FIXATION: Der Progressive-Metalcore-Newcomer aus Norwegen im Interview

19.11.2022 | 20:48

Im Nachgang des Summer Breeze 2022, wo ich Jonas W. Hansen, die Stimme von FIXATION kennenlernen durfte, habe ich mich mit ihm zu einem Interview getroffen. Wir sprachen über die Entstehung der Band, warum FIXATION so politisch ist, über das neue Album und ganz persönlich über Jonas' Kampf mit einer Zwangsstörung.

Wir wollen uns zum Videocall treffen, natürlich macht jedoch erstmal Zoom Probleme und ich kann mich aufgrund eines Serverausfalls nicht anmelden. Also wird umdisponiert und ein Google Meet aufgemacht. Bild und Ton stehen endlich. Jonas sitzt im Garten seiner Eltern in Tjøme, wo die Band ihren Anfang fand, und trägt lustigerweise das Outfit, das er auch beim Auftritt am Summer Breeze an hatte. Hoffentlich wurde das in der Zwischenzeit gewaschen. Aber mit diesem Gedanken will ich mich nicht lange aufhalten, sondern stürze mich direkt in das Interview, dass am Schluss eine ganze Stunde lang gehen soll. Doch wie ist FIXATION überhaupt dahin gekommen, wo die Band jetzt ist?

Die lange Geschichte von FIXATION

Foto: Sebastian LudvigsenBevor die Band 2011 gegründet wurde, lebte Jonas W. Hansen mit seinen Eltern in Belgien. Bereits damals war seine große Leidenschaft die Musik und das Schreiben von Songs, die er auch dort in einer Band ausleben konnte. Nach seiner Rückkehr nach Norwegen entschied er sich, mit ein paar Freunden die Band FADING COLOURS zu gründen. Diese Schulband mit dem, wie er selbst zugibt, kitschigen Namen bestand aus Jonas W. Hansen (Gesang, Gitarre) und Martin Gravdal (Bass), die beide heute noch bei FIXATION sind. Der Drummer der Band war ein Schulfreund von Jonas, Jørgen Smaavik. Martin konnte zu diesem Zeitpunkt noch keinen Bass spielen, sondern lediglich die Trompete, also brachte ihm die Band das gemeinschaftlich bei.

Den Namen FADING COLOURS hatte jedoch bereits eine andere Band inne. Also musste ein neuer Name her! Jonas orientierte sich hierbei an seinem großen Vorbild, der Band MUSE. Diese hatte damals gesagt, sie hätte ein Wort zu ihrem Bandnamen gemacht, weil dieser auf den Festivalplakaten am größten sein würde. Also stöberte er durch ein paar Liedtexte (von MUSE natürlich) und fand das Wort "Fixation" im Song 'Time Is Running Out'. Als er dann feststellen durfte, dass es keine andere Band mit diesem Namen gab, war FIXATION geboren.

Nach dem Übertritt in die Highschool traf FIXATION auf Martin Selen, der zu dem Zeitpunkt jedoch noch in einer anderen Band war. Die Bands verstanden sich gut und spielten ein paar Mal zusammen und so kam es, dass Martin schließlich zu FIXATION wechselte. Kurz darauf traf Jonas das letzte heutige Mitglied der Band, Tobias Osterdal, die zweite Gitarre auf einer Aftershowparty. Die beiden verstanden sich sofort, da sie beide Fans von MUSE waren und so kam es, dass Tobias auf ein paar Shows von FIXATION als Guitar-Tech unterstütze und 2015 der Band beitrat. Der Sound der Band war damals jedoch ein ganz anderer. Viel poppiger als heute, vergleicht Jonas ihn mit dem Sound von 30 SECONDS TO MARS. Ihr größter Song damals: Eine Version von 'Qui vivra verra'. Davon finden sich heute noch Spuren auf Tobias' Instagram.

2016 verließ Jørgen Smaavik die Band und FIXATION machte Tabula Rasa. Man hatte bereits vorher einige eigene selbstgeschriebene Songs im Repertoire, die jedoch alle in die Mülltonne wanderten, da sich der persönliche Geschmack der Mitglieder in eine andere Richtung entwickelte. Es wurde mehr härtere Musik gehört. BRING ME THE HORIZON, ARCHITECTS und NOTHING BUT THIEVES waren jetzt Inspirationen. Die eigene Musik sollte diesen Vorbildern folgen und auch härter werden und krassere Riffs aufweisen können. Hier begann die Arbeit an den Songs, aus denen später die Debüt-EP "Global Suicide" werden sollte.

Als die Band dann gemeinsam nach Oslo zog, bahnte sich die erste Krise an. Bis 2018 lebten Jonas, Martin Selen und Tobias zusammen, hatten jedoch musikalisch die unproduktivsten Jahre in der Geschichte der Band. Mit Mats Klevar Holm konnte FIXATION zwar 2017 in einer Musiker-Gruppe auf Facebook einen neuen Drummer finden. Jedoch war die Band trotz stetiger Weiterarbeit nicht mehr so produktiv wie vorher. Es fühlte sich an, als ob sich die Band langsam auflösen würde, als ob es vielleicht doch nicht zum großen Erfolg kommen sollte. Also rissen sie sich am Riemen und entschieden, wenigstens das zuvor erarbeitete Material endlich aufzunehmen und als EP zu veröffentlichen. Das konnte die Band auch alleine stemmen, denn Tobias Osterdal studierte Musikproduktion und übernahm die Aufnahme und Produktion der ersten EP, die sie, mit Ausnahme des Schlagzeugs, auch in ihrem eigenen Studio aufnahm.

Die Veröffentlichung startete mit der Single "Neurosis", die zur großen Verwunderung der Band auf einigen Playlists landete und so wirklich explodierte. Die Streamzahlen schossen in die Höhe. Zur gleichen Zeit hatte eine Freundin dann glücklicherweise ein Praktikum bei Indie Recordings und schlug dem Label die Band vor. Was dazu führte, dass sie bereits eine Woche später den Vertrag auf dem Tisch liegen hatte. Mit professioneller Unterstützung ging es von da an nur noch bergauf für FIXATION. "Global Suicide", die Debüt-EP, wurde 2020 veröffentlicht und kam sehr gut an.

Nach dem Release der EP verließ Mats die Band, da er sich mit seiner Familie außerhalb von Oslo niederlassen wollte. Trotzdem arbeitete FIXATION weiter an neuen Songs für ein Debüt-Album. Unter anderem ging es diesen Januar zum Schreiben und Aufnehmen eine ganze Woche ins Studio. Im Zuge dessen entstand auch die Single "More Alive", die im Mai 2022 veröffentlicht wurde. Für die Single und das neue Album macht FIXATION sogar noch mehr selbst, auch das Mixing wird hierfür von Tobias übernommen. Nur das Mastering übernimmt Morgan Nicolaysen, der auch für "Global Suicide" schon mit an Bord war.

'More Alive' und der Großteil der weiteren Songs auf der Single wurden innerhalb eines Tages in der Studiowoche "voll im Flow" geschrieben und darum entschied sich die Band, diese direkt zu veröffentlichen. Hierfür ist Ola Dønnem am Schlagzeug, der seit Mats die Band 2020 verließ, der Session-Drummer für FIXATION ist. Aktuell befindet sich das Debüt-Album in den finalen Schritten des Mixings und Masterings und soll im ersten Quartal 2023 über Indie Recordings veröffentlicht werden.

FIXATIONs Kampf für Gerechtigkeit und gegen eigene Dämonen

Die Texte von FIXATION sind politisch, weil die Texte der Vorbilder und Inspirationen der Band es auch waren. MUSE und andere Bands haben alle etwas über den Stand unserer Gesellschaft zu sagen. Durch diese Bands entwickelte sich damals bei Jonas ein politisches Interesse und jetzt setzt er das in den Texten, die er für FIXATION schreibt, um.

"Es frustriert mich sehr, dass es so viel Ungerechtigkeit in vielen Teilen der Welt gibt. FIXATION ist ein guter Weg, diese Frustration raus zu kriegen. Es ist eine große Erleichterung für mich, darüber zu singen."

Geschrieben werden die Liedtexte von Jonas, die anderen Bandmitglieder stehen, wie Jonas sagt, jedoch ebenfalls hinter den dort vertretenen Positionen. Er ist der Meinung, dass er das Privileg hatte, in Norwegen aufwachsen zu können und mit guten Werten erzogen wurde. Deshalb kann er die Ungerechtigkeit in anderen Ländern erkennen und möchte das öffentlich machen und gleichzeitig seine Frustration ausdrücken. Das galt übrigens schon für die ersten Werke: Das Thema des ersten Albums rund um 'Qui vivra verra' war eine dystopische Zukunft, wo alles schief gelaufen war.

"Ich möchte einfach, dass mehr Menschen verstehen, dass es das Wichtigste in der Welt ist, dass jeder er selbst sein kann und alle die gleichen Rechte haben."

Auch konkrete politische Ereignisse beeinflussen die Texte von FIXATION. 'Stay Awake' entstand als Reaktion auf den Sturm auf das US-Kapitol am 6. Januar 2021.

"Es hat mich sehr genervt, das in den Nachrichten zu sehen. Das wollte ich einfach loswerden und dann kamen mir die Lyrics für 'Stay Awake' in den Sinn."

Auch der russisch-ukrainische Krieg wird in Zukunft das Textschreiben beeinflussen. Auf das Debüt-Album hatte er keinen Einfluss, da die Texte dafür bereits fertig waren, als der Krieg begann. Trotzdem machen viele Lieder der Band auch in Anbetracht dessen Sinn.

"Wir haben viele Songs über das Ausnutzen von Macht, das war immer schon ein Thema für mich. Menschen wie Putin oder Trump, die ihre Macht in schrecklichen Arten und Weisen nutzen, um in der Welt aufzusteigen, werden immer ein Thema bleiben."

Foto: Martin GravdalVon der großen weiten Welt geht es aber auch oft zurück in den eigenen Kopf. In 'Claustrophobic' thematisiert Jonas seinen Kampf mit einer Zwangsstörung.

"In der schlimmsten Zeit meines Kampfes mit der Zwangsstörung wollte ich vor mir selbst wegrennen, das ging aber nicht. Ich war klaustrophobisch in meinem eigenen Körper. Ich dachte immer schon, dass ich das habe, darum bin ich zu einem Psychologen und habe die Diagnose bekommen. Das hat mir sehr geholfen. Außerdem habe ich eine Behandlung bekommen und gelernt, wie ich damit besser umgehe. Es wird immer ein Teil von mir bleiben, aber es ist kein so großes Problem mehr, wie zu dem Zeitpunkt, als ich den Song geschrieben habe."

Noch verschiedener: Das neue Album

Auch ein paar Details über das neue Album konnte Jonas mir verraten. Das soll eine noch größere musikalische Bandbreite abdecken als die bisherigen Werke. So sollen sich die Songs untereinander noch mehr unterscheiden, aber auch innerhalb der einzelnen Songs sollen noch mehr verschiedene Parts vorkommen. Jonas erzählt von einem harten Song, der jedoch durch ein wunderschönes Violinsolo von JENNY ZETT aufgelockert werden soll. Vom poppigen Festival-Song bis hin zu einer Ballade mit hartem Finale soll es auf dem Album alles geben.

"Ich denke, es ist ein sehr abwechslungsreiches Album, aber es hat die gleiche allgemeine Dynamik, die es wie FIXATION klingen lässt."

Bei den Themen bleibt sich FIXATION ebenfalls treu. Im schwungvollen und gitarrenlastigen Song 'Violent Tendencies' sollen die vielen Schul-Schießereien in den USA kritisiert werden.

"Der Song thematisiert dieses: Hey, erkennt ihr nicht, dass nichts, was ihr bis jetzt getan habt, funktioniert? Ihr sagt immer, das wird nicht nochmal passieren. Und dann passiert es wieder und wieder. Und eine Woche nachdem ich die Lyrics fertig hatte, ist es wieder passiert."

Die Band möchte für kommende Alben einen Weg bereiten. Es soll ein Punkt sein, von dem aus sie sich in jede Richtung weiterentwickeln und weiter zwischen den Genres balancieren kann. Darum wird viel ausprobiert bei FIXATION.

"Jetzt ist die beste Zeit, um zu experimentieren, was wir mögen und was wir spielen wollen.''

Wir können auf jeden Fall gespannt sein, was FIXATION im nächsten Jahr für uns zu bieten hat. Neben dem Album wollen die Jungs natürlich auch gerne auf Tour durch Europa gehen. Hier gibt es jedoch noch keine konkreten Pläne. Wer FIXATION noch nicht kannte, sollte die Zeit bis zum Album nutzen und dringend mal in die EP "Global Suicide" reinhören.

Zuletzt hat Jonas noch eine Nachricht an alle deutschen Fans:
"Ich denke, die deutschen Fans sind großartig. Wir haben eine Menge toller Kommentare und Nachrichten von ihnen bekommen, nach dem Summer Breeze und davor. Viele Leute haben sich gemeldet und gesagt, dass sie es lieben. Ich weiß das wirklich zu schätzen. Ich selbst liebe Deutschland. Ich war im Laufe der Jahre sehr oft dort, da ich in Belgien gelebt habe. Eigentlich bin ich in den Niederlanden geboren worden, aber das erste Jahr meines Lebens haben wir in Deutschland gelebt. Es war also schon immer ein Land, das mir sehr am Herzen lag, und wir können es kaum erwarten, wieder dorthin zu reisen."

 

Foto-Credits: Das obere Bandfoto stammt von Sebastian Ludvigsen, das untere Foto aus dem Studio von Martin Gravdal.

Redakteur:
Noah-Manuel Heim

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