SoulFly - Köln

16.03.2003 | 08:01

08.02.2003, Live Music Hall

Arschkalt war es an dem Weg zur Live Music Hall an dem Abend. Die Karten für das Konzert waren schon seit zwei Wochen ausverkauft, und immer wieder wurde man auf dem Weg angelabert, ob man nicht doch noch ein Ticket überhätte. Man kam sich fast vor wie auf Pilgerfahrt zu einer ausverkaufen Heiligenstätte. Nur, dass der Heilige sich seine Lorbeeren nicht mit Wohltaten an seinen Mitmenschen verdiente, sondern mit viel Krach, Wut und einem schön aufbereiteten Presseakt.
SOULFLY waren es, die in eben diese Konzerthalle riefen, um zu beweisen, dass sie ihr neuestes Release "3" auch wirklich live spielen könnten. Wie gesagt waren die Karten seit Wochen ausverkauft, und die traurigen Gestalten, die draußen saßen, hätten wohl niemals damit gerechnet, dass ein Konzert ihrer Lieblingsband ausverkauft sein könnte. Das nächste Wunder waren die Ticketpreise, die mit 23 Euro für eine einzige Band doch stark überzogen schienen, schließlich sind SOULFLY nicht die ROLLING STONES oder so. Im Netz tobte bereits die Diskussion über die Vorband, Namen wie ILL NINO, RAGING SPEEDHORN und sogar STONE SOUR wurden genannt. Als dann schließlich erst nach dem ersten Deutschlandgig herauskam, dass eine deutsche Truppe namens STRAIGHT die Neo Thrasher supporten würde, wusste erst mal keiner was damit anzufangen. Ein paar Demo-MP3s besserten die Lage nicht unbedingt, die hörten sich an wie ca. 10000 andere Neo Bands, die unbedingt genauso hart sein wollen wie SLIPKNOT. Ich hoffte, mich live von der Band überzeugen zu können. Aber selbst mit einer Undergroundband als Supporter waren die Ticketpreise definitiv zu teuer, zwei Jahre vorher hatte man für STATIC-X, MUDVAYNE, AMEN und SLIPKNOT in einem Konzert 50 Dehmark bezahlt. Komische Entwicklung.

Das erste Hindernis an der LMH war die zig Meter lange Schlange, die durch die lahmarschige Kontrollen vorne nur schlimmer wurde. Von denen gab es übrigens nur eine, aber drei oder vier wären wohl nötig gewesen. Als wir dann endlich nach einer Dreiviertelstunde, also 20.20 Uhr, drin waren und aus dem Biergarten in die Halle gelangten, erdrängelten wir uns in der stark gefüllten Halle einen Platz genau neben dem Mischpult, da man von dieser Position normalerweise den besten Sound im Ohr hat. Gespannt warteten wir auf STRAIGHT, dass vorne nur SOULFLY-typische Tribesymbole hingen, störte nicht weiter, wahrscheinlich wollte sich SOULFLY Aufbauzeit ersparen. Die Bühne war schmucklos gestaltet, nur drei SOULFLY-Flaggen zierten den Hintergrund aus Boxen und Verstärkern. Ein Blick zum Merchandisestand verriet, dass STRAIGHT tatsächlich mit von der Partie waren, da zumindest eine kleine Ecke mit den Shirts der Band versehen war. Die Preise waren natürlich von einem Wahnsinnigen ersonnen, wenn selbst eine Wollmütze von SOULFLY zwanzig Euro kosten sollte, musste jemand wohl kurz vor der Pleite stehen.
Ein Blick in die Menge zeigte, dass sich das Publikum stark gewandelt hatte, wäre früher das Publikum eines Max Cavalera durchgehend schwarz gewesen, war es jetzt so bunt wie das peinlichste Karibikhemd unseres Chefredakteurs. Von Menschen, denen man das Lieblingsgenre Alternative sofort ansah, wechselte es über Punks und Hard Core-Fans zu Cavaleratreuen Metalheads.

Endlich wurde das Licht runtergedimmt und das Intro abgespielt. Als ich bemerkte, dass das Intro ungewöhnlicherweise nach SOULFLY klang, wurde ich doch stutzig. Hatte man sich dazu entschieden, gar keine Vorband einzuspannen?
Und tatsächlich, erst traten Roy und Mikey auf die Bühne, danach kam Marcello dazu, und schließlich betrat auch der oft gerühmte Metalgott die Bretter: Max Cavalera.
Dieser begrüßte die anwesenden Pilgerer auch ganz nett und artig und begann alsbald mit seinem Set. "Downstroy" war der Opener des Konzerts sowie des letzten Albums "3". SOULFLY legten sich mächtig ins Zeug und zockten das Lied so hart wie möglich ab. Erste Soundprobleme taten sich auf, Max war von einer auf die andere Sekunde nicht mehr zu hören. Der Sound der restlichen Band war einwandfrei, Gitarren wie Drums oder Bass waren klar rauszuhören, obwohl der Sound tiefer gestimmt wurde und sich so alles manchmal zu einem unverständlichen Gerummel vermischten.
Die Setlist war natürlich Futter für den Moshpit, "Seek 'n Strike", SEPULTURA’s „Spit“ und ein Medley aus „JumpDaFuckUp“ und „Bring It“ kitzelten den Adrenalinspiegel nach oben. Ruhigere Stücke wie „Brasil“ oder „Tribe“ fanden ebenso ihren Platz im brasilianischen Hauptprogramm wie die Hammersongs „Propaganda“, „Last Of The Mohicans“ oder die Hymne „Roots Bloody Roots“.

Die Setlist war aber mit Ausnahmen das einzig gute an dem Konzert. Mir ist klar, dass die Live Music Hall Getränke verkaufen will, aber deswegen die Ventilation nicht voll aufzudrehen halt ich für arg übertrieben. Die Luft bestand nach nur fünfzehn Minuten so gut wie nur noch aus Schweiß und herumspringenden SOULFLY-Fans. Das Merchandise war dermaßen arg überteuert, dass man die Preise gar nicht fassen konnte, die einen da auf Papier entgegenglotzten. Ist SOULFLY mittlerweile ein Modetrend?

Zurück zur Bühne: Die Soundprobleme bekam man erst nach dem mittlerweile sechsten Song gelöst, passend zum danach folgenden Hammer „Propaganda“. Es folgten die besten 20 Minuten des Konzerts, welche sich ausschließlich auf den Moshpit konzentrierten, die Setlist spricht für sich. Bis auf ein paar Pennern, die den Moshpit mit einer Massenschlägerei verwechselten (und irgendwie auf keinem Konzert fehlen), war die Stimmung eigentlich perfekt, etliche sangen die Refrains mit oder versuchten es zumindest, man konnte Headbangen ohne sich an einem fremden Ellenbogen die Nase aufzuschlagen, und tollwütige Springkiddies, die einem den Rücken ramponierten, wurden schon nach zwei Songs in die hinteren Reihen verbannt. Recht angenehme Stimmung im Publikum also.
Von der Stimmung auf der Bühne bemerkte man quasi gar nichts. Max gröhlte zwar seine Aufforderungen(„Let’s fuck shit up! Come On! Get the fuck up!“), das war es dann aber auch von Seiten der Musiker. Man klampfte mehr gezwungen als munter das Set runter, wirbelte mit den Haaren und machte böse Mienen, aber einen Funken sah ich nirgends überspringen. Im letzten Drittel des Konzerts ließ die allgemeine Aufmerksamkeit nach, erste Diskussionen über das Konzert brachen aus.

Selbst der herbeigesehnte Percussionpart war mehr Schein als sein. Man bemerkte ihn nur nebenbei. Überzeugt von der Trommelleistung war quasi keiner, bis auf ein paar unbeirrbare, meist jüngere Fans, stand das Publikum still. Den Rest des Konzerts nahm man mehr mit Wohlwollen als Begeisterung wahr. „Back To The Primitive“, „Eye For An Eye“ und das grandios ausgespielte „The Prophet“ bildeten den Abschluss eines Konzerts, von dem keiner so recht wusste, was er davon halten sollte.
Viele zufriedene Gesichter, fast ebenso viele, die wenig überzeugt waren, und nur ein paar hellauf begeisterte sah man sich danach im Rockgarden der Live Music Hall tummeln.

Wie man später erfahren konnte, hatten SOULFLY doch eine Vorband, die nur viel zu früh angefangen hatte, als noch mehr als die Hälfte der Konzertbesucher draussen stand.
Im Fazit war das Konzert alles andere als das Wahre. Auch wenn Max sich immer noch nicht ohne SEPULTURA-Songs auf die Bühne traut, die Setlist war einzigartig! Eigentlich hätte es ein Wahnsinnskonzert werden können. Schlechte Organisation und die Lustlosigkeit der Band machten einem jedoch mit der eigenen guten Laune schwer zu schaffen, der Bühnenzauber der vergangenen Jahre war nirgends zu spüren. Die Band klampfte schnell ihr Set ab und verschwand dann auch wieder. Fast ebenso hielten es die Besucher. Man kam zum Konzert, guckte sich die Band an und verschwand dann auch wieder.

Mehr als einmal konnte man beim Verlassen der Konzerthalle den Satz „SEPULTURA sind live aber besser!“ vernehmen. Den Eindruck hatte ich das letzte Mal auch, als ich beide Bands innerhalb von einem Monat zu sehen bekam. Ob das immer noch so ist, wird sich bald zeigen, wenn die Uralt-Kombo aus Brasilien sich wieder vor deutschem Publikum die Gitarre in die Hand drückt und ihr neues Songmaterial präsentiert.

Nur eins ist klar: An die phänomenale Stimmung, die Max auf seinen SOULFLY-Alben verbreitet, kommt er live nicht einmal ansatzweise heran.

Setlist:

Downstroy
Seek `n Strike
Spit
Jumpdafuckup / Bring It
Brasil
Coackroaches
Propaganda
L.o.t.m
Tribe
Refuse / Resist
Territory
Roots Bloody Roots
The Song Remains Insane
Percussioneinlage
Back To The primitve
The Prophet
Eye For An Eye

Redakteur:
Michael Kulueke

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