Gruppentherapie: AGNOSTIC FRONT - "Echoes In Eternity"
24.11.2025 | 17:07Blutdruck-Booster oder Testosteron-Überschuss?
Es ist wohl keine Überraschung, wenn eine altgediente Band den Soundcheck gewinnt. Doch wenn diese Band AGNOSTIC FRONT heißt, reibt sich doch der ein oder andere die Augen. Einer der Anhänger ist unser Jäger-Frank, der ein sehr lesenswertes Interview mit der Band geführt hat. Auch unser Tobi zeigt in seinem Hauptreview zu "Echoes In Eternity" seine Zuneigung.
Doch jenseits des Soundcheck-Teams regt sich Widerstand. Es gibt Stimmen, die man beispielsweise auch im Podcast hören kann, die von einem der schwächsten Soundchecksieger der letzten Zeit reden. Als Grund dafür wird nun weiter unten unter anderem eine eventuelle hormonelle Dysbalance angeführt. Bitte was? Lest selbst.
Echter NY Hardcore wird bei uns Soundchecksieger? Ich glaube es ja kaum! Ich dachte, mit meiner Freude an solchen Klängen stände ich hier relativ allein auf der schwermetallischen Flur. Aber nein, es gibt hier durchweg gute Noten und ich liefere nicht einmal einsam die Höchstnote ab für dieses starke, authentische, sympathische Album, das fest in der Bandhistorie steht, aber dem wandlungsfähigen Sound von Vinnie und Roger auch wieder eine feine, neue Facette hinzuzufügen vermag. Fünfzehn Lieder in weniger als achtundzwanzig Minuten, auf den Punkt, kraftvoll, dazu Lyrik mit Aussage, this is NYHC im fünfundvierzigsten Jahr des Bestehens! Amtlich!
Note: 8,5/10
[Frank Jaeger]
So ganz allein auf weiter Flur befindet er sich dann doch nicht, der Jäger-Frank. Auch bei mir standen immer schon New Yorker Hardcore-/Crossover-Bands wie CRO-MAGS, MADBALL, LEEWAY oder eben AGNOSTIC FRONT hoch im Kurs. Nur leider sind mir in letzter Zeit nicht mehr so viele Releases aus diesem Genre untergekommen. "Echoes In Eternity" klöppelt deshalb auch erstmal erfrischend und befreiend aus den Boxen, der gute alte Spirit ist immer noch da, die Riffs sägen, die Shouts treiben den Blutdruck nach oben, alles feinste Sahne - auch ohne Fischfilet.
Was mich von einer noch besseren Note abhält, ist die Tatsache, dass sich genauso schnell, wie die Begeisterung kam, auch die Abnutzungserscheinungen wieder bemerkbar machen. Die eine oder andere unkonventionelle Idee, mal ein Blick über den Tellerrand oder ein kleines augenzwinkerndes musikalisches Experiment - das hätte dieser Platte gut getan. Die Souveränität und Reife dafür sollten Roger Miret und seine Hintermannschaft ganz sicher haben. Somit hören wir am Ende doch Dienst nach Vorschrift auf "Echoes In Eternity", wenn auch auf ziemlich hohem Niveau.
Note: 7,5/10
[Martin van der Laan]
Ich stecke zwar nicht so drin in der Szene, aber auch ich kann feststellen, dass wir es auch auf dem dreizehnten Album der Jungs mit NYC-Hardcore aus dem Lehrbuch zu tun bekommen. Selbst nach über 40 Jahren werden die Gangshouts nicht leiser und diese typisch prollige Türeintreter-Mentalität zieht sich auch weiterhin wie ein roter Faden durch die Karriere. Dass es diesmal sogar zum Monatssieg reicht, kann aber bei aller Liebe nur an mangelnder Konsens-Konkurrenz und nostalgischer Verklärung liegen.
So richtig geil ist das nämlich nicht. Das liegt nicht nur an dem wasserfallartigen Überschuss an Testosteron und einem Ergebnis, welches sich nicht zwischen dicke Arme und dicke Hose entscheiden kann und mich nach mehr als zwei Songs mehr irritiert als begeistert, sondern vor allem an einem extrem einfachen und öden Songwriting, welches dazu auch noch springerstiefeltief im Klischee watet.
Einzelne Songs zu analysieren, lohnt kaum, wenn "Ideen" wie 'Art Of Silence' eh nur vierzig Sekunden dauern. Und selbst wenn sich mit 'Matter Of Life & Death' (coole Kollaboration mit Daryl McDaniels von RUN DMC) wenigstens noch eine gelungene Überraschung versteckt, reicht es am Ende doch nicht mehr für eine halbwegs ordentliche Note. Selten so einen schwachen Soundchecksieger gehört.
Note: 5,5/10
[Stefan Rosenthal]
Da ich die Band nicht aktiv verfolge, bin ich doch ein wenig überrascht, dass es mal wieder ein neues Album von AGNOSTIC FRONT gibt. Für mich als hardcoreaffine Person ist der ein oder andere Durchlauf der neuen Stücke natürlich Pflicht, obwohl ich zugeben muss, dass mir der Hardcore New Yorker Prägung immer zu dick aufgetragen ist. Die stilistischen Ausformungen aus Washington oder Kalifornien sowie vieles aus dem Bereich des Post-Hardcores taugen mir deutlich mehr.
Entsprechend schwer ist der Stand von AGNOSTIC FRONT bei mir. Daran ändert auch "Echoes In Eternity" nichts, dennoch bin ich im ersten Moment überrascht: Die Platte klingt in meinen Ohren immer wieder überraschend melodisch und eingängig. Ausschlaggebend dafür sind Stücke wie 'Sunday Matinee', die einen ordentlichen Punkrock- und Melodic-Hardcore-Einfluss aufweisen. Das taugt mir schon.
Doch das ändert nichts daran, dass AGNOSTIC FRONT hier überwiegend klassischen NY-Hardcore mit einem "wasserfallartigen Überschuss an Testosteron" (Danke Stefan für diese perfekte Beschreibung!) liefert. Natürlich ist es das, was Fans erwarten. Daher kann ich die grundsätzlich positiven Bewertungen nachvollziehen. Hinzu gesellt sich die ein oder andere spannende Überraschung wie die Kollaboration 'Matter Of Life & Death' mit RUN DMC. Das ändert für mich jedoch nichts daran, dass vor allem die zweite Hälfte von "Echoes In Eternity" absolut solide, jedoch unkreativ wirkt. AGNOSTIC FRONT verwaltet somit das eigene Erbe mit Würde, doch gibt es auch im härteren Hardcore mittlerweile junge Bands wie DRAIN, die deutlich spannender sind.
Note: 6,5/10
[Dominik Feldmann]
Ich bin hier sehr nah beim Herrn Rosenthal. Das ist dann wohl mal der schwächste Soundchecksieger der letzten paar Jahre, oder? Mich stören bei dieser Musik mehr oder weniger dieselben Elemente wie Stefan; Gangshouts sowie dieser typische mit Testosteron geboostete Gesang sind nicht mein Ding. Zudem finde ich das Konzept, Songs auf eine Laufzeit von maximal zwei Minuten zu reduzieren, fragwürdig. Wer innerhalb dieser Zeit einen Song schreiben will, der einen schlüssigen Aufbau und einen Spannungsbogen haben soll, muss schon ein großes Genie sein, AGNOSTIC FRONT ist das aber sicher nicht.
Mir kommt es so vor, als hätte man Teile aus einem längeren Song heraus geschnipselt und dann einfach als einzelnen Song gelassen. Man kann diese Teile zufällig zusammenwürfeln und es würde sich an meiner Wahrnehmung nichts ändern: eine Aneinanderreihung von Thrash-Metal-Versatzstücken, mal im Midtempo, mal schneller, gelegentlich durch ein Solo aufgepeppt. Genau, Martin, das ist mal kurz spaßig, nutzt sich aber ganz schnell wieder ab, so dass mir achtundzwanzig Minuten davon schon zu lang sind.
Note: 5,0/10
[Thomas Becker]
Aber es sind doch genau jene Gangshouts und Türeintreter-Mentalität, die mich sehr energisch aus der Herbst-Lethargie ziehen. Mit "Echoes In Eternity" hat AGNOSTIC FRONT das richtige Album genau zur richtigen Zeit am Start und tatsächlich, wer hätte gedacht, dass der gute, alte New Yorker Hardcore auf unserer Pole landet?!
Umso erfreulicher, dass dieses durch und durch gute, druckvolle und konsequent nicht nur Türen eintretende, sondern auch sämtliche Hammelbeine langziehende Album nicht nur in meinem November recht hoch im Kurs steht. Und nach sechs Jahren wird es endlich wieder laut bei AGNOSTIC FRONT, mussten Fans doch so lange wie zuletzt in den 1990er Jahren auf einen neuen Energieschub ihrer Lieblinge warten.
Doch dieses hat sich gelohnt, denn für mich ist "Echoes In Eternity" die beste AGNOSTIC FRONT-Scheibe seit "Warriors", die damals - also vor fast 20 langen Jahren - in meinem jugendlichen Leichtsinn in Dauerrotation lief. Geschmäcker haben sich seit daher gewandelt, doch meine Zuneigung zu hardcorelastigen Nippelzwickern der Marke PRO-PAIN, HATEBREED, MADBALL oder eben AGNOSTIC FRONT hat niemals nachgelassen. Willkommen zurück, Jungs - jetzt müssen nur noch Gary und PRO-PAIN nachziehen. Da wird es nach zehn (!) Jahren auch mal wieder Zeit!
Note: 8,0/10
[Marcel Rapp]
Fotocredits: Noah-Manuel Heim
- Redakteur:
- Thomas Becker





