ANATHEMA - Weather Systems
Auch im Soundcheck: Soundcheck 04/2012
Mehr über Anathema
- Genre:
- Art Rock
- ∅-Note:
- 9.50
- Label:
- K Scope (Edel)
- Release:
- 20.04.2012
- Untouchable - Part I
- Untouchable - Part II
- The Gathering Of The Clouds
- Lightning Song
- Sunlight
- The Storm Before The Calm
- The Beginning And The End
- The Lost Child
- Internal Landscapes
Wettervorhersage: Aprilwetter. Sonnenschein, wolkenverhangenes Frühlingswetter, Regen und Nebel, alles ist möglich. Doch die Schönheit der Natur ist gerade hier in allen Facetten wahrnehmbar, sofern man draußen zuhause ist. Faullenzer hören alternativ die neue ANATHEMA: "Weather Systems".
New Artrock ist ja so ein Begriff, der durch das ECLIPSED Rockmagazin geprägt wurde. Der Stil geht aus dem Artrock der 70er hervor, wo progressive Bands (allen voran PINK FLOYD) ihren kunstvollen Arrangements in innovativen Produktionskonzepten Ausdruck verliehen und das audiovisuelle Element bei ihren Konzerten etablierten. Ende der 90er haben Bands wie RADIOHEAD oder SIGUR ROS eine neue Welle dieser Spielart losgetreten und diese auch kommerziell wieder in den Fokus gerückt. Das ECLIPSED nennt neben diesen beiden o.g. Bands unter anderem auch die Briten PORCUPINE TREE und ANATHEMA als wichtige Vertreter und Innovatoren dieses Musikzweigs. Die Bruderschar von ANATHEMA (Vincent, Danny und Jamie Cavanagh; Lee und John Douglas) hat 2003 mit "A Natural Disaster" gar ein Genre-Highlight hingelegt, das auch in unserer Redaktion einen enorm hohen Status besitzt. Leider wurde es sieben Jahre lang ruhig um die Band, doch seit 2010, als endlich eine neues Album erschien ("We’re Here Because We’re Here") explodiert die Band regelrecht. Eine gelungene Tour, ein sensationeller Festivalgig auf dem renommierten NIGHT OF THE PROG-Festival und eine künstlerische Aufarbeitung ganz alter Tracks ("Falling Deeper") folgten. Nun hofft die Rockwelt auf den ganz großen Schlag und jeder traut ANATHEMA zu, ein perfektes New Artrock Album zu schreiben. Dummerweise gab es ein solches Album erst letztens aus dem Lager der Konkurrenz von CRIPPLED BLACK PHOENIX. Gelingt den Cavanagh-Brüdern der Konter?
Er gelingt. Und er ist brillant. Allerdings wird das erst so richtig bewusst, wenn man sich das Album als Ganzes einverleibt und dies mindestens ein Dutzend Mal macht. ANATHEMA haben seit ihrem Neuanfang ihren Stil ein wenig geändert. Die Musik ist weniger direkt, nicht mehr so augenblicklich berührend, nicht mehr so tief melancholisch. Sie ist natürlich immer noch extrem schön, aber ätherischer, schnörkeliger, bombastischer produziert (Steven Wilson!), ja, sie ist noch newartrockiger geworden. Dazu trägt auch der verstärkte Einsatz von Sängerin Lee Douglas bei, die in einigen Stücken die Hauptmelodien übernimmt und Vincent in den bombastischen Gesangsarrangements vermehrt unterstützt. Wie im Genre üblich gehen die Stücke oft langsam an, gerne mit Piano oder akustischer Gitarre (Danny hat nun endlich auch sein schönes Fingerpicking in seine Songs integriert), doch sie steigern sich hoch und gipfeln in tausenden Lagen von Gitarren und Synthies und verhallten Stimmen. Das mag sicher nicht jeder, vor allem der nach prägnanten Riffs gierende Metaller, aber ich liebe es und könnte mich da für immer drin verlieren, ein Gefühl, als würde die Unendlichkeit einen umspülen. ANATHEMA tun also genau dies, worauf ihre Zielgruppe flehentlich hofft.
Da "Weather Systems" wie auch die letzten ANATHEMA-Alben wieder ein Gesamtkunstwerk ist, ist es eigentlich müßig, einzelne Songs herausnehmen. Und dennoch, wen der zweiteilige Opener 'Untouchable' nicht mitreißt, der sollte schnell die Artrockschublade für sich schließen. Das neunminütige 'Storm Before Calm' beweist indes, dass auch ANATHEMA neue Sounds zu ihrem Sound hinzufügen wollen und können. Ein elektronischer, fast darkwaviger, gefühlskalter Track (...it’s getting colder...) schwingt sich immer mehr auf, um in einem einsamen Gitarrenakkord zu gipfeln, von dem ausgehend eines der magischsten ANATHEMA-Arrangements aufgebaut wird, bei dem Vincent einmal mehr zeigt, was für ein genialer Sänger aus ihm geworden ist. Am Schluss kommt dann noch das schwelgerische mit Spoken-Word-Samples versetzte 'Internal Landscapes', das auch PINK FLOYD nicht hätten besser machen können.
Alles in allem also eine ganz edle Geschichte, angefangen vom Coverartwork (wir haben leider nur das digitale Format) über die tolle Produktion (von Steven Wilson gibt es auch wieder ein 5.1 Surround Mix, der schon bei der letzten OPETH kaum zu toppen war) bis hin zu den wundervollen Songs. Genuss pur ist garantiert. Es gibt nichts Schöneres als Musik!
- Note:
- 9.50
- Redakteur:
- Thomas Becker