EVERGREY - Torn
Mehr über Evergrey
- Genre:
- Dark Progressive Power Metal
- Label:
- Steamhammer/SPV
- Release:
- 19.09.2008
- Broken Wings
- Soaked
- Fear
- When Kingdoms Fall
- In Confidence
- Fail
- Numb
- Torn
- Nothing Is Erased
- Still Walk Alone
- These Scars
Weniger überraschend als der Vorgänger und trotzdem gut.
Aus irgendeinem Grund mag ich bei einigen Combos die Alben besonders gerne, die irgendwie aus dem bandtypischen Klangrahmen fallen. Sei es MOONSPELLs "The Butterfly Effect", sei es KREATORs "Endorama" oder eben EVERGREYs "Monday Morning Apocalypse". Ich konnte die Schweden schon immer recht gut leiden, doch der moderne Anstrich des Vorgängers war ein großer, mutiger und größtenteils gelungener Schritt in eine neue Ära, den ich sehr begrüßt habe. Insofern ist "Torn" zunächst einmal eine kleine Enttäuschung. Von EVERGREY-Mastermind Tom S. Englund als "moderne Mischung zwischen 'in Search Of Truth' und 'Recreation Day'" bezeichnet, geht das Steamhammer/SPV-Debüt der Band wieder mehr auf Nummer sicher, was ich bereits bei anderen Formationen - MOONSPELL seien nochmals genannt - als unnötigen Rückschritt empfunden habe.
Dieser kritischen Einleitung zum Trotz ist "Torn" aber bei weitem kein völliger Rohrkrepierer, doch ich musste dies einfach voranstellen, um zu verdeutlichen, warum ich die Platte nicht ganz so abfeiern kann wie einige meiner Kollegen das in unserer Gruppentherapie taten. Denn wenn Tom S. Englund außerdem davon spricht, dass die neuen Songs "genau den Sound haben, den unsere Fans von uns erwarten", hat er im durchaus positiven Sinne nicht ganz unrecht. Bereits der Opener "Broken Wings" klingt dank seiner Mischung aus harten Gitarren, Englunds nachtschwarzen Gesangslinien und dem hypermelodischen, mehrstimmigen Refrain so unverkennbar nach EVERGREY, dass es dem langjährigen Fan schwer fallen dürfte, ihn nicht sofort ins Herz zu schließen. Dass "Torn" neben den progressiven, dunklen Elementen auch über ordentlich powermetallischen Drive verfügt, beweisen die dynamischen Titel 'Fear' und das mit superben Gesangslinien ausgestattete 'Numb'. Emotionale, düstere Epen finden sich in 'When Kingdoms Fall', dem ultraspannenden 'Fail' und dem dank Schunkelrefrain und (fast schon zu) hohen Frickelfaktor prima für den nächsten Konzertabschluss geeigneten 'Still Walk Alone'. Angenehm aus dem Rahmen fällt auch der im Sechsachtel-Takt gehaltene, zwischen Bombast und Lagerfeuer changierende Titelsong sowie das überraschend partytaugliche, mit auffälligen Samples unterlegte 'Nothing Is Erased'.
Doch halten nicht alle der elf Tracks dieses hohe Niveau. 'Soaked' enthält trotz großem, dramatischem Anfang, schön hymnischem Refrain und erstklassigem Gitarrensolo etwas arg hartrockend schreddernde Riffs in den Strophen, die mir auch nach X Durchläufen als zu schroff erscheinen. 'In Confidence' wirkt im Gegensatz zum frischen Opener zu sehr wie eine Blaupause eines typischen EVERGREY-Stückes, was ihm eine gewisse Austauschbarkeit verleiht. Und dem gradlinigen 'These Scars' fehlt es - besonders angesichts seiner Schlussposition - trotz des obligatorischen Gastbeitrags von Frau Englund etwas an Tiefgang.
Eines jedoch muss ich "Torn" zweifellos attestieren: Auch ein paar Monate nach dem Release macht die Platte immer noch Laune, und zwar fast noch mehr als zu Anfang. Und wer - trotz leichter Schwächen hier und da - elf Songs mit Langzeitwirkung erschaffen kann, hat grundsätzlich eine Menge richtig gemacht. Von daher lautet das wohl reflektierte Fazit: Wer die aktuelle EVERGREY bisher noch nicht im CD-Regal stehen hat, sollte sie sich unbedingt auf den Weihnachts-Wunschzettel schreiben. Denn in der Liga, in die sich die Schweden innerhalb von sieben Longplayern gespielt haben, ist jegliche Kritik an Details fast schon Korinthenkackerei - das, was bei EVERGREY "nur" gut erscheint, schaffen andere Bands nie.
Anspieltipps: Broken Wings, When Kingdoms Fall, Fail, Numb, Torn, Nothing Is Erased
- Redakteur:
- Elke Huber