SIEGES EVEN - The Art Of Navigating By The Stars (Re-Release)
Mehr über Sieges Even
- Genre:
- Progressive Metal
- ∅-Note:
- 9.50
- Label:
- Golden Core / ZYX
- Release:
- 16.06.2023
- Intro: Navigating By The Stars
- Sequence I: The Weight
- Sequence II: The Lonely Views Of Condors
- Sequence III: Unbreakable
- Sequence IV: Stigmata
- Sequence V: Blue Wide Open
- Sequence VI: To The Ones Who Have Failed
- Sequence VII: Lighthouse
- Sequence VIII: Styx
Überfälliger Re-Release eines heimlichen Klassikers.
Ich kann mich gut daran erinnern, als ich erste Kritiken zu "The Art Of Navigating By The Stars", dem sechsten Studio-Album der deutschen Prog-Metal-Heroen SIEGES EVEN gelesen habe. Damals war ich 17 und interessierte mich für solche Musik weniger - ich wollte immer tiefer in die Achtziger zurück, oder Bands kennenlernen, die möglichst undergroundig-rumpelig klangen. Der Sound von SIEGES EVEN hätte mich damals überfordert.
Mit der Zeit habe ich dann immer wieder von diesem Album gelesen, und ich lernte ja auch viele "modernere" Prog-Bands mit melodischerem Sound kennen, allen voran die wunderbaren Alben der Briten THRESHOLD, und mir wurde klar, dass ich das hier eigentlich schon brauche. Aber es war halt nicht verfügbar. Diesen Makel behebt ZYX jetzt und bringt uns einen ganz basischen Rerelease - einfach das Album mit schönem Booklet und ein bisschen extra Text als Rückblick auf die Zeit. Das passt - auf unnötige Bonus-Tracks wie schlecht gemischte Studio-Demos oder Live-Aufnahmen wird verzichtet, was mir sehr gefällt, denn ich höre mir diese Sachen eh nie mehr als einmal an.
Da das Album bei powermetal.de schon bei Erstveröffentlichung rezensiert wurde, brauche ich hier nicht alles neu zu erzählen. Ein paar Gedanken folgen trotzdem. Das Klangbild ist sehr warm, gerade der Bass erhält viel Raum. Das ist wunderschön, denn gerade was im Bass-Bereich, beim Drumming oder in den Gitarrenharmonien passiert ist wirklich fabelhaft und schmeichelt meinen Ohren gar sehr. Da der damalige Sänger Arno Menses (den Genre-Fans heute vom Quasi-Nachfolger SUBSIGNAL kennen) wirklich eine wunderbare Stimme hat, die mich nicht nur ein Mal an die tieferen Lagen von Charlie Dominici (DREAM THEATER-Debüt) erinnert, ist qualitativ hier quasi alles makellos. Interessantererweise gibt es auch ein paar stampfige Parts, die auch an eine Scheibe wie "Train Of Thought" (DREAM THEATER-Album von 2003) oder an MACHINE HEAD erinnern, sich aber wunderbar ins Klangbild einfügen. Mich begeistern zudem die mehrstimmigen Gesangs-Arrangements, die dezent eingesetzt werden.
Ein bisschen Name-Dropping bei den beteiligten Musikern muss hier durchaus sein. Bassist Markus Steffen werkelt seit dem Ende von SIEGES EVEN gemeinsam mit Sänger Menses bei den Proggern SUBSIGNAL, durfte die Leadgitarren auf dem vorletzten DANTE-Album einspielen und Backing-Vocals für den Schweizer Underground-Klassiker "Reality Turns To Dust" von DRIFTER beisteuern. Und dann gibt es natürlich die Holzwarth-Brüder. Oliver kennt ihr vielleicht als Bassist von PARADOX und RHAPSODY OF FIRE, vor allem aber als langjährigen Session- und Live-Bassisten von BLIND GUARDIAN! Und so viel höher kann die musikalische Qualität im deutschen Metal ja kaum ausfallen. Sein Bruder Alex ist als Schlagwerker bei TURILLI / LIONE RHAPSODY am Werk, spielte die legendären ersten beiden AVANTASIA-Alben ein, trommelte bei SERIOUS BLACK, ANGRA und alle möglichen RHAPSODY-Ableger.
Also, ihr merkt schon: Was hier qualitativ abgeht, das ist atemberaubend und hat DREAM THEATER-Niveau. Gleichzeitig muss man hier keine Frickel-Orgien aushalten, sondern hat sehr warmes, wunderbares Songwriting, das vielleicht keine ganz großen Hits aus dem Ärmel hüpfen lässt, dafür aber die Sorte Wohlfühl-Atmosphäre, die man braucht, um Musik unter Kopfhörern zu genießen, mit einem guten Glas Rotwein in der Hand und einer Tafel dunkler Schokolade auf dem Tischlein.
Für alle, die die Original-Auflage verpasst haben, und denen der Mund aufgrund der Beschreibung wässrig wurde, besteht logischerweise eine Kaufpflicht. Wer mit der Scheibe nichts anfangen kann, der kann gleich wieder Party-Metal hören gehen. Der hat sicher auch seine Berechtigung - aber es handelt sich eben um eine andere Metal-Welt als diese.
Anspieltipps: The Lonely View Of Condors, Styx.
- Note:
- 9.50
- Redakteur:
- Jonathan Walzer