Kommissarin Lund - Das Verbrechen. Staffel I
- Regie:
- Birger Larsen
- Jahr:
- 2007
- Genre:
- Thriller
- Land:
- DK, DE
- Originaltitel:
- Forbrydelsen
1 Review(s)
20.10.2013 | 12:22Thriller-Marathon: 1000 Minuten Krimispannung
Kommissarin Sarah Lund sucht den Mörder der 19-jährigen Schülerin Nanna Birk Larsen. Die Ermittlungen führen die Kommissarin, die kurz vor ihrem Umzug nach Schweden steht, und ihren bereits ernannten Nachfolger Jan Meyer in ein Labyrinth von Irrwegen und Geheimnissen.
Die außergewöhnlich brutale Tat verändert nicht nur das Leben der Familie des Opfers, sondern auch das der Kriminalbeamten und zieht Kreise bis in die Politik. Steckt hinter dem Verbrechen ein politisches Motiv oder sind Nannas private Verstrickungen die Ursache? Sarah Lund wird Kopenhagen nicht verlassen, bevor sie hinter die dunklen Machenschaften der Beteiligten und Nannas düsteres Geheimnis gedrungen ist. (Filmstarts.de)
Filminfos
O-Titel: Forbrydelsen I (DK/D 2007)
Dt. Vertrieb: Edel Germany
EAN: 4029759000389
VÖ: 02.10.2009
FSK: ab 16
Länge: ca. 1000 Min.
Regisseur: Birger Larsen
Drehbuch: Sören Sveistrup
Musik: Frans Bak
Darsteller: Sofie Gråbøl (Sarah Lund), Sören Malling (Janne Meyer), Lars Mikkelsen (Troels Hartmann), Bjarne Henriksen (Theis Birk Larsen), Ann Eleonora Jörgensen (Pernilla Birk Larsen) u.a.
Handlung von Folge 1 (von 10)
1. November
Sarah Lund hat bereits die Koffer gepackt, um ihrem Verlobten Bengt Nilsson von Kopenhagen nach Schweden zu folgen. Da erhält sie einen Anruf von ihrem Noch-Chef Bughart, der sie einen Tatort ruft. Zunächst ist es bloß ein Fundort in einem Moor in der Einflugschneise des Flughafens, dann sucht man auch in einem nahen Wald - keine Spur von der Frau, die zu dem gefundenen Slip gehört. Bis Sarahs Blick einem Pulk von Kindern folgt, die zum Angeln radeln. Und siehe da: Keiner der schlauen Polizisten hat daran gedacht, in dem nahen Kanal zu suchen. Was die Taucher finden, ist ein dunkelblauer Kombi, auf dessen Ladefläche die gesuchte Frauenleiche gefesselt liegt. Wie sich herausstellt, lebte sie noch, als der Wagen ins Wasser gerollt wurde...
Der Videothekenausweis, der neben dem Schlüpfer lag, gehört dem Vater der jungen Frau, dem Umzugsspediteur Theis Birk Larsen. Erst als deren Freundin Lisa nach der Verschwundenen fragt, erfährt er durch seine Frau Pernilla vom Verschwinden Nannas. Lisa und Nanna sind Schülerinnen am Gymnasium Frederiksholm in der Innenstadt. Als Theis Larsen bei Nannas Exfreund Oliver nachschaut, findet er in dessen Bett zwar ein nacktes Mädchen, aber es ist das falsche.
Sarah Lund und ihr neuer Kollege Janne Meyer, der sie eigentlich ablösen sollte, finden den Halter des Wagens schnell heraus: Es ist das Wahlkampfbüro des Schulsenators Troels Hartmann von den Liberalen. Das Auto ist ein sogenannter Kampagnenwagen, der mehrere Fahrer hat und den sich praktisch jeder im Rathaus ausleihen kann. Keine einfache Faktenlage, erkennt Lund schnell. Ihr Chef bittet sie, noch zu bleiben. Bengt muss vorerst die Sauna selber bauen.
Die Larsens berichten in der Rechtsmedizin, in der die gefolterte Leiche Nannas aufgebahrt liegt, dass ihre Tochter mit Lisa und Oliver auf einer Halloweenparty war, die am Freitag, den 31. Oktober, im Gymnasium stattfand. Aber von dort kehrte sie nie zurück. Lund und Meyer drehen die Mitschüler durch die Mangel, doch dann fällt ihr Verdacht auf den Literaturlehrer Rahman Al-Kemal aus Syrien. Dessen Personalakte wurde aus dem Archiv entfernt. Warum?
Hartmann, der zunächst kooperativ ist, obwohl er der nächste Oberbürgermeister werden will und im Wahlkampf steckt, muss erkennen, dass es in seinem Büro ein Informationsleck gibt. Von dort fließen peinliche Details direkt an die Presse, und die kann der Amtsinhaber Bremer natürlich prächtig ausschlachten. Als er und seine Pressereferentin (und Geliebte) Ri Skarsgard seinen Wahlkampfmanager Marten deswegen zur Rede stellen, streitet dieser ab, solche Mails je von seinem Mail-Account verschickt zu haben. Ganz klar: Jemand zieht Strippen hinter den Kulissen - und er ist offenbar kein Freund der Liberalen und ihrer Integrationspolitik...
Mein Eindruck
Tausend Minuten fallen der Zuschauer und die Figuren von einer Ebene der Ermittlungen und Polit-Machenschaften auf die nächste, bis man sich vorkommt wie auf einer Achterbahn. Genau das ist natürlich die Absicht der Produzenten dieser 2008 von 70 Prozent der Dänen verfolgten TV-Serie. Zwei Fortsetzungen folgten, wenn auch jeweils halb so lang.
Die Politiker
Die Serie hat das Prinzip des Cliffhangers perfektioniert. Kaum dachte die Kripo und die Politik, man habe eine halbwegs haltbare Theorie über den Täters, als ein neuer Fakt, ein neuer Fund auch dieses Kartenhaus wieder zum Einsturz bringt. Von der Politik ist man solche schnellen Wendungen ja gewöhnt. Man denke nur an den Fall des Verteidigungsministers zu Guttenberg, dem eine strahlende Laufbahn in der CSU und der Bundesregierung beschieden schien. Das Strahlen war aber nur Blendung, wie sich herausstellte. Ähnlich schnell vergeht auch der Ruhm der Politiker in dieser TV-Serie.
Troels Hartmann will eigentlich Transparenz, denn die Liberalen sind ja auch für Integration von Migranten, Das Ausschließen ist ihre Sache nicht, und in der Politik lässt sich diese Haltung recht gut vertreten. Doch dann nagen immer mehr Zweifel an Hartmanns Selbstvertrauen, das eh nicht das beste: Er unternahm einen Selbstmordversuch. Hinzukommen Intrigen der Regierung und ihrer Speichellecker. Informationen tauchen auf, werden wieder entwertet.
Eine Tragödie entwickelt sich wie ein Tsunami: Es kann nicht ausbleiben, dass auch menschliche Beziehungen unter den Kämpfen leiden und schließlich scheitern. Wo gerade noch Vertrauen herrschte, muss nun Kontrolle an seine Stelle treten. Am Ende triumphiert Hartmann, doch um welchen Preis: Er hat alle Mitstreiter verloren, und nur durch den Beinahe-Tod seines Widersachers fällt ihm der Sieg in den Schoß. Dieser Sieg ist der bitterste, denn er ist nicht errungen, sondern geschenkt.
Die Larsens
Ähnlich ergeht es den Larsens. Gerade haben sie einander noch das eigene Leben anvertraut, doch dann schleicht sich Verdacht um Verdacht ein. Der Gipfel der Entgleisung ist erreicht, als Pernilla Theis rauswirft und sich einen wildfremden Mann aufgabelt, um mit dem ins Bett zu gehen. Sie ist wahrlich in der Wildnis der Gefühle gelandet, und nur der zuvor verdächtigte Theis kann sie - über den Mittelsmann Vagn - wieder von dort herausholen. Aber im Keller des neuen Hauses lauert bereits das nächste Unheil wie eine Falltür ins Nichts.
Lund & Meyer
Sarah Lund besitzt die Hartnäckigkeit eines Terriers, wenn es um das Verfolgen von Hinweisen und merkwürdigen Zusammenhängen geht. Das wäre ja eine wirklich lobenswerte kriminalistische Tugend, wenn sie sich nur wenigstens winzig kleines bisschen an die Spielregeln hielte. Genauso egoistisch wie sie ihre Lieben behandelt, so lässt sie auch ihre Vorgesetzten spüren, dass sie ihr mal den Buckel runterrutschen können. Janne Meyer, der eigentlich mit ihr zusammenarbeiten möchte, fühlt sich nicht nur einmal zu ihrem Laufburschen degradiert. Das wird ihm schließlich zum Verhängnis.
Eine Kriminalistin wie Lund ist zwar eine "Sprecherin für die Toten", indem sie für Gerechtigkeit sorgt. Doch was, wenn ihre eigene Ermittlung derart gestaltet ist, dass sie Tote fordert? Lund, die große Schweigerin, zeigt nur in Sofie Gråbøls Miene einen Hauch von Schuldbewusstsein. Dieser Schauspielerin kann man ohne Zögern eine starre Miene vorwerfen, die einem Pokerface aufs Haar gleicht. Nur in Momenten extremer Anspannung, wenn es um Leben oder Tod geht, entgleisen ihre Gesichtszüge. Dieser Ausdruck wirkt dann umso dramatischer. Erst in Lennart Brix, dem neuen Leiter der Mordkommission, findet sie ihren Meister, was die Reglosigkeit der Miene anbelangt. Seinem steinernen Blick hat selbst sie nichts entgegenzusetzen.
Es liegt auf der Hand, dass alle Schauspieler maximal gefordert sind, um sowohl Drama als auch Normalität wiederzuspiegeln. Leichter schaffen das nicht alle. Besonders wenn es ums Drama geht, kann schon mal einer über die Stränge schlagen und chargieren. Eine Schmierenkomödie wird die Serie dadurch jedoch nicht. Man muss seine Sehgewohnheiten etwas anpassen, um beispielsweise den somnambulen Blick von Pernilla Larsen nicht für den Ausdruck extremer Sedierung zu halten. Auch ihr Mann Theis ist kein Meister der Gesichtsentgleisungen, aber bei ihm kann man die kleinen Äuglein über dem verkniffenen Mund noch für passiv-aggressive Verschlagenheit halten.
Es fällt mir wirklich schwer, einen Lieblingsschauspieler oder eine Lieblingsfigur zu benennen. Janne Meyer scheint ein patenter Familienvater zu sein. Der hintergründige Vagn, Theis' rechte Hand, wusste mich mit seiner vorgespiegelten Herzlichkeit lange Zeit zum Narren zu halten. Diese Darstellung lag sicherlich in der Absicht der Macher. Der Zuschauer wird darauf trainiert, bei jeder Figur eine verborgene Absicht zu vermuten (Kinder natürlich ausgenommen), und so gerät schließlich sogar Sarah Lund ins Zwielicht. Die fatale Mordtheorie, die Lennart Brix für ihre Verantwortung an Janne Meyers gewaltsamen Tod darlegt, klingt in der Tat verdammt überzeugend. Merke: Wir dürfen keiner der Figuren trauen. Genau das macht die Geschichte so spannend.
Die DVD
Technische Infos
Bildformate: 1,78:1 (16:9)
Tonformate: Dolby Digital 5.1
Sprachen: D
Untertitel: keine
Extras: Trailershow, Hintergrundinformationen
Mein Eindruck: die DVD
Erwartungsgemäß bietet die DVD hinsichtlich Bild und Ton halbwegs gute Qualität, die dem eines mittelguten Fernsehers entspricht. Anno 2008 wurde eben noch kein High-Definition produziert und verarbeitet. Das Bild ist mittelprächtig, besonders in dunklen Szenen, die es reichlich gibt. Wie beim ZDF üblich gibt es keinerlei Untertitel.
Extras
Trailer liegen für die Dokumentation vor, die Edel Motion anbietet. Das interessanteste Feature ist jedoch eine Anwendung, die sich als vollwertige Umsetzung einer Art Homepage für die Serie entpuppt. Sie bietet selbstablaufende Trailer zu jeder der zehn Folgen, jeweilige Inhaltsangaben und Wallpaper-Fotos. Desweiteren finden sich hier Angaben zu den wichtigsten Figuren und Schauspielern sowie zu den Gestaltern der Serie, also den Prozenten, Regisseuren, Musikern und der Crew. Sogar über den dänischen TV-Sender DR, der nahezu neunzig Jahre alt ist, findet sich ein kleines Feature.
Diese Anwendung ersetzt ein komplettes Booklet, wie es etwa in der Box zur zweiten Staffel zu finden ist.
Unterm Strich
Mit dieser zehnteiligen Staffel von zehnmal 95 Minuten stieß das Team aus ZDF, Dänischem Radio (DR) und anderen skandinavischen Sendern in neue Dimensionen des europäischen Serienthrillers vor. Trotz der Überlänge von rund 1000 Minuten war die Produktion ein voller Erfolg, wenn man der Angabe von 70% Zuschaueranteil (bei Erwachsenen, versteht sich) glaubt. Solche Anteile haben nur Straßenfeger.
Was war das Geheimnis des Erfolgs, fragt sich der deutsche Zuschauer zu Recht. Denn die wenigsten Figuren entwickeln sich auf sympathische Weise, denn offenbar verfolgen alle eine verborgene Agenda (Kinder sind stets ausgenommen). Erotik gibt es so gut wie keine, Melodrama ebensowenig. Dafür entwickeln sich zwei spannende Erzählstränge auf völlig unvorhersehbare Weise. Während ie Kriminaler immer neue Verdächtige aus dem Hut zaubern, zappeln die vor der Wahl stehenden Politiker wie Marionetten an ihren Fäden - und versuchen auf groteske Weise das Beste aus ihrer prekären Lage zu machen.
Die scheinbar traute Familienidylle soll zu Anfang den Gegenpol zu diesen beiden Dynamikpolen bilden. Schon bald beginnen sich die Auswirkungen der Ermittlungen und Politspannungen auf dieses Idyll auszuwirken. Entgleisungen aggressiver beziehungsweise sexueller Art sind die Folge, doch das ist noch längst nicht das Ende der Fahnenstange. Gerade dann, wenn die Idylle am heftigsten zelebriert wird, ist sie am zerbrechlichsten. Das Finale mündet direkt von der Feier in den Horror.
Dass 1000 Minuten in viele kleine, leicht verdauliche Häppchen aufgeteilt werden sollten, liegt nahe. Der Zuschauer könnte sich sonst entweder satt sehen oder den Überblick verlieren. Zur Halbzeit jeder Folge, also bei ca. 55 Minuten, wird dem Zuschauer eine Verschnaufpause gegönnt. Die Kamera fährt zurück, der Dialog verstummt, Impressionen regieren die Leinwand. Jede Folge ab Nr. 2 wird mit einer Rekapitulation des bisher Geschehenen begonnen, so dass der Zuschauer halbwegs auf den aktuellen Stand der Ermittlung gebracht wird. Wem dies nicht reicht, kann auf die Inhaltsangaben in den Extras zurückgreifen.
Die DVD-Box
Die zehn DVDs sind in zwei DVD-Boxen untergebracht, welche wiederum in einem Schuber stecken. Entnahme und Rückgabe erfolgen einwandfrei und bruchsicher. Die Extras kann man wegen der auf Disc 10 abgelegten Offline-Homepage als umfassend bezeichnen. Allerdings gibt es weder Drehdoku noch Making-of. Mit zehn bis elf Euro plus Porto ist die DVD-Box inzwischen im Gebrauchthandel durchaus erschwinglich zu bekommen.
Michael Matzer (c) 2013ff
- Redakteur:
- Michael Matzer