HELMS DEEP: Alex Sciortino reitet auf Drachen
20.06.2025 | 13:05Von Raben über Drachen bis hin zu Aleister Crowley und Kung-Fu-Filmen – auf dem HELMS DEEP-Zweitwerk kann man sich auf einiges gefasst machen. Doch musikalisch schlagen Mastermind Alex Sciortino und seine Mannen klassische, in reinstem Stahl geschmiedete Hymnen an, die mit leichter Progressivität viele Parallelen zu anderen großen Bands zulassen. Vor denen braucht sich das Quartett definitiv nicht zu verstecken, denn "Chasing The Dragon" ist ein tolles, abwechslungsreiches Album geworden, zu dem der liebe Alex auch eine Menge zu erzählen hatte.
Alex, wie geht es dir, aufregende Zeiten mit HELMS DEEP, nicht wahr?
Mir geht es großartig, ja, ich hatte eine tolle Zeit mit den Jungs bei den Aufnahmen zu diesem neuen Album. Wir sind sehr stolz.
Ihr habt die Band 2017 mit der Idee gegründet, den rauen Stil der 1980er Jahre mit atmosphärischem Prog zu kreuzen. Das ist euch sehr gut gelungen. Wie kam der Kontakt zu John von RAVEN zustande, wie konntest du ihn für HELMS DEEP gewinnen?
Ich traf John und Mark nach einer RAVEN-Show in Colorado. Sie gaben mir die Nummer von Mike Heller, da ich Demos für das erste Album hatte und einen Schlagzeuger zum Anheuern brauchte. Es war Mikes Idee, John mit einzubeziehen, da sie beide gewohnt sind, zusammen zu spielen. Ich musste natürlich ja sagen.
Alex, mit Hal und Ray hast du neue Kollegen am Schlagzeug und an der Gitarre. Mit Hal wolltet ihr den Sound organischer und progressiver gestalten. War das Debüt nicht progressiv genug für dich?
Das Schlagzeug auf dem Debüt war viel moderner, als ich persönlich es für das Projekt als passend empfand. Das soll Mike nicht diskreditieren, denn er ist ganz klar ein unglaublich talentierter Musiker, aber Hal ist eher ein Speed-Metal-Neil-Peart, mit vielen progressiven Elementen, Percussion, Gongs, mehr Tom-orientierten Fills und ein bisschen lockerer. Mike war wie eine Maschine, was großartig für Tech-Death ist, oder wenn du willst, dass deine Band diesen Sound hat. Das Album mit Hal ist eher klassisch ausgefallen. Das organische Gefühl lässt es wirklich lebendiger und echter klingen, was ein Aspekt der Musik ist, den ich liebe und für dieses Album brauchte. Es wurde auch sehr wenig bearbeitet, was die unverfälschte Persönlichkeit der einzelnen Musiker einfängt und weniger quantisiert klingt.
Ray ist dein ehemaliger Gitarrenlehrer, richtig? Wolltest du generell eine zweite Gitarre, und er war die logische Wahl oder wie kam es dazu?
Ja, Ray hat mir alles beigebracht, als ich etwa dreizehn Jahre alt war, und ist seitdem ein Freund der Familie. Ich wollte zwei Gitarren auf dem ersten Album, aber Mike überredete mich zu einer Doppelspur im Stil von James Hetfield. Für dieses Album habe ich mit Ray gesprochen, weil ich es anders machen und ein Gitarrenduo auf den neuen Songs haben wollte, und er war mehr als glücklich, ein Teil davon zu sein.
Ich habe gelesen, dass durch den Wechsel zum Quartett die einzelnen Persönlichkeiten stärker in den Mittelpunkt rücken würden. Kannst du das bitte erläutern?
Grundsätzlich kann man mit einem zusätzlichen Gitarristen jetzt viel mehr interagieren. Man weiß wirklich, wer wer ist auf diesem Album. Das ist auch ein Produkt von weniger Bearbeitung. Manchmal ist weniger mehr.
Ich mochte schon "Treacherous Ways" sehr, aber auf "Chasing The Dragon" wirkt ihr noch konzentrierter, engagierter und entschlossener. Wo siehst du die musikalischen Unterschiede zwischen den beiden Alben?
"Treacherous Way" war mein erster Versuch; die Songs waren nicht unbedingt fertig, als ich Mike hinzuzog, und er drängte mich, sie zu Ende zu schreiben, indem er mir verschiedene Ideen zuwarf. Nach den Aufnahmen zu "Treacherous Ways" war ich so inspiriert und hatte mir ein immenses Wissen über Komposition angeeignet, dass ich elf weitere Songs geschrieben habe, die meiner Meinung nach viel kompletter waren. Im Grunde genommen wurde ich besser im Songwriting, haha.
Verfolgt das Album ein bestimmtes Thema außer Fantasy? Woher nimmst du die Inspiration für Songs wie 'Craze Of The Vampire', 'Flight Of The Harpy' oder 'Shiva's Wrath'?
Das Thema waren ursprünglich Drachen. Als ich alle Songs fertig hatte, zeigte ich sie einem Freund, der zu mir sagte: "Du weißt schon, dass wir das Jahr des Drachen haben, oder?", und das war so ein toller Zufall, dass ich es einfach nehmen musste. Es ist keine Rockoper, also weichen einige Songs von diesem Thema ab, aber ich fand sie großartig, und sie sollten auf dem Album sein, aber es fügt sich alles zu einer Fantasiereise zusammen, ja. Wie wir in China angefangen und in Indien geendet haben, kann ich nicht sagen, aber irgendwie funktioniert das alles. Die drei erwähnten Songs können für bare Münze genommen werden. Was die Inspiration angeht, so bieten Vampire, griechische und hinduistische Mythologie ein einzigartiges und inspirierendes Thema.
Bietet sich auf jeden Fall an. Wer oder was ist ein schwarzes Sefirot?
Dazu wäre eine Menge zu erklären, aber ich werde versuchen, es zusammenzufassen. Ein Sefirot ist ein Attribut des kabbalistischen Lebensbaums, auf den sich Aleister Crowley und viele andere in der zeremoniellen Magie beziehen. Es gibt sowohl positive als auch negative Attribute, (die mit Dämonen in Verbindung gebracht werden können). Die Farbe Schwarz ist symbolisch, und ein schwarzes Sefirot würde natürlich von den meisten als böse wahrgenommen werden, ist aber ein notwendiger Teil des Gleichgewichts der Realität. Natürlich ist das alles mit Vorsicht zu genießen, da es sich hierbei um Gedächtnisstützen des menschlichen Geistes handelt, denn die Wahrnehmung des Geistes ist es, die unsere Realität schafft. Abgefahrenes Zeug. Ich lasse mich stark von okkulten Grimoires, H.P. Lovecraft und der allgemeinen Dualität unserer Existenz inspirieren, die ein allgemeiner Trend in allen Religionen und einigen Philosophien zu sein scheint. Ich bin Agnostiker, aber ich genieße es, über alle Perspektiven zu lesen, vor allem über die, die den Verstand verbiegen und unbequem sind.
Sehr faszinierendes Thema, vielen Dank für die Ausführung! Ich finde auch die Hinzufügung von recht unorthodoxen Volksinstrumenten wie Erhu oder Tabla sehr interessant. Woher kamen die Ideen, und wie hast du Liang Wu und Cliff Hackfordon ins Boot geholt?
Da ich ein Verrückter bin, dachte ich, dass ein traditionelles chinesisches Kung-Fu-Intro die Leute bei einem Metal-Album abschrecken würde und wollte, dass es anders ist. Ich sah es vor allem als passend für ein Jahr-des-Drachen-Album. Ich liebe Kung-Fu-Filme, also hat das wahrscheinlich auch eine Rolle bei all dem gespielt. Liang Wu ist ein Freund von Ray, der live und im Studio für einige chinesische Firmen arbeitet. Ray kannte auch Cliff von einer früheren Arbeit. Ich wollte, dass 'Shiva's Wrath' eine Art indisch-klassisches Intro hat, und die Tabla bringt diese Textur mit. Dasselbe gilt für die Erhu bei 'Wing Chun'.
Auf jeden Fall sehr cool und gelungen! Besonders die Hinzufügung von Prog- und Fusion-Elementen erlaubt Vergleiche mit Bands wie SAVATAGE, CRIMSON GLORY oder SANCTUARY. Wie denkst du über diese Vergleiche?
Ich kann es irgendwie verstehen. Ich meine, ich finde nicht, dass wir jetzt wie diese Bands klingen, persönlich. Das erste Album schon eher, aber ich verstehe, dass man den Fans aus Marketinggründen etwas zum Vergleichen geben muss. Wie auch immer, ich denke, dieses Album ist ziemlich eigentümlich und lässt sich nur schwer in eine Schublade stecken. Es ist auf jeden Fall einzigartig und außergewöhnlich.
Inwieweit stehen Live-Aktivitäten auf dem Programm? Ihr wärt zum Beispiel prädestiniert für das "Keep It True"-Festival in Deutschland, meinst du nicht?
Ja, "Keep It True" hat uns jetzt schon ein paar Mal angefragt, leider bin ich im Moment schwer zu erreichen, da die Bandmitglieder alle in verschiedenen Staaten leben. Hal hat gerade Zwillinge bekommen. Mit der Arbeit wird es viel Zeit in Anspruch nehmen, die Sachen zu üben, damit wir eine richtige Show spielen können. Aber wir werden es irgendwann schaffen und der Sache wirklich gerecht werden.
Kommen wir noch einmal zu guter Letzt zu den Drachen: Wenn wir uns mit Heavy Metal beschäftigen, stoßen wir auf Drachen. Ob MALMSTEEN, DIO, RHAPSODY, AVANTASIA – und jetzt HELMS DEEP. Warum passen deiner Meinung nach Drachen und Heavy Metal so gut zusammen?
Drachen sind knallharte Fabelwesen – schuppige Monster, die fliegen und Feuer speien, Dimensionen durchqueren und Gold horten. Es gibt nur wenige Dinge, die metallischer sind als das.
Absolut! Alex, vielen Dank für die Beantwortung meiner Fragen. Ich wünsche euch alles Gute mit "Chasing The Dragon" – was möchtet ihr unseren Lesern und euren Fans noch sagen?
Wir hoffen, dass euch das Album gefällt und ihr uns auf Bandcamp und Instagram für Merch und alle HELMS DEEP-Updates besuchen könnt.
Fotocredits: Band
- Redakteur:
- Marcel Rapp
