Comtesse des Grauens
- Regie:
- Peter Sasdy
- Jahr:
- 1970
- Genre:
- Horror
- Land:
- Großbritannien
- Originaltitel:
- Countess Dracula
1 Review(s)
24.04.2005 | 07:16Als die alte Gräfin Elisabeth Nadasdy, ca. 1560 geborene Bathory, ca. anno 1620 entdeckt, dass das Blut von Jungfrauen ihre Haut verjüngt, fasst sie einen verhängnisvollen Plan: Sie nimmt sich den jungen Lt. Imre Todt zum Liebhaber und hat auch ein paar schöne Stunden, die zur Verlobung und Hochzeit führen sollen. Um sich als ihre eigene Tochter Ilona ausgeben zu können, muss sie selbige erst einmal wegsperren.
Allerdings hält der Zauber wie bei so vielen kosmetischen Maßnahmen nicht allzu lange vor. Sie braucht Nachschub an frischem Blut. Schon bald füllt sich ihr Weinkeller mit blutleeren Leichen. Der Fund einer solchen Mädchenleiche im Wald wiederum weckt den Unmut des Pöbels und den Argwohn ihres Hofgelehrten Fabio.
Filminfos
O-Titel: Countess Dracula (GB 1970)
DVD: 17.03.2005 (e-m-s, www.anolis-film.de)
FSK: ab 16
Länge: 88 Min.
Regisseur: Peter Sasdy
Produzent: Alexander Paal
Drehbuch: Jeremy Paul
Musik: Harry Robinson
Darsteller: Ingrid Pitt (Gräfin Erszebet Nadasdy, geb. Bathory), Sandor Elés (Imre Todt), Nigel Green (Major Doli, Geliebter der Gräfin), Maurice Denham (Magister Fabio), Lesley Anne Down (Ilona, Tochter der Gräfin) u. a.
Handlung
Gräfin Erszebet Nadasdy, geborene Bathory (Pitt), hat ein Problem: Sie wird alt und zählt nichts mehr. Der Tropfen, der das Fass der Schmach zum Überlaufen bringt, ist das Testament ihres verstorbenen Gatten, das festlegt, dass sie ihren Erbbesitz mit ihrer Tochter Ilona zu teilen hat. Zum Glück weilte Ilona (Down) jahrelang fern von zu Hause, doch nun wird sie zurückerwartet, um ihr Erbe anzutreten.
Der langjährige Geliebte der Gräfin, Major Dobi (Green), sieht zwar noch wacker aus, doch im Bett ist er nicht mehr der Frischeste. Ihr Auge fällt fällt auf den feschen Leutnant Imre Todt (Elés), den Sohn des besten Freundes des Verblichenen. Imre erbt mit all den gräflichen Rennpferden ein erkleckliches Vermögen. Und knackig sieht er obendrein aus. Doch wie ihn ins Bett kriegen?
Der Zufall kommt ihr zu Hilfe: Als sich eine ungeschickte Kammerjungfer in den Finger schneidet, spritzt das Blut der Gräfin ins Gesicht. Erstaunt entdeckt sie wenig später, dass ihre Haut sich an dieser Stelle verjüngt hat. Sie verlangt von Dobi und ihrer Zofe Julie (Patience Collier), dass sie ihr das Blut des Mäddchens verschaffen, damit sie darin baden kann. Die beiden sind zufrieden, wenn sie glücklich ist, und gehorchen. Sie erscheint einige Zeit später in jugendlicher Frische und strahlender Schönheit. (Ingrid Pitt in voller Pracht!)
Endlich kann sie ihren Angriffsplan umsetzen. Um die Nicht-Eingeweihten zu täuschen, gibt sie sich als ihre eigene Tochter Ilona aus. Die richtige Ilona wird derweilen von Dobis Männern in der Hütte eines Wildhüters gefangen gehalten, wo ihr zahlreiche Ausbruchsversuche misslingen - bis Dobi sie holen lässt, um sie ihrer Mutter zu opfern ...
Leider verfliegt der Zauber der Verjüngung just in den wichtigsten und schönsten Augenblicken, so dass die Gräfin ständig Nachschub an Blut benötigt. Wie der misstrauisch gewordene Magister Fabio (Denham) sie und Dobi informiert, wird eben gutes Jungfrauenblut benötigt. Zigeunerinnen und Sklavinnen fallen ihrem Blutdurst und Jugendwahn zum Opfer. Nicht lange, und der Polizist Balogh ermittelt - leider in eine völlig falsche Richtung.
Ihr fiesester Streich gelingt Eszebet jedoch, als sie ihren Lover Imre zwar die entsetzliche Wahrheit entdecken lässt, ihm aber gleichzeitig die Schuld am Tod der Dorfhure Sisa gibt. Fortan muss er zu allen ihren Wünschen ja und Amen sagen. Selbst noch am Tag der Hochzeit. Doch im entscheidenden Moment führt Ilonas Auftauchen zu einer tödlichen Verkettung von Ereignissen ...
Die DVD
Technische Infos
Bildformate: 1,66:1, 16:9
Tonformate: DD 2.0 Mono
Sprachen: D, Englisch
Untertitel: D
Extras:
- Trailer (englisch)
- US Double Feature Trailer
- Interview mit Ingrid Pitt (27:15; sehr lustig!)
- Die deutsche Titelsequenz
- Bildergalerie (Filmszenen, Dreharbeiten, Starfotos von Pitt)
- US Pressbook
- 4-seitiges Booklet mit Farbfotos
Mein Eindruck
Es gehört schon ein gerüttelt Maß an Gutgläubigkeit dazu, auch nur einen Bruchteil dieses unausgegorenen Horrorgarns nachzuvollziehen. Es sind vor allem die abhängigen Helfer der Gräfin, deren Verhalten Anlass zum Zweifeln an ihrer Zurechnungsfähigkeit gibt. Doch das Gespinst der Lügen, die die Gräfin allüberall verbreitet, scheinen ihr erfolgreich zu helfen, den Betrug aufrechtzuerhalten. Am lächerlichsten ist ausgerechnet die Figur ihres Verlobten Imre. Der unternimmt nicht den geringsten Versuch, ihre Lüge, er sei am Tode Sisas schuld, zu hinterfragen. Geschieht ihm recht! Ist doch der Code sehr simpel: Die Lüge ist schön, die Wahrheit hässlich.
~ Hintergrund ~
Die Blutgräfin der Erszebet Bathory hat es wirklich gegeben. Sie ist eine der berühmtesten Massenmörderinnen der Geschichte und steht im Guinness "Buch der Rekorde". Im Jahr 1560 in eine reiche und berühmte Familie geboren, wurde sie mit 15 mit dem Grafen Ferenc Nadasdy verheiratet, der viel Zeit auf Feldzügen gegen die Türken (1453 hatten sie Istanbul erobert) verbrachte und in seiner Freizeit daheim gerne türkische Gefangene folterte. Von ihm scheint die Bathory auf den Geschmack gebracht worden zu sein.
Sie malträtierte Dienerinnen mit glühenden Eisen oder Nadeln unter den Fingernägeln, warf sie nackt in den Schnee und ließ sie mit Wasser übergießen, damit sie erfroren - sowie etliche weitere Foltern. Nach dem Tod ihres Mannes 1604 überschritt sie jegliches Maß. Das Schloss quoll förmlich über von Leichen, die sie nicht bloß im Weinkeller, sondern sogar unterm Bett "lagerte" - mit entsprechender Geruchsbelästigung. Als der Gestank zu schlimm wurde, warfen die Diener die ausgebluteten Kadaver einfach auf die Felder, woraufhin man sie für Vampiropfer hielt. (Warum die Opfer bluten mussten, wird nicht ganz klar, aber jeder Interpret dieser Story hat da eigene Theorien entwickelt: bis hin zum Verjüngungsbad.)
Aus den Prozessunterlagen von 1611 geht hervor, dass die Bathory insgesamt 650 Menschen umgebracht hat und umbringen ließ - ein Guiness-Buch-würdiger Rekord. 1614 starb sie im Kerker. In den 1980er Jahren wurde ihre Geschichte bereits einmal von einem polnischen Regisseur verfilmt: als Softsex-Streifen. Bemerkenswert: Paloma Picasso spielte die Titelrolle.
~ Die Hammer-Film-Produktion ~
Anfang der 70er Jahre machte es sich Hammer Film Productions gerade in der Nische attraktiver weiblicher Monster bequem. Ihre Adaption von Sheridan Le Fanus lesbischer Vampirnovelle "Carmilla" unter dem Titel "The Vampire Lovers" (dt. Gruft der Vampire"), war ein großer Erfolg und machte aus der Polin Ingrid Pitt Hammers neuen Star. Mit "Lust for a Vampire" (dt. "Nur Vampire küssen blutig") gab man jedoch eine Pseudo-Fortsetzung ohne die kurvenreiche Pitt in Auftrag. Bevor auch nur einer der beiden Filme ins Kino kam, wurde ihr die Titelrolle in "Comtesse des Grauens" (Countess Dracula) angeboten. Sie schlug natürlich sofort zu.
Im Widerspruch zur historischen Überlieferung schrieb Drehbuchautor Jeremy Paul - später einer der Autoren der Sherlock-Holmes-Reihe mit Jeremy Brett - ein Skript, in dem eine alte Greisin (die echte Bathory wurde nur 54) sich dank Jungfrauenblut in die attraktive, üppige und überaus sinnliche Ingrid Pitt verwandelt. Da hatte der Make-up-Künstler eine Menge zu tun (und die aufgetragene Schicht bekam ständig Risse, sobald Pitt den Mund aufmachte).
Regisseur Peter Sasdy hatte zuvor "Taste the Blood of Dracula" (dt. 2Wie schmeckt das Blut von Dracula?") für Hammer abgeliefert. Als Produzent fungiert Alexander Paal, ebenfalls ein Ungar, wie die Pitt erzählt. Die beiden hatten die Story an Hammer herangetragen. Als Dritter im Bunde trat Sandor Elés ("Evil of Frankenstein") hinzu, der allerdings seine Rolle als jugendlicher Held nur sehr mäßig auszufüllen vermochte. Beim Drehen der Liebesszene im Stall verlor er eine Hälfte seines feschen Schnurrbarts, und die Pitt lachte sich scheckig. Sie fand den abtrünnigen Schnurrbart später auf ihrem Bauchnabel.
Seinen Mangel an Talent machten die beiden Veteranen Nigel Green (Major Dobi) und Maurice Denham (Magister Fabio) allemal wett. Denham hatte bereits in drei Psychothrillern und einem Kurzfilm für Hammer mitgewirkt. Sein berühmtester Genre-Credit ist jedoch Jacques Tourneurs genialer "Night of the Demon" (dt. "Der Fluch des Dämonen"). Green, der mit "Zulu" (dt. "Zulu") richtig bekannt wurde und der ein Jahr nach dem Kinostart von "Comtesse des Grauens" an einer Überdosis Schlaftabletten starb, war für Hammer zuvor in "Sword of Sherwood Forest" (dt. "Das Schwert des Robin Hood") als Little John aufgetreten. Mit Ingrid Pitt war zum Glück einen Blutgräfin gefunden, die neben solchen Schwergewichten bestehen - und zudem Elés und der blutjungen Lesley Anne Down (später in der US-TV-Serie "Fackeln der Freiheit") mit links die Schau stehlen konnte.
Allerdings hatte der Film einen fundamentalen Fehler. Es scheint einige Diskussionen über den Kontext des Films gegeben zu haben, und sowohl der Komponist als auch die Pitt berichten davon: Robinson zufolge habe Sasdy überhaupt keinen Horrorfilm machen wollen: "Sie drehten 'Comtesse des Grauens' wie ein historisches Drama, und dabei hatten sie ihr Ziel aus den Augen verloren. Schließlich sagte jemand aus der Geschäftsleitung: 'Das soll eigentlich ein Horrorfilm sein'. Also bauten sie nachträglich etwas ein."
Pitt zufolge drehte Sasdy ein Drama à la Sergej Eisenstein, der sowjetische Pionier des Historiendramas. Was Pitt aber vor allem auf die Palme brachte, war der Umstand, dass Sasdy nachträglich Pitts osteuropäischen Akzent und ihr erotisch-warmes, relativ tiefes Timbre von einer anderen Schauspielerin nachsynchronisieren ließ. Pitt stellte das zu spät fest - und ging vergeblich auf die Barrikaden. In ihrem Interview lässt sie kein gutes Haar an Sasdy - und in ihrer Darstellung führte er praktisch den Untergang der ruhmreichen Hammer-Schmiede von Frankenstein- und Dracula-Filmen herbei.
"Ich glaube nicht, dass der Film grausam genug war, erschreckend genug. Es hätte mehr Grausamkeit gebraucht, mehr Aufschlitzen von Kehlen, Bluthunde, Blut! Die Gräfin ließ Mädchen von ihren Hunden zerreißen, sie ließ sie im Schnee erfrieren. Sie vollbrachte unbeschreibliche Gräueltaten." So spricht eine wahre Horrordarstellerin! Und so besteht nun der Eindruck, als habe Sasdy die Bathory auf eine Psychopathin aus Liebe reduziert.
~ Die DVD ~
Das Bild ist von annehmbarer Qualität. Es gibt keinen Vermerk, dass es sich um eine digital überarbeitete Version handelt. Artefakte und verregnete Bilder fehlen zum Glück. Der Ton ist angesichts der Mono-Qualität recht bescheiden, erklingt aber immerhin in Dolby Digital 2.0. Wichtiger sind jedoch für mich die Extras.
~ Das Interview ~
Alle oben genannten Extras verblassen vor dem fabelhaften Interview, das Ingrid Pitt auf einem Fantasy-Film-Festival in Manchester gab. Die Frau sieht immer noch hervorragend aus und schlägt sich als Romanschriftstellerin offenbar nicht schlecht durch. Ihr Gesprächspartner hakt nacheinander die Stationen ihrer Karriere ab. Da der Text untertitelt ist, kann man Pitts Ausführungen leicht folgen.
Sie lässt, wie gesagt, kein gutes Haar an Peter Sasdy, und auch nicht an Alex Paal. Als die beiden ständig auf Ungarisch über die Ausrichtung des Films debattierten und alle anderen warten mussten, dass bzw. ob es weiterging, eignete sich Pitt ein paar Worte Ungarisch an und blaffte die beiden Streithähne entsprechend an. Die fielen aus allen Wolken: Sie glaubten, Pitt habe alles verstanden, was die beiden palavert hatten.
Auch über den mangelnden Blutgehalt des Films regt sich Pitt auf. Auf dem Schwamm sei kaum ein Tropfen Blut zu sehen gewesen. Wie soll der Zuschauer glauben, dass sich darin das gesammelte Blut einer Jungfrau befinde? Und wie soll das Bisschen dazu beitragen, die gesamte Haut zu verjüngen? Und von Pitts Haut sieht man mehr als genug. Später arrangierte sie, dass die lechzenden Männer, die in ihrer Nacktbadeszene nichts zu suchen hatten, von Sasdy in die Stadt geschickt wurden - und ganz geknickt von dannen schlichen. Sie munterte sie wieder auf, indem sie ihnen einen Sekundenblick auf ihren Astralkörper gewährte.
Insgesamt ist das Interview eines der lustigsten und unterhaltsamsten, die ich je gesehen habe. Es ist übrigens auch von aktueller Relevanz, weil nämlich die Wiederverfilmung des Klassikers "The Wicker Man" bevorsteht. In diesem Briten-Schocker von 1973, in dem ein unschuldiger Mann einem Kult geopfert wird, trat Ingrid Pitt neben Christopher Lee und Britt Ekland auf. Der Streifen wurde bekanntlich massiv gekürzt. Pitt ersichert uns, dass die Kürzungen dem Film genützt hätten, weil so die langen Dialoge wegfielen, die nichts außer leerem Gelaber bedeuteten.
Unterm Strich
Blutgräfin Bathorys Streben nach ewiger Jugend ist ein Frevel und muss ja früher oder später bestraft werden. Doch zuvor führt ihre Liebe zum jungen Imre zu einer grotesken Situation. Er glaubt, die Grafentochter Ilona zu lieben, doch dabei handelt es sich lediglich um ihre alte Mutter. Statt nun aber nach Art des alten Ödipus diese Muttergestalt zu töten, lässt er sich von ihr verführen und unterkriegen - keine sonderlich befriedigende Wendung für den Zuschauer, zumal für den männlichen.
Erst als auch noch die echte (und ziemlich knackige) Ilona (Lesley Anne Down) dem Jugendwahn ihrer Mutter geopfert werden soll, verschafft sich das Prinzip der Gerechtigkeit und Wahrheit endlich Geltung an diesem von Lügen und Egoismus verseuchten Fürstenhof: Die Strafe nimmt ihren Lauf. Das historische Drama funktioniert halbwegs als Psychostudie, versumpft dann aber doch in den Genre-Gesetzen. Schneewittchen lässt schön grüßen.
Warum der Film erst ab 16 Jahren freigegeben wurde, ist mir jedoch schleierhaft. Jeder Schüler findet heute in Playboy-Heften mehr nackte Tatsachen als im ganzen Film. Und der Blutgehalt hält sich, wie die Pitt schon sagte, sehr in Grenzen. Vielleicht will man die wehrlose Jugend nicht auf dumme Gedanken bringen, doch dann müsste man erst einmal mehrere tausend PC- und Konsolen-Games auf den Index setzen.
Gäbe es den Auftritt der fabelhaften (jungen!) Ingrid Pitt nicht, könnte dieser Streifen zu Recht in den Archiven der Hammer Film Productions verstauben.
- Redakteur:
- Michael Matzer