KAUNAN: Interview mit Oliver S.Tyr

31.10.2017 | 21:50

"Forn" - "Funken" heißt das Album, welches KAUNAN in diesem Oktober bei dem norwegischen Label By Norse veröffentlichte. Ein Funken, der bei Oliver S.Tyr schon lange übergesprungen ist. Wir sprachen mit ihm über die Sperrigkeit nordischer Folklore und magische Momente schwedischer Tanzveranstaltungen.

Eigentlich ist es schon so ein kleiner Frevel, von Newcomern zu sprechen, wenn man über das Debüt-Album von KAUNAN berichtet. Seit insgesamt neun Jahren musiziert das deutsch-österreichisch-schwedische Trio nun zusammen, "Forn" ist somit eher als ein Konglomerat der langjährigen Zusammenarbeit dreier Koryphäen im Nordic Folk zu bezeichnen. Warum dieses erst jetzt erschien? "Wir hatten zu Beginn einfach keinerlei Ambitionen", begründet Oliver S.Tyr schlicht. Der Oberfaun, der auch bei den Mystik Folkern für einen großen Teil der Arrangements verantwortlich ist, setzt bei seinem Projekt auf Qualität statt Quantität. "Die Szene des schwedischen Folks ist selbst in ihrem Herkunftsland sehr klein und umfasst vielleicht ein paar tausende Leute." Selbst deutsche Mittelaltermusiker und Liebhaber alter Instrumente wie Drehleier und Sackpfeife könnten oft mit den zugegebenermaßen anfangs sperrigen Instrumenten nur wenig anfangen. "Auch ich musste erst lernen, diese Musik zu hören und mir zu erschließen", gibt Oliver zu. Mit dem Schweden Göran Hallmarken und dem Österreicher Boris Koller, der zu den weltweit besten Nyckelharpa-Spielern gehört und viele Jahre in Norwegen gelebt hat, hatte er jedoch zwei fähige Weggefährten an seiner Seite. Nach und nach bauten sich die drei Musiker ein ansehnliches Repertoire nordischer Traditionals auf, nach und nach wurden die Fragen nach einem Tonträger immer größer. Bis es schließlich im Herbst dieses Jahres endlich soweit war.

Aufgenommen wurde ohne Klick und ohne sonderlich großes technisches Brimborium. "Wenn wir spielen, dann nehmen wir richtig Fahrt auf - es zündet oft sofort. Manchmal werden wir immer schneller, da wäre es gar nicht möglich gewesen, das Album auf eine andere Art aufzunehmen", berichtet Oliver. Nach eigener Aussage hat er noch nie so gearbeitet, auch für ihn sei es eine außergewöhnliche Erfahrung gewesen. Doch nur so sei es für ihn möglich gewesen, die Stimmung, welche die Musik live schafft, auf eine CD zu übertragen. Denn wer sich mit der nordischen Folklore musikalisch auseinandersetzt, muss eigentlich in der Schlussfolgerung weitaus tiefer in diesen Kosmos einsteigen, um sie in ihrer Gänze erfassen zu können. "Die Musik hat einfach etwas ungemein Einzigartiges", erzählt er weiter. "Sie hat eine einvernehmende Ruhe und basiert auf so vielen Legenden, Mythen oder gesellschaftlichen Begebenheiten." Es ist keine einfache Musik, die selbst er sich erarbeiten müsse. "Es gibt da diesen Brautmarsch, an dem wir schon seit bald drei Jahren arbeiten", gesteht er. Ob er vielleicht auf dem Nachfolger von "Forn" zu finden sein wird? Wir dürfen gespannt sein.

Spielleute - mit dem Teufel im Bunde?

Doch auch ohne Brautmarsch ist "Forn" eine wahre Schatztruhe an Einblicken in die wirklich ur-schwedische Musik. "In Schweden selbst ist das übrigens auch eher etwas, mit dem sich vorwiegend ältere Menschen beschäftigen", so Oliver mit einem Augenzwinkern. Schade eigentlich, denn neben den beruhigenden, schmeichelnden Melodien verbergen sich in den Titeln, welche KAUNAN für das erste Album ausgewählt hat, tragische Geschichten und interessante Fakten über Schweden (wie der Tatsache, dass gewisse Lieder nur von Spielleuten aus der jeweiligen Gegend gespielt werden dürfen). All jene hat das Trio auch in dem Booklet zusammengetragen, welches das Album begleitet.

Die erste Feuerprobe hat KAUNAN übrigens auch schon in Schweden selbst bestanden, als das Trio dort auf einer Tanzveranstaltung aufspielen durfte. Oliver erinnert sich noch gut an die Magie des Moments an diesem Abend. "Es wurden eigentlich nur folkloristische Lieder gespielt und die Tänzer bewegten sich um die Musiker, die in der Mitte spielten. Mit ihrem Schritt gaben sie gleichermaßen auch den Takt vor." Besonders beeindruckt war er von einem Geiger, der unter den Anwesen wahrlich für eine schiere Ekstase sorgte. "Wenn er aussetzte zu spielen und die Leute sprangen gerade in die Luft - dann hatte das schon etwas Magisches." Kein Wunder, dass Spielleute in früheren Zeiten gefürchtet waren, mit dem Teufel im Bunde zu stehen, wie Oliver findet. Er selbst habe großen Respekt vor diesem Auftritt gehabt. "Schließlich weiß man ja nie, wie es ankommt, dass du als Ausländer dich der Folklore dieses Landes bedienst", gibt er zu bedenken. Doch bei allen Auftritten in Schweden zeigten sich die Besucher der KAUNAN-Konzerte begeistert.

Unterstützung von WARDRUNA und HEILUNG

Zumal KAUNAN auch Unterstützung von prominenter Stelle bekommt: So signte das Trio bei dem norwegischen Label "By Norse", deren Flagschiff die Viking-Folk-Institution WARDRUNA ist. Der Kopf der Gruppe, Einar Selvik, erlaubte sich auf "Forn" ein Gastspiel gemeinsam mit Maria Franz (HEILUNG/SONGLEIKR). Gemeinsam interpretieren die beiden Norweger das schwedische Schäfer-Lied 'Vallat' - die tragische Geschichte eines Liebespaars, welches den gemeinsamen Sohn versteckt halten muss. "Das war aus dem Grund ganz spannend, als dass weder Einar noch Maria je auf Schwedisch gesungen haben", lacht Oliver. Eine Aufgabe, die die beiden Gastsänger hervorragend gemeistert haben.
Direkt im Anschluss an den Release der Scheibe am 13. Oktober ging es übrigens für KAUNAN mit WARDRUNA auf Europatournee. Es gab ausverkaufte Häuser und ein frenetisches Publikum, wie die Autorin in Heidelberg selbst feststellen durfte. KAUNAN schafft es eben auch hierzulande, die Leute in den Bann der schwedischen Folklore zu ziehen.

 

www.kaunan.de

Redakteur:
Leoni Dowidat

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