Im Rückspiegel und Pommesgabel-Folge 233: DEVIL MAY CARE

09.11.2025 | 14:10

Wir gehen - gemeinsam mit DEVIL MAY CARE - durch die Band-Diskografie.

Viele Bands durchlaufen in ihrer Karriere dutzende Besetzungswechsel – und einige wenige sind seit ihrer Gründung unverändert. Dazu zählt DEVIL MAY CARE, eine Formation, die sich Ende 2012 in Würzburg gegründet hat und seitdem in Originalbesetzung aktiv ist. Damals starteten Tim Heberlein (Gesang & Gitarre), Lukas Esslinger (Gitarre), Moritz Hillenbrand (Bass) und Joachim Lindner (Schlagzeug) als Schülerband und standen bereits am 9. März 2012 zum ersten Mal gemeinsam auf der Bühne, um vor 30 Gästen fünf eigene Songs zu spielen. Von den ersten Akkorden, die noch deutlich im Punk Rock verwurzelt waren, bis hin zum heutigen, facettenreichen Post Hardcore hat die Band einen bemerkenswerten stilistischen Weg zurückgelegt.

Wir haben zusammen mit DEVIL MAY CARE eine Podcast-Folge aufgenommen, in der wir gemeinsam die gesamte Diskografie sowie weitere Themen besprechen. Auch über das kommende Album "Limit" haben wir ausführlich gesprochen.

DEVIL MAY CARE versteht es, Härte und Eingängigkeit auf ganz eigene Weise zu kombinieren mit einem besonderen Gespür für Struktur und Dynamik. Kollege Stefan Rosenthal schätzt besonders die feine progressive Note, trotz derer jeder Song griffig bleibt.

Die erste Veröffentlichung von DEVIL MAY CARE erschien noch im Gründungsjahr 2012: eine kleine Eigenveröffentlichung namens "… Between The Devil And The Sea", die bis heute nur in Insiderkreisen kursiert. Die darauf veröffentlichten Tracks schrieb Tim Heberlein auf der Akustikgitarre und die Band setzte sie als Rocksongs um.

Musikalisch war dieser erste Schritt allerdings noch weit entfernt vom späteren Post-Harcore-Gewand. Kein Hochglanzsound, kein Masterplan, dafür Spielfreude und Neugier. Schon ein Jahr später folgte mit "Downline" (2013) ein nächster Schritt. Klanglich noch roh, aber mit hörbarem Entwicklungsschub: mehr Verzerrung, mehr Punk Rock, erste vorsichtige Shout-Versuche und die Lust, härter und direkter zu werden.

 

Rose Of Jericho (2016)

Das Debüt von DEVIL MAY CARE mit zwölf Songs und knapp 40 Minuten Spielzeit ist stilistisch noch sehr im Punk Rock verankert – zumindest für meine Ohren. Man hört, dass die Band noch auf der Suche nach dem eigenen Sound ist. 'Antidote' und 'Last September' zeigen das Potenzial der Würzburger, demgegenüber steht mit dem Opener 'Lovers And Liars' ein Song, der mir so gar nicht gefällt. Darüber hinaus überzeugt mich der Gesang – noch – überhaupt nicht. Vor allem die Harsh Vocals sind stark ausbaufähig und wirken größtenteils deplatziert. Das macht der Instrumentalpart jedoch mehr als wett. Die Songs sind tanzbar, das Songwriting nachvollziehbar und der Spaß kommt nicht zu kurz. Für ein Debütalbum ist "Rose Of Jericho" durchaus gelungen. Stefan sieht das Album als Hommage an RISE AGAINST und kann dem Klargesang deutlich mehr abgewinnen als ich und feiert vor allem den Titeltrack des Albums. "Ich finde sowieso, dass ihr im Bereich Balladen und Akustik echt gut seid", bringt er es auf den Punkt.

Sänger und Gitarrist Tim Heberlein sieht das Debüt tatsächlich noch kritischer: "Müsste ich bewerten, würde ich vermutlich wohlwollend 4 Punkte vergeben. Und trotzdem war dieses Album der Startschuss unserer musikalischen Reise. Da wurden viele Grundsteine gelegt für uns und wir sind an diesem Album gewachsen."

 

Echoes (2019; Review)

Mit "Echoes" folgte der nächste große Schritt in der Entwicklung. Die Instrumente erzeugen den nötigen Druck. Die Gitarrenarbeit und das starke Zusammenspiel der Rhythmusfraktion schafft ein dynamisches Fundament. Dahingegen fallen die Vocals für mich nach wie vor ab, allerdings mit Ausnahmen: Vor allem der Titeltrack ist gesanglich stark und sticht somit nicht nur als Ballade aus dem Album heraus. 'The Fire' ist ein starker Song, der auch ein sehr kreatives Musikvideo bekommen hat. Lyrisch steigert sich DEVIL MAY CARE hier und verarbeitet mythologische Bilder sowie persönliche Geschichten ausdrucksstark. Kleine Ausrutscher wie bei 'Atlas' sind da durchaus verziehen. Auch das Artwork sticht für mich heraus. Den eigenen Sound hat DEVIL MAY CARE noch nicht richtig gefunden, ist aber auf einem guten Weg dahin. Stefan hört die RISE AGAINST-Einflüsse stark raus. Der Sound wird homogener und die Punk-Elemente werden fast vollständig abgelegt.

Gitarrist Lukas Esslinger erinnert sich vor allem an die Aufnahmen: "Es war das erste Mal, dass wir einen Producer hatten. Er hat unsere Songs sehr auseinandergenommen. Da wurde mächtig rasiert und das tat am Anfang ganz schön weh. Wir haben versucht, den Fokus zu finden, was diese Band ausmacht. Diese Erfahrung war unverzichtbar für uns."

 

Divine Tragedy (2021; Review)

Inspiriert von Dantes "Die Göttliche Komödie" darf "Divine Tragedy" als Konzeptalbum verstanden werden, das in elf Kapiteln die Selbstzerstörung der Menschheit thematisiert und jeweils andere Aspekte des Untergangs in den Mittelpunkt rückt. Das gelingt textlich gut, musikalisch teilweise. Man muss sich auf das Album einlassen und sollte es nicht nebenbei hören, ansonsten werde zumindest ich auf der ersten Hälfte des Albums soundtechnisch sehr herumgeschubst. Ab 'Tragedy' klingen die Songs für mich homogener und besser aufeinander abgestimmt. Die Songs für sich genommen offenbaren viele Stärken und für meine Ohren viele Einflüsse, darunter schrammelige Death-Metal-Riffs und bei 'Delirium' ein Power-Metal-lastiger Einstieg. Die Low Lights sind für mich die Ballade 'New Old Life' und das SPERLING-Feature bei 'Delirium'. Letzteres liegt einfach daran, dass ich mit Lyrics dieser Art absolut gar nichts anfangen kann. Auf der andere Seite stehen für mich das starke 'Veil Of Conspiracy' und das unfassbar starke 'Into The Abyss'. Auch den Opener 'Outcry' und 'Calm Waters' kann ich hervorheben. "Divine Tragedy" wurde mit zahlreichen Features gespickt, von denen für mich die Gesangsparts von Lela (VENUES) bei 'Tragedy' deutlich hervorstechen. Für Stefan ist das Album der Einstieg in DEVIL MAY CARE und gleichzeitig das stärkste Album der Bandgeschichte: "Es war für mich auch der Türöffner in die moderne deutsche Post-Hardcore-Szene." Dass das Album nicht homogen klingt, macht für ihn den Reiz aus "Ich höre Abwechslungsreichtum, keine Planlosigkeit. Das Album hat sein Fundament im Post Hardcore, streckt aber seine Fühler in alle Richtungen aus."

DEVIL MAY CARE selbst bezeichnet "Divine Tragedy" als das Album, mit dem sie bei ihrem Sound angekommen sind: "Da hat jeder Song seinen Platz und erfüllt einen gewissen Zweck, einen Teil der Geschichte, die dieses Album erzählt. Das haben wir da zum ersten Mal so geschafft."

 

Mandala (2023)

Nach der Standalone-Single 'The Snow' folgte eine EP. Und was für eine. Wenn mich jemand nach der perfekten EP fragen würde, würde ich definitiv "Mandala" nennen. Das Werk ist von vorne bis hinten perfekt. Das Konzept ist durchdacht. Das Artwork passt. Musikalisch ist alles dabei, was DEVIL MAY CARE zu bieten hat, und dieses Mal aufgeräumt und aufeinander aufbauend. Zudem hat jeder Song einen passenden Doppeltitel bekommen. Der Opener 'Chakra – As Long As I’m Breathing' und 'Karma – How Long' sind musikalisch perfekte Gegenparts zueinander. Bei 'Guru – God Is Dead' bekommen wir knackige zwei Minuten Abriss bester Güteklasse. Der Song geht nahtlos in 'Sherpa – Save Our Souls' über mit emotionaler Tiefe und starkem Mitsingpart und die Ballade 'Mantra – Guide Me Into Misery' rundet "Mandala" ab. Danach bitte direkt noch mal von vorne. Habe ich was vergessen? Ja, Stefans Lieblingstrack 'Himalaya – Seeing Death To Feel Alive' wächst für mich im EP-Kontext sehr stark und ist in der Mitte des Werks großartig platziert. Textlich hat jeder Song ein tiefgreifendes Thema bekommen, dem sich DEVIL MAY CARE mit dem richtigen Maß aus Emotionalität und Songdienlichkeit widmet. Paradebeispiel einer perfekten EP, musikalisches Aushängeschild der Band und endlich zünden die Vocals richtig. Auch für Stefan ist "Mandala" das Karrierehighlight der Band: "Das Niveau dieser EP als Album wäre vermutlich mein Album des Jahres."

Lukas Esslinger: "Wir waren alle ein bisschen genervt von dem Einheitsbrei, den die Metalcore-Szene rausbringt, vor allem soundtechnisch. Und wir hatten keine Lust, genauso zu klingen. Wir haben weiterhin gesellschaftskritische Themen verarbeitet, aber mit einem stark spirituellen Charakter."

 

Limit (2025; Review)

Mit dem kommenden Album "Limit" läutet DEVIL MAY CARE einen inhaltlichen Wendepunkt ein: Bisher schwang Hoffnung mit, auch wenn düstere Themen behandelt wurden, das neue Werk allerdings ist bitter, dunkel, teilweise fast schon doomig und schonungslos. "Ich habe das Gefühl, wir als Menschheit haben den Punkt überschritten, an dem wir uns hätten retten können", fasst Gitarrist Lukas Esslinger seinen Blick auf das Weltgeschehen zusammen, der das lyrische Konzept von "Limit" darstellt. Dieser finstere Ausblick in die Zukunft wurde auch musikalisch eingefangen und DEVIL MAY CARE beschreitet neue Wege: Im Titeltrack und auf meinem persönlichen Liebling 'Horizon' gibt es Blastbeats zu hören. In den Harsh Vocals gibt es mehr Variation, die den Songs gut zu Gesicht steht. 'Amen' donnert mit Samples im Glockenspiel-Charakter ordentlich rein. Etwas Aufschwung geben zumindest musikalisch Songs wie 'Downfall' und 'Mosaik', aber der vor Schwere triefende Titeltrack reißt einen wieder in die Tiefe. Das Album ist ausgereift und abwechslungsreich. Ausbrecher wie 'Caving In' und 'Let The River Run' fügen sich in das Gesamtwerk ein. "Limit" ist ein spannendes, vielschichtiges Album, das bedrohlich und imposant zugleich wirkt und den Hörer einsaugt.

Stefan: "Ich finde es schade, dass die stilistischen Ausschläge der beiden Vorgänger diesmal weniger spürbar sind. Es gibt zwar viele kleine, feine Kniffe in den Songs, aber diese wilden Ausbrüche in die Randbereiche fehlen mir hier ein Stück weit. Aber auch ich finde "Limit" stark. Die Songs kommen schnell auf den Punkt, verlieren sich nicht und machen das Album in sich sehr stimmig. 'Blossom' am Ende ist wieder typisch DEVIL MAY CARE: ein ruhiger Abschluss, der emotional nachwirkt. Das Feature mit OKLAHOMA KID bei 'Black Box' bringt eine neue Energie und zusätzliche Dynamik rein, die dem Song gut stehen. Lyrisch ist alles etwas fatalistischer und ich würde es als introspektive Schwärze bezeichnen."

Tim Heberlein: "Das ganze Album soll eine düstere Stimmung transportieren, eine Beklemmung. Es war unser Ziel, innerhalb dieser Stimmung zu bleiben. Dadurch haben wir nicht mehr so starke stilistische Ausreißer, aber wir haben dennoch viele unterschiedliche Parts eingebaut wie z.B. Drum’n’Bass."

Lukas Esslinger: "Das Album heißt "Limit", weil ich glaube, dass wir uns an genau diesem Zeitpunkt befinden. Wir sind am Limit oder vielleicht schon leicht drüber. Projiziert das auf was ihr möchtet: euch selbst, die Gesellschaft. Für mich persönlich ist der Punkt überschritten, an dem wir sagen können, irgendwann müssen wir handeln. Das kleine Wort 'irgendwann' öffnet immer die Tür in die Verdrängung. Dieser Punkt ist jetzt erreicht und das nehme ich für mein Leben mit – privat, für meinen Aktivismus, für alles. Es ist genug mit allem."

Redakteur:
Pia-Kim Schaper

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