AEGROR: Abyssus über Epik und Schwärze
14.07.2025 | 20:44Unverhofft kommt oft - und plötzlich hat man eine sehr sympathische Anfrage einer Band im Postfach, beschäftigt sich näher mit diesen episch-finsteren, beinah schon hypnotisierenden Klängen und ist förmlich begeistert vom Gehörten. Genau das ist im Falle von "Reign Of Disease", der nunmehr dritten Scheibe aus dem Hause AEGROR, der Fall gewesen. Und während mich diese schwarze Magie in den Bann zieht, stellen sich mir Fragen über Fragen. Wie schön, dass Gitarrist Abyssus sich dieser auch annimmt. Vom DIY-Thema über Island bis hin zum Plaguebreeder ist alles dabei!
Hallo Abyssus und vielen Dank, dass wir dir einige Fragen zum aktuellen Band-Geschehen stellen dürfen. Wie geht es dir? Ziemlich aufregende Tage für AEGROR, oder?
Hallo Marcel, an erster Stelle möchten wir uns für die Möglichkeit des Interviews bedanken!
Mir geht es super, auch wenn ich mich jeden Tag frage: Passiert das gerade wirklich? In der Tat, eine wirklich aufregende Phase im Moment. Wir haben so viel Zeit in unserem "stillen Kämmerlein" verbracht – unserem Studio auf dem Dachboden einer alten Scheune auf einem ehemaligen Bauernhof bei Kerken und plötzlich ist man mit Blastbeats irgendwo in den Spotify Charts – so richtig realisiert habe ich das aber immer noch nicht.
Schande über mein Haupt: Euch gibt es schon seit 2009, aber erst jetzt bin ich auf AEGROR aufmerksam geworden. Was bedeutet AEGROR denn und was waren – neben den Albumveröffentlichungen – für dich als Gitarrist die wichtigsten Eckpfeiler der bisherigen Historie?
Das macht gar nichts, ich freue mich, dass wir uns jetzt hier auf diesem Weg kennenlernen.
Da gab es viele Herausforderungen, aber auch vieles, was man sich als Musiker für die eigene Bucketlist wünscht. Ich fange mal mit der Namensgebung an: AEGROR bedeutet "Krankheit" und kommt aus dem Lateinischen. Die Namensgebung spiegelt sich, wer hätte es gedacht, auch in unseren Texten oder Designs wider. Wir erzählen Geschichten voller Horror und Wahnsinn rund um unsere fiktive Figur "Plaguebreeder" - ein Wesen aus einer anderen Dimension, das sich mittels Krankheiten in die menschliche Welt drängen will. Auf metaphorischer Ebene spiegeln die Texte teilweise Krisen, Pandemien und Ereignisse aus unserer realen Welt wider.
Ich bin 2012 bei AEGROR eingestiegen, nachdem sich meine vorherige Thrash-Metal-Band aufgelöst hat. AEGROR hat sich damals, wie heute, immer nach einer persönlichen Weiterentwicklung für mich angefühlt. Das liegt zum einen an den technischen Aspekten der Gitarrenarbeit, als auch an der gesamten Professionalität und dem Auftreten des Projekts.
Mein erstes Highlight waren die Aufnahmen zu der "Forgotten Tales"-EP, wo ich das erste Mal ein richtiges Studio betreten habe, das hat sich einfach großartig angefühlt und das Ergebnis auch.
Im weiteren Verlauf habe ich parallel zur Band und Beruf beim HOFA-College ein Studium als Audio-Engineer begonnen und habe mein erlerntes Wissen bereits in der Pre-Production von "Dead Man’s Diary" und nun in vollem Umfang bei "Reign Of Disease" einbringen können. Das nächste Highlight war dann der Plattenvertrag mit STF-Records zum Album "Dead Man’s Diary" und der anschließenden Veröffentlichung und den nachfolgenden Shows.
Hier kommen wir dann leider auch zu den Herausforderungen. "Dead Man’s Diary" war im ersten Schritt ein absolutes Highlight und hat sich dann zu einem Wendepunkt in unserer Geschichte entwickelt. Es gab massive Differenzen in der Band wie es weitergehen soll - ein Teil der Band wollte mehr, ein Teil wollte weniger, einem Teil war es gleichgültig. Mit dem Austritt von Gründungsmitglied Mithyr (Drums + Texte) haben wir es nochmal mit einem anderen Drummer versucht, vergeblich. Letztlich waren wir uns dann in so vielen Punkten uneins, dass nur noch Gründungsmitglied Narthaas (Vocals/Gitarre im Studio) und ich (Gitarre) übriggeblieben sind.
Danke dir! Grob würde ich euch in den Post Black Metal mit einigen Death-Metal-Elementen einordnen. Höre ich da ein paar AGALLOCH-, ALCEST- und ENSLAVED-Einflüsse heraus? Welche Bands hatten für euch die größte Bedeutung bzw. den meisten Einfluss?
Ganz schwere Frage! Wir tun uns selbst immer sehr schwer damit uns musikalisch irgendwo einzuordnen, ich würde dir aber insgesamt zustimmen, Post Black Metal passt schon irgendwie. Ich höre grundsätzlich gerne Musik, die mit Instrumenten gespielt wird, nicht ausschließlich Metal, aber gerne Metal und dann auch tatsächlich ALCEST, 1914 oder DER WEG EINER FREIHEIT. Narthaas ist die eigentliche Finsternis in der Band und mit den Ohren im Atmospheric Black Metal unterwegs. Musikalisch geprägt hat uns aber der Metal der 80er und 90er Jahre - von SATYRICON über SLIPKNOT bis PANTERA.
Nun steht mit "Reign Of Disease" euer neues, nunmehr drittes Album an. Leider hat es stolze acht Jahre gedauert, bis der "Dead Man’s Diary"-Nachfolger eingetütet werden konnte. Woran lag das?
Das lag zum einen an der Beinahe-Auflösung der Band nach "Dead Man‘s Diary", aber auch an persönlichen Dingen. Wir brauchten am Anfang eine gewisse Zeit, um zu realisieren, dass wir AEGROR fortan nur noch als Duo fortführen wollen. Hinzu kamen berufliche Veränderungen bei uns beiden, als auch eine Kernsanierung einer Immobilie – so mussten wir den Prozess immer wieder unterbrechen und haben eigentlich die letzten anderthalb Jahre erst richtig Dampf in die Sache gebracht.
Höre ich beide Alben direkt nacheinander, merkt man den Sprung, den ihr in dieser Zeit gemacht habt. Die Songs wirken griffiger, das Songwriting ausgefeilter. Worin liegen für dich die musikalischen Unterschiede zwischen eurem zweiten und dem aktuellen Album?
Der Unterschied liegt schlicht in der Besetzung. Wir haben auf diesem Album zu zweit keine Kompromisse im Songwriting machen müssen und nur Sachen verwendet, die wir zu 100% auf dem Album haben wollten. In der alten Besetzung mit fünf Personen mussten viele Kompromisse gemacht werden, damit alle zufrieden waren – den Unterschied hört man. Zudem wollten wir auch bewusst einen Stilwechsel herbeiführen, weg von Technical-Death-Elementen in Richtung Atmosphäre/Epik, das hat meiner Meinung nach sehr gut funktioniert.
Unglaublicherweise ist speziell Island auf den AEGROR-Zug aufgesprungen. Woher glaubt ihr kommt da der Schwung aus dem hohen Norden?
Ganz ehrlich: keine Ahnung! Als ich die erste Benachrichtigung von Spotify gesehen habe, habe ich an einen Systemfehler geglaubt. Mittlerweile waren wir auf mehreren Plätzen in Island und auch in Estland in den Spotify Top 50 Charts vertreten (vor Billie Eilish oder Sabrina Carpenter)… ja okay, es waren jeweils nur ein paar Tage, dann sind wir wieder rausgeflogen, aber ein Systemfehler ist nun wohl ausgeschlossen. Ich habe mich bemüht, dass wir in die ein oder andere Playlist bei Spotify kommen und die Szene im Cold North hat das wohl angenommen und ist ja bekanntermaßen unheimlich affin für diese Art von Musik. Alles in allem würde ich sagen, es ist eine Mischung aus Glück, administrativer Arbeit und dem Vorteil, dass die Länder vergleichsweise klein sind und keine so monströsen Streamingzahlen für die Charts benötigt werden.
Das Album ist eine lupenreine DIY-Veröffentlichung – kein Label, keine professionelle PR, alles selbst aufgenommen, gemixt und gemastert. Welche Vorteile hat das für euch im Speziellen? Niemand, der euch reinreden kann?
Es ist eine Frage der Möglichkeiten und auch des Budgets. Ein Label hatten/haben wir nicht und von STF-Records gab es bis heute keine Rückmeldung zu "Reign Of Disease". Dann stellten wir uns die Frage, ob wir mit unserem Material in einem Mail-Postfach eines Labels verschwinden wollen oder es einfach releasen. Wir haben es einfach gemacht und ich glaube, es war für uns der richtige Weg. Vermutlich hätten wir bis heute noch keine Rückmeldung, ob jemand mit uns arbeiten möchte und das ist ja auch verständlich, bei der Mailflut, die bei den Labels eingeht. Ansonsten hat so ein DIY-Release nur den künstlerischen Vorteil der zeitlichen und kreativen Flexibilität, der Rest ist bei zwei Personen in der Band doch schon relativ herausfordernd (administrativ und budgetär). Fakt ist aber, wir würden sehr gerne mit einem Label zusammenarbeiten, da unser Potenzial noch lange nicht am Ende ist.
Aber birgt diese Herangehensweise nicht auch Nachteile, dass aus Zeitknappheit nicht das gesamte Potential der Platte ausgeschöpft werden könnte?
Ich würde sagen, wir haben uns mehr als genug Zeit mit der Musik gelassen. Irgendwann ist man betriebsblind und verschlimmbessert gegebenenfalls nur noch. Der Nachteil liegt hier eher nachgelagert in der Administration der ganzen Themen. Das fängt bei Social-Media an und hört im Presswerk auf. Aber die Musik an sich hat dadurch nicht gelitten würde ich sagen.
Das Artwork ist großartig – wer hat es entworfen? Und verfolgen Artwork und Platte ein spezielles Konzept, einen roter Faden, der sich durch das Album zieht?
Danke dir! Ich habe mich um das Design gekümmert. Allerdings muss ich gestehen, ich hatte Hilfe von einer künstlichen Intelligenz und meiner Frau, die etwas von Design versteht. Das gilt auch für unser Lyric Video zum Titeltrack.
"Reign Of Disease" ist ein absolutes Konzeptalbum und es gibt eine klare Verbindung zwischen dem Design und den Texten. Dieses Album handelt davon, wie der "Plaguebreeder" sämtliche Instanzen und Schlüsselpositionen auf der Erde infiltriert und unterwirft. Am Ende sitzt unsere Horrorfigur dann auf dem Thron und niemand vermag sich ihr zu widersetzen.
Ein Blick auf die Trackliste wirft die Frage auf, ob es Zufall war, dass alle Songtitel nach dem "X of Y"-Schema entworfen wurden…?
Genau und das ist absolut beabsichtigt. Es beschreibt die einzelnen Phasen und Schritte, die der "Plaguebreeder" bis zu seiner finalen Herrschaft geht. Im Prozess haben wir mit Soul 1, Soul 2, Soul 3… als Tracktitel gearbeitet, denn es wird eine Seele nach der anderen vereinnahmt.
'Metamorphosis' weicht von diesem Schema ab, da es der erste Track war, den wir als Duo geschrieben haben - deshalb ist dieser als Bonus auf dem Album. Hier wird beschrieben, wie es der "Plaguebreeder" durch die Story von "Dead Man’s Diary" in unsere Welt geschafft hat und dann auf "Reign Of Disease" die Möglichkeit hat sein Unwesen zu treiben. Natürlich hat die Band in der Zwischenzeit ebenfalls eine gewisse Verwandlung erlebt – daher fanden wir den Namen passend.
Man könnte meinen, dass der Track 'Statesman Of The Damned' ein Seitenhieb gegen die heutigen Regierungsspitzen sein könnte. Ist dem so?
Die Texte sind tatsächlich schon locker drei bis vier Jahre alt, wer hätte gedacht, dass wir heute den Nagel damit so auf den Kopf treffen? Man kann unser Album auch metaphorisch lesen und den "Plaguebreeder" mit dem Schlimmsten vergleichen, was die Menschheit je hervorgebracht hat: Gier, Neid und Hass. Denn dort, wo diese Dinge herrschen, ist es der "Plaguebreeder". Manchmal glaube ich wirklich, in den Regierungshäusern dieser Welt ist der "Plaguebreeder" am Werk.
Mit 'Servant Of The Dead' habt ihr einen richtigen Brocken mit achteinhalb Minuten gleich an die zweite Stelle gestellt – ein Song, der die Atmosphäre nochmal richtig verdichtet. War das so beabsichtigt? Normalerweise finden wir Longtracks ja eher in der Mitte oder am Ende einer Platte.
Wir haben uns da komplett von unserer Story leiten lassen, denn der "Plaguebreeder" braucht eine riesige Armee, um seine Pläne zu verwirklichen – das dauert! Wir wollten diesen Song dazu nutzen, um in die Stimmung und Szenerie eintauchen zu können. Aber ja, der ist wirklich lang geworden!
Ihr plant schon die ersten Shows für 2026. Aber was ist für den Rest von 2025 noch geplant? Was halten die kommenden Monate für euch bereit?
Wir sind gerade dabei Freunde, Bekannte aus der Szene oder Session-Musiker für unsere Auftritte zu gewinnen und danach müssen wir natürlich erstmal reichlich gemeinsam proben, damit wir in der Show und Performance sattelfest sind. Zusätzlich möchten wir dann, wenn möglich, Gespräche mit Labels führen, um das Projekt weiter voranzubringen.
Abyssus, Hand aufs Herz – wird es erneut so lange dauern, bis AEGROR wieder mit neuer Musik an die Öffentlichkeit tritt oder kommt nun auch in Sachen Quantität Schwung in die Sache? Oder will gut Ding schlichtweg Weile haben?
Wenn es nach uns geht, wird es viel schneller gehen. Das hängt auch ein bisschen davon ab, wie es nun weitergeht. Können wir etwas mit einem Label aushandeln, werden wir sicherlich auch eine Deadline bekommen und es muss schneller gehen. Wir möchten jetzt für eine gewisse Zeit auf die Bühne und unser Album promoten, aber mit Sicherheit wird es nicht mehr so lange dauern wie bei "Reign Of Disease". Ein Stück dieser langen Zeit mussten wir auch erstmal den "Sound" von AEGROR 2.0 (er)finden - jetzt haben wir alle Settings als Vorlage für das nächste Recording und können Ideen schnell im richtigen Sound aufnehmen.
Mein Lieber, ich danke dir sehr für die Beantwortung meiner Fragen und wünsche euch alles erdenklich Gute mit "Reign Of Disease"! Was möchtest du unseren Lesern und euren Fans noch mit auf den Weg geben?
Ebenfalls herzlichen Dank für das Interesse und die sehr guten Fragen!
Was ich unbedingt loswerden muss:
1. Danke an alle Leserinnen und Leser bei POWERMETAL.de!
2. Danke an unsere Fans und Follower für die Loyalität in dieser langen Pause. Ihr habt selbst bei größter Inaktivität unsererseits nicht abgelassen und uns nun auf ein völlig neues Niveau "gehört"!
3. Unser Album wird im ersten Schritt ausschließlich digital und als 100er Vinyl-Auflage (handnummeriert) verfügbar sein. Der Vorverkauf wird bald auf unserem Bandcamp-Account starten. Eine kleine Besonderheit kann ich aber schon mal in Aussicht stellen, es wird auch eine limited Box geben mit zusätzlichen Extras.
4. Danke an POWERMETAL.de, dass es euch gibt!
Fotocredits: 1. Aegror GbR, 2. Heike Leppkes
- Redakteur:
- Marcel Rapp