TESTAMENT, OBITUARY, DESTRUCTION und NERVOSA - Stuttgart

22.10.2025 | 15:36

13.10.2025, LKA Longhorn

Laut, lauter - "Thrash Of The Titans"-Tour 2025.

Manchmal reicht schon ein Blick auf das Line-Up, um zu wissen: dieser Abend wird Geschichte schreiben. NERVOSA, DESTRUCTION, OBITUARY und TESTAMENT - vereint unter dem Banner "Thrash Of The Titans" - verwandeln das Longhorn in Stuttgart am 13. Oktober 2025 in einen Hexenkessel.



Die Hütte ist voll, die Stimmung elektrisiert, die Luft voller Erwartung und Nebelschwaden. Die Park-Situation vor dem Longhorn (LKA) ist nach wie vor nicht so ganz ideal. Die kleinen Seitenstraßen rund ums LKA sind eine Stunde vor Beginn restlos zu. Also parken wir etwas außerhalb in Stuttgart-Wangen und laufen ca. 20 Minuten bis zum Club.

Nach kurzen Small Talks mit alten Bekannten und Freunden verabschiede ich mich dann zunächst mal für die ersten drei Songs in den Fotograben nach vorne. Das ist im LKA ein etwas schwieriges Unterfangen, da es heute wirklich sehr voll ist.

NERVOSA - Die Furien aus Brasilien eröffnen

Das Quartett aus São Paulo eröffnet den Abend mit einem Feuersturm. Schon die ersten Takte von 'Seed Of Death' zeigen, dass NERVOSA keine Gefangenen machen würde. Sängerin und Gitarristin Prika Amaral steht wie eine Naturgewalt auf der Bühne - kompromisslos, wild, mit einer Präsenz, die Respekt einfordert.

Manchmal habe ich das Gefühl: ein Blick von ihr reicht, und das Publikum gehorcht! Von wegen "Vorgruppe", insgesamt sind an diesem Abend gefühlt vier Headliner am Start!

Die Setliste konzentriert sich auf die jüngere Bandgeschichte, mit Krachern wie 'Perpetual Chaos' und 'Endless Ambition'.

NERVOSA hat in den letzten Jahren einige Umbesetzungen hinter sich, aber diese Formation wirkt gefestigt und zielstrebig. Lediglich die Kürze des Sets - rund 30 Minuten - ist etwas schade. Von dieser Party hätte ich mir auch mindestens 45 Minuten reingezogen.

Setliste NERVOSA: Seed Of Death; Behind The Wall; Kill The Silence; Perpetual Chaos; Venomous; Jailbreak; Endless Ambition

DESTRUCTION - Thrash aus der Heimat

Wenn DESTRUCTION auf der Bühne steht, weiß man, was kommt: deutscher Thrash, kompromisslos, roh und traditionsbewusst. Und die Band liefert genau das, was man von ihr erwartet: Klassiker wie 'Curse The Gods', 'Mad Butcher' oder 'Bestial Invasion', bringen das Publikum sofort zum Ausrasten. Überhaupt: Stagediving ist an diesem Abend ein Ding. Bereits bei NERVOSA ist das Publikum in abartig guter Stimmung.

Sänger und Bassist Schmier wirkt gewohnt routiniert und überhaupt wirkt die ganze Band sehr spielfreudig und gut gelaunt. Überraschungen im Set gibt es kaum, aber wer DESTRUCTION bucht, will genau dies: schnell, hart, direkt ins Gesicht.

Setliste DESTRUCTION: Curse The Gods; Nailed To The Cross; Scumbag Human Race; Mad Butcher; No Kings No Masters; Thrash 'Til Death; Bestial Invasion; Destruction

OBITUARY - Death Metal im Thrash-Tempel

Auf dem Papier mag es zunächst seltsam wirken, OBITUARY im Rahmen einer Thrash-Tour. Die Jungs sehe ich dermaßen gerne live, weil es durch und durch sympathische Jungs sind, die ihr Handwerk einfach beherrschen.

Aber Thrash? Hm. Doch live passt es perfekt, die Death-Metal-Legenden aus Florida machen einmal mehr deutlich, warum sie seit Jahrzehnten als Übermacht auf der Bühne gelten.

Bereits beim instrumentalen Opener 'Redneck Stomp' bebt der Boden. Sänger John Tardy steht dann im Rampenlicht - verschwitzt, wild, aber mit einer fast freundschaftlichen Ausstrahlung. Wenn man ihn - wie auch den Rest der Band - zufällig mal unter den Haaren zu Gesicht bekommt.

Zwischen den Songs grinst er ins Publikum, bedankt sich immer wieder und wirkt so angenehm bodenständig, dass man ihn am liebsten direkt nach der Show auf ein Bier eingeladen hätte.

Musikalisch gibt es eine Reise durch alle Schaffensphasen: von 'Slowly We Rot' bis 'Cause Of Death', dazu das CELTIC-FROST-Cover 'Circle Of The Tyrants'. Besonders stark ist die Mischung aus brutalen Riffs, groovenden Midtempo-Passagen und der altbekannten und unverkennbaren OBITUARY-Aura: düster, aber trotzdem ansteckend lebendig.

Setliste OBITUARY: Redneck Stomp; Sentence Day; A Lesson In Vengeance; The Wrong Time; Infected; Body Bag; Dying; Cause Of Death; Circle Of The Tyrants; Chopped In Half / Turned Inside Out; I'm In Pain; Slowly We Rot

TESTAMENT - Der König im Ring

Spätestens jetzt ist klar, warum das Tour-Paket "Thrash Of The Titans" heißt. TESTAMENT tritt als Co-Headliner gemeinsam mit OBITUARY an - und macht sofort klar, wer den längsten Atem des Abends hat.

Die Band nutzt den Tourstart, um Material vom neuen Album "Para Bellum" zu präsentieren.

Songs wie 'Infanticide A.I.' oder 'Shadow People' fügen sich nahtlos neben Klassikern wie 'Practice What You Preach', 'Electric Crown' und das finale 'Into The Pit' ein. Das Publikum frisst der Band aus der Hand.

Frontmann Chuck Billy zeigt einmal mehr, warum er zu den charismatischsten Stimmen im Thrash zählt.

Mit seiner typischen Mischung aus kehligem Grollen und wuchtiger Körperlichkeit beherrscht er die Bühne wie ein Häuptling seinen Stamm.

Gitarrist Alex Skolnick setzt dazu seine Soli wie kleine Meisterwerke in Szene, technisch brillant, aber nie steril. Überhaupt an diesem Abend: durch die Bank brillante Musiker!

Das Licht ist bei TESTAMENT deutlich besser abgestimmt als zuvor. Ein Follow-Spot rückt die Musiker endlich ins Zentrum, sodass man nicht mehr nur Schatten in einer Nebelwand sieht.

TESTAMENT liefert ab - professionell, stark und mitreißend.

Setliste TESTAMENT: D.N.R.; WWIII; Practice What You Preach; Sins Of Omission; Native Blood; Trail Of Tears; Low; More Than Meets The Eye; First Strike Is Deadly; Infanticide A.I.; Shadow People; Return To Serenity; Electric Crown; Into The Pit

Laut, lauter, Longhorn!

Eines lässt sich allerdings nicht überhören: Die Lautstärke ist durchgehend brutal. Wer in den Spots der Hauptlautsprecher steht, dem scheppert es fast die Synapsen durch. 

Besonders bei TESTAMENT wirkt der Sound an manchen Stellen übersteuert, sodass Feinheiten verloren gehen. Trotzdem tut das der Wucht des Abends keinen Abbruch - Metal lebt nun einmal auch von der brachialen Welle, die einen überrollt.

Der Merch-Bereich sorgt für Staunen: Shirts für 35 €, Vinyls für 40 €. Preise, die mittlerweile wohl Standard sind, aber trotzdem weh tun. Persönlich schlage ich dennoch zu - eine signierte "Slowly We Rot - Live And Rotting"-Vinyl von OBITUARY für 40 €. Kein Schnäppchen, aber ein Souvenir mit Seele.

Das Album ist auch etwas Besonderes: "Live" eingespielt, während der Pandemie - somit ohne Publikum, aber die beeindruckende Tightness der Band perfekt eingefangen. Ich wünschte, es gäbe einfach noch viel mehr auf diese Art eingespielter Platten.

Fazit: Ein Abend wie ein Schlag ins Gesicht - aber einer, den ich gerne einstecke.

NERVOSA überrascht als hungriger Opener, DESTRUCTION gibt den verlässlichen Classic- Thrash-Motor, OBITUARY integriert sich perfekt durch Death-Gewalt mit Herz ins Lineup und TESTAMENT krönt das Ganze mit einer epischen Headliner-Show.

Natürlich ist nicht alles perfekt: das Licht lässt oft zu wünschen übrig, der Sound ist stellenweise jenseits der Schmerzgrenze, und ein, zwei Songs mehr bei den Openern hätten niemandem geschadet.

Doch in Summe ist "Thrash of the Titans" im LKA Longhorn ein Triumphzug der Extreme.

Für mich persönlich sind die Highlights NERVOSA - frisch, wild, gefährlich - und OBITUARY, die mit ihrer sympathischen Wucht einmal mehr zeigt, warum sie zur obersten Liga gehört.

Das schmälert aber keinesfalls die Shows von DESTRUCTION oder TESTAMENT. Der ganze Abend ist musikalisch durchweg gelungen! Am Ende steht nur ein Gedanke im Raum: Wer nicht dabei war, hat etwas verpasst.

Text uns Photo Credit: Marc Eggert

 


Redakteur:
Marc Eggert

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