METALLICA: Obey the Master - deluxe!

12.11.2017 | 16:40

"Master Of Puppets" erschien just in verschiedenen Versionen (3-CD, CD, LP) und vor allem auch als Deluxe Box Set mit drei LPs, zehn CDs, zwei DVDs und einem Tape. Wir werfen für euch einen Blick in die Box.

Es ist heute wohl ziemlich genau 30 Jahre, zehn Monate und etwa zwei Wochen her, dass ich das erste Mal in meinem Leben "Master Of Puppets" gehört habe. Mein Bruder bekam das schwarze Gold zu Weihnachten geschenkt und es wanderte natürlich noch am selben Abend auf den Plattendreher. Neben ihm sein nicht minder begeisteter Bruder, der mit seinen elf Lenzen bereits seit vier Jahren dem Heavy Metal frönte und die Luftgitarre bereits seit einiger Zeit zu "Ride The Lightning" bearbeitete und nun schon bei den ersten Takten von 'Battery' in Ekstase verfiel.

Es ist also keine Frage, dass "Master Of Puppets" einen besonderen Platz im Herzen des Autoren einnimmt. Doch damit nicht genug, denn "Master Of Puppets" hat im Verbund mit seinen beiden Vorgängern eine ganze Generation von Metallern geprägt und würde wohl bei der Wahl des "besten Metal-Albums aller Zeiten" immer in den Top5 landen. Mindestens. Auch für METALLICA selbst ist der Strippenzieher natürlich ein ganz besonderes Album, da es das letzte Werk mit Bass-Legende Cliff Burton ist, der in der Nacht des 27. September 1986 auf dem Weg von Stockholm nach Kopenhagen bei einem tragischen Busunglück sein Leben verlor.

metallica, master of puppets

Auch unter diesem Gesichtspunkt ist die vorliegende Deluxe-Box von "Master Of Puppets" mehr als nur eine Ansammlung von Live-Material, Rehearsals, Demos und Interviews, die für diese imposante Version des Klassikers zusammengeworfen wurden. So befinden sich unter den zehn CDs, drei LPs, zwei DVDs und dem einen Tape auch Konzertmitschnitte vom 26. September 1986 in Stockholm und dem 08. November 1986 in Reseda, dem ersten Gig mit Nachfolger Jason Newsted. Da schwingt schon eine gewissen Melancholie mit, während ich nur diese Zeilen tippe.

Das Album

Über das Album selbst viele Worte zu verlieren, würde wohl nur Nachtvögel zum Olymp transportieren. Auch wenn ich persönlich "Ride The Lightning" noch eine kleine Spur stärker einschätze, ist "Master Of Puppets" wohl ohne einen Hauch von Übertreibung ein perfektes Album. Egal, ob die beiden Thrash-Granaten 'Battery' und 'Damage Inc.', die abwechslungsreichen und lyrisch anspruchsvollen 'Master Of Puppets' und 'Disposable Heroes' oder das feine Instrumental 'Orion'.

Dazu das großartige Cover und die perfekte Produktion von Flemming Rasmussen. Es gibt hier wirklich nix zu meckern. In der Box ist das Album als CD und LP enthalten, jeweils remastered, was aber bis auf einen kleinen Lautstärkeunterschied nicht wirklich auffällt. Das 180 Gramm schwere Vinyl entspricht der Version von 1986, ist also eine einfache, schwarze LP mit Textblatt.

Die Live-Aufnahmen

In der Box sind gleich neun Konzertmitschnitte enthalten. Einer auf einer Doppel-LP, einer (Stockholm!) auf Tape (für beides liegt ein Download-Code bei), drei auf zwei DVDs und vier auf ebensovielen CDs. Alle Gigs wurden mitgeschnitten zwischen April 1986 und Januar 1987. Glaubt man Setlist.fm so sind das nicht in allen Fällen die gesamten Sets, sondern stellenweise nur große Teile der Gigs, was sicher auch mal an der Qualität des Ausgangsmaterial liegt oder an anderen Merkwürdigkeiten. Das erkennt man ganz wunderbar auch bereits beim Gig in East Rutherford, aus dem April 1986, wo 'Welcome Home (Sanitarium)' mitten im Song stoppt und es mitten in 'Seek & Destroy' dann weitergeht. Da hat offensichtlich jemand zwischenzeitlich einfach die Aufnahme unterbrochen. Das ist erst verwirrend und dann natürlich schon auch witzig.

Ich muss gestehen, dass mich diese Gigs durchaus in Ekstase versetzen. Die Setlisten sind natürlich ähnlich, aber mit den ausnahmslos großartigen Songs der ersten drei Werke und fantastischen Coverversionen von 'Am I Evil?' oder 'Blitzkrieg' kann das Quartett natürlich auch nichts falsch machen. Die Ansagen von James versprühen jugendliche Leichtigkeit, das Material wird tight und energetisch dargeboten, James singt hervorragend und Kirk Hammetts Soli sitzen. Der Sound ist dabei natürlich von unterschiedlicher Qualität. Vor allem das Tape aus Stockholm ist leider kaum anhörbar. Dumpf, schwankend, matschig, leise. Ich bin ziemlich sicher, dass dies ohne den sentimentalen Wert des letzten Gigs mit Cliff Burton nicht in dieser Box gelandet wäre. So ist es ein netter Fan-Service, der zudem die Erinnerung an den begnadeten Bassisten aufleben lässt. Sehr schade, weil sonst die 90 Minuten natürlich völlig gigantisch wären.

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Der Gig aus Hampton ist hingegen von ordentlicher Qualität und ist zudem von dem Teil der Tour, wo James Hetfield aufgrund eines bei einem Skateboard-Unfall gebrochenen Handgelenks nur singt und John Marshall (sein Gitarrentechniker und später bei METAL CHURCH an den Saiten) die Rhythmusgitarre einspielt. Marshall ist ein Top-Ersatz für Hetfield, so viel steht fest. Tatsächlich hätte ich diesen Gig gerne auf einer der DVDs gesehen, um zu sehen wie sich Hetfield ohne Gitarre auf der Bühne gibt.

Auf ein hübsches Doppelvinyl im Gatefold wurde der Gig aus dem Mai 1986 im Aragon Ballroom in Chicago gepresst. Das ist auch total logisch, denn es ist von den vorliegenden Live-Aufnahmen die beste. Der Sound ist roh und ungehobelt, aber doch sehr dynamisch und jedes Instrument deutlich zu vernehmen. Auch James' Gesang ist absolut top und Hammetts Gitarrenspiel berauschend. Wer bei 'Fade To Black' keine Gänsehaut bekommt, ist ein ganz merkwürdiger Charakter. Ganz merkwürdig.

Wie oben bereits erwähnt, ist auch der erste Gig mit Jason Newsted hier verewigt. Bevor man sich diesem widmet, gibt es auf dem Silberling aber erst fünf Songs aus Jasons Auditions für den Job als neuer Bassist. Wunschkandidat war übrigens ARMORED SAINT-Bassist Joey Vera, der aber - genau wie Sänger John Bush, dem einst der Job als Sänger bei METALLICA angeboten wurde - ablehnte. Diese fünf Songs haben genau die Qualität, die man erwarten kann von Proberaumaufnahmen. Ähnlich wie beim Stockholm-Gig ist es eher der historische Wert, der hier zählt. Entsprechend werden die meisten von euch wahrscheinlich in Zukunft bei Song #6 anfangen, denn der Gig in Los Angeles macht wieder eine Menge Laune.

Das gilt natürlich auch für den Set in der Essener Grugahalle im Januar 1987. Auch hier ist der Sound ordentlich, wenn auch etwas verwaschen, aber als Soundboard-Zeitdokument absolut okay. Zudem ist es auch sehr unterhaltsam, wie unter anderem der Beginn von 'The Four Horsemen' zeigt. Unglaublich die Energie, die jeder der Songs verströmt.

Die drei Shows auf den DVDs aus Detroit, Roskilde und dem japanischen Nagoya sind natürlich in puncto Bildqualität nicht auf höchstem Niveau, aber eben auch 30 Jahre alt. Das Bühnenbild war schon damals etwas mehr als es andere Bands lieferten, aber vom totalen Gigantismus ab den Neunzigern noch weit entfernt. Nein, das sind noch pure Metal-Shows, wo vier junge Männer auf der Bühne alles aus sich herausholen. Die Soundqualität ist zudem auch sehr gut, so dass jede der drei Shows schon was hermacht.

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Rough Mixes, Demos, Outtakes & Riffs

Die Musiker und Analytiker unter euch dürften ihre Freude mit den drei "From The Vault"-CDs haben. Die Rohmixe aller "Master Of Puppets"-Songs, die spät in 1985 entstanden sind, klingen richtig gut, sind aber mit Ausnahme von 'Disposable Heroes' und 'Leper Messiah' instrumental. Dennoch geben sie hervorragende Einblicke in die Entwicklung, die die acht Songs genommen haben. Dazu gibt es auch noch instrumentale Coverversionen von FANGs 'The Money Will Roll Right In' und DIAMOND HEADs 'The Prince' als Rohmix.

Eine weitere CD zeigt vor allem die Riffs in unterschiedlichen Stadien. Oft sind die Aufnahmen nur einige Sekunden lang und vor allem für echte Nerds gemacht. Es gibt aber auch eine 12-minütige, instrumentale Version von 'Master Of Puppets' mit Nationalhymnen-Solo. Das ist alles schon cool, aber eben nichts, was ich mir jetzt tagelang am Stück anhören würde.

Höhepunkt dürfte aber das Demo aus dem Juni 1985 sein, das sich schon recht deutlich von den finalen Nummern unterscheidet. Die neunminütige(!) Version von 'Welcome Home (Sanitarium)' ist da sicher die spannendste Geschichte und für Fans eine genauere Auseinandersetzung wert, da sich hier zum Beispiel auch die Lyrics deutlich unterscheiden. Zumal auch hier wieder der Klang absolut okay ist. Der Rest dieser CD ist dann wieder ein Sammelsurium von instrumentalen Versionen der Songs in verschiedenen Phasen des Aufnahmeprozesses.

Die Interviews

Zwei CDs sind vollgepackt mit Interviews, zudem sind auch auf den beiden DVDs mehrere Interviews und die "MTV Heavy Metal Mania" zu bestaunen. Es ist schon schön zu sehen und zu hören, dass Lars, James, Kirk und Cliff einfach vier ganz normale Kids waren, die mit voller Überzeugung und ohne Kompromisse ihr Ding gemacht haben. Die Interviews zeigen die Vier als super sympathische Musiker, die völlig ohne Star-Allüren daherkommen und viel Spaß an dem haben, was sie da tun und dabei äußerst dankbar wirken, für die Chancen, die ihnen geboten werden und für den plötzlichen Erfolg, der sich eingestellt hat. Erneut nette Zeitdokumente, die man so auch nicht auf YouTube findet.

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Die Box und das Buch


Für mich vielleicht sogar der Höhepunkt der Box ist das 108-seitige Hardcover-Buch. Neben den vielen Fotos sind es vor allem die meist kurzen Geschichten, die John Marshall (Gitarrentechniker & Aushilfsgitarrist auf der 86er-Tour), Ray Burton (Cliffs Vater), Scott Ian, Ozzy Osbourne und andere Zeitzeugen erzählen, die unterhalten und berühren. Daneben gibt es noch Lyric-Sheets im handgeschriebenen Stil (inklusive durchgestrichener Teile, verschmierter Tinte etc.), ein Poster von 'Damage Inc.' im eher ungewöhnlichen Viyl-Format und sechs Buttons für die Kutte. Die Box selbst ist auch sehr stabil und einfach zu öffnen, ohne dass irgendetwas kaputt geht.

Insgesamt bietet diese ultimative Version von "Master Of Puppets" fast 20(!) Stunden Material, von dem man das allermeiste noch nicht gehört oder gesehen hat. Wer das Album liebt, wird hier viel entdecken können. Und wen der Preis (zwischen 150,- und 180,- EUR) abschreckt, kann es sich ja ggf. zu Weihnachten schenken lassen.

Redakteur:
Peter Kubaschk

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