LINDEMANN - Skills In Pills
Mehr über Lindemann
- Genre:
- Industrial Metal
- ∅-Note:
- 9.00
- Label:
- Warner Music
- Release:
- 19.06.2015
- Skills In Pills
- Ladyboy
- Fat
- Fish On
- Children Of The Sun
- Home Sweet Home
- Cowboy
- Golden Shower
- Yukon
- Praise Abort
Plakativ. Aber nur auf den ersten Blick.
Die selbstgenommene Auszeit der größten deutschen Band führte zumindest bei zwei RAMMSTEIN-Mitgliedern zu einem Kreativitätsschub. Nachdem Gitarrist Richard Kruspe sich beim EMIGRATE-Zweitwerk durchaus pop-affin ausprobieren konnte, setzt Frontsau Till Lindemann auf unermüdlich plakativen Industrial Metal. Doch Obacht, bei LINDEMANN handelt es sich nicht etwa um ein Solo-Projekt des gebürtigen Leipzigers. Nein, dieses Projekt ist die schon seit Jahren geplante Duo-Zusammenarbeit mit Augenring-König Peter Tägtgren (HYPOCRISY, PAIN), der auf dem Erstwerk "Skills In Pills" alle Instrumente im Alleingang einspielte.
So ist es auch nur richtig und vernünftig, dass LINDEMANN nicht einfach nur nach dem Namensgeber klingt, sondern Tägtgrens Handschrift unverkennbar durchscheint. Die Brachialität Lindemanns paart sich mit den elektronischen Stahlwerks-Beats von PAIN. Das klingt nicht gerade überraschend? Nun, hier treffen zwei Giganten des Industrial Metal aufeinander - wer erwartet und erhofft sich da bitte ein Blues-Album? Siehste.
Das Duo geht textlich dabei durchaus stumpf zur Sache. Till Lindemann stand die letzten zwei Jahrzehnte für eine Mischung aus bitterbösen, sarkastischen, aber auch unglaublich gefühlvollen und romantischen Texten. Natürlich beinahe immer auf deutsch vorgetragen. Auf "Skills In Pills" ist von diesem Facettenreichtums des gefeierten Dichters auf den ersten Blick nicht mehr ganz so viel zu spüren. Doch lassen wir die ganzen bösen Sex-Lyrics, die sofort Reaktionen hervorrufen, mal beseite und gucken genauer hin. Denn neben delikaten Themen wie Transsexualität ('Ladyboy') und Urophilie ('Golden Shower') geht es auch um Krebs und Nahtoderfahrungen ('Home Sweet Home') oder die Gefahren des Goldrauschs vergangener Zeiten ('Yukon'). Trotz der sehr sympathisch hörbaren Sprachbarriere ist Till Lindemann wieder einmal ein abwechslungsreiches und tiefgründiges Werk gelungen. Dass Text und Video des abschließenden 'Praise Abort' rein provokativ sind, liegt auf der Hand. Aber Provokation ist letztlich auch Kunst.
Zumal die musikalische Unterlegung der mitreißend dargebotenen Songtexte auch überaus gelungen sind. Den Disco-mäßigen PAIN-Rhythmen werden sehr dramatische Streicher-Sätze und Orchestrierungen entgegengesetzt. Das knallharte 'Fat' wirkt damit beinah wagnerisch und konterkariert den sehr plakativen Text. 'Yukon' wirkt hingegen mit seiner Klavier-Einleitung und den hintersetzten Streicher-Parts zerbrechlich, bevor es im fantastischen Refrain sehr rockig wird. Viele Sound-Spielereien verbergen sich im Hintergrund, wollen entdeckt werden. Peter Tägtgren wusste genau, wie der RAMMSTEIN-Fronter einzusetzen ist. Der Kontrast zwischen den überwiegenden stahlharten Momenten und den romantisch-melancholischen Parts ist ohne Zweifel großartig umgesetzt.
"Skills In Pills" ist der erwartete Millionenseller geworden. Weder Fans der Berliner Brachial-Kombo noch solche des PAIN-Masterminds werden enttäuscht sein vom ersten Output des Duos, das großartig mit dickem Booklet und viel Mühe aufgemacht ist. Es gibt genügend Provokation, aber auch Feinsinnigkeit und geniale Melodien. Nur die Gitarren dürften das nächste Mal etwas heftiger produziert und lauter klingen. Aber die gibt's dann ja auf dem nächsten RAMMSTEIN-Album wieder.
- Note:
- 9.00
- Redakteur:
- Marius Luehring