Gruppentherapie: GOD DETHRONED - Passiondale

02.05.2009 | 08:10

Die niederländischen Ausnahme-Deather GOD DETHRONED blasen zum Gefecht. Einer Schlacht, die im Ersten Weltkrieg - vor fast 92 Jahren - in und um die flämische Stadt "Passchendaele" wütete. Sieben Redakteure unseres Magazins haben mehr als nur ein Ohr auf das Konzeptalbum "Passiondale" geworfen. Granate oder Business as usual? Die Antworten gibt es hier.






Death Metal ist nicht gerade mein Fachgebiet. Den mag ich nur, wenn zwei Dinge zusammenkommen: Das Riffing stimmt, und der Sänger kann mehr, als nur unartikuliert eine Note zu grunzen. Aber hey, das ist ja hier beides der Fall! Das Interesse ist geweckt, und die ersten Songs sind genau das: aggressiver, schneller Death Metal mit für das Genre sehr gutem Sänger. Sogar ein etwas langsamerer Teil in 'Under A Darkening Sky' sorgt für Abwechslung zwischen den aggressiven Riffattacken. Doch dann kommt die Überraschung: 'Poison Fog' ist geradezu episch mit über sechseinhalb Minuten und beinhaltet einen gefühlvollen Mittelteil und sogar klaren Gesang. Der Grund für die Abkehr von der reinen Lehre ist sicher das Weltkriegskonzept, um das sich die Texte drehen, und welches GOD DETHRONED mit mehr als nur Geknüppel angehen, auch wenn es von letzterem durchaus genug auf "Passiondale" gibt. Aber der Reifeprozess ist unüberhörbar. Der Titelsong erinnert frappierend an BOLT THROWER, hat dann aber fast einen Melodic-Death-Refrain. Davon sollten sich aber echte Deather nicht abschrecken lassen, die erwarteten Knüppel-aus-dem-Sack-Songs und -Passagen gibt es auch, doch sogar Abrissbirnen wie 'No Survivors' dürfen durch Kontrast zu melodischen Gitarrenteilen glänzen. Besonders im hinteren Teil des Albums offenbaren die Holländer ungeahnte Fähigkeiten beim Songschreiben und ein Gespür für eindringliche Melodien. Auch wenn ich immer noch Death-Metal-Laie bin, wird dieses Album sicher auch in Zukunft rotieren. Ich bin beeindruckt.
[Frank Jaeger]

'Paschendale' war schon ein geiler MAIDEN-Song, der auf einer Thematik beruht, die geradezu prädestiniert für Metal-Lyrics ist. Das hat sich wohl auf GOD DETHRONED-Throninhaber Henri Sattler gedacht und gleich die ganze neue Scheiblette dem Kriegsschauplatz geweiht. Ist ja auch, gepaart mit ordentlichem Qualitäts-Death Metal, ein wahrscheinlich runder Genuss für Ohren und Hirn, oder? Ist es! "Passiondale" ist gewohnt stark, auch wenn ich sagen muss, dass sich die Band für meine Begriffe auf dem absteigenden Ast befindet. Warum? Bereits mit dem letzten Album "The Toxic Touch" wurde der Melodiegehalt der Klampfen runtergeschraubt, und "Passiondale" setzt diesen Trend leider fort. Mein Fave "The Lair Of The White Worm" strotzte vor Wildheit an den Äxten, war aber durch und durch mit feinen Harmonien gespickt, die man heuer leider vergebens sucht. Vielleicht ist das ja gewollt. Vielleicht kann auch die heutige Mannschaft um Meister Henri nicht mehr ein solch gigantisches Meisterwerk reproduzieren. Vielleicht muss man das ja auch gar nicht.
 
Klar muss man das nicht! Ich finde es nur schade, dass man das unbestrittene Potential der Band in der Gegenwart nur noch selten an sich vorbeirauschen sieht.  "Passiondale" ist höllisch aggressiv geworden, teilweise vielleicht sogar der extremste Stoff, den die Holländer bislang veröffentlicht haben. Das ist technisch jederzeit ganz großes Kino, und auch der Unterhaltungsgehalt ist durchaus immens. Was fehlt, ist die Haftung, denn wenn "Passiondale" seine Erzählung vollendet hat, ist irgendwie wenig hängen geblieben. Wo "The Lair Of The White Worm" wochenlang rotierte, hat "Passiondale" bereits frühzeitig die Segel gestrichen. Aber ich will auch nicht permanente Höhenflüge von einer Band erwarten, die schon genug Glanzlichter gesetzt hat. Und eines ist klar: Nur weil ich persönlich etwas enttäuscht bin, ist "Passiondale" keine schlechte Scheibe. Sie ist ein weiteres Vorzeigeobjekt in Sachen Death Metal und weitere Messlatte für die unzähligen ähnlich gelagerten Bands. Sie ist sehr hart und in ihren besten Momenten extrem intensiv. Und diese Momente wünsche ich mir,im Zeichen des "White Worms" für den nächsten Output wieder häufiger.
[Alex Straka]

Obwohl ich die holländischen Nachbarn schon mehrfach während einer Livesituation für gut befunden habe, ist "Passiondale" meine erste Intensiverfahrung mit der Band. Und die hat sich gewaschen! Von Unsicherheiten aufgrund kürzlich zu verschmerzender Besetzungswechsel ist auf diesem hammerharten Album nichts zu spüren. GOD DETHRONED knüppeln sich selbstbewusst durch ihr zehn Song langes Konzept und hinterlassen dabei verbrannte Trommelfelle am laufenden Band. Mit einer ausgewogenen Mixtur aus modernem Thrash und brutalem Death Metal überzeugen sie einen Softie wie mich sofort, da trotz des durchgängig sehr hohen Tempos die Abwechslung nicht vergessen wurde. So entzückt das sechs Minuten lange 'Poison Fog' mit atmosphärischen Passagen während 'No Survivors' mit Bleifüssen durch meine Gehörgänge rattert. Blastbeats galore. Ich bin begeistert. Trotzdem. Gerade dieser kurze Longtrack belegt die außergewöhnliche Klasse der Band, denn wer erwartet nach zwei Minuten infernaler Holzhammermassage eine fast schon sphärische Überraschung mit cleanem Gesang? Apropos Gesang: Was Henri auf dieser digitalen Langrille ins Mikrofon hustet, erfüllt ebenfalls allerhöchste Ansprüche, da sein leicht kehliger, gut verständlicher Rotzgesang wie die berühmte Faust auf das noch berühmtere Auge passt. So muss das klingen, dann klappert's auch beim Nachbarn.
[Holger Andrae]

                                                     


Du liebe Güte! Was für ein Gewitter an schneidenden Riffs und packenden Melodien! GOD DETHRONED fahren für ihre neue Mission, die sich in Form eines Konzeptalbums mit den verheerenden Kämpfen im Ersten Weltkrieg in und um die Stadt Passchendaele in Flandern (Belgien) befasst, schwere Geschütze auf. Sehr präzise und auf beeindruckendem musikalischen Niveau agieren die niederländischen Musiker unter dem Regiment von Mastermind Henri Sattler (Gitarre und Gesang), der alle Kompositionen ausgeklügelt hat. Dieses hohe Level gepaart mit beißwütiger Aggressivität und packenden Melodien macht "Passiondale" zu einem Hörgenuss erster Güte. Als herausragend im Gesamtkontext des Albums erweist sich insbesondere 'Poison Fog' mit seinen rasiermesserscharfen Thrash-Riffs, viel Tempo und eloquent umgesetzten Leads. Im ersten Drittel gibt es außerdem einen tollen clean gesungenen Part und später überragende Melodien in der Endpassage. Ganz großes Audiokino! 'Drowning In Mud' mit seiner stoischen Vehemenz, den beeindruckenden Riffsalven und der ratternden Bassgitarre im Hintergrund sorgt ebenso für ein Inferno wie 'No Man's Land' mit seinem furiosen SLAYER-Solo und dem gelungen marternden Midtempo-Part, der von einem ratternden Doublebass-Teppich unterfüttert wird. 'No Survivors' startet brutal wie ein gezielter Schlag in die Kauleiste durch, bis überraschend und sehr geschickt das Tempo herausgenommen wird und in einem Midtempo-Abschnitt ausgezeichnet klingender, sauberer Gesang erklingt. So muss variabler Death/Thrash Metal klingen! Auch die übrigen Titel wären eine Einzelbetrachtung ohne Zweifel wert, was aber den Rahmen dieser Beitrags im Umfang sprengen würde. Darum gebe ich aus meiner Sicht euch folgendes Fazit mit auf den Weg:  "Passiondale" ist ein hochklassiges Death-Feuerwerk mit feinen Thrash-Momenten geworden, das kompositorisch und technisch fulminant inszeniert ist. Zudem ist dieses Werk soundtechnisch klasse in Szene gesetzt worden. Ergo: reife Leistung!
[Martin Loga]


Alles klar, ich nehme jetzt mal keine Gefangenen: Was GOD DETHRONED hier vorlegen, ist mit Sicherheit einer der gewaltigsten musikalischen Funparks, die ich seit langem gehört habe. Die Attraktionen reichen dabei von Gewohntem über Neues und lassen mit Sicherheit keine Wünsche der perversen Musikliebhaber extremer Klänge offen. Begonnen wird die kompromisslose Vergnügung mit dem knallhartem Knüppel-Autoscooter 'No Man’s Land' mit absoluter Genickbruchgarantie. Dann geht es in die schnellste und absolut thrashigste Achterbahn dieses Erdkreises, wobei gerade der dreifache Todeslooping 'Under A Darkening Sky' zu großem Staunen anregt. Natürlich darf auch die groovende Wasserrutsche im frisch angerichteten Blutbad nicht fehlen, Spritzer auf der Kleidung garantiert.

Eine kurze Pause mit den atemberaubenden Frickelkünsten der Dame mit Bart ermöglicht gerade so viel Erholung, dass der anschließende Gang durch die Geisterbahn mit lediglich vier Infarkten überstanden wird und der fiese Clown seine Abreibung von Papa allemal noch bekommt. Abgerundet wird diese Adrenalinodyssee durch einen Rundgang im Epik-Land, just neu eröffnet und so bis dato in diesem Park noch nie gesehen. Für große Augen und Ohren sorgt dabei der wunderbar melancholische 'Poison Fog', entstanden aus Versuchen zur Treibstoffoptimierung der NASA. Für den Abschluss des Tages lädt der Veranstalter zu einer die Sinne benebelnden Fahrt im zwanzigarmigen Kreiselvampir 'Fallen Empires' – Schleudertrauma inklusive. Sollte man diese grandiose Melange überlebt haben, so steht eins gewiss fest: Diese Tortur war eine einmalige Sache – wo bitte geht’s zurück zum Eingang?
[Julian Rohrer]

Wenn in einer Band gleich die Hälfte der Besetzung wechselt, ist die Aufmerksamkeit der Anhängerschaft besonders hoch: Kann das nächste Album den bisherigen Erwartungen standhalten? Bei GOD DETHRONED verhält sich das nach dem Ausstieg von Gitarrist Isaac Delahaye und Schlagzeuger Ariën Van Weesenbeek nicht anders. Im Falle von "Passiondale" bedeutet das Ergebnis einiges Licht mit kleineren Schatten. Das Positive zuerst: Der neue Drummer Roel Sanders verleiht den Holländern einen sehr viel technischeren Sound, was wohl auch der messerscharfen Produktion zu verdanken ist. Vor allem der über alles erhabene Opener 'Under A Darkening Sky' saust mit dermaßen präzisen und sensationell platzierten Blast-Wirbeln durch die Gehörgange, dass es eine wahre Freude ist. 'No Man's Land' überholt sich fast selbst, und auch im Ufta-Ufta-Takt der alten Schule wie in 'Drowning In Mud' macht der Neue eine verdammt lässige Figur.

Kommen wir zum Negativen: Ohne der neuen Dame in der Saitenfraktion, Susan Gerl, zu nahe treten zu wollen – aber der sympathische Isaac war gerade in Sachen Soli eindeutig der bessere Gitarrist. Zudem fehlen skandinavisch anmutende doppelläufige Gitarrenbögen wie zuletzt in 'On Wings Of Pestilence' oder 'The Day You Died' sowie ein dermaßen intensives Gänsehauterlebnis à la 'Away From Emptiness'. Dennoch können GOD DETHRONED diesen Umstand etwa durch den melodischen Titelsong und besonders mit dem Sechsminüter 'Poison Fog' ausgleichen, der durchaus das Potential zum Klassiker hat. Auch der hier kurz auftretende klare Gesang, untermalt von Keyboards und ebenso in 'No Survivors' anzutreffen, tut sein Übriges. Und es ist nicht so, dass das neue Duo Gerl/Sattler nicht auch tödliche Riffs servieren kann. Erwähnt werden sollen ebenso das melodische Outro und vor allem das Intro mit japanischen Sprachsamples, was vielleicht ein wenig trendig erscheinen mag, aber einem Animaniac natürlich absolut zu gefallen weiß.

Trotz ein paar Schatten überwiegt definitiv das Licht. GOD DETHRONED liefern mit ihrem vielleicht härtesten Album ein Werk ab, dem man guten Gewissens den Stempel "Technischer Death Metal im Hochglanzformat" aufdrücken darf.
[Carsten Praeg]

In der Schnittmenge aus Black, Death und Thrash Metal waren die Holländer bisher eine der wenigen großen Bands aus der ersten Hälfte der Neunziger, mit denen ich mich kaum auseinander gesetzt hatte. Es mussten erst achtzehn Jahre und neun Studioalben ins Land gehen, bis ich nun im Zuge dieser Gruppentherapie zum Erstkontakt schreite, und der erweist sich zwar nicht als großer Aha-Effekt, weil mir von Hörproben und Liveerlebnissen her an sich schon klar war, was uns erwartet: GOD DETHRONED ist eine enorm spielstarke Truppe, die in einem in der Spitze ohnehin enorm stark besetzten Genre zwar nicht unbedingt eine Sonderrolle einnimmt, sie aber nochmals erheblich verstärkt. Bärenstarkes und messerscharfes Riffing trifft auf eingängige, aber dabei keineswegs vorhersehbare oder gar flache Songstrukturen. So entsteht ein Konzeptalbum über den ersten Weltkrieg und die Schlacht von Passendale in Belgien, das wunderbar martiales Geballer der klassischen UNLEASHED- und BOLT THROWER-Schule wie bei 'No Man's Land' mit melodischeren Stücken vereint. So tauchen etwa bei 'Poison Fog' und 'No Survivors' gar vereinzelt cleane Vocals und hoch melodische Gitarrensoli auf, welche der Vielseitigkeit der niederländischen Band ungemein guttun. Auch wenn sie den einen oder anderen Old-School-Extremisten vielleicht verschrecken könnten. Sei's drum: Blastspeed wird bei 'Drowning In Mud' mit einem herrlichen Nackenbrecher-Groove vereint, welcher gar eine punkige Ausstrahlung aufweist, und beim gedrosselten Tempo und den atmosphärischen Key-Sounds im Hintergrund demonstriert 'Behind Enemy Lines' nochmals eine andere Seite des entthronten Gottes. Wie heißt es im Titeltrack so schön schaurig? "No escape from Passiondale!" Gleichermaßen gibt es hier auch kein Entkommen für den Fan melodischen Extremstahls, und selbst wer die Niederländer wie ich bisher nur am Rande verfolgt hat, ansonsten aber eine ausgeprägte Ader für Bands wie NECROPHOBIC hat, der kann hier absolut nichts falsch machen.
[Rüdiger Stehle]

Redakteur:
Martin Loga

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