Interview mit WALDWIND: Laue Sommerbrise?

27.09.2010 | 08:09

Die Designoid-Metal-Kapelle rockt Giesing und erzählt über ihr neues Album, Black Metal im Allgemeinen und das Geschehen in der Szene.

Für jene, die mit Waldwind noch nicht so vertraut sind, fasst Neurg zunächst zusammen, was WALDWIND ausmacht. ''Letzendlich verbinden wir sehr viele Metalgenres, binden unter anderem gerade durch die Posaune ganz andere Elemente ein. Die Musik ist oftmals relativ hart, hat aber auch viele schöne Seiten, was sich gerade in den Songtexten wiederspiegelt, die vorwiegend von Naturthemen handeln und schön gehalten sind, was ihren Kontrast zur Musik ausmacht.''

Seit der Demo ''Blättertanz'' anno 2009 hat sich der Waldwind spürbar gewandelt. ''Auf ''Blättertanz'' waren die Songs spürbar verspielter, verlangten mehr vom Hörer ab. Jetzt sind die Songs teilweise etwas straighter gehalten, aber lassen deswegen trotzdem nicht diese verschiedenen Einflüsse vermissen. Die neuen Songs sind ausgereifter. Mit 'Steinbock' haben wir einen sehr kriegerischen Song, da es immerhin um kämpfende Steinböcke geht, dementsprechend geht er auch ordentlich aufs Maul - ein typischer Black-Metal-Song, der aber von einem Doom-Part umspielt wird. 'Rote Wälder', der zweite Song, den wir heute Abend vorstellen werden, vertritt auch neue Elemente, zum Beispiel haben wir zum ersten Mal auch eine akustische Gitarre dabei. Dann gibt es noch einen sehr ruhigen Part, wo die Posaune soviel Raum einnimmt wie noch nie, der Teil fällt dadurch auch aus dem Rahmen des restlichen Songs, bildet einen sehr starken Kontrastpunkt. Deswegen folgt auch eine Klimax mit mehrstimmigem Gesang. Wenn man also das neue Material mit ''Blättertanz'' vergleicht, geht am ehesten 'Gen Wipfel' in die Richtung, die wir nun gefunden haben.''

Der Wandel der Musik ging mit einer Veränderung in der Besetzung einher, so ist mit Murtem ein neuer Schlagzeuger an Bord. ''Ylveig hat es aus zeitlichen Gründen nicht mehr geschafft, bei uns Schlagzeug zu spielen, wobei es geplant ist, dass sie eventuell nach wie vor für die Percussion eingebunden wird. Wir haben lange nach einem neuen Schlagzeuger gesucht und mit Murtem auch einen sehr guten gefunden. Da er aus der Stoner-Rock-Szene kommt, bringt er neue Einflüsse mit, die den Sound verändern, zieht uns auf jeden Fall technisch auf ein neues Niveau. Leider ist er heute krankheitsbedingt nicht da.''

Für den verhinderten Schlagzeuger springt Latrodectus ein. ''Ich gehöre eigentlich nicht zu WALDWIND, sondern spiele bei NEBELKRÄHE, einer befreundeten Band, Schlagzeug. Wir teilen uns mittlerweile auch einen Bassisten.''

Dieser Abend ist eine Premiere, das erste volle Set, bei dem der neue Bassist Kar spielt. ''Kar hat bei den neuen Songs vom Songwriting her massiv mitgewirkt, und eine neue Spielart des Bass' eingeführt. Während der alte Bassist aus dem Hardcore- und Metalcorebereich stammte, also einen eher groovigen Bass spielte, ist Kar ein eher verkopfter Songwriter.''

Für die Lyrics hingegen ist hauptsächlich Neurg verantwortlich. ''Letzendlich kann jeder bei uns Texte schreiben, so stammt ein Songtext zum Beispiel auch von Nemrag, die Band bespricht gemeinsam, ob die Texte passen. Die Hauptaufgabe liegt eben bei mir.'' Wie schon aus dem Bandnamen leicht zu erschließen ist, spielt die Natur für WALDWIND eine große Rolle. ''Unsere Texte sind meistens naturbeschreibend, wobei ich auch versuche, stilisiert eine andere Bedeutung einzubinden. Die Natur kann also Metapher für etwas anderes sein.''

Die katholische Vergangenheit Bardauks (dem Thema Black Metal versus katholische Religion wurde sogar ein Artikel um den WALDWIND-Gitarristen in einem Schulbuch gewidmet!) spielt für die Texte der Band keine Rolle, denn: ''Diese ganze Geschichte liegt weit zurück, noch vor der Gründung WALDWINDs, deshalb gibt es für WALDWIND auch keinerlei Einflüsse in dieser Hinsicht, da ich hauptsächlich für die Musik verantwortlich bin. Man findet keine kirchlichen Choräle, auch kein Requium. Aber sobald uns jemand anbietet, in Kirchen zu spielen, wäre ich wahrscheinlich sofort dafür!''

Auch das verbreitete Klischee 'Ieh, Black Metal, Satanisten!' trifft auf Waldwind nicht zu. ''Wir sind im Prinzip kein Black Metal, das ist ein wichtiger Punkt. Wir kommen mehr oder weniger aus der Szene, weil die Songs sehr viele Black-Metal-Elemente enthalten, sei es schnelles Schlagzeug, offen und schnell gespielte Noten, die Melodienführung, der Gesang mit den Screams ... Aber wir versuchen, dieses Black-Metal-Klischee zu brechen, und das tun wir auch in jedem Song. Gerade von der Gitarre und vom Songwriting sind so viele Heavy- und Thrash-Metal-Einflüsse dabei, dass die enge Genre-Bezeichnung nicht mehr zutrifft. Deswegen haben wir gesagt, dass wir Designoid Metal spielen, um zu zeigen, dass wir nicht darauf aus sind, diesen klassischen Black Metal der Neunziger nachzuspielen, aber ebensowenig die Avantgarde-Strömung nachzumachen. Uns werden auch Folk-Elemente zugesprochen, die auch enthalten sind, ebenfalls Pagan - das ist aber Unsinn, denn wir haben keinerlei Pagan-Einflüsse, auch keine Paganer-Tradition oder etwas in der Art, bis auf den Thorshammer in unserem Logo.''

Natürlich hat jeder Künstler von WALDWIND seine eigenen Lieblingsbands, aber DAS Vorbild sucht man vergebens (abgesehen von METALLICA mit ihren großen Touren, meint Bardauk lachend), da Waldwind eben auch versuchen, Richtlinien zu brechen. So sind für Nemrag vor allem Posaunisten ein Vorbild, daneben vereinzelt auch experimentelle oder Avantgarde-Metal-Projekte. Auf keinen Fall aber SEAR BLISS, betont der Posaunist, denn obwohl sie ebenfalls eine Posaune verwenden, spielen sie einen ganz anderen Black Metal als WALDWIND. Neurg bevorzugt vor allem Black-Metal-Acts wie NEGURA BUNGET und ALCEST.'

Tourtechnisch sind WALDWIND nicht so weit wie METALLICA gekommen, aber immerhin: ''Von Allach nach Giesing ... dann noch Tölz. Insgesamt haben wir drei Gigs gespielt, den Eröffnungsgig in Tölz, ein reiner Black-Metal-Abend und eine sehr coole Erfahrung, mit so vielen Pandabären auf der Bühne zu stehen, da wir sehr aus der Reihe tanzten. Dann haben wir witzigerweise zwei Mal innerhalb von drei Monaten in Puchheim gespielt. Jetzt sind wir in Giesing, am weitesten wird es uns im Dezember nach Österreich treiben, wo wir mit BELPHEGOR spielen. Unser Ziel ist es definitiv nicht, uns in München totzuspielen, sondern auch ein wenig die Peripherie zu bespielen. Landshut steht auf dem Plan, und dann mal sehen, was kommt.'' Die Münchner Metalszene hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt, eigentlich sind es mehrere Szenen, erklärt Bardauk.

''Es gibt diese HEIDENFEST-Touren, wo zweieinhalb Tausend Menschen ins Backstage gehen, und dann solche Gigs wie heute mit bis zu hundert Leuten, wo man eher den Münchner Underground unterstützen könnte. An sich ist der Münchner Underground relativ schwach besetzt, außer in der Melo-Death-Szene, dort gibt es wiederum ein sehr starkes Bandkontingent. Abgesehen davon sind es immer die Gleichen, die man sieht. Ich weiß nicht, ob das schlecht ist, mittlerweile ist die Variabilität im Metal auch so breit, dass einfach jeder seine eigenen Leute mitnimmt und es dadurch wenige Überschneidungen gibt. Deswegen lässt sich eine Tenzenz feststellen, die in die Richtung geht, dass die Underground-Bands aussterben, einfach auch weil die Locations wegsterben.  Das ist ein Teufelskreis: Wenn immer weniger Leute kommen, sterben die Veranstalter aus, und wenn die Veranstalter wegfallen, fallen wiederum die Locations weg. Dadurch gibt es gerade für kleinere Bands immer weniger Möglichkeiten, auf bezahlbaren Bühnen aufzutreten.'' Diesem Trend versucht jedoch der Verein zur Förderung des Heavy Metal in Bayern entgegenzuwirken, und unterstützen die Konzerte von kleineren Underground-Bands. Bavarian Metal sind da ebenfall aktiv, aus der Rosenheimer Richtung. Solche ehrenamtlichen Dinge, die Leute verbinden, sind eine Möglichkeit, dem Underground etwas von seiner Stärke zurückzugeben.

Im Underground sind die einzelnen Bands auch miteinander vernetzt, die Freundschaft zwischen NEBELKRÄHE und WALDWIND ist nur ein Beispiel. ''Es gibt natürlich Kreise, wo man sich kennt. Ich bin aber immer wieder erstaunt, was für Bands es in München noch gibt, von denen ich nie etwas gehört habe.''

Redakteur:
Regina Löwenstein
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