Rock Hard Festival 2023: Der Bericht - Gelsenkirchen
04.06.2023 | 00:4026.05.2023, Amphitheater
Ein rundum geglücktes Pfingstwochenende
IRON FATE: 12:00 Uhr - 12:40 Uhr
Schon zu Beginn des dritten Tages ist das Rondell gut gefüllt, als IRON  FATE die heiligen Bretter betritt. Motiviert bis in die Haarspitzen ist  die Band allemal. IRON FATE ist so etwas wie die Band der Stunde, wenn  es um deutschen US-Metal geht. Ihr aktuelles Album "Crimson Messiah" ist extrem positiv in der True-Metal-/US-Metal-Szene angekommen. Mit  breiter Brust startet die aus Goslar stammende Band angespornt durch ein  motiviertes Publikum, das die Band im Laufe des Gigs mit Sprechchören  feiert. Kein Wunder, wenn man Hymnen wie 'Maleus Maleficarum' oder 'We  Rule The Night' (kein VIRGIN STEELE-Cover) im Gepäck hat. Dazu wird  immer mit dem Publikum gescherzt, was die Band natürlich sehr  sympathisch macht. Ein weiteres Highlight, nicht nur aufgrund des  abschließenden QUEENSRYCHE-Covers 'Walk In The Shadows', das natürlich  wie die Faust aufs Auge passt, da die Amerikaner omnipräsent im Sound  der Niedersachsen sind. Völlig zu Recht verbucht IRON FATE das Konzert  als Erfolg.
Ein wirklich schöner Tagesbeginn, von dem mir Maik, ein treuer Leser unseres Magazins, auch Stunden später noch berichtet. Auch wenn ich persönlich den Auftritt nicht gesehen habe, so höre ich doch an allen Ecken und Enden die Zuschauer im Verlauf des Tages über IRON FATE berichten. Jungs, ihr habt wohl einen mächtigen Eindruck in Gelsenkirchen hinterlassen!
UNDERTOW: 13:00 - 13:45 Uhr
UNDERTOW habe ich mal keck als Death Metal bezeichnet. Das ist  sicherlich richtig, aber die Band hat so viel mehr zu bieten. Stilgrenzen sind der Band fremd. So spielt UNDERTOW mit mächtig Spaß in den  Backen zum Tanz auf. Die Mischung aus Death Metal, Gothic Metal sowie  allerlei anderen Zutaten stimmt. Dabei feiert die Band heuer ihr   dreißigstes Dienstjubiläum und hat mit dem bärenstarken "Bipolar" eine sehr gute Scheibe mit dabei. Das Potpourri aus neuen und alten Songs kommt  beim Publikum gut an. Selbiges ist nicht ganz so zahlreich vor Ort wie  bei IRON FATE, aber dennoch bereit eine ordentliche Party zu feiern.  Quasi als Krönung wurde Gastsänger Björn Gooßes (THE VERY END) auf die  Bühne geholt um einen Song mit der Band zu zelebrieren. Das ist  sympathisch und macht Sinn. Dazu animiert UNDERTOW das Publikum immer  wieder mit lockeren Sprüchen und fühlt sich auf dem "Rock Hard"-Festival  sichtlich wohl. Der Fauxpas, dass die Band warmes Bühnenbier hat, ist  hier verzeihlich.  Starker Gig zu ebenso früher wie unchristlicher Zeit.
WUCAN: 14:10 Uhr - 15:00 Uhr
Wow, das ist eine Überraschung, die sich gewaschen hat! Retro-Sounds  sind vor allem zur Mittagszeit auf dem "Rock Hard"-Festival ohnehin ein  gern gesehener Gast und mit welchem Esprit, Schwung und Glanz die  Dresdner von WUCAN ihren mit  Flötenklängen durchfluteten Heavy Rock in Gelsenkirchen abfeuern, ist  aller Ehren wert! Frontfrau Francis und ihre Mannen haben ab der ersten  Minute eine tolle Magie und wenn auch das Publikum noch ein wenig träge  wirkt, ist auf den Rängen eine tolle Atmosphäre zu spüren. Irgendwo  zwischen JETHRO TULL, KADAVAR, H.E.A.T. und BOSTON umherrockend, holt  mich der Mix aus Classic-, Psychedelic- und Hard Rock ab dem ersten  'Kill The King'-Ton ab. Ein perfekter Soundtrack bei diesen  Temperaturen, mit einem drastisch schmelzenden Calippo Cola in den Händen  und dem ersten dicken Sonnenbrand in diesem Jahr auf dem Schädel. Es  folgen mit 'Fette Deutsche' – ich fühle mich einmal nicht angesprochen  –, 'Far And Beyond' und 'Don't Break The Oath' weitere  Retro-Querverweise, die mit einer unheimlich großen Spiel- und  Lebensfreude dargeboten werden. Vor allem die Sängerin verzaubert mit  ihrem Charisma das Amphitheater bis zum 'Physical Boundaries'-Abschluss,  sodass von Minute zu Minute die Zuschauer neugieriger werden und sich  auch zum illustren Mitklatschen bewegen lassen. WUCAN hat eine tolle  Ausstrahlung und etwas sehr Eigenständiges und Frisches an sich, das auf  Platte zumindest nicht derart zum Vorschein kommt. Doch was mich auf  "Heretic Tongues" nahezu kaum gefesselt hat, packt mich hier und heute  ziemlich am Schlafittchen und lässt mich wie in Trance die weiteren  Bands genießen.
LEGION OF THE DAMNED: 15:25 Uhr - 16:20 Uhr
Oh, am dritten Tag brauche ich etwas länger, um in diesen zu kommen.  Auch nach gefühlten zwei Litern Kaffee wollen die müden Knochen noch  nicht so richtig ins Schwingen kommen. Die Nachwehen der unverhofften  Meisterfeier, der Albtraum mit TESTAMENT und der verdiente Siegeszug von  NESTOR mit Standing Ovations in der nächtlichen Bar sind noch zu stark. Musikalisch startet der Tag sogar überraschend gut: IRON FATE "queensrycht" sehr ordentlich, UNDERTOW walzt alles nieder und WUCAN  verzaubert, doch es muss wohl erst eine richtige Thrashkeule her, um  mich wieder auf das Gleis zu bringen. Und LEGION OF THE DAMNED gibt  alles. In der sengenden Nachmittagssonne starten die Holländer mit  'Legion Of The Damned' fulminant in ihr Set. Es fällt sofort auf: Die  Gitarren sind da! Fast schon etwas zu laut krachen die Klampfen aus den  Boxen, was mein geschundenes Bay-Area-Herz noch einmal vor Freude hüpfen  lässt und gleichzeitig zum Weinen bringt. Leidtragender davon ist  Schreihals Maurice Swinkels, der das gesamte Set über gegen diese  mächtige Gitarrenwand anbrüllen muss und nicht selten leider den  Kürzeren zieht. Dieses Los sollte an diesem Tag aber nicht nur dieses  Quintett ereilen. Mit großer Spielfreude riffen sich die Herrschaften  durch einen temporeichen Auftritt, der mit unter anderem 'Beheading Of  The Godhead', 'Palace Of Sin', 'Undead Stillborn' oder auch 'Feel The  Blade' allesamt Kracher bereit hält, mit denen die Band nicht wirklich  was falsch machen kann. Außer vielleicht der Tatsache, dass man zu viele  Einspieler nutzt und damit ständig den Fluss des Vortrags unterbricht.  Ich bin durchaus ein Freund von atmosphärischen Zwischenspielen, die  auch ein wenig die Stimmung auflockern, doch LEGION nutzt davon an  diesem Tag einfach zu viele. Wir reden hier nur über ein kleines  G'schmäckle, denn alles in allem liefern die fünf Jungs eine souveräne  Show ab. Diese wird vielleicht nicht unbedingt als eine der  spektakulärsten an diesem Wochenende in die Annalen eingehen, hat aber  das Desaster vom Vorabend (fast) vergessen gemacht. Außerdem spendieren  sie uns mit 'Contamination' und 'The Poison Chalice' gleich zwei starke  Appetithäppchen vom kommenden Album. Chapeau! Und, ach ja: Ich bin wach.
ENFORCER: 16:45 Uhr - 17:45 Uhr
Nachdem die neue Scheibe von ENFORCER nicht überall euphorisch aufgenommen wurde, war ich gespannt, wie sich  das "Nostalgia"-Material im Livegewand präsentieren würde. Allerdings  scheinen die Schweden, die bei anhaltend großartigem Wetter die Bühne  entern, heute keine große Lust auf Experimente zu haben, so dass man bis  nach dem stampfenden Quasi-Titeltrack des "Zenith"-Albums ('Zenith Of  The Black Sun') warten muss, bis das wirklich tolle 'Coming Alive' von  der neuen Platte durch die Lautsprecher dröhnt und sich perfekt in den  Set einfügt. Ansonsten pflügt man einmal quer durch die Alben, haut aber  mit dem Eröffnungs-Triple 'Destroyer', 'Undying Evil' und 'From Beyond'  gleich drei Tracks des "From Beyond"-Albums hintereinander raus. Olof  und seine Bandkumpane haben dabei richtig Bock und posen ein ums andere  Mal um die Wette. Auch wenn nicht alles perfekt ist (vor allem der  Sound nicht: Hat der TESTAMENT-Soundmann etwa eine Nebentätigkeit  angemeldet?) und Olofs Stimme nicht immer mit den ganz Großen mithalten  kann: Der Auftritt macht Spaß und mit dem abschließenden Knaller-Doppel  'Katana' und 'Midnight Vice' hat man sich den Höhepunkt bis zum Schluss  aufgehoben.
TANKARD: 18:10 Uhr - 19:15 Uhr
TANKARD überzeugt ab der ersten  Minute! In herrlichstem Sonnenschein schenken uns Gerre und Co. ein und  kredenzen ein buntes Feuerwerk bestehend aus alten Brechern und  Nackenbrechern neueren Datums. Was sich aber über all die Jahre und  Auftritte der Frankfurter auf dem "Rock Hard"-Festival – immerhin sind es  vier an der Zahl – niemals geändert hat, ist die Laune, mit der das Quartett  Infernale den Bier- und Thrash-Metal-Durst der Anwesenden löscht. Da  passt der "Kings Of Beer"-Banner genauso gut wie mit 'Rectifier', dem  Moshpit-Monster 'The Morning After' und dem brandneuen 'Ex-Fluencer'-Smasher der Auftakt nach Maß. Die Becher fliegen, die  Sonne knallt, die Köpfe headbangen, die Hände klatschen und weiter quer  durch die Diskografie mit 'Rapid Fire (A Tyrant's Elegy)', der  Augenzwinker-Tanznummer 'Rules For Fools' und 'One Foot In The Grave',  ehe 'Octane Warriors' auch die sträflich unterbewertete "Thirst" ins  Visier nimmt. Dass unser Iron-Man Andy ähnlich wie Springinsfeld Gerre  und der ewige Frank genauso viel Spaß am Auftritt hat wie der sehr gut  eingestimmte Olaf, steht auch beim Old-School-Doppelpack 'Chemical  Invasion'/'Zombie Attack' außer Frage. Einen kleinen Gruß an die Dame in  der ersten Reihe hat Gerre mit 'A Girl Called Cerveza' im Gepäck, ehe  beim obligatorischen '(Empty) Tankard'-Abschluss Thrash-Metal-Queen  Sabina mit auf die Bühne kommt und sich vom "Rock Hard"-Publikum nochmal  feiern lässt. Na, da hat sich das 30 Jahre lange Herumbaggern an der  HOLY MOSES-Frontfrau doch gelohnt, nicht wahr, Gerre? Ein geiler  Auftritt neigt sich schneller als erhofft dem Ende, doch die Freude ob  der TANKARDschen Vollbedienung ist jedem Anwesenden anzumerken, auch  wenn 'Die With A Beer In Your Hand' sträflich vermisst wurde.
KATATONIA: 19:45 Uhr - 21:00 Uhr
Proggige und melancholische Heavy-Töne wie vom heutigen Co-Headliner hat  man im diesjährigen Billing bisher vergebens gesucht. Doch nun betreten  bei noch immer prallem Sonnenschein und warmen Temperaturen die  Großmeister aus Schweden die Bühne. Erst vor wenigen Monaten  veröffentlichte KATATONIA mit  "Sky Void Of Stars" einmal mehr einen emotionalen Meilenstein mit  bittersüßen Melodien, einer wunderbaren Aura und Songs, die unter die  Haut gehen. Dass es an der passenden Atmosphäre an diesem Sonntagabend  hapert, liegt sicherlich zum einen an der ausbleibenden Dunkelheit, bei  der KATATONIA-Songs schlichtweg am besten rüberkommen, zum anderen auch  an der doch ungünstigeren Positionierung zwischen feinstem  TANKARD-Abriss und der Aufbruchstimmung bei der Gruppe um MICHAEL  SCHENKER. In den ersten Reihen werden die Fans vom beginnenden  'Austerity' an in einen Sog aus Melancholie, Wucht und Melodie gezogen,  während sich die hinteren Reihen gemütlich zurücklehnen, an ihrem Bier  nuckeln oder die letzten Einkäufe auf dem Metalmarkt tätigen. Am  Auftritt, engagiert, eindringlich und emotional wie eh und je, sowie an  der Songauswahl der Schweden gibt es derweil nichts zu meckern. So geben  sich neben neuesten Herzenswärmern wie 'Birds', 'Opaline' und 'Colossal  Shade', die sehr gut ankommen, auch die obligatorischen Hits der Marke  'My Twin', 'Forsaker' und 'Lethean' die Ehre. Auch Lord Seth ist gut bei  Stimme, während seine Instrumentalmannschaft allerdings ein wenig  zurückhaltend agiert. Während also vor der Bühne die  progressiv-melancholische Heaviness ausbricht, herrscht bis zum finalen  'Evidence' auf den Rängen des Amphitheaters ein wenig Tristesse ob des  ausbleibenden Funkens, der von der Ferne in herrlichstem Sonnenschein  partout nicht überspringen mag. Ein schöner Kontrast zum doch  sehr thrashlastigen Billing sind die eher sanfteren Töne KATATONIAs  dennoch.
MICHAEL SCHENKER GROUP: 21:30 Uhr - 23:00 Uhr
Wie man es als Headliner richtig macht, zeigt uns an diesem Abend Michael Schenker und seine Band MSG.  Ein puristisches Bühnenbild mit kleinem Banner, zwei Stehbanner, eine  normale Lichtshow und guter Sound, mehr braucht man nicht, um einen  perfekten Schlusspunkt unter ein famoses Wochenende zu setzen. Und vor  allem lenkt somit auch nichts von Meister Schenker ab, der eine  grandiose Band samt dem unfassbar guten Sänger Ronnie Romero, der bereits  bei der Reunion von RAINBOW punkten konnte, am Start hat und genau weiß,  welche Möglichkeiten er hat, um die Meute zu begeistern. Denn im  Gegensatz zu so vielen anderen Wundergitarristen kann der manchmal etwas  spleenig wirkende Meister (die wenigen Ansagen von ihm macht er auf  englisch) nicht nur die Skalen rauf und runter klettern, sondern eben  auch Songs für die Ewigkeit schreiben. Sei es zu seiner Zeit mit UFO,  von denen die üblichen Verdächtigen natürlich ebenso wenig fehlen dürfen  ('Doctor Doctor', das grandiose 'Lights Out', 'Rock Bottom', 'Too Hot  To Handle' und das abschließende 'Only You Can Rock Me') wie das eigene  Songmaterial aus dem langjährigen Schaffen. Hierbei greift man ebenso  auf alte Songs der Marke 'Assault Attack' zurück wie auch auf neue  Tracks wie den Double Bass-Kracher 'We Are The Voice'. Natürlich klingen  diese anders als das UFO-Material, dennoch fügt sich alles wunderbar zu  einem großen Ganzen zusammen. Und was Michael Schenker, der extrem  songdienlich spielt, in den Soloparts runterreißt, ist eh nicht von  dieser Welt; siehe das ausufernde Solo bei 'Rock Bottom'. Bei 'Too Hot  To Handle' darf dann sogar Gitarrist/Keyboarder Steve Mann dem Chef für  einen Solopart die Show stehlen, bevor die Band mit 'Only You Can Rock  Me' das Wochenende mit dem Tagessieg ausklingen lässt. 
[Michael Meyer]
Das war's mit dem "Rock Hard"-Festival in diesem Jahr. Wir hoffen, ihr hattet genauso viel Freude wie wir, habt euch brav mit Sonnencreme eingeschmiert und die Tage genossen! Wir sehen uns 2024. Cheers!
- Redakteur:
 - Marcel Rapp
 
	





