HEDNINGARNA - 1989 - 2003
Mehr über Hedningarna
- Genre:
- Modern Folk
- Label:
- Westpark Music
- Release:
- 22.09.2003
- Tuuli
- Suet Ulvo
- Kruspolska
- Tina Vieri
- Chicago
- Ukkonen
- Dolkaren
- Vettoi
- Viktorin
- Nàvdi/Fasa
- Fulvalsen
- Vottikaalina
- Juopolle Joutunut
- Gorrlaus
- Höglorfen
- Neidon Laulo
- Skàne
- Björnlàten
Der Freund folkiger Klänge mag verwundert und befremdet aufhorchen, wenn er die Musik von HEDNINGARNA vernimmt. Werden nicht die Elfen trotz der dominanten Präsenz traditioneller Instrumente durch die elektronischen Trip-Hop-Sequenzer einfürallemal in die Wälder zurückgescheucht? Wird nicht stattdessen der feiste Schweinerock-Groove auf 'Vettoi' oder 'Fulvalsen' einen bösartigen Troll aus seiner Höhle heraufbeschwören?
HEDNINGARNA scheinen sich solche Sorgen nicht zu machen, sondern experimentieren unbekümmert und manchmal wild mit den altehrwürdigen Traditionen des schwedischen Folk, dessen Boden sie aber nur selten verlassen. Neben den elektronischen Spielereien erfindet man zudem noch kurz mal ein neues Instrument: die sogenannte Basslaute – logischerweise vom Bassisten der Band Ulf Ivarsson zum Klingen gebracht. Anlässlich des Erscheinens ihres siebenundneunziger Albums "Hippjock" ließ die Band verlautbaren, ihre Musik klänge wie "ein Ziegenmagen unter Strom". Diese Wildheit hat ihnen ein breit gefächertes Publikum – von Folkern über Headbanger bis hin zu Goa-Freaks – und in Schweden einigen Erfolg eingebracht. Das zweiundneunziger Album "Kaksi!" ging immerhin dort 35000 Mal über den Ladentisch. Die schwedischen Medien begannen sich gar für die Gruppe zu interessieren.
Funktioniert nun diese auf den ersten Blick seltsame Melange? Und wird der deutsche Headbanger wie sein Bruder im hohen Norden die Haarmähne dazu schütteln?
Die vorliegende CD bietet einen Querschnitt durch das bisherige Schaffen der Band und außerdem zwei neue Stücke. Der Gesang ist meist weiblich und wird in finnischer oder schwedischer Sprache vorgetragen. Auf einem Großteil der Tracks funktioniert die musikalische Alchemie, die HEDNINGARNA betreiben. Dabei wird aber gleichzeitig deutlich, dass HEDNINGARNA immer dann ihre stärksten Momente haben, wenn die Sequenzer in den Hintergrund gedrängt werden und traditionelle Instrumente vorherrschen. Dann erzeugt die Musik einen geradezu rituellen Tranceeffekt. Der Zauber altnordischer Sagas scheint über den tanzbaren, repetativen und homogenen Klängen zu liegen.
Sobald HEDNINGARNA aber beginnen auszufreaken, wird es richtig scheußlich. Der zweite Track 'Suet Ulvo' (einer von den neuen) klingt schon fast wie eine Selbstparodie. Ein obskurer geschlechtsloser Comic-Gesang sorgt für den endgültigen Tod jeglicher Lustgefühle. Dieser Comicgesang übernimmt im nachfolgenden Track, einem Remix von 'Kruspolska', die Hauptrolle. Dieser Track ist wirklich widerlich: - ein Clown singt einen Sommerhit, wie er allenthalben auf den populären Verdummungswellen gewisser Sender zwischen den Werbepausen die Ohren verschmutzt, inklusive einer dämmlichen Trallala-Melodie, die einem früh beim Zähneputzen nicht aus dem Kopf gehen will. Man kann nur hoffen, dass HEDNINGARNA nicht in die Ecke asbestverseuchter Drogenmucke oder "Here comes the Summersun"-Schneeschmelzen abdriften... In einem Interview mit dem Progzine "Eclipsed" erklärte die Band allerdings, dass "HEDNINGARNA definitiv eine Folkband seien".
Aber gut – Schwamm drüber! Immerhin weist die CD eine Spielzeit von fast achtundsiebzig Minuten auf. Mist nur, dass die beiden Scheußlichkeiten gleich den Beginn der CD verschandeln. Dabei begann mich der Anfangstrack gerade mit seiner schamanisch anmutenden Faszination einzulullen... Ein harmonischer Frauengesang wird von Trommeln und elektronischer Percussion begleitet, während eine nordisch klingende Flöte Bilder sich weithin erstreckender schneebedeckter Landschaften hervorzaubert. Andere Stücke erreichen diesen Effekt auch ohne Gesang, so z.B. das auf Polkarhythmen und Akkordeon beruhende 'Dolkaren' oder die wunderbaren fast rituellen Tracks 'Viktorin', 'Nàvdi/Fasa' und 'Höglorfen'. Die Bandbreite der erzeugten Stimmungen ist sehr unterschiedlich. Eine eher dunkle Atmosphäre prägt 'Juopolle Joutunut', während 'Vottikaalina' feucht-föhliche Schwingungen verbreitet.
Dass die Verbindung von deutlich hörbarer Elektronik und Folk durchaus auch spannungsgeladene Töne erzeugen kann, zeigt 'Tina Vieri': Die wellenartige Bewegung der elektronischen Rhythmik wird mit allerlei Folkinstrumentarium kontrastiert - dazu gibt es einen intensiven weiblichen Gesang. Das mystische 'Ukkonen' verarbeitet gekonnt Versatzstücke aus dem Drum'n'Bass, um ansonsten der Flöte und dem Gesang viel Platz einzuräumen. Für den alten Jazz-Klassiker 'Chicago' bedient man sich ebenfalls der Flöte und im Schlussteil einer groovenden E-Gitarre. Ein Stück vom neunundachtziger Debütalbum setzt mit Klampfe und Streicher einen besinnlichen Schlussstrich unter die Zusammenstellung.
Der "gewöhnliche" Headbanger dürfte mit dieser CD sehr wenig anfangen können – auch wenn die Verbindung zwischen Folk und Metal von SKYCLAD bis VINTERSORG in diesem Bereich nichts Neues mehr ist. Insbesondere die elektronischen Elemente könnten abgeschreckend wirken – nur vier Stück haben einen deutlichen Rockeinschlag. Für den folkgewohnten Black/Pagan-Metaller hingegen ist die CD streckenweise nicht düster genug.
Wer modernen Folk wie z.B. MARI BOINE liebt, sollte aber auf jeden Fall mal reinhören. Die stets tanzbare und wuchtig produzierte Musik von HEDNINGARNA wird hier den einen oder anderen Fan hinzugewinnen. Auch aufgeschlossene Freunde hardrockiger und progressiver Klänge könnten eine neue farbige Facette innerhalb ihres Musikgeschmacks entdecken. Mir hat’s insgesamt recht gut gefallen und so verbleibt, der Band viel Erfolg in Deutschland, aber auch eine künftige Remixabstinenz zu wünschen...
Anspieltipps: Tuuli, Tina Vieri, Ukkonen, Vettoi, Viktorin, Juopolle Joutunut, Höglorfen
- Redakteur:
- Jörg Scholz