Wacken Open Air 2015 - Wacken

20.08.2015 | 19:50

30.07.2015,

Unsere große Rückschau auf ein buntes, lautes Fest des Schlamms.

Man mag es kaum glauben, aber zu Beginn des dritten Festivaltags gibt es reichlich trockenen Boden vor der Bühne, Sonnenschein und Sommerlaune dazu. Beste Voraussetzungen für norwegischen Black Metal in Form von KHOLD. Schätzungsweise 150 grimmig schauende Überzeugungstäter haben sich vor der Black Stage versammelt, um sich in den nächsten 45 Minuten klirrende Leads und wummerndes Drumming in die Eingeweide zu reiben. Die Marschrichtung zu so einer Uhrzeit ist sowieso klar, also auf ins Getümmel. Das aktuelle Album "Til Endes" noch gut im Ohr, prügelt sich der Vierer absolut tight durch die ersten Nummern. Die mit überwiegend norwegischem Merch ausgestatteten Metaller vor der Bühne quittieren die Darbietung mit kreisenden Köpfen, sehr viel Applaus und sorgen somit öfter für ein Lächeln im Gesicht von Sänger Gard. Das Material gewinnt zwar keinen Innovationspreis, dafür spielen die Norweger den Trademark-Sound ihrer Szene so gekonnt auf den Punkt, dass sich daran heute niemand auch nur ansatzweise stört. In Form von TULUS gehört man eh zu den Urgesteinen der Bewegung, die pechschwarze Seele des norwegischen Stahls taucht selbst bei sonnigsten Bedingungen ein Mainstream-Festival in gefühlte Dunkelheit. Dass es gegen Ende der Show so richtig voll auf dem Acker wird, liegt "leider" nicht an KHOLD - die Osloer hätten sich ein größeres Publikum redlich verdient - sondern am nahenden POWERWOLF-Auftritt, der schon viele Minuten im Voraus das Infield komplett in schwarz und Flecktarn hüllt.Gerade noch ganz locker in der zehnten Reihe bei KHOLD gestanden, jetzt zieht es mich weiter nach hinten. Das Partyvolk hat seinen Rausch ausgeschlafen und wird von POWERWOLF zur ironisch konnotierten Messe geladen. Im direkten Vergleich war es 2013 zwar auch schon voll bei Atilla Dorn und Co., heute nimmt der Hype um die Truppe aber ganz andere Ausmaße an. Es macht sich eben bemerkbar, vor zwei Wochen ein Album in die Charts geschleudert zu haben. "Blessed And Possessed" kommt bei den Fans bestens an und gehört sicherlich zu den Höhepunkten des mittlerweile sechs Scheiben umfassenden Backkatalogs. Live geht bei POWERWOLF immer ordentlich die Post ab, so auch heute auf dem Wacken Open Air. Auch die merkwürdigen Technikstörungen zu Beginn trüben die Freude unter den grölenden und headbangenden Massen keineswegs. Ohne Leadklampfen-Sound vermiest es mir zwar etwas die Freude, wenn ich mich so umschaue, gehöre ich aber einer Minderheit an. Die Band schafft es eben mit vollem Einsatz, den Funken bei allen musikalischen Mängeln zum überspringen zu bringen. 'Sanctified With Dynamite', 'Coleus Sanctus' und 'Army Of The Night' sind allesamt Ohrwürmer oberster Güte, da braucht es nicht einmal das rumänisch intonierte Einheizen des Frontmannes zur stimmungstechnischen Eskalation. Mit kurzweiligen Hits kann die Band auch die weiteren Minuten des Slots bestens füllen, ganz gleich ob es "alte Schinken" von "Lupus Dei" oder jüngst veröffentlichte Nummern wie 'Armata Strigoi' und Blessed And Possessed" sind. Und so gibt es nach elf Songs kein anderes Fazit: An POWERWOLF mögen sich die Geister der Szenepolizei scheiden, aber in Sachen Eingängigkeit, Publikumsinteraktion und Marketing macht man hier seit Jahren einiges richtig.

[Nils Macher]

Es ist nicht der erste Festivalauftritt, den Mauricio Iacono und seine Mannen in diesem Jahr bestreiten. Aber auch im Herbst der laufenden Saison ist bei KATAKLYSM noch nichts von Müdigkeit und Motivationsproblemen zu spüren. Die Kanadier variieren ihr Set im Vergleich zum Rock Hard Festival bzw. dem Auftritt beim Graspop Open Air nicht, von Routine ist beim Schlammcatchen jedoch nichts zu spüren. Spätestens bei 'As I Slither' hat die Band die Menge im Griff und lässt sie auch nicht mehr aus ihren riffgewaltigen Pranken heraus. Iacono fordert den Pit, und er bekommt ihn in jeder weiteren Nummer, während vor allem die Rhythmusfraktion in einer Intensität groovt, die an diesem Wochenende ihresgleichen sucht. Bei 'Thy Serpents Tongue' scheint kurz vor Toreschluss der Höhepunkt des Holzfäller-Massakers erreicht. Doch erwartungsgemäß gibt es mit 'In Shadows And Dust' und 'Crippled & Broken' noch die bekannte Vollbedienung, die nicht nur angesichts der aufkeimenden Hitze schweißtreibend ist. KATAKLYSM erlebt einen weiteren Siegeszug - und wer die Band in diesem Jahr bereits sehen durfte, darf sich sagen lassen, dass sie nie so mächtig gekickt hat wie heute!

[Björn Backes]

 

"Tales From The Thousand Lakes" wird 20 Jahre alt. Zur Feier dieses Jubiläums hat sich AMORPHIS vorgenommen, das gesamte Album in Wacken aufzuführen und hält auch Wort. Zunächst aber müssen sich die Anwesenden Fans an den neuen Look von Sänger Tomi Joutsen gewöhnen, der seine markanten Dreadlocks gegen eine weniger auffällige Frisur eingetauscht hat. Ein auffälliges Mikrofon nutzt er aber immer noch und zeigt in der folgenden knappen Stunde, dass er stimmlich nach wie vor ein Glücksgriff für die Finnen war, da er sowohl growlen kann wie ein wütender Bergtroll als auch singen wie ein junger Gott. So vergeht die Reise zu den tausend Seen wie im Fluge und zum Abschluss werden noch ein paar Nummern vom Nachfolger "Elegy" gespielt, bis mit dem Bandhit 'My Kantele' Schluss ist. AMORPHIS ist einmal mehr super eingespielt, die Lieder sowieso toll und so bangen die Fans im nostalgisch verklärten Zustand, singen und feiern eine der konstantesten Bands im düster-romantischen Heavy Metal ab. Beim nächsten Mal freue ich mich aber wieder über eine reguläre Setlist, die den gesamten Katalog des AMORPHISschen Schaffens abdeckt.

[Raphael Paebst]

 

Als ich mich für SKINDRED gemeldet habe, hatte ich bei meinen Kolleginnen und Kollegen keinerlei Konkurrenz. Zu stark war die Präsenz von AMORPHIS, die zeitgleich auf der Black Metal Stage spielen sollten, zu sehr war SKINDRED eher Outlier als klassicher "Metal". Für mich war so ein grenzübergreifendes Projekt ja genau das Richtige und die Vermischung verschiedener Musikstile der Grund, warum ich SKINDRED auf Platte so gerne mochte. Live konnte ich mir das also unmöglich entgehen lassen. AMORPHIS würde live schon sein wie immer und ich hatte sie schon hundertmal gesehen. (Wie falsch ich damit liegen sollte, hat mein Mann mir erst Stunden später erzählt. Aber lest doch einfach, was er so erlebt hat - yp) Wo war ich? Ach ja, bei SKINDRED. Kreativ, charmant, anders und nicht in eine Schublade zu stecken. Hip Hop gemischt mit Metal gemischt mit Rock gemischt mit Drum 'n' Bass gemischt mit Punk und das Ganze verfeinert mit englischem Charme.

Als Intro gibt es 'Thunderstruck' von AC/DC und die Menge tobt. Ab da ist mir klar, dass das hier kein "Sit–in", sondern eine riesige Party werden wird. Als dann noch der 'Imperial March' in einer fröhichen Reggae–Version ertönt, fühle ich mich gleich so richtig wohl. Live sind die Engländer einfach eine Wucht, der sich niemand entziehen kann. Die Ansagen sind nie langweilig oder konstruiert. Neben Aufforderungen zum Singen, Tanzen und Hüpfen gibt es auch den einen oder anderen kleinen Witz. Die Sonne scheint, der Schlamm trocknet langsam und das Tanzen wird wieder etwas einfacher. Regungslos herumstehen duldet Herr Webbes nicht. Alle müssen sich bewegen. "Jump" ist das Wort der Stunde und der Matsch ist bestimmt keine Ausrede für einen solchen hingebungsvollen Musiker. Im Publikum zu stehen ist sehr intensiv: Die Atmosphäre, die die Menschen um mich herum kreieren, reißt mich mit. Vom Hip–Hop-Fan über den Punk bis zum Hippie–Girl tanzen alle und nehmen dich an die Hand und dann in den Arm. Musik, die verbindet und keiner wird alleine gelassen. Es ist ein so perfekter Moment, dass ich vor lauter Tanzen nicht mehr mitschreibe. Aber ich bin mir sicher, dass ich das hier nicht vergessen werde und euch später davon berichten kann. Die Stimmung macht gute Sommer–Laune und der Regen der letzten Tage ist vergessen.  Bei 'Pressure' müssen alle hüpfen und der Song wird ein paar mal unterbrochen, nur um auch die letzten Hüpf–Muffel zu motivieren. Vorne tobt ein Mosh–Pit, von dem sich auch EXODUS–Fans noch was abschauen könnten. "SKINDRED come to rock in Wacken. Waaackooooooonnnn" So wird es vorgesungen und so wird es von einer ekstatischen Menge nachgesungen. Dann gibt es kleine Seitenhiebe für den DJ. Der mag wohl kein Metal und kennt kein Metallica. Als Antwort gibt es vom DJ ein paar nette Beat–Downs und Dub–Step–Töne. Das Ganze hin und her mündet dann aber zur Freude der Fans in einem 'Sad But True'–Cover. Und um die passenden Songs, die man so covern könnte, komplett zu machen, wird dann noch ein 'The Firestarter'–Cover von THE PRODIGY zum Besten gegeben. Beim letzten Lied 'Warning' wird mit Hilfe der Menge eine Propeller–Parade veranstaltet, indem tausende ausgezogenen Oberteile über den Köpfen der Fans herumgewirbelt werden. Das sieht wahnsinnig gut aus und ein letztes Mal lasse ich mich gehen. Und so geht DAS Wacken Live–Erlebnis 2015 für mich zu Ende. Ich werde das Konzert nicht vergessen und freue mich schon super auf das nächste Mal.

[Yvonne Paebst]


DANKO JONES ist einer jener Wacken-Künstler, -Bands oder -Musiker, die sich über Jahre im Festival-Billing nach oben gespielt haben und dort mehr Publikum unterhalten, als man von ihrem sonstigen Status erwarten würde. Bei dem Kanadier ist das allemal gerechtfertigt, wie er auch heute wieder unter Beweis stellt. Der Mann ist der geborene Entertainer, seine Songs sind zwar auf Dauer recht gleichförmig, bei Sonnenschein und dem einen oder anderen kühlen Getränk machen sie aber viel Spaß und das Trio ist perfekt eingespielt. So gibt es eine Reihe von Songs über das Rummachen mit Mädels auf dem Rücksitz eines Autos, ein paar andere, in denen es um (teils enttäuschte) Liebe geht und dazu DANKO JONES' lustige Ansagen. Zwischendurch bedankt er sich artig dafür, dass sie als einzige Rock'n'Roll-Band auf einem Metal Festival so prominent spielen darf, legt sich mit einem skeptischen Beobachter am Rande des Publikums an und gibt insgesamt den Alleinunterhalter. Das macht richtig viel Spaß und so bin ich nicht der Einzige, der mit einem breiten Grinsen locker mit dem Fuß wippt, während Herr Jones und seine Mitmusiker dem Ende ihres Konzerts entgegenrocken. In dieser Form ist DANKO JONES eine Bereicherung für jedes Festival und sorgt für Abwechslung und gute Laune. Insofern freue ich mich schon auf das nächste Mal, wenn die Jungs in Wacken auf eine Bühne dürfen.

[Raphael Paebst]

Ein Streichquartett eröffnet vor dem Vorhang den ROCK MEETS CLASSIC-Auftritt und stimmt mit Versatzstücken aus beiden Bereichen auf das ein, was nun folgen wird: Rock und Klassik – meine Güte, wer hätte das gedacht? Hinter dem Vorhang offenbart sich dann das komplette Orchester samt Band, welche mit 'Thunderstruck' standesgemäß eröffnen und direkt den besten Eindruck aller symphonischen Auftritte des W:O:As hinterlassen. Ein ROCK MEETS CLASSIC-Gig basiert im Wesentlichen auf den Gastsängern, welche nacheinander die Bühne betreten und orchestral unterbaute Versionen eigener Songs präsentieren. Als Erstes entert Jennifer Haben von BEYOND THE BLACK die Bretter, welcher der bombastische Ansatz aufgrund ihrer Stammband natürlich nicht so fremd sein dürfte. Insofern klingen die beiden Nummern auch schlichtweg hübsch, passend und wenig ungewöhnlich – und ein Orchester ist im Vergleich zum Keyboard immer ein Gewinn. Im Anschluss kann Joe Lynn Turner da nicht so ganz anschließen, wenngleich die RAINBOW-Auswahl, bestehend aus 'I Surrender', 'Stargazer' und 'Spotlight Kid' prinzipiell nicht so schlecht ist. Wie man bei U.D.O. aber bereits Donnerstag erleben konnte, gewinnt nicht jeder durch das Mehr an Instrumenten. Turner selbst hinterlässt jedoch einen ordentlichen Eindruck und schlecht wären die Regenbogenlieder natürlich nicht einmal auf MAMBO KURTs Heimorgel. Persönlich habe ich mich am meisten auf die Nummern mit Michael Kiske gefreut, der mit 'A Little Time', 'Kids Of The Century' und 'I Want Out' selbstredend drei HELLOWEEN-Songs zum Besten gibt. Optisch scheint der gute Herr Kiske wie so oft den Eindruck erwecken zu wollen, zu cool für diesen Planeten zu sein, aber darüber kann man bei der tadellosen Gesangsleistung gerne mal hinwegsehen. Die durchaus treibenden Songs der Kürbisse werden vom ROCK MEETS CLASSIC-Orchester, welches vom genialen und leidenschaftlich-witzigen Dirigenten Bernhard Wünsch im Takt gehalten wird, in wunderbarer Art und Weise inszeniert. Es ist allerdings auch schwierig, 'I Want Out' so zu verunstalten, dass das Wacken dazu nicht steilgeht. Nachdem das Orchester bei Klaus Badelts 'Pirates Of The Caribbean'-Suite einmal das eigene Können in den Vordergrund stellen darf, kommt der Mann auf die Bühne, den wohl jeder, und ich meine wirklich jeder im Anschluss für das absolut Highlight des Auftritts gehalten hat, wenn nicht sogar darüber hinaus: Dee fuckin' Snider. Der Mann ist 60 Jahre alt, springt über die Bühne wie ein 20-Jähriger, hat Spaß für drei Dutzend andere Menschen und schafft es, die vollkommen überfüllte Bühne alleine einzunehmen. So sieht das also aus, wenn jemandem Rock'n'Roll tatsächlich im Blut liegt. Mit 'You Can't Stop Rock'n'Roll', 'We're Not Gonna Take It', 'The Price' und 'I Wanna Rock' hat er das Wacken fest im Griff, musikalisch und überhaupt. Eine kleine, große Laberbacke ist er, dieser Dee Snider. Aber im Gegensatz zu manch anderen Kaspern hört man ihm gerne zu, weil er wirklich zu unterhalten weiß ("Stop taking selfies!"). Während der Songs wirbelt er hin und her, singt, als wären Stimmprobleme im Alter eine Theorie, die es zu widerlegen gilt und zeigt den jungen Burschen, wie ein verdammter Rock-Fronter steilgehen muss. Zum Abschluss gibt eine gewisse "Heavy-Metal-Nationalhymne" mit dem Titel 'Highway To Hell' auf die Ohren: Genialer Typ, der diesen nach eigenen Angaben kürzesten Auftritt seiner Karriere sichtlich genossen hat – und ein insgesamt feiner ROCK MEETS CLASSIC-Auftritt, welcher auch Open Air auf einem Festival wunderbar funktioniert hat!

[Oliver Paßgang]

 

BIOHAZARD kommt, spielt und siegt. Sofort haben die Herren das Publikum im Griff und lassen mit 'Punishment' eine Riffwalze nach der anderen los. Es scheint, als ob sich der ganze Schlamm der Tage vor der Party Stage gesammelt hat, um nun plattgetreten zu werden, Der Oldschool-Hardcore der Amis lenkt auf jeden Fall bestens von den widrigen Umständen ab. BIOHAZARD hat mächtig Bock und dreht das Energielevel auf Anschlag, Stillstand ist oben wie unten unmöglich. Insbesondere das Gesangsduo an Gitarre und Bass ist perfekt eingespielt. Dass die Fläche vor der Bühne nicht vollständig gefüllt ist, spielt keine Rolle. Hier wird Nackenbrecher auf Nackenbrecher serviert. Das Publikum feiert sich und BIOHAZARD mit Songs wie 'Down For Life' richtig ab, inklusive Circle Pits durch den Schlamm. So wird's gemacht!

 

Kann Nick Holmes auch live in die großen Fußstapfen Åkefeldts und Tägtgrens treten? Eine Frage, die nicht nur mich umtreibt. Die Antwort ist nicht ganz eindeutig. Er macht einen guten Job als BLOODBATH-Sänger, als Entertainer jedoch nur bedingt. Er fällt mit seinem schwarzen Mantel trotz blutbespritzem Gesicht kaum auf, die Ansagen sind spärlich und bestehen meistens aus "diesen Song habe ich auch nicht geschrieben". Klar, gefallen ihm "seine" Songs von "Grand Morbid Funeral" am besten, klingen live auch dementsprechend heftig, professionell geht aber anders. Wie, zeigt der Gastbeitrag von Dan Swanö beim Kult-Song 'Eaten'. Auf einmal steht ein Sänger mit Präsenz auf der Bühne, wow! Klingt hart, ist aber leider sehr offensichtlich. Es wird alles sehr gut gespielt, keine Frage, das sind ja auch alles top Musiker, aber es unterhält, schockt, erstaunt usw. nicht. Wollte Holmes die Coolnes Åkerfeldts nachahmen? Ich weiß nur, das ich nicht der einzige war, der leicht enttäuscht mit den Achseln zuckend zur nächsten Bühne geht. Da zeigt nämlich gleich CANNIBAL CORPSE, wie Death Metal geht.

[Jakob Ehmke]


Das Phänomen SABATON war mir in diesem großen Ausmaß bereits vor zwei Jahren ein Rätsel. Als die Band in der brütenden Nachmittagshitze ganze Massen vor die Bühne lockt, wird mir erst klar, wie groß die Schweden in der Zwischenzeit geworden sind. Folgerichtig spielen sie heute als Headliner - aber auch das ist ein echtes Phänomen, denn musikalisch ist die Darbietung anno 2015 dieser Position alles andere als würdig. SABATON hat weder das entsprechende Material, noch die nötigen Entertainer-Qualitäten, um als Kopf des Samstags auf der Black Stage stehen zu dürfen. Die Menge sieht's allerdings ein bisschen anders und wird nicht müde, 'noch ein Bier' zu fordern und den Panzertrupp nach allen Regeln der Kunst abzufeiern. Dabei ist das, was auf der ziemlich üppig dekorierten Bühne in Sachen Melodien und Refrains geschieht, gerade mal zweitklassig. Und das Geschwafel zwischen den Songs ist irgendwie auch unfreiwillig humorvoll. Ganze 90 Minuten langweilt SABATON mit eher biederem Melodic Metal, und man fragt sich durchgängig, was die Fans an dieser Combo wohl finden mögen. Dass der gewaltige Zuspruch den Headliner-Slot dann irgendwie doch rechtfertigt, muss man wohl akzeptieren. Aber man wird den Eindruck nicht los, dass sich hier eine künstlich gehypte Maschinerie ein weiteres Mal ihren Weg bahnt und SABATON lediglich das Produkt geschickter Vermarktung ist. Letztgenannte wird auch weiterhin Programm sein, denn Frontmann Joakim Brodén kündigt an, dass man den Gig für einen späteren DVD-Release mitzuschneiden gedenkt. Nun denn, Geschmäcker sind verschieden, und der Party-Faktor soll ja auch nicht vernachlässigt werden. Betrachtet man das Ganze aber mal nüchtern und dann auch kritisch, ist die Performance ziemlich schwach und bei weitem nicht auf dem Level, den andere Headliner wie IRON MAIDEN, BLIND GUARDIAN und erst vor zwei Tagen SAVATAGE/TSO an gleicher Stelle bedienen konnten!

[Björn Backes]


Ein in diesem Jahr – zumindest was die großen Bands betrifft – doch eher traditionell ausgerichtetes W:O:A lockt am Samstagabend all jene Besucher zu bester Spielzeit vor die Party Stage, die ihre Nackenmuskeln nun endgültig ruinieren möchten: CANNIBAL CORPSE bittet zum Tanz. Nun gut, bitten tut da wirklich niemand, anbrüllen trifft die Sache wohl eher. Nach dem jedes Mal aufs Neue urkomischen Anti-Intro legt der Ami-Fünfer los wie die Feuerwehr: Zu Beginn des Sets werden überraschend viele Midtempo-Kracher rausgehauen, die bei den Kannibalen immer eine besondere Freude sind, garniert mit vielen Klassikern ('Stripped, Raped And Strangled' gleich an dritter Stelle, dafür fehlt 'Fucked With A Knife' heute ausnahmsweise mal) und drei richtig starken neuen Tracks ('Kill Or Become', 'Sadistic Embodiment', 'Icepick Lobotomy'). Das rituelle Vorgehen "Song spielen – mindestens 30 Sekunden vom Publikum abwenden – irgendwann umdrehen und wahlweise cool oder böse gucken – Song spielen..." ist inzwischen genau so kultig wie das Intro und die immergleichen Ansagen des schreienden Stiernackens alias George Fisher und wird konsequent durchgezogen. Die nach Death Metal lechzende Meute frisst der Band aus der Hand, ist nach 18 Songs ordentlich durchgeprügelt und verlässt das (Matsch-) Feld glücklich und zufrieden. CANNIBAL CORPSE ist zwar irgendwie immer das Gleiche, aber halt auch immer gleich geil.

[Oliver Paßgang]

 

JUDAS PRIEST kann nicht nur mit einer Konzerterfahrung bedacht werden, dachten wir uns (denn wie oft gibt es die Chance wirklich noch?), daher hier gleich einmal zwei Erlebnisberichte [OP]:


Bei ihrem letzten Auftritt in Wacken legte die lebende Legende JUDAS PRIEST einen beeindruckenden Gig auf die Bretter und nun, zu allerbester Zeit, als Headliner am Samstag, soll diese Leistung mindestens wiederholt, wenn nicht sogar übertroffen werden. Seither hat man mit "Redeemer Of Souls" immerhin ein neues Album unters Volk gebracht, das neben einer schwachen Produktion und zu vielen Liedern auch ein paar wirklich gute Nummern aufbieten kann. So hoffe ich, heute die eine oder andere davon zu hören. Los geht es dann auch mit dem Albumopener 'Dragonaut'. Im Anschluss macht man mit 'Metal Gods' seine Ansprüche deutlich und bietet mit 'Devil's Child' eine erste kleine Überraschung im Set auf. Den Titelsong des aktuellen Albums bekommen wir ebenso zu hören wie 'Halls Of Valhalla', bei dem Rob Halford sich beinahe zu Deathgrowls hinreißen lässt. A propos Halford: Der Mann ist heute stimmlich in sehr guter Verfassung, wie auch die restliche Band einiges an Spielfreude auf die Bühne zaubert. Weitere Klassiker gibt es mit 'Victim Of Changes' und der fantastischen Halbballade 'Beyond The Realms Of Death', einer Überraschung in Form von 'Jawbreaker' und dann natürlich den unvermeidlichen Hits. Zu 'Hell Bent For Leather' rollt der Metal-God stilecht in Lederkluft und mit Peitsche auf dem Motorrad ein, wechselt auch ansonsten häufiger die Kleidung als die Sängerinnen von NIGHTWISH und WITHIN TEMPTATION zusammen und ist schlicht einer der charismatischsten Frontmänner, die es im Heavy Metal je gab. Einen ersten Zugabenblock gibt es mit 'The Hellion' und 'Electric Eye', bevor nach 'You've Got Another Thing Coming' mit 'Painkiller' der zweite und letzte Zugabenteil eingeläutet wird. Glücklich singe ich 'Living After Midnight' und verabschiede mich bis zur winterlichen Hallentour von den Briten, die ihr Versprechen "The Priest will be back!" in dieser Form gerne einlösen dürfen.

[Raphael Paebst]


Eigentlich hätten JUDAS PRIEST also leichtes Spiel haben sollen, um nach der vorangegangenen SABATON-Zirkusnummer im Herbst ihrer Karriere auch auf den Feldern von Wacken noch einmal richtig abzuräumen, doch ausnahmslos überwältigend ist auch der Gig des Halford-Clans nicht. Bereits die Graspop-Show zeigte vor genau sechs Wochen, dass die Dauerbelastung der Stimmbänder beim Metal God ihren Tribut fordert. Und auch wenn seine Performance heute minimal besser ist, als kürzlich in Belgien, so bleibt er doch der erneute Schwachpunkt in einer ansonsten ganz gut geölten NWoBHM-Maschinerie. 'Dragonaut' vom aktuellen Album eröffnet ein Konzert, das zumindest in Sachen Setlisten keine Wünsche offen lässt, aber auch ein paar Überraschungen zutage bringt. So dürfen 'Devil's Child' und 'Jawbreaker' zum ersten Mal seit einer gefühlten Ewigkeit wieder ran, 'Victim Of Changes' und 'Beyond The Realms Of Death' sind ebenfalls keine typischen Standards, werden aber doch sehr euphorisch begrüßt, während 'Turbo Lover' und 'Hell Bent For Leather' dann schon eher zum erwarteten Repertoire gehören. Halford schlägt sich weitestgehend wacker, sobald jedoch ein paar längere Screams gefordert sind, kommt der gute Herr aber schnell an seine Grenzen. Die ersten Augenzeugenberichte der laufenden Festival-Tournee hatten da noch ganz anders geklungen. Dennoch: JUDAS PRIEST präsentiert sich von seiner besseren Seite, was sicherlich auch daran festzumachen ist, dass man mit Ritchie Faulkner einen echten Glücksgriff landen konnte. Der Gitarrist hat das Urgestein Downing vergessen gemacht und entpuppt sich als absoluter Aktivposten im derzeitigen Line-up, in dem Ian Hill und Glenn Tipton ebenfalls als sichere Bank auftreten. Alles läuft gut, 'Breaking The Law' wird lauthals mitgesungen, und obschon es nicht mehr ganz so voll ist wie zuvor bei SABATON, ernten die Briten mehr als nur Höflichkeitsapplaus. Umso bedauerlicher ist der Umstand, dass man sich gleich zweimal zur Zugabe bitten und damit die Zeit für ein, zwei weitere Songs verstreichen lässt. In der ersten Euphorie zu 'Electric Eye' und 'Painkiller' nimmt man das zwar noch nicht so deutlich wahr, später ärgert man sich aber dann doch. Was jedoch bleibt, ist ein gelungener, guter Auftritt einer langsam sterbenden Legende - und vielleicht auch der letzte an dieser Stelle. Sollte es tatsächlich so sein, kann man JUDAS PRIEST im Wacken-Konsens aber definitiv in guter Erinnerung bewahren.

[Björn Backes]

 

CRADLE OF FILTH! Wer kennt die Briten nicht. Wer sie bereits live gesehen hat, muss jetzt sehr überrascht sein, denn das ist dieses Jahr ein absolutes Highlight. Dani Filth hat es noch immer drauf und weiss seine Stimme einzusetzen. Ebenso setzt sich Caroline Campbell mit den weiblichen Background-Vocals und am Keyboard durch, welches im übrigen eine verbogene Tastatur hat. Der Sound der Gitarren, Bass und Drums ist klar und bringt die Masse dazu sich zu bewegen. Mosh-Pits oder vergleichbare Aktionen sind zwar nicht zu beobachten, aber die Fans sind ständig in Bewegung. Mit dem Song 'Cthulhu Dawn', dem Opener vom Album "Midian" beginnt das Konzert und begeistert die Fans mit weiteren Klassikern wie 'Funeral In Carpathia', 'Cruelty Brought Thee Orchids', 'Her Ghost In The Fog' oder zum Schluss mit dem Hit 'From The Cradle To Enslave'. Das Bühnenbild überzeugt durch die beiden Kreuze und fein abgestimmten Lichtverhältnisse. CRADLE OF FILTH rockt heute das WACKEN OPEN AIR und macht Laune. Es ist das beste Konzert dieser Band, welches ich seit Jahren gesehen habe.

[Thomas Reinsch]

 

Noch so eine Tradition: SUBWAY TO SALLY ist nicht zum ersten Mal der letzte Act des Festivals, und in dieser Rolle fühlen sich Eric Fish und sein Team wohl auch ganz wohl. Der charismatische Frontmann hatte bereits am Vortag mit seiner Soloband ein kurzes Gastspiel, nun darf er mit seiner Stammcombo ein weiteres Mal den Feierabend einläuten. Das Gefolge ist immer noch zahlreich, begrüßt alte Hits wie 'Kleid aus Rosen' und 'Falscher Heiland' und feiert eine Band, die auf der Bühne immer noch zahlreiche Geschmäcker vereinigt. Als nach einer Stunde schließlich der Vorhang fällt, ist man etwas wehmütig: Einerseits, weil ein denkwürdiges Festival nun zu Ende geht, andererseits aber auch, weil SUBWAY TO SALLY mal wieder einen der vielen magisschen Momente in Wacken platziert hat und nun schon wieder abtritt. Das war wirklich stark!

[Björn Backes]

 

... und auf den anderen Bühnen?


Trotz POWERWOLF auf der Hauptbühne ist die Nebenbühne im Zelt, die Headbanger-Stage, gut gefüllt - ganz klar, AVATAR hat sich eine starke Fanbase erspielt. Mit 'Hail The Apocalypse' vom aktuellen Album gibt es sogleich voll auf die Mütze, gefolgt von 'Let It Burn'. Sänger Johannes Eckerström gibt wie immer einen hervorragenden Entertainer ab, alleine diese Gesichter, die er zieht - köstlich! Wie ein kranker Zirkusclown. Aber das ist nebensächlich, die Songs sprechen nämlich für sich und bringen nicht nur die kleinen Regentümpel im Zelt in Bewegung, sondern auch viele, die eigentlich auf die nächste Band warten. 'Get In Line' zeigt, was ein ordentlicher Stampfer ist und 'Bloody Angel' ist der emotionale Höhepunkt, inklusive Gänsehaut. Der Off-Beat-Mosher 'Vultures Fly' lädt zum Springen ein und groovt einfach unverschämt geil daher. 'Paint Me Red' wird wie eine Hymne abgefeiert, abschließend lässt 'Freakshow' keine Fragen offen: AVATAR gehört auf die Hauptbühne und zwar schnell!


Kennt ihr die Wacken-Umfrage, die immer kurz nach dem Festival online geht? Da gebe ich seit Jahren bei "Bandwünschen" DREAM THEATER und CRYPTOPSY an. Mein Wunsch wurde nun endlich erhört, hat ja auch nur fast ein Jahrzehnt gedauert. Zuletzt spielten die Kanadier 2001 auf dem Wacken, allerdings ist von der Besetzung nur noch Schlagzeuger Flo Mounier übrig geblieben. Das macht aber gar nichts, denn die Extrem Metaller locken auch heute eine hungrige Death-Metal-Meute vor die Zeltbühne der WET-Stage. Wer CRYPTOPSY schon mal live gesehen hat, weiß, was nun folgt - der totale Ausnahmezustand! Die Band spielt nicht nur, sie überrollt dich und setzt dabei pure Energie frei. Ich muss wirklich teilweise lachen, weil das Dargebotene einfach zu heftig ist, um wahr zu sein. Insbesondere Flo Mouniers Spiel ruft nicht nur bei mir absolutes Erstaunen hervor. Die anfänglichen Soundprobleme sind schnell behoben und vergessen, denn die Herren ballern sich, so gut es in 45 Minuten geht, durch die gesamte Diskographie. Selbst ein ganz neuer Track der noch nicht veröffentlichten EP "The Book Of Suffering - Tome 1" wird präsentiert. Meine Herren, das ist ein genialer Brainfuck! Ein Höhepunkt ist für mich der Klassiker 'Cold Hate, Warm Blood', was für eine Macht! Sänger Matt McGachy macht mittlerweile eine enorm gute Figur, Rufe nach Lord Worm werden im Keim erstickt. Die einzige Kritik ist, dass die Reduzierung auf eine Gitarre nicht immer gut klingt, gerade bei den sehr melodischen Soli fehlt mir das Fundament, auch wenn Neu-Basser Olivier Pinard alles aus seinen Saiten holt. Ich bin komplett überwältigt. Die Rufe nach dem viel zu kurzen Konzert sind entsprechend nicht etwa "Zugabe!", sondern "nochmal!".

[Jakob Ehmke]

 

Was soll ich sagen? LORD OF THE LOST: Das Konzert, das ich am meisten erwartete und am meisten fürchtete. Es ist wohl unnötig zu sagen, dass ich hier ebenfalls null Konkurrenz von meinen Kolleginnen und Kollegen bekommen habe. Nicht zuletzt verdanke ich das wohl auch einer englischen Kombo namens JUDAS PRIEST, welche zeitgleich auf der True Metal Stage ihr Konzert spielt. Herr Halford in allen Ehren, aber diesmal würde ich dann wohl nicht dabei sein können. Zurück zum Quintett aus Hamburg. Das Akustik-Album habe ich noch in den höchsten Tönen gelobt, habe jedes einzelne Stück genossen und auch die alten Alben höre ich tagaus und tagein. Und dann kam diese kleine EP "Full Metal Whore" kurz vor Wacken auf meinen Tisch. Auch wenn mir durchaus bewusst ist, dass es ein schlauer Zug ist, die Lieder für den Auftritt härter und Metal–lastiger zu gestalten, hat es mich auf Platte nicht sehr überzeugt. Nun ja, Geschmacksache halt, da kann man wenig drüber streiten. Aber mir war auch klar, dass diese EP auf dem Wacken-Auftritt in voller Länge gespielt werden wird, da der Auftritt länger dauern sollte, als die Platte lang ist. Somit frage ich mich nur noch, welche Songs sonst noch ausgewählt werden würden. Ich bin auf alles gefasst und auch darauf, dass dieses Konzert eine Enttäuschung werden könnte. Macht ja nichts, im Herbst kommt die Tour und dann könnte die Band Wiedergutmachung leisten. Worauf ich allerdings ganz und gar nicht gefasst war, ist die Tatsache, dass die von mir so unterschätze EP live funktioniert. Und nicht nur das: Sie haut mich richtiggehend um. Nach einem elektronischen Intro mit einem überragenden Sound fängt auch schon 'Full Metal Whore' an. Die im Tonstudio gesampelten und verzerrten Parts werden live auf ein Minimum reduziert und verlieren so ihren konstruierten Charakter. Was ich auf Scheibe noch als eine Kopie von ALEXI LAIHO wahrgenommen habe, ergibt live nun ein neues Bild: Genie und Wahnsinn liegen nah beieinander und nun ist es Zeit, dass Herr Harms diese persönliche Seite in seiner Musik ausdrückt. Und das funktioniert auf der Bühne grandios. Zusätzlich zu seiner gewohnt melancholischen Seite wird nun seine Verzweifelung und sein Wahnsinn durch Talent, Taktgefühl, Sexappeal und dieser extrem vielseitigen Stimme zum Ausdruck gebracht. Gänsehaut pur. Was bei 'Blood For Blood' noch diese weiche, sanfte, tiefe Stimme geschafft hat, wird nun durch Kreischen und Growlen erreicht. Wie er es schafft, Kontrabass zu spielen, zu singen und zu tanzen - und das alles gleichzeitig - ist schon beeindruckend. Das Licht der Bühne, mal in rot, mal in lila-grün, unterstreicht noch die düstere Atmosphäre, die LORD OF THE LOST auf der Bühne kreiert. Die Instrumente sind super gut eingespielt und auch der Sound ist großartig. Als die ersten Töne von 'Black Lolita' anklingen bin ich dann vollkommen versöhnt. Die Menge tanzt und singt, doch ich kann nur auf die Bühne starren. Hab ich schon die sexyste Stimme des Gothic–Rock erwähnt? Was die lasziven Bewegungen, gepaart mit diesem leicht anzüglichen Text und der geilen Stimme, mit meinen Hormonen machen, behalte ich mal für mich. Bei 'Six Feet Underground' ist das Timbre dann ein bisschen tiefer als üblich und es ist nicht das einzige Lied, das ein wenig anders dargeboten wird. Auch bei 'Die Tomorrow' wird es etwas metallischer als auf CD. Aber es klingt nach wie vor gut. Mit 'La Bomba' geht die Show dann leider langsam dem Ende entgegen. Netterweise zieht Herr Harms nun auch noch sein Oberteil aus und zeigt dem Publikum hautnah, wie gut er sich denn so bewegen kann. Dass im Hintergund die anderen Herren Samba tanzen, sehe ich aufgrund der Ablenkung nur aus den Augenwinkeln. Mit einem Lächeln im Gesicht mache ich mich dann mal langsam zum Hauptgelände auf.

[Yvonne Paebst]

 

WALTARI - Eine Konzertbeschreibung in zwei Akten.

Akt 1: Yvonne
Schon Wochen vor Wacken ist klar, dass ich am letzten Abend mit meinem Mann bis 3 Uhr morgens ausharren werde, um WALTARI zu sehen. Also, er möchte, dass ich mir das mit ihm zusammen ansehe. Ich kenne WALTARI nicht und weiss nicht, was für Musik die Finnen so zocken. Es sei eine Mischung aus allem, bekomme ich als Erklärung. Ach so. Ja, dann ist ja alles klar. Das klingt ja sehr spannend und so halte ich geduldig bis zu später Stunde durch. Die Gruppe, die sich dann im Zelt einfindet, ist sehr klein und wir sind die Jüngsten. Die meisten Fans sehen aus, als hätten sie mal vor langer Zeit eine Punk–Karriere gehabt. So wie mein Mann auch. Ich bin gespannt. Und dann betritt zu einem epischen Intro ein roter Schopf die Bühne. Ein Keyboarder, ein Drummer und zwei Gittaristen komplettieren das Ensemble. Die nächste Stunde ist eine wahre Freude, auch wenn ich noch immer nicht begreifen kann, was da eigentlich passiert ist. Es wird alles dargeboten, was an Musik auf der Welt vertreten ist. Von Oper bis Punk und von Death–Metal bis Elektro. Aber das Beeindruckendste ist die unglaubliche Hingabe, mit welcher alle Beteilgten des finnischen Grüppchens die Musik spielen und der Respekt und die Liebe, mit welchem sie ihre Mitmusiker behandeln. Ich fühle mich sofort als Teil dieser großartigen Gemeinschaft und hüpfe trotz der späten Stunde noch so ausgelassen, dass ich selbst überrascht bin. Ich bin sehr dankbar, dass ich um diese Erfahrung reicher bin.

Akt 2: Raphael
Das Beste kommt zum Schluss, auch in Wacken. Wer das nicht glaubt, hat wohl noch nie WALTARI gesehen - eine der eigenwilligsten, aber auch begnadetsten Livebands überhaupt. Nachdem auf der anderen Zeltbühne soeben noch Kvarforth und seine SHINING miese Laune zelebriert haben, gibt es ab viertel drei nochmal positive Energie für alle, die noch stehen. Frontmagier Kärtsy und seine Begleiter drohen die "Ultimate Crossover Experience" an und liefern diese dann auch. Alte Kracher, neue Hits, einen Auszug aus der Death-Metal-Sinfonie, die Truppe hat heute von allem etwas mitgebracht und fordert das verbliebene Publikum auf: "freak out!". Dieser guten Laune kann ich mich nicht entziehen und ich denke nur sehr kurz darüber nach, wo die Band zu dieser Stunde noch so viel Energie hernimmt. Der Rest ist Hüpfen, Springen, Tanzen und Headbangern, bis der Traum mit 'Atmosphere' um drei Uhr sein schönes Ende nimmt. Das nächste Mal hätten die Finnen aber einen Platz zu früherer Stunde und vielleicht auf einer größeren Bühne verdient, um ihre wilden Streifzüge durch alle möglichen und unmöglichen Genres vor größerem Publikum zu präsentieren oder wenigstens um mehr Menschen zu verstören. Ganz, ganz toller Abschluss eines insgesamt wieder schönen Festivals.

[Yvonne Paebst] & [Raphael Paebst]

 

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Redakteur:
Oliver Paßgang

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