STILLBORN: Interview mit Bassist Ataman Tolovy

21.09.2011 | 07:52

Der grobschlächtige musikalische Erguss der polnischen Death Metaller STILLBORN ist also das Ergebnis langjähriger Beobachtungen ihrer Umwelt, so verrät Bassist Ataman Tolovy, der sich ansonsten wohl nicht so gerne in die Karten gucken lässt. Dass er Live-Konzerte jenseits des Underground in erster Linie als Promotion-Veranstaltungen wahrnimmt, überrascht. Aber vielleicht bewahrt sich die Band mit der Konzentration auf wenige Konzerte vor eingefleischten Die-hard-Fans ihre Ursprünglichkeit.



Erika:
Als erstes drängt sich mir die Frage auf, warum die Scheibe einer polnischen Band einen spanischen Titel trägt. Ich bin kein Sprachenheld, aber heißt es übersetzt etwa "Der Mörder aus dem Süden"?

Ataman Tolovy:
Das ist unsere kleine, profane Tradition. Wir geben unseren Alben konsequent spanische Titel, es ist die Sprache des Todes. Es bedeutet "Die Mörder aus dem Süden", also, nicht einer, sondern mehrere.

Erika:
Beim Hören des neuen Longplayers ist mir besonders aufgefallen, welch differenzierte Mischung aus Black- und Death-Metal-Elementen ihr aufbietet. Interessant, dass zum Beispiel der Gesang oft aus eher dunklen Growls besteht, während ich eine Reihe von Gitarrenpassagen eher typisch für Black Metal finde. Womit identifiziert ihr euch? Ist die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Genre für euch wichtig oder ist eure Klangvorstellung unabhängig von solchen Kategorisierungen entstanden?

Ataman Tolovy:
Wir machen Metal, extremen Metal. Das sollte genügen. Jeder von uns fühlt, wie sich das anhören und anfühlen sollte. Die Band besteht aus mehreren Persönlichkeiten. Sie spiegelt die starken Individuen wider, die sich zu einem bestimmten Zweck zusammengeschlossen haben. Bei STILLBORN entsteht die Musik sehr intuitiv. Es ist Gefühlssache, ob etwas gut klingt oder nicht. Die Musik zu etikettieren, ist etwas für Journalisten, um sie für potentielle Fans zu beschreiben. Wenn eine Band sich festlegt im Sinne von "Wir machen die oder die Musik", bevor sie beginnt, Musik zu machen, gibt es eigentlich nur zwei Möglichkeiten: Entweder sie fängt einfach an oder es sind die letzten Idioten.

Erika:
Die Band STILLBORN gibt es ja schon seit 14 Jahren. Eurer Bandbiographie entnehme ich, dass es in dieser Zeit immer wieder Wechsel im Line-up gegeben hat. Zuletzt ist im Jahre 2009 Rzulty als Gitarrist zu euch gestoßen. Wie hat sich diese wechselnde Zusammensetzung der Band auf eure Musik ausgewirkt?

Ataman Tolovy:
Eigentlich gab es nur drei echte Veränderungen. Die letzte war nur eine Formalität, die die Band als Ganzes nicht verändert hat. Killer ist von Anfang an dabei. Er stellt dar, was STILLBORN ausmacht. Das Line-up ist seit 2006 stabil. Ikaroz Ausscheiden hat uns ermöglicht, wie die ursprünglichen STILLBORN zu klingen, ohne zu diskutieren und uns nach anderen Leuten zu richten.  

Erika:
Was ist euch beim Kompositionsprozess wichtig? Geht es euch hauptsächlich um die Musik und ihre Wirkung oder sind euch auch die Texte wichtig? Mir liegen die Lyrics nicht vor, aber natürlich suggerieren die Titel der Songs zumindest zum Teil eine bestimmte Richtung. Was sind denn eure Themen?

Ataman Tolovy:
Texte und Sound sind gleich wichtig. Alles basiert auf dem Sound. Er ist die Grundlage und entsteht als erstes. Aber der Text verleiht die Bedeutung. Das Bild, das dabei entsteht, stimuliert  das Vorstellungsvermögen und eröffnet Interpretationsmöglichkeiten. Die Texte unseres Albums winden sich durch ziemlich chaotische und scheinbar zusammenhanglose Landschaften. Ihr Hauptthema ist jedoch der Spott über die Angst vor dem Tod, die seit Urzeiten Grundvoraussetzung dafür ist, Religionen erschaffen zu können.


Erika:
Mich interessiert gerade besonders, wie es sich in Polen gestaltet, Heavy Metal zu machen. Meine Vorstellungen sind vielleicht etwas klischeegeleitet, aber ich denke zuerst an ein katholisches Land, das noch vor nicht allzu langer Zeit vom Sozialismus geprägt war. Und auf diesem Boden habt ihr euch keinen fröhlichen Powermetal á la HELLOWEEN ausgesucht, sondern eben Death und Black. Was sind eure Triebfedern für diese Musik?

Ataman Tolovy:
Es ist schwer, diese Frage zu beantworten ohne missverstanden zu werden. Ich möchte politische, historische, anthropologische und Weltanschauungsfragen beiseite lassen. Wir sind fröhliche Menschen, deshalb machen wir diese Musik. Die Leute fürchten nur manchmal unseren Humor.

Erika:
Was hat euch musikalisch, aber auch persönlich und in eurer Sozialisation hierbei geprägt?

Ataman Tolovy:
Wir sind perfekte Beobachter. Wir analysieren unsere Erfahrungen. Ich höre Metal seit 25 Jahren und spiele ihn seit ich 22 bin. Alle Erfahrungen und Beobachtungen in dieser Zeit, Erinnerungen der Kindheit, Erlebnisse, die nicht nur mit Musik verbunden sind, wirken in unser künstlerisches Schaffen hinein. Wahrscheinlich sind wir wütend.

Erika:
Euch verbindet seit vielen Jahren eine Zusammenarbeit mit Pagan Records, die  - wenn ich richtig informiert bin – 2004  mit der Veröffentlichung eures Debütalbums "Satanas El Grande" begann. Welche Vorteile bieten sich für euch bei diesem Label?

Ataman Tolovy:
Schlicht gesagt, ist das eine Ehre für uns. Tomasz Krajewski führt ein kleines, aber weltweit anerkanntes Label. Er veröffentlicht keine Musik, die er nicht mag.

Erika:
Wie geht es nach der Veröffentlichung von "Los Asesinos Del Sur" weiter? Gibt es Tourpläne über die polnische Landkarte hinaus?

Ataman Tolovy:
Nein, wir haben keine Zeit, um eine Menge Konzerte zu spielen. Musik ist uns ein Bedürfnis, keine Notwendigkeit. Wir müssen nicht live spielen, um Geld zu verdienen oder so etwas. Natürlich realisieren wir, dass dies eine Form von Promotion ist, aber wir ziehen es vor, für die paar Verrückten zu spielen, die unsere Sachen wirklich mögen, für deren gebrochene Nasen und Blut wir alles geben. Und was unsere Pläne betrifft, ist es Zeit für das zweite Album unserer anderen Band GENIUS ULTOR.

Erika:
Danke für die Bereitschaft zu diesem Interview!

Ataman Tolovy:
Danke auch. Und hüte dich vor denen aus dem Süden…

Redakteur:
Erika Becker

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