Gruppentherapie: DEAD LORD - "Goodbye Repentance"

08.04.2013 | 11:23

DEAD LORD: Erdrutschsieger im März-Soundcheck. Hard-Rock-Jünger sind schon ganz heiß auf die Newcomer. Hier unsere Gruppentherapie zur VÖ.

DEAD LORD wurden erst 2012 geründet. Und sie werden die Herzen der Rockfans im Sturm erobern. Sind sie der Höhepunkt der Retrowelle aus Schweden? Sind sie das nächste große Ding? Sollen sie gehypt werden? In der Powermetal.de-Redaktion kommen sie größtenteils sehr gut an, kritische Stimmen konnten wir für unsere Gruppentherapie aber auch wieder einzufangen.



Täglich grüßt das Murmeltier, beziehungsweise die nächste Band aus Schweden, die uns breitbeinigen Classic Rock serviert und dafür allerorts kräftig abgefeiert wird. Man fühlt sich an die besten Jahre von THIN LIZZY erinnert, auch CREEDENCE CLEARWATER REVIVAL klopfen ab und zu mal an. Und so stellt man sich jeden Monat erneut die Frage: Wieso stehen wir alle auf das "alte" Zeug, das seit 40 Jahren nahezu unverändert so zu hören ist? Vielleicht weil es zeitlos ist, eine bewusste Gegenthese zum Wandel um des Wandels willen, der in einigen Genres der metallischen Welt proklamiert wird. Hier lässt sich sicherlich unentwegt weiter diskutieren, welche Art der Bedürfnisbefriedigung hinter dem Musikkonsum steht. Eines ist jedoch sicher: Wer auf Albumlänge solche Ohrwürmer produziert, die sich nicht abnutzen und den Nerv der allermeisten Soundcheck-Kollegen so ins Schwarze treffen, hat sich den obersten Platz auf dem Treppchen redlich verdient und wird am Endes des Jahres in manch einer Bestenliste auftauchen. Ich ziehe meinen Hut vor DEAD LORD und wünsche uns, dass wir diese hungrige Rockerbande alsbald auf heimischen Bühnen bestaunen dürfen. 'Hank' und 'Hammer to the Heart' lassen mich nämlich einfach nicht mehr los, ich will diese Hymnen faustreckend, moshend und und im Chor der Euphorie begießen, wie es jedem Banger Spaß machen wird.

Note: 9,0/10
[Nils Macher]

PERSIAN RISK, SCREAMER, jetzt DEAD LORD. Alle Scheiben haben in der letzten Zeit für viel Euphorie beim Soundcheck gesorgt und sie haben noch eins gemeinsam: Sie sind alle gewissermaßen Jünger der NWoBHM. Alle Platten finde ich nett, mehr aber auch nicht, stellen sie doch kaum mehr als eine leichte Variation von bereits Bekanntem dar. Sie verstehen alle ihr Handwerk, keine Frage, doch Heavy Metal besteht für mich aus mehr als nur dem Repeat-Knopf. Was bei diesen Schweden gefällt, ist vor allem das markante Organ von Hakim Krim, welches im Gegensatz zur Musik einen hohen Wiedererkennungswert hat. Und ja, 'Hammer To The Heart' ist in der Tat ein lockerer Rockhit. Zeitlos, wie Kollege Nils versucht, den Triumphzug der Musik dieser Bands zu beschreiben, ist DEAD LORD meines Erachtens aber ganz sicher nicht, für viele mag das natürlich ein Kaufargument sein. Ich zumindest halte mich in meiner Euphorie etwas zurück.

Note: 7,0/10
[Jakob Ehmke]





Vom Westen gibt es einen kräftigen Nostalgiesturm, dort, wo früher die NWoBHM herrschte und mit technischer Raffinesse sowie tollen Ohrwürmern die Welt im Sturm eroberte. Von der Ostfront kommen knackige Riffs, frische Songs und hungrige Schweden, die es mit aller Macht schaffen, von einem Besitz zu ergreifen. Am Ende prallen die beiden Naturgewalten in der Mitte aufeinander und hinterlassen rundum gute Laune. Klar, DEAD LORD erfinden das musikalische Rad definitiv nicht neu. Wenn "Goodbye Repentance" jedoch mit derart viel Herzblut und Eiern vorgetragen wird, wie es die Jungs praktizieren, darf man sich über einen derartigen Euphoriesturm nicht wundern. 'Hammer To The Heart', 'Onkalo' und 'Envying The Dead' lassen keine Wünsche offen, die mit Herzblut vorgetragenen acht Stücke funktionieren als Ganzes und entpuppen sich "nur" als weiteres Kapitel aufsteigender Schwedenmacht. Wohin man in den letzten Monaten nur sah, kamen helle Funken und Sterne aus Skandinavien und ein Ende ist wohl nicht in Sicht. Gott sei Dank.

Note: 8,5/10
[Marcel Rapp]






Der allergrößte Teil der just grassierenden Retrowelle lässt mich bislang relativ kalt. Vor allem, wenn es okkult wird und eine Trällerelfe versucht Töne zu treffen. Da marschiert der holländische Schlägertrupp ganz vorne bei meinem Desinteresse mit. Doch wenn sich eine Band von albernen Images befreit zeigt und zudem das richtige Original aus den Siebzigern als Vorbild dient, kann man durchaus mein Herz ein bisschen erobern. DEAD LORD ist genau so ein Fall. Da wird einfach frisch und frech drauflos gerockt und dabei ganz ohne Scham der dünnen Liesel gehuldigt. Und wenn man dann noch Hits wie 'Hammer To The Heart' oder 'Envying The Dead' abliefert, läuft hier nix mehr falsch. Klar, originell ist eine THIN-LIZZY-Hommage nullkommanull, aber es macht halt Spaß und läuft sogar noch ein Stück vor den ebenfalls starken GYPSYHAWK und ganz deutlich vor den zuletzt schwächelnden VANDERBUYST ins Ziel.

Note: 8,0/10
[Peter Kubaschk]


Die Frage ist gar nicht, ob THIN LIZZY oder NWoBHM, da beides ja zusammenhängt. Und natürlich kann man speziell aus der Gitarrenarbeit beispielsweise auch DEEP PURPLE oder AC/DC heraushören, wenn man will. Oder anders ausgedrückt: Auch die NWoBHM ist ja keineswegs aus dem Nichts entstanden. Classic Rock, Retro - alles richtig. Wobei der Gesang schon sehr deutlich in Richtung Phil Lynott weist. Und trotzdem fehlen gerade beim Gesang ein paar Prozentpunkte - vielleicht liegt es gerade an der fehlenden Eigenständigkeit. Ich kann mich auch nicht der Einschätzung anschließen, dass über das gesamte Album Top-Qualität abgeliefert wird. Und dieses muss ich leider feststellen, obwohl das stilistisch genau meine Baustelle ist. Klar, das sind alles sehr eingängige Songs mit prägnanten, wunderbar gniedeligen Gitarrenmelodien und 'Hammer To The Heart' ist zweifellos der herausragende Moment auf "Goodbye Repentance". Doch irgendwann muss man den Songs eine beträchtliche Gleichförmigkeit, aus der sich nur die tolle Blues-Ballade 'No More Excuses' etwas abhebt, sowie eine gewisse Seichtigkeit (Leichtigkeit auch, ja doch!) konstatieren. Das ist sicherlich Jammern auf hohem Niveau. Dennoch: Von einer nennenswerten Langzeitwirkung der Scheibe kann man eher nicht ausgehen. Daher sind acht Punkte für die schwedischen Senkrechtstarter das Höchste der Gefühle.

Note: 8,0/10
[Stephan Voigtländer]






So, dem DEAD LORD habe ich nunmehr sieben oder acht Chancen gegeben. Gerade läuft der Finalversuch. Ich habe die Öhrlein gespitzt und die Begriffe im Umfeld gespeichert: Retro-Rock, THIN LIZZY, Neuentdeckung, Großer Wurf, Schweden natürlich. Dass die vier Herren selbstredend auch optisch in den angepeilten 1970ern nicht aufgefallen wären, ist unausgesprochenes Marketinggesetz. Ich kann sagen, dass mich trotz der Vorlorbeerenkränze und der in sich stimmigen Vorbereitungen die Musik nicht aus dem Wüsten-Van fegt. Erstens gehen mir die teilweise ins Weinerliche abgleitenden Gesangsdarbietungen auf den Lenker, die im Hintergrund hochspritzenden Gitarren sind mir zu ...ähem.... piepsig, die Melodien zu sehr auf Mitgesang des Publikums ausgelegt. Oft stellt sich ja na mehreren Durchläufen eine Verflachung oder Einebnung meiner Kritikpunkte ein, und auch hier ist es ja nicht so, dass das Album mir wirklich weh tut. Da kommt die Musik, die sich Falten schminkte, zu mir, klopft mir auf die Schulter und jault: "Ey, so schlimm bin ich doch gar nicht!". "Da ist was dran" sage ich dann zur Retroschnalle, "aber ich kann mir auch ein Leben ohne Dich vorstellen, Du alte Faustreckerin mit Ansage!". Da dreht sie sich um und lacht, und ich drehe mich um und muss mir überlegen, was ich als nächstes höre und merke, dass ich eigentlich gar keine Lust auf solche Diskussionen mit Lederbauch-Musiken habe.

Note: 5,0/10
[Mathias Freiesleben]


Wie kann es sein, dass DEAD LORD mit ihren knackigen aber doch eher schlichten Rock eine satte 9,5 bei mir, dem verkopften Hornbrillenprogger mit Hang zum Plüschrock, einheimsen können? Und das auch noch, wenn ich bei den allerorts genannten THIN LIZZY als Referenz überhaupt nicht so recht auskenne? Nun, ich hab mich in der letzten Zeit durchaus von so einigen jungen schwedischen Truppen verzaubern lassen, die ihre Instrumente so klingen lassen, wie sie in den seligen Siebzigern klangen, nur mit der Aufnahmetechnik von 2013. Wer GRAVEYARD oder YEAR OF THE GOAT vergöttert, kommt eigentlich kaum an DEAD LORD vorbei. Der "back to the rock roots"-Klang ist sehr ähnlich, die Gitarren sind satt, warm und crunchig und nicht übermäßig verzerrt, die Riffs und Licks gehen ins Herz und in die Beine, das Timbre des Sängers atmet hochprozentige alkoholische Getränke und Rock 'n' Roll. Dabei ist der Bub ja noch sooo jung! 
Man muß garantiert kein LIZZY-Addict sein, um DEAD LORD zu lieben. Meine Assoziation ist hier sowieso eher STEPPENWOLF ('Because Of Spite') und CREEDENCE CLEARWATER REVIVAL oder eben GRAVEYARD ohne Hammond (vor allem die göttlich Halbballade 'No More Excuses'). Immer, wenn ich die Mucke hör, scheint mir die Sonne aus dem Arsch. Jeder, dem ich das vorspiele, ist total begeistert und ich weiss einfach nicht, wie man diese Musik besser machen könnte. Der halbe Punkt zur Höchstnote geht nur deshalb flöten, weil DEAD LORD nun mal nicht die Originale sind. Aber wisst ihr, was mir das ist? Genau. Repeat-Taste, bitte! 

Note: 9,5/10
[Thomas Becker]

Mehr zu diesem Album:

Soundcheck 03/2013

Review von Holger Andrae

 

Redakteur:
Thomas Becker

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