WOLVENNEST, DOUBLE DARKNESS und DÉHÀ - Hamburg
22.11.2025 | 14:3430.10.2025, Bambi Galore
Nach ein bisschen akustischem Leerlauf die ultimative Zeremonie!

Während Ottonormalverbraucher und Weekend-Warriors sich wieder die alljährlichen Gedanken machen, mit welch grausigen Faschingskostümen und Facepainting-Schmierereien man dieses Mal wieder die anstehenden Halloween-Events für jung und alt fluten soll, um auf die Ende Oktober plötzlich auf einmal wiederauftauchende "dunklen Seite" in sich selbst aufmerksam zu machen, vereinen sich im Bambi Galore zu Hamburg heute (Vorsicht: Gatekeeper) die WAHREN Gralshüter der okkulten Kunst.
Ursprünglich geladen hatten neben dem Headliner WOLVENNEST aus Belgien noch DOUBLE DARKNESS sowie die Berliner Gothic Rocker (DOLCH). Leider müssen letztere ihre Tour-Aktivitäten allerdings aufgrund gesundheitlicher Gründe kurzfristig absagen, was wohl nicht nur ich sehr bedauert haben dürfte, da gerade jene Band sowohl aus musikalischer als auch thematischer Sicht ganz vortrefflich in diese "Skin Procession"-Tour gepasst hätte. Aber gut, Gesundheit geht vor, und so rückt DOUBLE DARKNESS auf die zweite Position, während mit Olmo Lipani aka Déhà ein alter Bekannter der WOLVENNEST-Familie sich spontan entscheidet, mit einem seiner zahlreichen musikalischen Nebenprojekte gleichen Namens (DÉHÀ) diesen sowie auch alle anderen Tour-Abende zu eröffnen.
Mit schätzungsweise gut siebzig bis achtzig Nasen vor Ort ist die Venue besser als erwartet gefüllt und überpünktlich, beziehungsweise gute zehn Minuten zu früh, startet DÉHÀ den mystisch-dunklen Abendreigen. Der Künstler widmet diesen und alle anderen Konzertabende seinem Freund Oscar Swinks, Mitbewohner und musikalischer Weggefährte bei HERZOG, der zu Monatsbeginn seiner Krebskrankheit leider viel zu früh erlegen ist.
R.I.P. Oscar...
Tatsächlich bin ich weder mit dem Schaffen dieses Projekts noch mit der Musik anderer Projekte vertraut, so dass ich mich vorbehaltlos einfach überraschen lasse, was hier denn in der nächsten halben Stunde auf mich zukommen mag. DÉHÀ besteht einzig und allein aus dem Künstler. Während er auf Platte alle Instrumente selbst einspielt, reicht ihm heute sein Stimmorgan und eine E-Gitarre. Alles weitere an musikalischer Untermalung ertönt additional aus der Konserve.
Klanglich würde ich das Gehörte hier ganz klar im Bereich Funeral Doom mit ein wenig Death- und Black-Schärfe verorten. Die zeitlichen Abstände zwischen den Riffanschlägen sind lang, verdammt lang. Die Bühne ist von dichtem Rauch aus der Nebelmaschine gefüllt, Klargesang und finstere Growls wechseln sich ab. Aber auch markerschütternde Schreie im oberen Frequenzbereich, die Lipani mit dem Rücken zum Publikum gerichtet und mitunter knieend Richtung Bühnenrückwand feuert, sind Teil der vokalen Performance. Beklemmende Schwere und schmerzerfüllte Traurigkeit erfüllen den Raum vor, neben und über uns. Die Performance ist intensiv-wuchtig, aber auch bedrückend-morbide, hat das Ganze hier doch den (leider ungewollten) Charakter eines Requiems. Unterm Strich ein bewegender Auftritt, den ich beim nächsten Mal aber doch lieber unter etwas anderen Vorzeichen würde sehen wollen.
Als zweite Band des Abends tritt DOUBLE DARKNESS nun in Erscheinung. Hierbei handelt es sich um ein Duo, welches ebenfalls mit der heute aufspielenden Hauptband befreundet ist. Ansonsten habe ich im Vorfeld recht wenig recherchieren können und lasse daher auch in diesem Fall alles einfach mal gemütlich auf mich zukommen. Dass man auf der kleinen Bühne noch Platz findet, einen kleinen Tisch mitsamt Schädeln und anderen Gebeinen und Knochen zu platzieren, finde ich schon mal grundsympathisch. Allerdings will die hier dargebotene Musik nach meinem Gusto nicht so recht zu der morbiden Dekoration passen. Denn obwohl ich als langjähriger Besucher des Wave Gotik Treffen in Leipzig auch anderen Sounds und Genres für gewöhnlich sehr offen gegenüberstehe, will mich der heute präsentierte Stilmix aus Dark-/Synthwave, EMB und Elektro so gar nicht abholen.
DOUBLE DARKNESS – Concrete Swing // live @ Bambi Galore 2025
https://www.youtube.com/watch?v=S6kcXnZ9GiQ
Auch die Stageperformance der beiden via Laptop musikproduzierenden Mitglieder will in meinen Augen und Ohren nicht zu 100% mit den kredenzten Klanglandschaften und den auf der Hintergrundleinwand laufenden urbanen Szenen korrelieren. Liegt möglicherweise aber auch weniger an der Band selbst, als vielmehr an meiner Wenigkeit, die heute einzig und allein den rituellen Tönen des Headliners entgegenfiebert. Kann man nichts machen. So sehr ich mich auch bemühe, irgendeinen Zugang zu finden, es will mir partout nicht gelingen, so dass ich mich kurzerhand entschließe, den Rest der Aufführung an der kühlen, frischen Luft zu verbringen. Wer aber mit LEBANON HANOVER und PERTURBATOR etwas anzufangen weiß, sollte auch in DOUBLE DARKNESS bei Bedarf ruhig einmal reinhören.
Die Umbaupause ist bereits zwischen den ersten beiden Bands überraschend kurz, was, wie ich in einem Pläuschchen mit einem Bekannten erfahre, auch darauf zurückzuführen ist, dass es alle Bands wohl recht eilig haben. Denn noch in der Nacht geht es weiter nach Kopenhagen, wo das Package morgen gastiert. So lange hier aber nichts in Hast und Hetze ausartet, soll es mir recht sein, denn ich habe nun schon sehr lange darauf gewartet, mit WOLVENNEST endlich eine meiner absoluten Lieblingsbands live bestaunen zu dürfen, und heute ist es endlich so weit. Da darf es meinethalben also schön weitschweifig und ausgedehnt zugehen.
Dann ist es schließlich auch so weit. Da die Kombo wie üblich mit drei Gitarristen agiert, ist es mit unterm Strich sechs Personen doch recht "gemütlich" auf der kleinen Bühne. Bedauerlicherweise verzichtet die Band dadurch auf essentielle Show-Beilagen wie Räucherwerk, Kerzen und entsprechende Ritual-Dekoration. Schade, sehr schade. Aber natürlich noch immer besser als üppiges Requisitenwerk und keine Musiker auf der Bühne. "Procession" heißt die neue, als Doppelalbum angelegte Platte.
Der Name ist bei einer Gruppe wie WOLVENNEST natürlich Programm. Denn die auf Tonträger schon tiefgründige, fesselnde und hypnotische Musik, verströmt gerade live eine feierliche und fast sakrale Stimmung. So ist es natürlich keine Überraschung, dass der Fokus heute auf der aktuellen Platte liegt und die Belgier folgerichtig mit drei Songs vom neuesten Werk starten, welches uns in den Worten der Band "als Soundtrack zu unserer eigenen Auslöschung" dargeboten wird. Es ist gewissermaßen also unser aller eigenes Requiem, dessen akustische Zeugen wir heute sein dürfen.
Der Sound ist satt und voll, und schon sehr rasch lassen hier druckvoller Drei Klampfen-Sound im Verbund mit der mächtigen Rhythmus-Fraktion um Neu-Bassist VaathV und Schlagwerker Bram Moerenhout die Matten und Köpfe in der ersten Reihe fliegen. Ja, nach all den Youtube-Liveclips, die ich mir in der Vergangenheit in Ermangelung analoger Live-Erlebnisse schmachtend immer zu Gemüte führen musste, wenn die wenigen Auftritte immer zielgerichtet an der norddeutschen Tiefebene vorbeiführten, ist diese nun fast knisternde magisch-rituelle Atmosphäre genau so, wie ich es mir bislang immer vorgestellt habe. Mit dem traumhaft surrealen Stück 'Incarnation' wird nun auch mein persönliches Lieblingsalbum "Temple" gewürdigt und nicht nur während dieser Darbietung wird mir klar, was für eine verschworene und perfekt aufeinander eingespielte Besetzung da oben so prächtig am Zaubern ist.
Es folgen mit 'The Shadow On Your Side' und 'Décharné' zwei weitere Stücke vom neuen Longplayer. Während ersteres aufgrund der vorhandenen 80er-Note den künstlerischen Einstellungstest für jede niveauvolle Tanzflächen-Veranstaltung bestehen würde, werden wir bei der von Sängerin Shazulla auf Französisch gehauchten Düsterballade 'Décharné' Zeugen einer unzweifelhaften Zeremonie. Überhaupt, diese so charmant wirkende introvertierte Schüchternheit von Sharon Schievers (so ihr bürgerlicher Name), gepaart mit dieser unbändigen und physischen Leidenschaft für diese von ihr maßgeblich beeinflussten Musik, ergibt ein Bühnen-Alter Ego, welches da draußen wahrlich seinesgleichen sucht. Wie sie gerade live mit ihrem Theremin (ein Musikinstrument, welches ohne Berührung gespielt wird und dabei unmittelbar Klänge hervorbringt) den Songs eine akustische Ausstrahlung und dadurch einen ganz eigenen Charakter verleiht, muss ich zumindest den WOLVENNEST-Jüngerinnen und Jüngern unter euch wohl nicht erzählen.
Es ist nun an der Zeit für ein paar "Hits", wenn man dieses abgrundtief schmutzige Wort in Verbindung mit solch einer Formation überhaupt nennen darf. Aber zumindest in meiner Welt kann ich einen Song wie 'All That Black' zu jeder Tages- und Nachtzeit gut gelaunt und passend gestimmt auf meinem Balkon Richtung Nachbarhäuserzeile singen: "I LOVE DARKNESS. DARKNESS IS BEAUTIFUL." Dazu dieses repetitive Riffing und das auch hier live brillant funktionierende trancehafte Klangbild im Hintergrund - I just love it!
Ein Hit kommt aber selten allein, und so feiert man nun sich und alle hier anwesenden 'Ritual Lovers' als das, was es zumindest an diesem Abend in diesem Moment auch wirklich ist: eine sich blind vertrauende und auf spirituelle Weise miteinander verschweißte Einheit. Ob es gut ist, dass solch eine enge Symbiose zumeist (leider) nur in solch kleinen, intimen und perfekt geerdeten Clubs wie dem Bambi funktionieren kann, ist dann natürlich wieder Gesprächstoff, der hier jetzt nicht weiter Thema sein soll. Denn der schwarze Gentleman mit der Sonnenbrille, dem Hut und der Gitarre aka Marc De Backer leitet mit vier lyrisch vorgetragenen sich immer wieder wiederholenden surreal verzerrten Noten ein weiteres musikalisches Kleinod ein, namentlich das universell versunkene 'Famadihana' vom aktuellen Album.
Wie beendet man einen solch rituellen Festakt stilecht und zollt dabei auch noch gleich dem bisher ignorierten letzten Album "The Dark Path To The Light" Tribut? Richtig, mit einer regelrechten Beschwörung in musikalischer Gestalt von 'Accabadora', an dessen Ende für lange Zeit Mano cornuta-Geschwader Richtung Bühne gestreckt werden. Viel angemessener kann man eine solche Messe und damit auch diesen Bericht dann eigentlich auch nicht beenden. Außer man lässt abschließend Bilder sprechen, die eindeutig bezeugen, dass nicht nur der Verfasser dieser Zeilen sehr, sehr viel Spaß an diesem Abend gehabt hat.
WOLVENNEST – All That Black // live @ Bambi Galore Hamburg 2025
https://www.youtube.com/watch?v=Zg6rXdcEpZc
Setliste: Damnation; Another Nail; Purple Poison; Incarnation; The Shadow On Your Side; Décharné; All That Black; Ritual Lovers; Famadihana; Accabadora
Text: Stephan Lenze
Photo Credit: Pamera Obscura
- Redakteur:
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