RPWL: Interview mit Kalle Wallner

22.03.2023 | 10:14

Profiler oder Musiker - glücklicherweise sind die Mannen von RPWL ihren Instrumenten treu geblieben. Wir machen mit Gitarrist und Produzent Kalle Wallner eine gemeinsame Tatortbeschau und gehen den Motiven hinter "Crime Scene" auf den Grund.

Schön, dass das geklappt hat, Kalle.

Vielen Dank für die Anfrage, wir freuen uns!

Unser letztes Gespräch war zur "Beyond Man And Time" 2012. Ganz schön lange her, aber in eurem Fall lagen auch nur zwei Studioalben dazwischen.

Ja aber ich glaube auch zwei BLIND EGO-Alben, ein Soloalbum von mir und ein Livealbum waren dabei.

Ihr wart ja nicht faul in der Zeit. Genau. Genau heute wollen wir ja wieder über ein neues RPWL-Album sprechen und ihr konntet es mal wieder nicht lassen und habt ein Konzeptalbum gemacht. Wann gab es zuletzt mal ein Album, wo ihr keinen kein Konzept hattet?

Es ist tatsächlich schon länger her, aber ich glaube, das liegt vor allem. Die Idee, ein Konzeptalbum zu machen oder zumindest, wenn es auch keine durchgehende Story gibt, zumindest ein Album zu machen, das so einen roten Faden hat, hat natürlich auch vor allem den Hintergrund, dass wenn man schon so viele Alben gemacht haben wie wir jetzt, inspiriert es uns am meisten. Es ist gar nicht so sehr andere Musik, die uns inspiriert, sondern eher das Thema. Wir entscheiden uns relativ früh dafür, denn ohne Thema fängt Yogi gar nicht an, Texte zu schreiben. Die Richtung muss ungefähr klar sein. Dann versuchen wir eben, unsere Ideen zusammenzubringen. Und das ist eigentlich für uns die Herausforderung und auch das Interessante dabei. Wie nah kriegt man Musik und Text zumindest nach unseren Vorstellungen zusammen? So dass ein roter Faden entsteht. Da ist wohl jede Band anders und hat ihren eigenen Stil. Ich finde es hilft uns auch ein bisschen dabei, dass die Alben dann doch irgendwie ein bisschen unterschiedlich klingen.

Das gelingt euch immer wieder, wie ich finde. Ich habe gerade mal bei YouTube geschaut, was die Fans denn zum neuen Musikvideo schreiben. Und ich war erstaunt, dass das Thema PINK FLOYD immer noch aufkommt.

Das kommt immer wieder. Ich meine, na klar haben wir PINK FLOYD gehört. Aber auch viele andere Sachen. Ich glaube, oft entdecken die Leute eine ähnliche Emotionalität in der Musik. Vielleicht ist das der Aspekt, wieso es immer wieder aufgegriffen wird. Eine richtige PINK FLOYD-Coverband waren wir ja noch nie. Wir haben zwar PINK FLOYD am Anfang auch so ein bisschen nachgespielt, die ganz alten Sachen. Vor allem die, wo halt Raum war, dass man da darüber jammen konnte. Und ehrlich gesagt, bei den ersten Gig sind auch Leute, die PINK FLOYD kennen zu uns gekommen und wollten wissen, was das für ein Song ist, weil sie ihn nicht wiedererkannt haben.

Dann habt ihr damals schon einiges richtig gemacht!

Naja, es ist ja nicht immer alles Absicht. Wir haben beim Musikmachen nie kalkuliert oder geschaut, wem könnte das gefallen oder so. Und dann hat man vielleicht auch mal ne Drei-, Vier-Minuten-Nummer auf dem Album. Manchmal aber auch nicht. Wir lassen uns da wirklich treiben und wurschteln quasi vor uns hin und schauen: Hey, das gefällt uns, so machen wir das. Insofern müssen wi runs auch nicht bewusst davon freimachen, wie das wohl jemand anders hinterher bewerten könnte. Wir fühlen uns da komplett frei und machen einfach das, was uns selber gefällt. Wenn es am Schluss noch ein paar anderen Leuten gefällt, ist es umso schöner.

Das neue Album ist tatsächlich recht kurz geraten mit 45 Minuten, zumindest für eure Verhältnisse. Es ist aber auch kurzweilig, da fehlt mir nichts und ich möchte es meistens direkt noch einmal hören.

Wir haben bei den letzten Alben angefangen, wieder für Vinyl zu produzieren. Beim Songwriting hatten wir also auch gleich mal die Reihenfolge festgelegt und so produziert, dass sie auf zwei Vinylseiten passen. "Beyond Man And Time" war ein Album, das fast 80 Minuten lang war. Da musste wir schon gucken, dass es überhaupt auf eine CD draufpasst. Wir sind ja mit Musik aufgewachsen, die die "Vinyl-Länge" von 45 Minuten hat. Ich persönlich halte das für die ideale Länge für ein Album. Es ist so wie beim Essen gehen: Man hat dann auch noch Platz für die Nachspeise und hört vielleicht nochmal in eine Stelle rein. Wenn man das in 45 Minuten hinbekommt, dass jemand auch Lust hat, das Teil direkt nochmal zu hören, dann ist es genau richtig. Ich bin ehrlich gesagt froh, dass diese 80-Minuten-Zeiten vorbei sind. Für mich war das ein totaler Overload, dem ich nicht mehr folgen konnte. Man schaltet dann irgendwann ab. Beim letzten Album wollten wir es dann schon kürzer machen und dieses Mal waren wir konsequent und haben uns auf die maximal 45 Minuten festgelegt. Damit es auch auf Vinyl super klingt. Es ist ja schön, dass der Tonträger, mit dem man aufgewachsen ist, wieder so in der Mode ist. Das hat für viele Menschen eine gewisse Wertigkeit. Da sind wir gerne mit dabei.

Das verstehe ich als Hörer total gut. Ich mag Vinyl auch und habe eurer Album eh vorbestellt. Ich nehme also an, es ist kein Doppel-Vinyl.

Eine einfache, ganz genau. Das war der Gedanke.

Viele Plattenfirmen blasen wie Vinylproduktionen so auf, dass es automatisch eine Doppel-Vinyl wird. In eurem Fall ist die Platte ja recht günstig, aber ich sehe auch neue Veröffentlichungen, wo über 40€ für schwarzes Vinyl aufgerufen werden. Da ist zumindest bei mir das Verständnis irgendwann auch vorbei.

Man muss natürlich zugestehen, dass die ganzen Rohstoffe teurer geworden sind. Wir als unser eigenes Plattenlabel können das gut steuern und es so machen, dass es nicht zu teuer wird. Es gibt immer Ausnahmen wie Amazon, bei denen man null Einfluss auf den Preis hat. Mit den anderen kann man aber vorher natürlich reden und hoffen, dass die Preisgestaltung im Rahmen bleibt. Ich habe auch schon eine einfache CD für über 20€ gesehen. Das finde ich einfach nicht richtig. Man muss es nicht immer gleich auf die Spitze treiben. Unsere Vinyl-Edition machen wir so, wie wir sie gerne haben wollen. 180 Gramm. Natürlich auch die Schwarze, weil viele sagen, dass die am besten klingt. Ich glaube, sie ist uns dieses Mal ganz hübsch gelungen.

Jetzt haben wir schon über die Produktion gesprochen und viele Aspekte des Albums übersprungen. Du sagtest, ihr entscheidet euch sehr früh für das Thema oder das Konzept. Wer ist bei euch die treibende Kraft dahinter? Du, Yogi, oder kommen alle mit Ideen an?

Es kann jeder sein. Aber letztendlich ist es so, dass Yogi natürlich derjenige ist, der dann die Texte auf jeden Fall mindestens mal zu Ende schreibt oder über überwiegend schreibt. Und der braucht halt ganz massiv ein Thema. Yogi ist zum Beispiel jemand, der Musik gar nicht mehr so aktiv hört. Der ist an vielen anderen Sachen interessiert und der kommt quasi nur noch über den Text und und bei mir ist es so, ich komme sehr viel über die Musik nach wie vor. So gesehen könnte man auch sagen, es ergänzt sich auch super und wir wählen halt dann so ein bisschen aus. Yogi hat oft schon viele Ideen, Crime Scene" war eines, wo schnell klar war, wir entscheiden uns dafür. Wir haben über ein paar Themen gesprochen, die in Frage kamen. Da gab es natürlich ganz viele Diskussionen und Ideen. Was könnte man machen, was interessiert uns? Wir sind alle große Krimifans. Und da geht es echt kunterbunt durch alle Formate. Ob das jetzt aktuelle Filme sind, ob das irgendwas Bizarres ist, was Abgehobenes ist oder ob das einfach nur Columbo ist. Wir mögen das alle sehr. Yogi hat letztens schon mal gesagt, er möchte im nächsten Leben Profiler werden. Und so hat man gleich wahnsinnig viele Ideen, die die Lyrics befruchten und auch die Musik. Es sind ja viele ausladende Songs dabei, die einen auf eine längere Reise mitnehmen. Und es gibt auch Songs, die ein bisschen kürzer sind. 'Red Rose' beleuchtet nur die Liebesgeschichte eines Kriminalfalls, um den es da geht. Und zwar ein Radio Anfang des 20. Jahrhunderts, der sich in seine Patientin verliebt hatte. Sie ist gestorben. Er hat ihr ein riesiges Mausoleum gebaut mit einem Telefon, damit sie ihn gleich anrufen könnte, sobald sie vom Tode erwachen würde. Zwei Jahre später holte er sie zurück zu sich nach Hause und hat dann noch sechs Jahre mit ihr gelebt. Ich meine, das war ein Mediziner, ein kluger Typ. Da interessiert mich: Wann ist dieser Twist passiert. Wann ist der Typ so total durchgedreht? Da es eine Liebesgeschichte ist, klingt die Musik auch ein bisschen lieblich. Obwohl die Story dahinter natürlich etwas gruselig ist, furchteinflößend oder ekelig. Wir versuchen schon, das alles miteinander zu verbinden, ohne das die Musik gleich ganz hart werden muss. Wobei ich schon das Gefühl habe, dass die Platte ein bisschen erdiger, tiefer oder weniger verspielt klingt. So allmählich bekomme ich ja Abstand zur Platte und merke so etwas dann auch.

Bei aller Realitätsnähe empfinde ich es trotzdem als eskapistisches Werk, das mich etwas aus dem Trott der schlechten Nachrichten und alltäglichen Katastrophen herausholen kann. Jedenfalls macht ihr nicht wie andere Bands aus dem Sektor das zehnte Album über die immer gleiche Gesellschaftskritik, bei der ich inzwischen auch nicht mehr abschalten kann.

Ich finde, es muss beides funktionieren. Es muss auch die Musik funktionieren. Für jemanden, der sich jetzt mit den Texten nicht so sehr auseinandersetzen möchte. Trotzdem auch wichtig, dass die Musik für sich halt auch irgendwie funktioniert. Und wer tiefer eintauchen möchte und sich mehr damit auseinandersetzen möchte, kann das ja natürlich auch tun. Das ist ja auch erwünscht. Was wir gar nicht machen wollen, ist irgendwie mit dem erhobenen Zeigefinger rumsausen und allen Leuten zu erklären, wie es zu sein hat. Dieser Missionarsgedanke ist uns völlig fremd. Also wenn, dann möchten wir vielleicht auf Sachen aufmerksam machen. So nach dem Motto: Schaut mal, das hat uns interessiert. Wir haben über sowas mal nachgedacht, vielleicht interessiert es euch auch, aber wir möchten da jetzt auch keine Lösung anbieten oder auch nicht sagen, so muss es sein oder so. Ein Beispiel: Bei der Recherche sind wir drüber gestolpert, wie hoch der Anteil von häuslicher Gewalt tatsächlich ist und dass sie quasi immer von Männern ausgeht. Das ist halt Wahnsinn. 'Life in A Cage', in dem Song geht es darum und das bringt einen selbst ins Grübeln, dass wir als Gesellschaft ja offensichtlich, bei aller Genderdiskussion, nicht nur ein Gewaltproblem haben, wir haben vor allem ein Männlichkeitsproblem. Offenkundig, weil sonst ist ja kaum zu erklären. Und da gibt es jetzt schon so viele Sachen, die, die man selber natürlich nicht weiß und man stolpert drüber und man verpackt es dann irgendwie in irgendeine Art und Weise. Und wie gesagt, wenn so was dann die Leute auch mal so ein bisschen inspiriert, auch selber über so was mal nachzudenken, sich ein paar Gedanken zu machen, dann finde ich das ganz toll.

Ich würde gerne deine Äußerung aufgreifen, dass das Album erdig klingt, nicht so verspielt. Ich kann mich dem nur anschließen und finde es ist ein ganz toll zu hörendes Artrock-Album geworden, das eben nicht zu weit abdriftet. Ich behaupte mal, viele STEVEN WILSON-Fans würden so ein Album gerne von ihm hören. Gerade mit so einer Produktion.

Dass dir die Produktion auffällt, wird an unserem neuen Bassisten liegen. Auf dem letzten Album habe ich den Bass eingespielt, weil wir so schnell niemanden gefunden haben. Nachdem wir uns dann live immer mal wieder mit verschiedenen Bassisten aushelfen mussten, waren wir damit nicht sehr glücklich. Man funktioniert als Band nicht so gut, spielt nicht so gut zusammen. Das Proben wird auch komplizierter. Und dann ist uns der Markus empfohlen worden, was ein totaler Glücksfall war. Wir waren scheinbar schon in den 80ern auf den gleichen Metalkonzerten hier in der Gegend und ich kenne auch einige Bands, in denen er mal gespielt hat oder noch spielt. Menschlich passt es auch toll zusammen. Dem Album hört man das eben an, finde ich. Weil die Rhythmusgruppe wieder so funktioniert wie sie sollte.

Wie funktioniert denn die Produktion für euch? Ihr macht ja alles selbst. Fällt es da schwer, nach dem Schreiben und Einspielen der Songs noch Lust auf Mix und Mastering zu haben?

Ja, es ist gar nicht so sehr die Zeit. Sondern eher, dass man die objektive Sichtweise verliert. Yogi und ich regulieren uns da zum Glück schon sehr gut selbst. In der Vergangenheit waren wir auch immer mal im Mastering-Studio, um eine zweite Meinung einzuholen. Ob man mit gewissen Entscheidungen richtig liegt oder nicht. Dabei wollten wir unsere Alben nicht auf Teufel komm raus selbst produzieren. Jemanden dafür zu finden, ist nicht ganz leicht. Also jemanden, dem man das ganze Ding einfach so in die Hand gibt. Yogi arbeitet als Produzent, ich arbeite als Produzent. Diese Person müsste man bei uns erst einmal eingliedern. Selbstverständlich hat unser Weg sowohl Vor-, als auch Nachteile. Bis jetzt sind wir ganz gut damit gefahren, würde ich sagen.

Wir freuen uns über den Weg, den RPWL geht und bedanken uns für das nette Gespräch. Bis zum nächsten Album!


Foto-Credit: Alexey Testov

Redakteur:
Nils Macher

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