Peruvian Engineering und Poison Apples: Eine Reise mit HYENA
26.05.2025 | 13:45HYENA auf Europatour - eine Chance, die man sich nicht nehmen lassen durfte. Vor allem nicht, wenn man so nah dran war und so viele Abenteuer miterleben konnte!
Wir schreiben den 16. November 2024, jenen Tag, der mein Leben völlig unverhofft komplett auf links drehen sollte. Während meines privaten Urlaubs in Tokyo mache ich Bekanntschaft mit Alex Panz, seines Zeichens Heavy-Metal-Nerd aus dem süddeutschen Raum, der gemeinsam mit einigen Kumpels und KIT-Chefdenker Oliver Weinsheimer ebenfalls Station in der japanischen Hauptstadt gemacht hat. Ziemlich beeindruckt von all den Events, die mir Alex mitgeteilt hat, entschließe ich mich, seinem Ruf zu folgen und beim "Tokyo Metal Fire!"-Festival aufzulaufen, um mir selbst einen Eindruck von der heimischen Metal-Szene zu machen. Sechs Bands sollen an diesem Abend im kleinen Kellerraum eines mehrgeschossigen Hochhauses die Fahne des traditionellen Edelstahls hochhalten, darunter Legenden wie SIGNIFICANT POINT, die heute ihre letzte Show spielen werden, oder die aufstrebenden Japaner von RISINGFALL, die man in diesem Jahr noch beim "Keep It True Rising" antreffen wird. Headliner des heutigen Events ist jedoch das peruanische Classic-Metal-Kommando von HYENA, das heute nur zu zwei Fünfteln anwesend sein kann, weil einige Visa-Schwierigkeiten die Reise beeinträchtigt haben.
Die Südamerikaner waren kurz zuvor auf einer Mini-Tour durch Australien gereist und haben dort die Jungs von LIVEWIRE kennengelernt, die heute die vakanten Posten auffüllen und HYENA die Chance geben, das Material ihrer bisher veröffentlichten Singles auch in die asiatische Metropole zu tragen. Es dauert exakt fünf Sekunden, da versetzt mich diese zunächst so unscheinbar anmutende Truppe in pure Ekstase, lehrt mich die Werte des Heavy Metals in jeder Sekunde noch einmal von Neuem und zelebriert einen rund 45-minütigen Gig, der zu den besten gehört, die ich in den vergangenen knapp 30 Jahren miterleben durfte. Völlig perplex und total euphorisiert trete ich den Heimweg in mein Hostel an, verlaufe mich, immer noch geblendet von den fantastischen Eindrücken, sogar mehrmals und brauche eine ganze Weile, um das Erlebte sacken zu lassen.
In den anschließenden Tagen halte ich Kontakt zu Gitarrist Alfonso, der mir eher nebenher verrät, dass die Band beim nächsten "Keep It True" spielen wird und rund um das Festival eine kleine Tour durch Europa aufziehen möchte. Die Jungs haben aber noch keine Daten buchen können, erfragen Unterstützung beim Kontakt zu Promotern und kommen erstmal nur schleppend voran. Doch im Laufe der Wochen können die ersten Venues bestätigt werden, und in freudiger Erwartung der Show im Ruhrgebiet bin ich bereits jetzt elektrisiert, HYENA wieder auf der Bühne erleben zu dürfen. Eines Tages stellt Alfonso dann die wohl wichtigste Frage: "Kennst du eventuell jemanden, der den Van während der Tour fahren könnte?" Die Antwort auf diese Frage ist mir schon im ersten Augenblick bewusst, allerdings gilt es noch Privates und Berufliches zu klären, bevor ich meinen eigenen Namen ins Spiel bringen kann. Anfang Februar 2025 ist dann aber alles in trockenen Tüchern: HYENA kommt nach Europa, und Björn wird am Steuer sitzen.Weitere Wochen vergehen, immer noch sind Termine ausstehend, während andere wieder kurzfristig gecancelt werden müssen. Aus Berlin wird erst Leipzig, später dann Dresden, ein Gig in der österreichischen Provinz weicht einer Show im tschechischen Blatna, und nur zehn Tage vor Tourstart ist endlich alles geregelt. Die Tage verrinnen, die Nervosität steigt, und die ersten Fragen wandern durch meinen Kopf: Mache ich auch das Richtige? Wird alles tatsächlich so aufregend, wie ich es mir vorgestellt habe? Was geschieht, wenn die Chemie nicht passt und man während der Reise feststellt, dass man nicht wirklich zueinander findet?
Als der Tag der Anreise endlich auf dem Kalenderblatt steht, ist die Nervosität an ihrem Höhepunkt angelangt. Am Ostermontag mache ich mich dann also auf den Weg nach Hamburg, wo die Band schon seit drei Tagen verweilt und einen Proberaum gemietet hat, um sich auf die bevorstehenden Konzerte einzustimmen. Mit an Bord sind neben Gitarrist und Songschreiber Alfonso auch der charismatische Frontmann Diego und der ebenfalls aus Peru stammende Bassist Alexander, auch 'Gato' genannt. Erneut musste die Band für diese Reise improvisieren, so dass THUNDERSLAVE-Schlagwerker Daniel 'Fish' und LIVEWIRE-Shredder Christopher die Reihen füllen - ein internationales Quintett, das im Heavy Metal die gleiche Sprache gefunden hat. Meine Ankunft in Hamburg ist dann von ersten Hürden gekennzeichnet: Der Zielort ist der Proberaum, dort warte ich dann noch eine geschlagene Stunde, bevor die fünf Musiker lässig um die Ecke kommen und sich vorstellen. Von nun an gibt es kein Zurück mehr. In zwei intensiven Sessions studieren die Herren im Anschluss dann ihr Programm ein, und schnell lässt sich herausfiltern, dass die gesamte Tour mehr oder minder auf den Gig beim "Keep It True" ausgerichtet ist. Die Band zaubert schon bei den Proben eine Energie aufs Parkett, die denkwürdig erscheint, und spätestens jetzt bin ich mir sicher, dass diese Tour für HYENA so manchen Triumph hervorbringen wird. Nachdem ich an der nächstgelegenen Tankstelle ein paar Tipps für den hiesigen Bierkonsum weitergeben kann, machen wir uns noch einmal auf den Weg ins Zentrum, lernen uns besser kennen und landen am frühen Morgen endlich im Hostel, wo ich todmüde zu Bett gehen darf.
Tag 1: Dresden
Am nächsten Morgen sind wir bereits sehr früh verabredet, um am Flughafen den Bus abzuholen, der uns in den kommenden zwölf Tagen einmal durch die Mitte des Kontinents führen soll. Diego und ich nehmen den Zug zum Flughafen und werden mit den ersten Schwierigkeiten konfrontiert. Die Autovermietung akzeptiert die peruanische Kreditkarte nicht und kann den Van nicht herausgeben. Kurzerhand wird Christopher angerufen, der aufgrund der drängenden Zeit mit dem Taxi anreist und glücklicherweise das Problem umgehend lösen kann. Ein großer Teil der Crowdfunding-Einnahmen geht in die Busmiete, und mit ein wenig Verspätung steigen wir nun in unseren Neunsitzer, der uns am heutigen Tag nach Dresden bringen soll.
Nachdem die Instrumente am Proberaum eingeladen werden, stellt sich schnell heraus, dass die Weiterfahrt in den kommenden Tagen lediglich für 'Tetris'-Experten geeignet ist. Das Gefährt ist bis zur Decke beladen, die Rückbänke müssen den letzten Stauraum freimachen und mit dezentem Übergewicht geht es nun in den deutschen Osten, wo in "Katy's Garage" die erste Show stattfinden soll. Unterwegs hat mein Nebenmann Christopher unzählige Fragen zur hiesigen Kultur und zu Bräuchen und Gewohnheiten. Unter anderem möchte er wissen, wo man die bayrische Kultur wohl am besten erleben kann. Nun, ich habe ihm "Bayern" als Antwort vorgeschlagen, damit konnte er unter großem Gelächter etwas anfangen! Nach gut dreieinhalb Stunden erreichen wir schließlich das heutige Ziel und lernen dort unseren heutigen Host Max kennen, der uns bereitwillig sein Apartment zur Verfügung stellt. Weitere Schlafplätze werden im Laufe des Abends noch geklärt, allerdings muss man sich erst einmal mit wohnungsinternen Treibhäusern und den Nebenschauplätzen pflanzlicher Legalisierungen beschäftigen - aber lassen wir das.
Kurz darauf lernen wir auch einen Mitbewohner kennen, der witzigerweise auch auf den Namen Max hört und eine sehr imposante Erscheinung ist. Dank seines Bodybuilder-Körpers und seiner beachtlichen Statur nennen wir ihn fortan Maximum Max. Und der Kerl beeindruckt auf ganzer Linie, vor allem mit dem genialen Dreisprung in seinem CD-Regal: Zwischen SMOKIE und Ted Nugent auch ein BEHERIT-Album zu finden, das muss erst einmal verdaut werden! Nach einem kurzen Power-Nap geht es dann in die Innenstadt, wo eine nette kleine Kneipe mit angrenzendem Biergarten auf HYENA wartet.
Während ich den Bus parke, irrt Christopher ziemlich nervös umher, weil er seine Bauchtasche nicht mehr finden kann. Da seinem Bandkollegen George auf der letztjährigen Japanreise Ähnliches widerfahren ist, ist die Nervosität schließlich grenzenlos - denn besagter George musste seinen Aufenthalt in Tokyo seinerzeit unfreiwillig verlängern. Das gute Teil lässt sich jedoch wieder auffinden, so dass es ohne weitere Zwischenfälle endlich auf die Bühne geht. Der kleine Nebenraum des Clubs ist schnell gefüllt und empfängt die Band euphorisch. 'Nightriders' und 'Metal Machine' entpuppen sich neben 'The Eternal Zero' als die Highlights der Show, und als HYENA das RANDY-Cover 'The Beast' anstimmt, wird auch an vorderster Front lauthals mitgesungen.
Die Band nutzt den Überraschungseffekt, schließlich kannte kaum jemand die Truppe vor dem Gig, darf sich über ein paar Merch-Verkäufe freuen und resümiert die erste Show durchaus positiv - dem will ich mich auch sofort anschließen. Allerdings wird der weitere Abend noch zu einem echten Abenteuer, da die Schlafsituation noch immer nicht final geklärt ist. Gemeinsam mit Alfonso und Christopher muss ich noch einmal losziehen, falle dann aber mitten in der Nacht endgültig total kaputt auf meine provisorische Matratze.
Tag 2: Blatna
Am nächsten Morgen machen sich erste Ermüdungserscheinungen bemerkbar. Gut geschlafen hat hier niemand, und dennoch nutzen wir alle die Gelegenheit, noch ein bisschen Sightseeing zu betreiben. Besonders Mario Lachy, seines Zeichens enger Freund und Förderer der Band, zeigt sich total glücklich über die Architektur der Innenstadt und dankt mir ganz herzlich, dass wir uns vor der Abreise noch einmal entschieden haben, Dresden etwas ausführlicher zu besuchen.
Um den Vitamingehalt ein wenig aufzufrischen, besorgt die Truppe sich üblicherweise jeden Morgen neue Äpfel, was sich im Zentrum Dresdens aber etwas schwieriger gestaltet. Erst in der Nähe des Fahrzeugs kann das so dringend benötigte Obst wieder eingekauft und für die eigenen Zwecke genutzt werden. Doch während Mario beim Versuch, die Äpfel anderweitig zu nutzen von "Witchery" spricht und ich an den berüchtigten "Poison Apple" denke, hat die Band eine fruchtbasierte Variante von "Peruvian Engineering" entdeckt. Muss man auch mal erlebt haben!
Gegen Mittag ist dann Aufbruchstimmung. Es geht nach Tschechien in die tiefste Provinz, und spätestens mit dem Verlassen der Autobahn stellt man sich mehrfach die Frage, wo genau man denn hier nun gelandet ist. Als sich unser Schlafplatz dann als ein größerer Bauernhof mit Pferdestall entpuppt, stehen weitere Fragezeichen in allen Augen. Allerdings bietet die Ruhe in dieser ländlichen Region einen angenehmen Kontrast zum Großstadttreiben von Hamburg und Dresden und wird von allen Mitreisenden als sehr entspannt wahrgenommen.
Entspannt sind auch die Herren Musiker, die mir heute ein erstes Mal eine Lektion in peruanischer Pünktlichkeit erteilen. Die Abreise wird mehrfach nach hinten geschoben, während meine Befürchtungen, man würde zu spät am Club ankommen, von Minute zu Minute steigen. Gegen 18:30 Uhr treffen wir dann im beschaulichen Blatna ein, wo wir einen sehr modernen Veranstaltungsort mit angrenzendem Café bestaunen. Von Provinz kann nun schon mal gar nicht mehr die Rede sein. Leider bleibt das Venue zum Auftakt der heimischen Vorband noch recht leer, allerdings kommen nach und nach einige Gäste, um sich den etwas extremeren Klängen hinzugeben und auch gemeinsam zu feiern. Immerhin 35 Nasen stehen nachher vor der Bühne, als HYENA den ersten Song anstimmt, und es dauert gefühlt nur fünf Sekunden, bis Diego und seine Mannen das Publikum mit ihrem Material infizieren. Aus Höflichkeitsapplaus zum Auftakt wird lauter Jubel zum Schluss, und auch wenn man sich insgeheim ein paar zusätzliche Zuschauer gewünscht hätte, will niemand klagen - denn es hat schlicht und ergreifend richtig Spaß gemacht. Nach einigen abschließenden Fotos geht es dann zurück auf den Bauernhof, wo noch einige Äpfel zweckentfremdet werden und die Sternschnuppen beobachtet werden können. Dann geht es wieder ins Land der Träume, diesmal aber etwas länger.
Tag 3: Prag
Die Reise nach Prag nimmt heute nicht viel Zeit in Anspruch, gut 80 Minuten werden benötigt, so dass man sich vorab noch das Blatna Castle anschauen kann, schließlich will man die lokalen Vorzüge auf dieser Reise allesamt mitnehmen. In Prag angekommen, treffen wir auf eine Freundin der Band, die ebenfalls peruanischer Herkunft ist, und uns ihr wirklich luxuriöses Apartment zur Verfügung stellt. Ein Lieferant bringt heute auch einen ganzen Stapel CDs von Diegos Label Inti Records, die bei den kommenden Shows angepriesen werden sollen. Dennoch hadert der Sänger gewaltig mit den bisherigen Absatzzahlen, die ein wenig hinter den Erwartungen zurückgeblieben sind.Ich versuche ein bisschen Hoffnung zu machen, schließlich soll das "Keep It True" diese Zahlen nach oben korrigieren, aber die Sorge, auf vielen Kosten sitzen zu bleiben, wächst heute von Minute zu Minute und drückt auch ein wenig auf die Stimmung. Daher trennt sich der Tross auch am Nachmittag, denn während Diego, Alfonso und 'Gato' über die weiteren Tage nachdenken, mache ich mich mit 'Fish' und Christopher in die wunderschöne Prager Innenstadt auf, um grünes Bier zu trinken und ein paar Souvenirs zu kaufen. Ärgerlicherweise muss ich dabei einen großen Betrag in neue Schuhe investieren, weil meine bisherigen Treter nach erstaunlich kurzer Zeit bereits das Zeitliche gesegnet haben. Als ich sie später in eine der anliegenden Mülleimer stecke, staune ich nicht schlecht, dass sie nach zwei Minuten bereits verschwunden sind. Ansprüche sind wohl nicht überall gleich hoch.
Der Weg zum Venue ist schließlich nervenaufreibend, führt er doch durch die ganze Stadt und verschlingt aufgrund des hohen Verkehrsaufkommens eine ganze Stunde. Dort treffen wir auch Mario, dessen Ehefrau Lia heute aus Spanien angereist ist und sich ebenfalls einen Eindruck von HYENA live machen möchte. Der Ehemann unseres weiblichen Hosts ist heute der Veranstalter und hat auch für einige Köstlichkeiten im Backstage-Bereich gesorgt, über die die hungrige Meute dann auch während des Gigs der Vorgruppe herfällt. Christopher und ich schauen uns den lokalen Death Metal jedoch aus der ersten Reihe an, sind schwer begeistert und investieren umgehend in Vinyl und Shirts. HYENA hat dann erneut leichtes Spiel, zumal auch einige südamerikanische Zuschauer anwesend, die ihre Brüder im Geiste unterstützen möchten. Die Absatzzahlen sind heute ein wenig besser, selbst Christopher verkauft zum ersten Mal ein Shirt seine Band LIVEWIRE, wünscht aber natürlich auch, nicht allzu viele Textilien in die australische Heimat mitnehmen zu müssen. Nach der Show besuchen wir noch ein regionales Brauhaus, lassen es uns gutgehen und nehmen insgeheim schon mal Abschied aus Tschechien.
Tag 4: Keep It True - AnreiseDer heutige Tag ist sicherlich der anstrengendste, führt er doch über die längste Wegstrecke und endet ausnahmsweise nicht in einem Gig. Der erste Tag des "Keep It True" ist angebrochen, also reisen wir schon sehr früh ab, kommen zunächst auch gut durch, geraten dann aber auf Höhe Erlangen in einen Monsterstau, der uns über knapp drei Stunden gefühlt auf der Stelle stehen lässt. Während wir im Livestream bereits FREEWAYS und DRIFTER anschauen, steigt insgeheim die Anspannung, weil wir nicht pünktlich zu einigen Favoriten (z.B. SACRED STEEL) eintreffen werden. Außerdem sind wir heute in zwei Unterkünften untergebracht, was logistisch insofern schwierig ist, weil eine knappe halbe Stunde zwischen den Hotels liegt und der Check-in sich zumindest bei Mario und mir nicht als wirklich leicht erweist.
Gegen 17:00 Uhr treffen wir dann endlich in Lauda-Königshofen ein und treffen dort auch direkt auf einige Freunde. Alex Panz ist selig, die Band wieder zu sehen, aber auch ich freue mich auf das Wiedersehen mit meinem Freund aus Japantagen und schätze mich glücklich, auch einen großen Teil der Powermetal.de-Crew anzutreffen. Etwas Smalltalk mit Martin, Holger, André, Timo und Jonathan führt dann auch zu den ersten Kaltgetränken, denn heute wollen wir es mal krachen lassen, da keine weiteren Verpflichtungen anstehen. Fast in Vergessenheit gerät dabei der Umstand, dass das neue Album heute veröffentlicht wird. Am DYING VICTIMS-Stand gibt es entsprechend einige Fotos und auch die Royalties für die Band in Form von CDs und Vinyls, die von nun an ebenfalls Begleiter der Tour sein werden. Ein Kaltgetränk auf diesen Erfolg gibt es natürlich ebenfalls!
Später stelle ich die Band noch Andy Brings vor, der sich bereitwillig für ein Foto zur Verfügung stellt und verspricht, am nächsten Tag, an vorderster Front anzusehen, was HYENA so treibt. Und er wird Wort halten!
Während des RIOT-Gigs spürt man dann aber auch die Müdigkeit, gleichzeitig aber auch die Aufregung, die sich noch durch die ganze Nacht ziehen soll. Denn morgen ist es endlich soweit, der Tag, auf den vor allem Alfonso und Diego so lange gewartet haben!
Tag 5: Keep It TrueEs ist früh morgens, mein Zimmergenosse Mario und ich haben uns gegenseitig in den Schlaf geschnarcht, doch heute geht es drum, heute ist der Tag der Tage. Wir nehmen ein üppiges Frühstück ein, erfahren aber von Alfonso, dass er die Nacht eher unruhig verbracht hat und ihm die Nervosität gehörig auf den Magen geschlagen ist. Also kontaktiere ich Timo und André, die sofort mit ihrer privaten Reiseapotheke aushelfen können - vielen Dank dafür noch einmal an dieser Stelle. Auf dem Weg zur Konzerthalle ist die Anspannung dann wirklich spürbar. Diego hat sich nach dem gestrigen VIO-LENCE-Gig noch einige Gedanken zu seinem persönlichen Auftritt gemacht, die übrigen Jungs sind heute eher ruhig und sehr konzentriert. Die Tatsache, dass die erste Band des Tages einen Soundcheck machen darf, beruhigt jedoch schon ein bisschen, und als die Band schließlich auf der Bühne steht und sich abstimmt, fällt ein wenig Last von ihren Schultern.
Währenddessen habe ich den Auftrag, mich um das Merchandise zu kümmern und staune nicht schlecht über die Begrenzungen, die allen Bands auferlegt werden. Es dürfen nur zwei verschiedene Designs angeboten werden, was insofern ernüchternd ist, weil die Band hier sehr kreativ unterwegs ist und gleich acht verschiedene Motive im Angebot hat. Die Diskussion vom Vortag zu den geringen Absatzzahlen ist wieder in aller Munde, soll die Stimmung aber erstmal nicht trüben, immerhin können auch die Tonträger, alle Patches und die Pins in den Verkauf gehen. Nachdem der große Schwung an Merch-Artikeln am Hauptstand abgegeben wurde, geht es ein letztes Mal in die Kabine, die sich HYENA heute mit den erfahrenen Recken von DOMINE teilt. Es ist nun zehn Minuten vor Start, und komischerweise stelle ich selber fest, dass ich wahrscheinlich selbst die nervöseste Person weit und breit bin. Ich will unbedingt, dass diese Band Erfolg hat, sie hat ihn sich verdient, und sie soll heute die Halle in Brand setzen - so zumindest mein persönlicher Wunsch. Doch die Zeit verrinnt, die Reihen sind immer noch recht dünn besetzt, und ich bekomme wirklich Panik, dass man HYENA heute nicht gebührend schätzen wird. Gemeinsam mit Mario und einer großen peruanischen Flagge mache ich mich in der ersten Reihe breit, schaue noch einmal kurz nach hinten, als die fünf Männer auf die Bühne steigen, und bin total überwältigt, denn mit einem Schlag ist die Halle rappelvoll. Alles, was danach geschieht, gehört in die Geschichtsbücher des Heavy Metals: HYENA räumt nicht nur ab, sondern verschafft sich selbst den ersehnten Triumphzug auf allen Ebenen. Zu 'The Beast' steigt Diego auf die vorderen Boxen am Zaun und singt mit den Fans, und die Festivalhymne 'Keep It True' setzt nach 45 Minuten den Schlusspunkt auf einen erhabenen Auftritt. Noch bevor die Band sich zu einem finalen Foto in Pose bringen kann (ein Dank noch mal an André für die Bemühungen), singt die ganze Halle 'Ole, Ole, Ole, Hyena!'. Ich habe Tränen in den Augen, bin völlig überwältigt von meinen eigenen Emotionen und total sprachlos, denn in diesem Moment ist alles wahr geworden, was diese Band sich immer erträumt hat!
Ein Blick in die Gesichter der Jungs wenige Minuten später, spricht Bände. 'Gato' und 'Fish' lassen ihren Tränen freien Lauf, Alfonso und Diego sind total überwältigt, und auch der ansonsten total relaxte Christopher ist sich darüber bewusst, was hier gerade geschehen ist. Doch die Emotionen müssen kurz darauf den Verpflichtungen weichen. Die Autogrammstunde ist unmittelbar nach dem Gig angesetzt worden, und als die fünf Musiker bereitwillig ihre Tourposter und eine ganze Reihe Platten und CDs signieren, kommt die nette Dame vom Merchandise-Stand auf mich zu und berichtet von einem Problem. Mir schießt das Herz in die Hose, was soll denn jetzt noch schieflaufen? Doch dann die frohe Kunde: Alle, restlos ALLE Shirts sind weg, wir dürfen nachlegen, gerne auch den ganzen Bestand.
Als ich ihr schließlich folge, um weitere Designs zu platzieren, stelle ich fest, dass wirklich alles vergriffen ist: Pins, Shirts, Patches, nix mehr vorrätig. Da wir den Bus relativ günstig hinter die Halle geparkt haben und dort den Hinweis hinterlegt haben, dass die Band dort um 14:30 Uhr signieren und verkaufen wird, soll die Gunst der Stunde nun weiter genutzt werden. Und sie wird genutzt: Die Leute rennen den Van ein, kaufen weitere Shirts, suchen sich die Raritäten aus Peru heraus und befreien die Band von vielen, vielen Sorgen. Währenddessen versorgen uns die Freunde aus Dresden ständig mit weiteren Gerstensäften und halten somit auch den Flüssigkeitspegel auf Stand. Die Einnahmen des heutigen Tages decken weitestgehend die Kosten der Tour, und wo auf der Bühne schon der absolute Triumph gefeiert wurde, geht es nun auch abseits verdientermaßen weiter. Für mich ist aus heutiger Sicht sehr schwer, nachzuempfinden, was an diesem Tag sonst noch geschehen ist. Wir haben einige namhafte Acts verpasst, uns ganz in den Dienst der Sache gestellt, wissen aber beim Konzert von SOLITUDE AETURNUS, dass heute viele Träume in Erfüllung gegangen sind und dieser Tag eigentlich nie enden sollte. Wow, wow, wow!
Tag 6: GöppingenDie Spannung aufrechterhalten nach einem solch denkwürdigen Event, darin besteht heute wohl die größte Herausforderung. Es geht nach Göppingen in die legendäre "Zille", wo uns Host Christoph in seinem geräumigen Haus vorab empfängt und sich als einer der sympathischsten Charaktere in diesem Business entpuppt. Ein kurzer Gang durch die Innenstadt wird genutzt, um die Zeit zu überbrücken, dann geht es in die berüchtigte Metal-Kneipe, die sowohl in Sachen Ambiente als auch bei der Verpflegung zu den Top-Adressen dieser Tour zählt. Der Merch-Stand wird mal wieder reichlich bevölkert, die frohe Kunde vom KIT hat auch die heutigen Gäste erreicht, und während sich Mario mit einigen Zuschauern an den lokalen Ouzo-Spezialitäten bedient, reißt HYENA im Nebenraum wieder einmal eine Hammershow ab.
Das ist die Kurzfassung - in der Langfassung darf das legendäre Fenster-Foto ebenso wenig fehlen wie die saucoole Atmosphäre des Clubs, das extrem höfliche Publikum und die mehr als fairen Preise in der "Zille". Die Rückfahrt wird dann von einigen Genre-fremden Beiträgen gekrönt. Auf BODY COUNT können sich schließlich alle einigen, auch wenn wir uns bis heute fragen, wer diese 37 Typen sein sollen, die im Garten erschossen wurden. Aber das ist nur eine Randnotiz, denn abseits davon ist eines jedenfalls klar: Geht es noch einmal nach Europa zurück, ist Göppingen definitiv wieder eine Anlaufstelle!
Tag 7: Straßburg
Heute geht es nach Frankreich, eine weitere Gelegenheit für Christopher, die vielen regionalen kulinarischen Spezialitäten anzutesten. Doch die Croissants entpuppen sich als ziemlich lahm und enttäuschend, da waren die Erwartungen definitiv andere. Da sind die Brezeln aus deutschen Landen schon noch besser in Erinnerung. Allerdings wurden auf der Strecke hierhin schon diverse Kalorien verbrannt. Der australische Gitarrist hatte schon so manches über deutsche Autobahnen gehört, ich hatte ihm also versprochen, dass er auch mal eine kurze Teilstrecke übernehmen kann. Kurz hinter Stuttgart ist es dann so weit: Christopher bringt den Van auf stolze 170 km/h, alle sind entspannt, nur ich nicht, aber das ist eine andere Geschichte. Natürlich läuft währenddessen der populäre KRAFTWERK-Song, Klischees gehören schließlich erfüllt.Die Ankunft in Frankreich ist dann auch recht entspannt. Wir haben heute ein ganzes Haus gemietet, weil das Venue keine Unterkunft stellt. Doch nach dem Spaziergang durch die herrliche Innenstadt kommt es zu einer zunehmenden Reihe von Ärgernissen, denen wir anfangs noch halbwegs gelassen entgegenblicken, da uns 'Gato' beim Besuch des großen M einmal ganz deutlich demonstriert, wie man die populären Fast-Food-Burger in Doom-Metal-Geschwindigkeit verzehrt. So viel Zeitlupen-Eloquenz haben wir alle wohl selten erlebt, nutzen die zugehörigen Lacher jedoch noch, da sie für ein paar Minuten die letzten sein werden.
Die Organisation im Club wird in die Hände der Band gelegt, es gibt keine vollständige Backline und die Improvisationen sind nun auch nicht der Brüller. Die Band nimmt es jedoch mit der nötigen Gelassenheit, schließlich konnte im Hintergrund ein richtig cooler Deal gemacht werden. Mein Kontakt mit Andy Brings ging über das KIT hinaus, und ich konnte den einstigen SODOM-Gitarristen überzeugen, nahe seiner Heimat beim Konzert in Oberhausen eine Zugabe bzw. ein Cover von 'Breaking The Law' zu bringen, welches heute auch erstmals im Set steht. Es muss nicht einmal einstudiert werden, weil die Jungs den Song alle zu ihrem musikalischen Basiswissen zählen.
Zuvor gilt es allerdings den Support-Act KNIGHTRESS zu ertragen, denn der wilde Prog-Metal mit Sängerin und Violinistin ist definitiv nicht jedermanns Sache. Beide Bands wechseln sich derweil mit der Kasse ab, und als der Door Deal nachher aufgeteilt werden soll, zeigen die Musiker von KNIGHTRESS kein großes Interesse an Konversation. Auch der Veranstalter ignoriert uns heute, wo es nur geht. Irgendwann am frühen Morgen entschließen wir uns schließlich, zusammenzupacken und ins Haus aufzubrechen. Doch das Nachspiel folgt auf den Fuß: Wilde Anschuldigungen, Beleidigungen und Drohungen werden von einem Musiker des Supports über die sozialen Medien gestreut, und auch wenn die HYENA-Musiker die Hälfte der Einnahmen sofort und bereitwillig überweisen, nimmt der Shitstorm kein Ende. Erbärmlich, leider aber auch eines der vielen Beispiele unzureichender französischer Gastfreundschaft an diesem Tag.
Tag 8: LuxemburgDie Fahrt nach Luxemburg will heute irgendwie nicht enden. Wir müssen definitiv in die Innenstadt, weil Alfonso neue Saiten benötigt, also watscheln wir noch ein bisschen durch das europäische Steuerparadies, bevor es abends dann nach Esch-sur-Alzette geht, wo in einem kleinen Café die nächste Show ansteht. Vor allem Christopher will es heute besonders wissen, tankt vor, während und nach dem Konzert gewaltig, lässt sich auf der Bühne aber kaum beeindrucken. Die Show wird frenetisch gefeiert, ein paar seltsame Boxeinlagen im Publikum (offenbar eine uns unbekannte Choreografie) kann den Drive auch nicht rausnehmen, und als Diego schließlich 'Breaking The Law' anstimmt, gibt es kein Halten mehr. Denkwürdig und richtig stark - einmal mehr! Die Nacht verbringen wir schließlich in einem Arbeiterhotel an der luxemburgisch-französischen Grenze und stapeln uns auf engstem Raum übereinander. Aber inzwischen kann uns nichts mehr schocken!
Tag 9: Oberhausen
Mein persönliches Heimspiel sollte heute folgen, schließlich erwarte ich einige Freunde und Bekannte beim Gig in Oberhausen. Leider erweist sich der Weg dorthin als wirklich zäh, und das anvisierte Barbecue in meiner Wohnung müssen wir gegen eine kurze Pause mit Kaffee und Gebäck tauschen, die meine Freundin dankenswerterweise organisieren konnte. Nach knapp zehn Tagen wieder für einen Moment nach Hause zu kommen, fühlt sich komisch an, aber es ist auch nur ein halbstündiges Intermezzo, bevor der Weg von Hagen nach Oberhausen dann weitere 90 Minuten verschlingt.
Im "Helvete" angekommen, nehme ich mir heute vor, es so richtig krachen zu lassen, schließlich schlafen wir drei Minuten Fußweg entfernt vom Venue. Also wird im Backstage-Bereich schon ordentlich "Hansa" (ekelhaft!) getankt, während die Gäste langsam eintreffen. Ich bin total froh, meinen Bruder heute sehen zu können, dem ich noch ein letztes Shirt in XL reservieren konnte, gleichzeitig freut mich aber auch, dass Barbara und Max von Powermetal.de gekommen sind, um über die heutige Show zu berichten. Während die Franzosen von PALANTYR richtig stark eröffnen, wird an der Merch-Bude wieder ordentlich Stoff rausgehauen - es freut mich doch jedes Mal, wenn die Band weitere Artikel absetzt, schließlich sollen schon Einnahmen für eine mögliche weitere Tour gesichert werden. Andy Brings ist inzwischen auch eingetroffen, nimmt sich viel Zeit für Christopher und posiert bereitwillig für eine Reihe Fotos (Danke Barbara!). Dann ist endlich Showtime! Viele bekannte Gesichter, teils auch schon im HYENA-Shirt, stehen in den vordersten Reihen, die Band erwischt sofort einen Auftakt nach Maß und kann sich bei 'Metal Machine' auf den Chor im Publikum verlassen.
Während die Band 'Keep It True' anstimmt, hole ich Andy dazu, der sich ein wenig aufgewärmt hat. Leider gibt es heute nur zwei Verstärker, so dass Christopher wahrscheinlich nicht mit von der Partie sein kann. Ich trete ihn aber regelrecht auf die Bühne, um diesen Moment auszukosten, und so spielt er gemeinsam mit der Band und dem Gast eine fantastische Version von 'Breaking The Law', bei der es im Auditorium kein Halten mehr gibt. Kurz vor Schluss stelle ich fest, dass ich ebenfalls auf der Bühne stehe und mit Christopher die Backing-Vocals beisteuern kann - "Hansa" sei Dank!
An die nachfolgenden Momente kann ich mich nur noch sehr eingeschränkt erinnern, da alkoholbedingt kein klarer Gedanke mehr möglich war. Irgendwie schaffen wir es über einen Imbiss bis ins Hotel - und dort finden wir dann auch ein bisschen Ruhe!
Tag 10: Antwerpen
Die Intensität wächst von Tag zu Tag, der Hunger allerdings auch. Also überrede ich die Jungs, in meiner alten Heimat bei einem All-You-Can-Eat-Asiaten Halt zu machen, um die Reserven wieder aufzufrischen. Die Begeisterung ist grenzenlos, das nachfolgende Koma jedoch auch. Die anderthalb weiteren Fahrstunden nach Antwerpen verbringe ich inmitten einer schlafenden Entourage, doch das sei den Jungs gegönnt. Am Abend geht es in die Music City inmitten eines belebten Stadtviertels. Parken ist ein riesiges Problem, also laden wir alles kurzerhand aus, und ich bringe den Bus zurück zum Hostel. Die heutige Show ist kostenlos, es wird jedoch eine freiwillige Spende erwartet, um ein paar Kosten zu decken. Dass aber gleich so viele Leute die Bude stürmen würden, war nicht zu erwarten. Der Club füllt sich bis unter die Decke, und während die Augen von Alfonso und 'Fish' vor allem den hübschen Damen des Support-Acts gelten, pflastern Mario und ich das Venue mit zahlreichen Stickern zu. Die Bühne ist heute ebenerdig zum Zuschauerraum, das Erlebnis daher auch viel intensiver. Diego kann seinen Fans direkt in die Augen blicken, ihnen bei 'Breaking The Law' aber auch das Mikro überlassen - und das zeigt Wirkung: Der ganze Club singt und feiert. Ja, so haben wir uns das vorgestellt.
Das Beladen im Anschluss wird dann zur größten Herausforderung des Abends. Der Bus muss erneut geholt werden, doch die Band vercheckt es, alle Utensilien zusammenzupacken. Ein ziemlich angeheiterter 'Gato' vergisst die Hälfte vor Ort, so dass wir erneut zurückfahren müssen, um alles einzusammeln - natürlich nicht, ohne dabei auch noch durch die halbe Innenstadt kurven zu müssen. Natürlich haben alle im Endeffekt gelacht, die Panik stand aber vor allem Christopher ins Gesicht geschrieben, dessen ganzer Koffer zurückgelassen wurde.
Tag 11: Breda
Heute steht die kürzeste Wegstrecke bevor - und das gefällt uns allen gut. Wir nutzen den Morgen, um einen Blick auf das Zentrum Antwerpens zu werfen, essen Waffeln, Pommes und allerhand Frittiertes und bestaunen Diegos neueste Errungenschaft, eine Originalpressung von JAGUARs "Power Games". Danach machen wir uns auf den gemütlichen Weg ins holländische Breda und finden im "Sound Dog" einen sehr modernen, typisch niederländischen Club vor, in dem es an wirklich gar nichts mangelt. Erneut wird chinesisches Essen serviert, die Band ist bester Laune und man genießt die letzten Tage noch mal in allen Zügen. Lediglich die Frage nach dem Schlafplatz kann uns noch niemand beantworten - noch nicht! Während die Vorgruppe einen ganz anständigen Gig hinlegt, kommt dann die traurige Gewissheit: Der Promoter hat vergessen, ein Hostel zu buchen, in der direkten Umgebung ist allerdings auch nichts mehr verfügbar. Ich behalte die Info erst einmal für mich, schließlich soll sich die Nervosität nicht auf die Show übertragen, genervt bin ich aber schon. Genervt ist auch der Support, der sich selbst einen anständigen Gig attestiert hat, dann aber zusehen muss, wie HYENA ihn völlig an die Wand spielt. Die Stimmung ist blendend, die Energie am Siedepunkt, und dann kommt der Tiefschlag: Wir müssen noch in der Nacht nach Groningen fahren, dort findet morgen das letzte Konzert statt. Drei Stunden mit so wenig Energie im Körper, das wird noch eine Herausforderung. Als wir schließlich gegen 3 Uhr nachts in der Fahrrad- und Studentenstadt ankommen, bekommen wir einen großen Raum für uns alle. Natürlich ist er noch nicht bezahlt, natürlich hat der Promoter aus Breda auch die Einnahmen nicht ausgezahlt. Doch glücklicherweise lässt sich dies am nächsten Tag klären. Jetzt wird erst einmal geschlafen, denn die kommende Nacht soll schließlich die härteste werden!
Tag 12: Groningen
Es ist der letzte offizielle Tag der Tour und man merkt bei allen eine gewisse Beklemmung. Niemand will, dass das hier endet, niemand will wahrhaben, dass es jetzt bald schon vorbei sein wird. Also besuchen wir zur Entspannung den Botanischen Garten und lassen uns anschließend durch die relaxte Atmosphäre der Stadt treiben, bevor wir dann auf das "Café Walrus" zusteuern, den Ort des letzten Gigs. Vor Ort treffen wir die sympathischen Jungs von RAZORBLADE MESSIAH, deren Shirt-Designs uns sofort ansprechen. Auch die Veranstalter sind unglaublich nett, helfen überall, wo es nur geht und erleichtern uns das erneute Aus- und Einpacken merklich. Ein paar Freunde sind auch zugegen, manche sehen HYENA nach dem KIT heute zum zweiten Mal, und entsprechend aufgeheizt ist auch die Stimmung in der schlauchförmigen Location. Es ist ein weiterer und auch der letzte Triumphzug durch einen europäischen Club, der um 23:00 Uhr jäh endet, weil wir umgehend weiterfahren müssen. Diego, 'Gato' und Alfonso fliegen am nächsten Morgen sehr früh ab Hamburg über Paris nach Lima, 'Fish' nimmt den Weg über Madrid nach Mexiko, Christopher hat Zwischenstopps in Istanbul und Kuala Lumpur, und auch Mario fliegt über Frankfurt und Bilbao nach Santander, seine neue Heimat. Also stapeln wir, was das Zeug hält, hupen die ganze Nachbarschaft des Cafés noch einmal wach und machen uns auf die lange Reise nach Hamburg.
Diego darf heute den DJ geben und zaubert neben einigen Metal-Klassikern auch ein paar wirre japanische Popsongs und diverse Videogame-Soundtracks hervor. Alle singen, alle lachen, und dennoch wissen auch alle, dass in Kürze die schwere Stunde bevorsteht. Als wir Christopher am Flughafenhotel absetzen, müssen sich alle zusammenreißen, nicht sofort loszuheulen. Niemand weiß, ob man in dieser Konstellation wieder zusammentreffen wird, geschweige denn, ob man sich überhaupt je wiedersehen wird, und genau diese Emotion bricht nun über alle herein.
Ich persönlich kämpfe schon seit zwei Stunden mit den Tränen, nehme mich aber auch am Flughafen zusammen, als ich die restlichen Jungs verabschiede und auf meinen Zug zum Hamburger Bahnhof warte. Dann jedoch meldet sich Diego und teilt mir mit, dass sie einen ganzen Stapel CDs zurücklassen müssen, weil sie massives Übergewicht im Gepäck haben. Also renne ich kurzerhand zurück ins Terminal, gabele vier volle Kartons auf, packe all meine Taschen noch voll und sage für den Moment Lebewohl!
Und dann die Heimfahrt: Müdigkeit, viele Emotionen, Traurigkeit, totale Leere, all das packt mich, während ich meinen sechsstündigen Trip nach Hagen zum "Tourfinish" antrete. Selbst die üblichen Irritationen und Verspätungen auf der Bahnstrecke (heute: eine Gänsefamilie im Gleis!) können mich nicht aus der Ruhe bringen, weil ich so stark in meinen Gedanken gefangen bin. Heute ist Sonntag, morgen startet ganz normal wieder die Arbeit, und ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, wieder problemlos in den Alltag zurückzukehren. Ob es gelingen wird, muss die Zeit zeigen. Doch für jetzt, für den Augenblick ist da erst einmal ein riesiges Nichts - ausgelöst von einem zweiwöchigen Abenteuer, das mir am Ende vorgekommen ist wie eine achtwöchige Reise, weil jeder einzelne Moment total besonders war. Oder kurz gesagt: Ich hatte die Zeit meines Lebens!
Mit ein bisschen Abstand sehe ich die Dinge nun wieder gefasster, weil ich sicher bin und weiß, dass es einen zweiten Teil geben wird. HYENA hat Tourpläne in China, wird in diesem Sommer noch in Ecuador spielen, hat Europa aber fest im Visier. Mittlerweile konnte ich für die Jungs bereits etwas regeln, aber das wollen wir an dieser Stelle noch nicht preisgeben.Ich bedanke mich bei Diego, dessen Gelassenheit mich am Ende soweit angesteckt hat, dass ich heute mehr Peruaner bin und er womöglich deutscher geworden ist, als er je gedacht hätte. Ich sage herzlichen Dank an Alfonso für die Möglichkeit, mich an dieser Reise teilhaben zu lassen. Vielen Dank an 'Gato', dessen unendliche Ruhe bewundernswert bleibt. Danke dir, Christopher, für so viele coole Gespräche und ein paar Einblicke in den australischen Schimpfwörterkatalog. 'Fish', was bist du doch für ein herzlicher Mensch - ich bin froh, dich kennengelernt zu haben. Und zuletzt einen ganz besonderen Dank an Mario, diese stolze Persönlichkeit, die Enzyklopädie des Heavy Metals (und ich dachte schon, ich kenne mich gut aus...) und ein treuer Weggefährte, den ich wahrscheinlich schon bald wiedersehen darf. Und vergesst nicht: Wir sind alle True Midgets Of Steel!
Leute, unterstützt diese Band, sie ist echt, sie verkörpert unsere Werte, sie lebt Heavy Metal und sie muss wieder zurückkommen. Alle, die bei den Shows dabei gewesen sind, wissen das auch!
Text und Fotocredit: Björn Backes
- Redakteur:
- Björn Backes