GILDENLOEW, KRISTOFFER - The Rain
Mehr über Gildenloew, Kristoffer
- Genre:
- Melancholic Art Rock
- ∅-Note:
- 9.00
- Label:
- Melodic Revolution Records / Just For Kicks
- Release:
- 20.05.2016
- After The Rain, Pt. II
- Holding On, Pt. I
- Seeking The Sun, Pt. I
- Seeking The Sun, Pt. II
- Worthy
- Holding On, Pt. II
- See It All
- Peripheral Memory
- Breathe In, Breathe Out
- In the Evening
- It Was Mee
- Drizzle
- She
- All For You
- The Funeral, Pt. I
- The Funeral, Pt. II
Diese Musik blickt in alte, große, traurige Augen.
Kaum habe ich das wunderbare, aber tieftraurige neue IAMTHEMORNING-Album ("Lighthouse") einigermaßen verarbeitet, kommt schon der nächste Angriff auf das Empathie-Zentrum.
Der kleine Gildenlöw-Bruder nimmt sich auf seinem zweiten Solo-Album nämlich eines ähnlich bedrückenden Themas an, dem sich vermutlich jeder Mensch einmal in seinem Leben zu stellen hat. Ging es bei "Lighthouse" um einen Menschen, der langsam seinen Verstand verliert, werden hier die Gefühle eines alten Mannes im fortschreitenden Stadium der Demenz beleuchtet. Und hört man das Album aufmerksam, wird man schnell bemerken, wie tief sich Gildenlöw in dieses Thema hinein gearbeitet haben muss. Klar ist die Frage für Menschen bei klarem Verstand nicht zu beantworten, wie Menschen, die ihr Bewusstsein verlieren wirklich denken. Ob sie überhaupt noch denken? Sie können sich ja nicht mehr mitteilen und schauen einen - wenn überhaupt - nur mit großen traurigen Augen an. Manche sagen, dies sei schlimmer für die Angehörigen als für den Kranken selbst. Aber denjenigen, die dies selbst schon miterlebt haben, sei gesagt, dass dieses obige Bild genau das ist, was die Musik hier - auf eine dem Thema angemessene sehr sensible Art - vermittelt. Aber wie schafft das Gildenlöw nur?
Vielleicht ist eine Antwort: weil er ein Gildenlöw ist. Wir kennen seinen Bruder als teilweise schon unangenehm offen seine Gefühle offenbarenden Sänger, und gerade in Sachen Ausdruck muss sich Kristoffer wahrlich nicht hinter seinem Bruder verstecken. Die beiden sind sicherlich auch Brüder im Geiste. Doch allem voran ist es die feinsinnige musikalische Umsetzung, die hier begeistert. Klar dominieren hier ruhige Moll-Töne von Piano und cleanen Gitarren die Musik. Dennoch hebt sich Kristoffer von anderen (auch tollen) Dauertrauer-Bands wie ANATHEMA, ANTIMATTER oder BLACKFIELD deutlich ab. Da wären zunächst mal die verschiedenen Streicher (Cello, Viola und Violine), die nicht nur wie so oft für wohlige Hintergrund-Melancholie sorgen, sondern immer auch entscheidende melodische Akzente setzen.
Auch in Sachen Gesangs-Arrangements hat sich Gildenlöw einiges ausgedacht. Als wäre er allein mit seiner Daniel-Gildenlöw-meets-Kevin Moore-Stimme nicht schon gut genug, gibt es hier neben vielschichtigen mehrstimmigen Passagen und Satzgesängen ('Seeking The Sun') und einem Duett mit einer weiblichen Stimme ('Holding On') sogar noch einen ungewöhnlichen afrikanisch klingenden Männerchor bei 'Drizzle', einem Song, der mit seinen bluesigen Tönen sogar ein wenig aus dem Rahmen fällt. Von der erzählerischen Tiefe erinnert "The Rain" dabei auch des Öfteren an die großen GAZPACHO-Momente. Bei 'She' und den abschließenden 'Funeral'-Stücken muss man sich nämlich - Textblatt in der Hand - schon arg zusammenreißen, damit man nicht von dieser selten so unverblümt vermittelten Traurigkeit übermannt wird. Am liebsten würde ich Gildenlöw nach Verklingen der letzten Töne anstupsen und ihn fragen, ob er seinen Namen noch weiß.
Da wäre ich dann auch bei dem einzigen nicht wirklich ernst zu nehmenden Kritikpunkt. Das Album kann man nur sehr aufmerksam zuhörend genießen und wenn man dies tut, ist es trotz seiner Sanftheit wirklich ganz schön heftig.
- Note:
- 9.00
- Redakteur:
- Thomas Becker