LUX DIVINA: Interview mit Norax

15.01.2017 | 22:11

"Der Black Metal hat einen großen Teil seiner Romantik verloren." Die spanischen Black-Metal-Exoten sind auf dem Vormarsch in die Vergangenheit.

In der Veröffentlichungsflut starker Black-Metal-Releases gehen regelmäßig gute Scheiben unter. Vor allem, wenn die Interpreten nicht aus einer der Hochburgen der Szene stammen. Das neue Album der spanischen Truppe LUX DIVINA "Walk Within The Riddle" ist so eine Platte, die vor allem scheuklappenbefreiten Hörern gut gefallen wird. Wir haben Sprachrohr Norax zum Diktat gebeten.

Da viele unserer Leser LUX DIVINA noch nicht kennen, stell die Band doch bitte kurz vor.

LUX DIVINA soll Musik erschaffen, die in erster Linie uns selbst zufriedenstellt. Bei uns spielen aber neben der Musik auch das Konzept eines Albums und die Spiritualität eine große Rolle. Ein Gesamtkonzept eben. Für uns ist es weit mehr als ein simples Hobby, es ist eine Lebenseinstellung. Wir wollen uns von der Masse abheben, zumindest von der Herangehensweise her. Der Hörer soll nicht von einer großen Leere heimgesucht werden, wenn er unsere Musik hört.

Darüber hinaus begreifen wir Kunst als eine veritable Waffe, um dieser grauen Gesellschaft zu entkommen. Die Musik kann all unsere Gefühle kanalisieren. Die Wut, Negativität oder das Verderben, welches einem tagtäglich begegnet.

Für meine Begriffe ist "Walk Within The Riddle" ein großer Schritt in eurer Entwicklung. Ich nehme an, ihr seid damit zufrieden?

Nachdem wir diese musikalische Kreatur seit 17 Jahren füttern, kann ich behaupten, dass wir uns in einer sehr kreativen und erwachsenen Epoche befinden. Insofern sind wir sehr zufrieden, wie sich die Dinge in den letzten Jahren entwickelt haben. Wir haben uns als Persönlichkeiten und Musiker entwickelt, was sich in jedem einzelnen Schritt zeigt. Zu begreifen, dass Musik Teil von allem, was uns umgibt, ist, hat uns wohl am meisten verändert. Wir haben beschlossen, auch die dunkelsten Teile unserer Seelen zu offenbaren und die Musik auch danach klingen zu lassen.

Ich denke auch, dass man die Musik am besten aus sich selbst heraus versteht. Es gibt bei uns keine Schranken, weil wir bestimmten Labels oder Trends hinterherlaufen. Denn das sind Aspekte, die man einfach nicht kontrollieren kann. Vielleicht öffnet uns das manch neue Tür, vielleicht verschließen wir uns dadurch aber auch anderen. Berühmtheit ist keine Kategorie, die mir persönlich wichtig wäre. Wir werden weiterhin an unseren Überzeugungen festhalten und diese Art von Musik komponieren. Auch wenn unsere Musik vergänglich ist und in einem Monat oder erst in 20 Jahren vergessen sein sollte, sind wir doch unsere eigenen Götter, solange wir diesen Weg beschreiten.

Was genau ist denn das Rätsel, von dem das Album handelt?

Tod. Dieses unbeschriebene und kalte Mysterium, dem sich jedes Lebewesen einmal stellen muss. "Walk Within The Riddle" greift einige Motive und Fragestellungen auf, die die Menschheit seit seiner Existenz umtreiben. Dabei sind sie für den menschlichen Geist nicht leicht zu fassen. Es ist ein innerer Kampf des Menschen, das unweigerliche Ende zu verstehen. Beispielsweise die Trennung von geliebten Menschen, die Trennung von Körper und Geist. All das zu begreifen, hilft uns im weiteren Leben. Wir konzentrieren uns dabei auf eine melancholische, vielleicht sogar traumartige Perspektive. Ein Versinken in dieses Album ist gleichzeitig ein Eintauchen in das große Mysterium, das das Leben und den Tod beschreibt. Dem Nihilismus und der Vergänglichkeit müssen wir uns zwar jeden Tag erneut stellen, doch gibt es einen Platz für inneren Mut und Tapferkeit. Eine Suche nach ethischen Werten abseits von Religionen und deren Dogmen. Es geht um die Dualität von Licht und Dunkelheit, von Leben und Tod.

Das Album hat erneut einen naturromantischen Einschlag. Ich vermute, es gibt ein lyrisches Konzept dahinter?

Ja, das ist wahr. LUX DIVINA ist eine Band, bei der die Wertschätzung der Natur schon immer einen spirituellen Ausdruck gefunden hat. Sie ist der Kern unserer Anschauungen und beeinflusst uns stark. Man kann das anhand unserer musikalischen Entwicklung gut verfolgen. Wir haben als Pagan Band begonnen und sind inhaltlich nach wie vor so ausgerichtet. Genau so wichtig wie die Natur an sich ist aber der Mensch, der in ihr lebt und sie verstehen will. Naturphilosophie ist der Kern unserer Philosophie, da sie uns stets umgibt. Die große Wildnis fernab der altersschwachen Gesellschaft, weit weg von der giftigen Religion und in Einklang mit individueller Freiheit.

Welche Rolle spielt das Artwork für euer Gesamtkonzept?

Es kommt uns auf jedes Detail an. So auch beim Artwork. Das Cover zeigt einen freien Geist der Natur, den goldenen Adler. Er bereitet der Finsternis ein Opfer und steht damit stellvertretend für die überwältigen Kräfte der Natur. Die Dunkelheit steht für Leben und Tod zugleich, sie repräsentiert die Dualität, die diesen Polen innewohnt. Die Dunkelheit findet sich natürlich auch im Wald wieder, der im Hintergrund gezeichnet ist. Die doppelten Dreiecke stehen hingegen für die Negierung einer Gottheit und ergänzen sich mit den Mondkreisen in den Ecken, die für eine weibliche Form der Naturkraft stehen.

Musikalisch kann man LUX DIVINA mit ENSLAVED oder BORKNAGAR vergleichen. Seht ihr eure Entwicklung ähnlich wie bei diesen Bands?

Da nennst du Bands, die wir sehr mögen und mit denen wir aufgewachsen sind. Ich würde auch sagen, dass es einige Ähnlichkeiten gibt, was das Komponieren angeht. Auf der einen Seite könnte man sagen, dass wir in ihre Fußstapfen treten, aber ich sehe uns nicht als Vertreter eines progressiven Sounds, die sich an eine bestimmte Form klammern. In diesem Punkt bin ich mir allerdings nie ganz sicher, vielleicht entwickeln wir uns jeden Tag weiter vom Kern des Black Metal weg, weil wir immer melancholischer werden. Traditioneller Metal und Epic Doom beeinflussen uns natürlich auch, aber letztlich kann das nur die Zeit zeigen.

Welcher Einfluss hat denn das Wiegenlied 'Once Upon A Time There Was A Pretty Fly' zu euch gebracht, was am Anfang des zweiten Songs steht?

Für meine Begriffe ist dieses wunderbare Wiegenlied Teil einer der schönsten und verträumten Szene der Filmgeschichte. Es gehört zum Film "The Night of Hunter" aus dem Jahr 1955. Wenn du den Film siehst, wirst du die Trostlosigkeit und Einsamkeit auch spüren. Die vollständige Hingabe an die Nacht und die Dunkelheit wird von dieser wunderschönen Melodie repräsentiert, die beiden Brüdern des Mädchens, das sie singt, Kraft geben soll. Es ist die Flucht aus den Klauen des Todes, verkörpert von zwei einsamen, verlorenen Kindern. Beinahe wie das Überqueren des Hades in der klassischen Mythologie. Dieses Gefühl passt so hervorragend zum Thema unseres Songs, den du ansprichst. 'Waters of Tomorrow' handelt vom Mut im Angesicht des Todes, bei der eine verborgene Flamme der Seele entdeckt wird. Es geht um das Überwinden des Zweifels und des Bösen, das im Menschen steckt.

Worum geht es beim Song 'Macchiajolo'? Gesang gibt es hier nicht, aber der Titel führt mich zu einer Gruppe italienischer Künstler im neunzehnten Jahrhundert. Oder bin ich da auf dem Holzweg?

Diese Bewegung kenne ich ehrlich gesagt nicht, aber ich finde das sehr interessant und werde recherchieren. Das Wort Macchiajolo, um das es hier geht, hat sehr alte italienische Wurzeln. Sie bedeuten "geboren im Naturzustand", also in der Wildnis. Ein Macchiajolo ist ein verlassenes Kind, das in der unwirtlichen Natur zurückgelassen wird und dennoch überlebt, weil es sich an die Gesetze von Mutter Natur hält und unabhängig von menschlicher Sozialisierung überlebt. Eine vollkommen reine Kreatur. Dieser kurze meditative Song soll die besondere Aura heraufbeschwören, die hinter der Bedeutung des Namens steht.

Glaubst du, dass der Zuhörer diesem Kaleidoskop an Emotionen auch so folgen kann, wie ihr es in dieses Album hineingesteckt habt?

Ich kann nur hoffen, dass jeder Hörer versucht, seine Gedanken und Gefühle einfach fließen zu lassen. Ich hoffe, sie entledigen sich all ihrer Vorurteile und Stigmata, die eventuell gegenüber einem Teil unseres Konzepts bestehen. Dann werden sie offen genug sein, um unseren Botschaften zu folgen. Sobald man sich nicht an bestimmte Emotionen klammert, lässt sich Musik wie die LUX DIVINAs ganz anders erfahren. Wenn wir das bei einigen Menschen geschafft haben, war unsere Kunst etwas wert.

Ist LUX DIVINA noch eine Band aus dem Black Metal Underground? Es gibt nicht mehr viele Naturromantiker wie LUX DIVINA, wenn du mich fragst.

Der Black Metal hat in der letzten Dekade eine ganze Menge seiner Romantik verloren, da bin ich ganz bei dir. Das würde ich noch nicht einmal auf Black Metal beschränken wollen. Die Zeiten ändern sich beständig, und so verhält es sich auch mit Themen und Konzepten. Ein Grund dafür ist aus meiner Perspektive die immer schwächere skandinavische, insbesondere die norwegische Szene, die bisher groß in diesen Themengebieten war. Es gibt neue Generationen von Bands, die sich anderen Strömungen zuwenden. Mir geht es aber um die ultimative persönliche Freiheit, die sich mir damals in Bands gezeigt hat, die diese Atmosphäre und diese Stilrichtung geprägt haben. Insofern gehört LUX DIVINA zu keiner bestimmten Szene, ehrlich gesagt kümmert es mich nicht einmal, ob wir noch Black Metal spielen oder nicht. Zum Underground gehören wir hingegen schon, das ist für mich auch eine Frage der Lebenseinstellung. Nicht wegen des Egos, sondern weil der Underground sich noch für die Musik interessiert.

Redakteur:
Nils Macher

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