbeiten, mit im Gepäck hat. Ich möchte meinen Sänger*innen nachhaltige Werkzeuge an die Hand geben, die ihnen helfen, ihr persönliches Ziel und ihren Weg als Sänger*in gut gerüstet zu bestreiten. Und da jeder Mensch individuell ist, sind da auch oft individuelle Lösungen und Ansätze gefragt. Diese große Vielfalt und den Abwechslungsreichtum liebe ich an meinem Job – da ist  ganz oft denken und arbeiten "out of the box" angesagt.

Und gibt es für die unterschiedlichen Arten des Gesangs auch unterschiedliche Workshops? Wie kann ich mir solch einen Workshop im "Stimmenwerk" vorstellen?
Genau, die gibt es. Aktuell habe ich Präsenz-Workshops geplant. Zum Beispiel Gesangstechnikgrundlagen für Pop-, Rock- & cleane Metal-Songs, aber auch Belting, eine Technik für kräftig klingende Höhen. Und mit Britta Görtz als Gastdozentin für Growling und Screaming. Aber auch Bühnenperformance & Stageacting biete ich im Workshopformat an. Ganz neue findet im August erstmals ein Live-Coaching-Format per Zoom zum Thema "Create your Stage personality" statt. In dem Kurs geht es neben Körperwahrnehmung auch um den Umgang mit eigenen Glaubenssätzen, die einen von der Entfaltung des eigenen Stimmpotenzials oft etwas zurückhalten können und die Erarbeitung einer eigenen Künstler*innenpersönlichkeit. Die Arbeit an diesem Themen-Trio hat bei meinen Testproband*innen recht schnell einen noch authentischeren und ausdrucksstärkeren Stimmklang gezeigt, ohne gezielt an Technik zu arbeiten. Das Zoom-Format möchte ich starten, da so die Möglichkeit besteht, den Teilnehmer*innen zusätzlich eine Aufzeichnung zur Nacharbeit im eigenen Tempo zur Verfügung zu stellen.
Egal um welches Workshopformat und um welchen Workshopschwerpunkt es sich handelt, mir ist immer wichtig, dass sich alle, die teilnehmen, wohlfühlen. Singen und Schreien lernen hat viel mit sich zeigen, sich ausprobieren, erst einmal Fehler machen und raus aus der Komfortzone kommen zu tun. Das fällt den Teilnehmer*innen viel leichter und sie nehmen viel mehr für sich aus so einem Workshop mit, wenn sie Raum bekommen, in dem alles passieren darf, aber nicht muss. Zudem schaue ich immer, dass ich die Übungen in den Workshops für alle Teilnehmer*innen ggf. so anpasse, dass jede/r mit dem jeweils individuellen Skill-Level einsteigen und mitmachen kann.

Daneben – und das verbindet uns – hostest du einen Podcast. Wie kam die Idee zum "Vocal-Couching" zustande? Mit welcher Intention bist du an den Start gegangen?
Ja, total gut, hehe. Ich habe nach etwas gesucht, was ich über das Jahr begleitend anlässlich meines zehnjährigen Jubiläums mit dem "Stimmenwerk" machen kann. Da ich selbst mittlerweile total gerne Podcasts höre - und so auch schon auf den "Pommesgabel"-Podcast gestoßen war - und ich in meinen Coachings mit meinen Sänger*innen manchmal auch nur "Rede-Stunden" habe, die für die eigene und die stimmliche Weiterentwicklung aber so viel bringen, kam ich irgendwann auf die Idee mit einem eigenen Podcast. Ich finde die Idee schön, den Sänger*innen der Bands aus der Rhein-Main-Region eine Plattform zu bieten, sich und ihre Bands auch mal neben der Bühne vorzustellen, ihre Herangehensweisen im Songwriting zu teilen, Tipps und Tricks zu teilen, wie sie mit manchen Situationen in ihrer Rolle als Sänger*in umgehen, was sie erlebt, erfahren haben, etc.
Sänger*innen glauben oft, sie stehen mit ihrem "Problem" oder ihrer Empfindung zu etwas alleine da, vielleicht weil die Stimme eher "unsichtbar" in unserem Körper "versteckt" liegt. Wir Vokalisten kommen oft nicht so plakativ mit Kolleg*innen in den Austausch, weil wir die Stimme nicht in einem großen Case zum Gig schleppen und jemand direkt auf uns zu kommt und fragt: "Brauchst du Hilfe beim Tragen?" So dachte ich, wäre das vielleicht eine Möglichkeit, die unsichtbaren Themen, die Sänger*innen durchaus beschäftigen, über den Podcast hörbar zu machen.

Was hast du aus den Staffeln und Folgen, die du bereits aufgenommen hast, für dich persönlich mitgenommen?
Spannende Frage! Die Planung der Folgen ist gut, improvisieren und dem Gespräch seinen Lauf lassen, ist viel besser – darum stimme ich mit meinen Gästen nur noch das Überthema ab. Auch wenn es schon früh Alkohol in den Folgen gibt, kann ich in Folge 4 noch klar sprechen und für die lustigsten Gespräche braucht es keinen Alkohol.
Ich habe in jeder Staffel von meinem Gegenüber so wertvolle Dinge erfahren, die ich glaube ich nie über die Person erfahren hätte, hätte ich mir nicht die paar Stunden Zeit für ein interessiertes, ehrliches Gespräch ohne Ablenkung von außen genommen. Und ich bin positiv überrascht, dass die Themen im Podcast so großen Anklang finden.

Offen und ehrlich, welche Ziele und Pläne hast du noch mit "Vocal Couching" und "Stimmenwerk"? Wo siehst du diese beiden Punkte in bspw. fünf oder zehn Jahren?
Für meinen Podcast wünsche ich mir natürlich weiterhin eine so interessierte und wachsende Hörerschaft. Und wenn ich hier groß träumen darf, wäre langfristig eine Bekanntheit im ganzen deutschsprachigen Raum schon toll. Auch wünsche ich mir mehr Expert*innen-Talks mit Gästen auch von außerhalb des Rhein-Main-Gebiets. Da bin ich aktuell auch schon dran – da wird es eine Mischung aus Themen, die rein technisch rund um Stimme einzuordnen sind, und Erfahrungswerten von Künstler*innen geben. Und für mein "Stimmenwerk" habe ich auch schon viele Ideen und Überlegungen, wie ich meinen Sänger*innen einen bedarfsgerechten, aber umfassenden Support bieten kann.
Ich habe das Gefühl, dass sich durch neue Möglichkeiten, Stimme bei Sänger*innen in Aktion zu erforschen und zu entdecken gerade im Moment sehr viel tut – neue Erkenntnisse, Möglichkeiten für fachlichen Austausch unter Coaches und interessierten Sänger*innen. Vielleicht ergibt sich daraus eine Entwicklung neuer Ansätze für effektiveres Coaching im Bereich Gesang. Da möchte ich einfach so gut es geht up to date bleiben und mich weiterentwickeln. Zudem würde ich langfristig gerne meine Songwriting- & Recordingsparte weiter ausbauen. Aktuell nehme ich neben Einzel-Coaching und Workshops schon Sänger*innen auf und unterstütze beim Songwriting. Für die Begleitung von Bands und Solokünstler*innen ist es aber mit einer fertigen Aufnahme ihrer Songs nicht getan – ich denke da in Richtung Promo, Zugang zu Vertriebswegen, etc.

Sabine, hab vielen Dank, dass du dich meinen Fragen gestellt hast. Was möchtest du noch loswerden und wie kann man an deinen Workshops teilnehmen?
Ich wünsche mir sehr, dass sich mehr Sänger*innen untereinander vernetzen. Gerade im Austausch entstehen oft unglaublich wertvolle Synergien – sei es durch gemeinsames Musikmachen, neue Perspektiven oder einfach durch das Gefühl, nicht allein mit seinen Herausforderungen zu sein. Ich mag diese Ellenbogenmentalität nicht, die es manchmal in der Szene gibt – denn niemand muss oder kann alles allein wissen oder können. Wir wachsen alle, wenn wir unser Wissen teilen und einander unterstützen.
Wer mal bei einem meiner Workshops dabei sein möchte, findet hier die Übersicht der nächsten Workshops.

 

Fotocredits: Julietta Kunkel

Redakteur:
Marcel Rapp

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