SAFKAN - Porträt einer türkisch-deutschen Rockband

13.05.2010 | 23:29

Bei der Erwähnung deutsch-türkischer Musikprojekte denke ich sofort an das bemühte Multi-Kulti der Achtzigerjahre, Döner Kebab im Bürgerbegegnungszentrum und meine alte Schallplatte der Kölner Weltmusiktruppe MORGENLAND YARINISTAN, die 1986 mit Songs wie "Max und Gülistan" das Drama einer deutsch-türkischen Liebe besang. Immer noch. Das Hirn sitzt dem Klischee auf, als habe es all die Jahre nichts Neues in der Sparte der Weltmusik gegeben. Aber es hat.

Ein Beispiel dafür ist SAFKAN, eine türkisch-deutsche Rockband aus Osnabrück, die im März dieses Jahres vom "Stadtblatt" zu den zehn besten Bands Osnabrücks der vergangenen 25 Jahre gewählt wurde. Vielleicht liegt dieser Erfolg der fünfköpfigen Band um den türkischen Rocksänger Timur Safkan auch darin begründet, dass für sie das Multi-Kulti der Achtziger mit seinem teils verkrampften Bemühen um Integration kein pädagogischer Auftrag mehr ist.

"SAFKAN ist nicht unter der Prämisse entstanden, integrativ zu sein", erläutert Matthias "Matze" Lohmüller, der in der Band für den Gitarrensound und die Backing Volcals verantwortlich zeichnet. "Wir müssen uns Integration nicht auf die Fahnen schreiben und darüber reden, wir machen es einfach. Natürlich nutzen wir die Chance, uns für Integration und Völkerverständigung einzusetzen, da uns das Thema schon am Herzen liegt, aber in erster Linie geht es erstmal um Musik."

 

In diesem Sinne konnten SAFKAN im Juli 2009 ihr erstes Studioalbum unter dem gleichnamigen Titel veröffentlichen. Zehn Tracks mit türkischen Texten werden hier präsentiert und ein erster Hördurchgang bestätigt, dass vom alten Weltmusikklischee tatsächlich nichts mehr übrig ist. Es rockt einfach. Die Etikettierung "World music" stört Matze Lohmüller denn auch in keiner Weise.  
"Ich denke, dass sich Rockmusik und Weltmusik gar nicht widersprechen", so seine Sichtweise. "Weltmusik ist für mich eigentlich keine Stilbeschreibung, sondern sagt nur aus, dass Musik verschiedener Kulturkreise miteinander kombiniert werden. Wenn dabei Rockmusik rauskommt, ist es halt beides. Somit gibt's für mich da auch kein Identifikationsproblem."
Tatsächlich haben SAFKAN mit ihrer Musik beim Bundeswettbewerb "creole – weltmusik aus deutschland" im September vergangenen Jahres mit der Auszeichnung Landessieger Niedersachsen/Bremen abgeschlossen.

Die Geschichte von SAFKAN beginnt im Aufnahmestudio von Matthias Lohmüller, der dort die beiden türkischen Sänger Timur Safkan und Kemal Yurtkuran empfängt.

"Wir sind dann ins Quatschen gekommen und es hat sich rausgestellt, dass er eigentlich immer schon Rockmusik machen wollte, aber nie die passenden Leute dafür gefunden hatte", erinnert sich Matze an seine erste Begegnung mit Timur. "Ich mochte seine Stimme und ihn als Typ von Anfang an und wir haben ziemlich schnell angefangen, zusammen die ersten Songs zu schreiben. Natürlich auf türkisch, Timurs Muttersprache." Timur selbst ergänzt: "Meine Leidenschaft galt immer der Rockmusik. Ich hatte schon sehr früh die Vision von einer Musik, die man kurz als die Fusion von westeuropäischem Rock und der kulturell vielfältigen türkischen Musik bezeichnen kann. Mein erster Weggefährte war Kemal und als ich Matze kennenlernte, wusste ich, gemeinsam können wir diese Vision realisieren, weil wir die gleiche "Sprache" sprechen. Daraufhin haben wir unsere Songs geschrieben und eine Band zusammengestellt, die bereit und fähig war, das Feuer auf die Bühne zu tragen."

Dieses Feuer, das sich auch in der Übersetzung des Bandnamens wiederspiegelt, der zu Deutsch "Vollblut" bedeutet, speist sich aus unterschiedlichsten musikalischen Wurzeln der Akteure. Im Gegensatz zu Timurs früher Liebe zu allem, was rockt, stand Kemal Yurtkuran zunächst eher auf die klassisch türkischen Arabesque-Songs. Bassist Florian Seidenstücker kommt eher vom Jazz und Funk, während Drummer Timm Pieper sich auch dem Prog-Rock zugewandt hatte. Mit Florian hat Matthias in der Vergangenheit in der Uni-Big-Band gespielt, während Florian und Timm sich zeitweise in einer Toto-Coverband engagierten.

"Meine eigenen Wurzeln liegen eigentlich im Punk und im Metal", erklärt Matze, "vielleicht sagt MORGENTOT dem Einen oder Anderen noch was. Bin aber auch großer QUEEN- und MUSE-Fan. Über die Studioarbeit habe ich zurzeit eigentlich mit allem zu tun, was irgendwie mit lauten Gitarren zu tun hat."

Zu Timurs Einflüssen gehören neben den im deutschsprachigen Raum bekannten TON STEINE SCHERBEN auch einige türkische Ikonen, die mich dann doch wieder an die Bürgerbegegnungszentren der Achtziger denken lassen: Cem Karaca, der Mitte der Achtziger Jahre mit seiner deutsch-türkischen Band DIE KANAKEN und dem Theaterstück "Ab in den Orient-Express" im Westfälischen Landestheater in Castrop-Rauxel auftrat und ein Bekenntnis gegen Rassismus ablegte, ist ebenso darunter wie der charismatische Baris Manco, der, in der Türkei äußerst populär, dem deutschen Publikum 1982 in einer Folge von Alfred Bioleks "Bio's Bahnhof" präsentiert wurde.

Während Baris Manco in den Gehörgängen des deutschen Bundesbürgers wohl nie ganz heimisch geworden ist, erreichen SAFKAN mit ihrer Musik inzwischen überwiegend deutsches Publikum. Matzes Einschätzung hierzu: "Die Resonanzen vom Publikum sind ziemlich klasse. Zu den Konzerten kommen zwar trotz der türkischen Texte meistens mehr Deutsche, aber es ist sehr schön, zu sehen, dass wir auch die Leute erreichen, die des Türkischen nicht mächtig sind. Da spricht wohl die Musik schon für sich."

Ihr jüngstes Engagement zeigen SAFKAN denn auch noch zusätzlich volksnah. Gemeinsam mit anderen Musikern beteiligen sie sich unter der Überschrift "Wir sind der VfL – der VfL ist Osnabrück" an einer CD-Produktion des Kabarettisten Kalla Wefel, deren Erlös dem Kinderhilfswerk "terre des hommes" zugute kommen soll.

Wer auf SAFKAN neugierig geworden ist, der kann im Netz mehr erfahren, zum Beispiel auf zwei Myspace-Seiten. Auf Türkisch und auf Deutsch.

http://www.myspace.com/safkantr

http://www.myspace.com/safkan



Redakteur:
Erika Becker
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