LYBICA - Lybica
Mehr über Lybica
- Genre:
- Instrumental Metal
- ∅-Note:
- 7.50
- Label:
- Metal Blade Records
- Release:
- 16.09.2022
- Ascend
- Resonance
- Palatial
- Oktavist
- Ferment
- Manifest
- Linnaeus
- Voltaic
- Charyou
Innerhalb dieser Band ist man sehr voreingenommen…
…zumindest, was die Wahl des liebsten Haustieres angeht: Alle drei Musiker der Band LYBICA sind nach eigenen Angaben riesige Katzen-Freunde! Somit war es eine Herzensangelegenheit, ihre gemeinsame Instrumental Metal–Band nach der ältesten domestizierten Katzenrasse zu benennen. Die Süd-Floridaner (Floridanten? Floridäer? Fluxkompensator?) Justin Foley (Gitarre, seines Zeichens auch Schlagzeuger von KILLSWITCH ENGAGE), Joey Johnson (Gitarre), Doug French (Bass) und der zuletzt hinzugekommene Schlagzeuger Chris Lane waren schließlich sogar so konsequent, für ihr gleichnamiges Debüt-Album ein zu dieser Vorliebe passendes Cover auszuwählen. Und so schlabbert einen nun dieser vorwitzige Stubentiger beim Betrachten der CD-Hülle geradezu penetrant an.
Die Aufmerksameren unter euch, liebe Leser, haben soeben entweder neugierig, oder mit länger werdenden Bäckchen zur Kenntnis genommen, dass es sich bei den musikalischen Erzeugnissen von LYBICA um instrumentalen Rock handelt. An dieser Stelle kann ich auflösen, dass ich nach den ersten Hördurchläufen sogleich zur ersten Konsumentengruppe gehörte. Zwar ist dieser ungewöhnliche, recht gut verquirlte Misch-Masch aus Rock, Metal, Post-Grunge, Thrash Metal sowie diversen progressiven Einsprengseln unterschiedlicher Stilistiken und Intensitäten bei genauerem in Ohrenschein-Nehmen keinesfalls ausschließlich der Sparte Metal unterzuordnen, dennoch geht diese grobe Stil-Angabe für mich OK, da in allen Tracks ein angemessener Härtegrad im Gesamtklang zu vernehmen ist.
Die Herzstücke der knapp zweiundvierzigminütigen Scheibe sind für mich vor allem das wuchtige 'Palatial', das mit knackigen Powerchords, schleppenden Stakkato-Folgen und einer unwiderstehlichen Gitarrenmelodie aufhorchen lässt, sogleich gefolgt von 'Oktavist', welches erst einmal mit süchtig machenden, aufgefächerten Licks die Aufmerksamkeit des Hörers an sich reißt, um diesen dann hinterhältig in eine fiese, kleine Lache harschen Thrash-Metals zu schubsen. Auf diese Art treibt der Song fünfeinhalb Minuten lang sein neckisches Spielchen mit dem Hörer, immer wieder überraschend, immer ohne zu langweilen.
Letzteres kann ich nicht von allen Songs behaupten. So erinnert mich der Beginn von 'Ascend' und somit des Albums irgendwie an Margarine–Werbung oder die schlechteren Parts aus dem Werk von MIKE OLDFIELD, warum auch immer, wahrscheinlich wegen der Zither-, Balalaika-, Ukulele- oder sonst was-Klänge, die zu vernehmen sind, als endlich der Schlagzeuger einsetzt. Wenn das Lied Fahrt aufgenommen hat, geht es fließend in 'Resonance' über. Nach einem rockig-grungigen Part wird es dann wieder ruhig, still, ja geradezu nachdenklich. Wie sagte doch eine Musiklehrerin anno dazumal in den Achtzigerjahren immer zu ihrer, zu großen Teilen aus TOTE HOSEN-, IRON MAIDEN- und SCORPIONS-Fans bestehenden Klasse: "Die Stellen, an denen man nichts oder wenig hört, gehören auch zur Musik!" LYBICA schafft es immer mal wieder gekonnt, solche Teile in die Musik einzubauen, ohne den roten Faden zu verlieren.
Als Geduldsfaden von meiner Seite aus wahrgenommen, wird dieser für mich persönlich beim grungigen, mit nerviger Leadmelodie versehenen 'Ferment' mit jedem Durchlauf etwas dünner. Klingt wie eine Melodie, die bei MIKE OLDFIELD in den wilden Siebzigern im Mülleimer eines Virgin-Büros gelandet wäre. 'Manifest' startet wieder etwas unscheinbar, gewinnt aber schnell an Power und Tempo. Die Gitarrenmelodie lässt kurz innehalten, mundet meinen Öhrchen jedoch um Längen besser, als die des Vorgängers. Das hintere Drittel des Liedes gehört dann zu den besten, kraftstrotzendsten Teilen des gesamten Albums! 'Linnaeus' wurde das akustisch eingespielte Intro zu 'Voltaic' benannt. Wie die meisten Stücke atmet dieses dann eine LYBICA ganz eigene, gut funktionierende Dynamik, auch wenn nebenbei der helle Leadgitarrensound auf Dauer etwas anstrengt.
Der letzte der neun Tracks des Albums, 'Charyou', rockt vertrackt, hart und mit gleißenden, breitflächigen Akkorden einer akustischen Gitarre los. Dann folgt wieder ein Part für meine Musiklehrerein, der sich leider ins ausschweifende Reich der instrumentalen Langeweile begibt. So langsam kennt man dann auch alle klanglichen Kniffe und Arrangements von LYBICA, weshalb das in diesem Song erfolgende Ausschlachten durch sehr lange Songteile die Geduld interessierter Hörer arg auf die Probe stellt. Und jetzt alle im Chor: "Hier wäre weniger mehr gewesen!"
Die Katzenfans aus Florida beweisen, dass instrumentale Rockmusik auch abseits der diesbezüglichen Ergüsse von progressiven Giganten wie DREAM THEATER auf etwas einfacher strukturierte Weise funktionieren kann. Manchmal klingen die Lieder von LYBICA jedoch wie hervorragend ausgearbeitete Songs, zu deren Aufnahmezeit der imaginäre Sänger seine U-Bahn verpasst hatte. Damit will ich sagen: DREAM THEATER zum Beispiel packen ein, zwei Instrumentals auf ein Album. Warum ringen sich dann LYBICA nicht zu ein, zwei Songs mit Vocals durch, wenn es das Material manchmal fast zwingend hergibt?
- Note:
- 7.50
- Redakteur:
- Timo Reiser